WATCHTOWER
beim
"Bang Your Head!!!"-Festival 2000
Balingen, Messegelände
01.07.2000
Darauf mußten die europäischen Frickelanbeter 15 Jahre warten! Die texanische Progressive-Legende WATCHTOWER betrat erstmalig mit Originalshouter Jason Mc Master eine hiesige Bühne!
Wie oft wurden Spekulationen über eine mögliche Reunion in den letzten Jahren laut? Und gerade die Interviews und Berichte der letzten Monate und die darin geäußerten Ansichten einzelner Musiker schienen diese Möglichkeit eher ins Reich der Unwahrscheinlichkeit zu verbannen. Zu sehr schienen sie in individuelle Projekte verstrickt zu sein, zu unterschiedlich ihre Meinung über zukünftiges WATCHTOWER-Material. Während die Rhythmussektion Keyser/Colaluca bei dem ominösen Funkprojekt RETARTED ELF seine Brötchen verdiente, schraubte Ron fröhlich mit SPASTIC INK an WATCHTOWER-kompatiblen Songs herum. Erster Hoffnungsschimmer war der Beitrag auf dem letztjährigen ACCEPT-Tribute, wo die Jungs mit Jason ›Run If You Can‹ intonierten. Und nun sollte das Unmögliche möglich werden - WATCHTOWER, die ja bereits mit Alan Tecchio anno 1990 denkwürdige Shows in unseren Breitengraden absolvierten, sollten tatsächlich nach zehn Jahren nochmals auf einer deutschen Bühne stehen. Ob das gut werden konnte? Potenzierte sich meine Erwartungshaltung insgeheim ins Unermeßliche, so kamen mir doch bei nüchterner Betrachtung erhebliche Zweifel, ob sie die Kombination aus musikalischer Akrobatik und spontan spielfreudigem Entertaining wiederholen konnten.
Was soll ich noch lange um den heißen Brei herumreden? Sie konnten! Nachdem Schmier die Jungs gebührend angekündigt hatte, fegten sie mit ›Asylum‹ vom 15 Jahre alten Debut »Energetic Disassembly« dermaßen brachial über die riesige Bühne, daß mir erst mal schwindelig wurde. Meine kühnsten Erwartungen wurden übertroffen! In wilder Hektik hin und her laufend füllten die drei Frontmänner diese Riesenbühne weitaus effektiver aus als z.B. JACOBS DREAM, die mit immerhin drei Axtschwingern erhebliche Mühe hatten, optisch überzeugend rüberzukommen. Und genau das unterscheidet die Musiker von WATCHTOWER von allen (!!!) anderen Bands dieses Universums - man hat den Eindruck sie durchleben ihre unentspannten Songs mit jeder Faser ihres Körpers. Völlig gleichgültig, ob man gerade wahnwitzige Riffattacken aufs völlig ausrastende Publikum losläßt oder frickelt bis die Finger scheinbar gelenklos übers Griffbrett flattern: Die Jungs stehen zu keiner Sekunde still, stolpern übereinander (und spielen weiter...) und rempeln sich um. Die Frage, warum Mister Jarzombek wieder mit Knieschonern auftrat, hatte sich nach wenigen MInuten von selbst beantwortet. Welcher Gitarrist rennt während seines Soloparts zum Bühnenrand und fällt dann rückwärts um, als hätte man ihm die Beine weggezogen? Doug Keyser erwies neben musikalischer Progressivität auch modische Gewagtheit und turnte in einem giftgrünen Einteiler samt gleichfarbiger Kopfbedeckung über die Bretter - quasi Quax, der Bruchpilot mit weißen Bommeln. Ohne Worte. Wie auch seine Grimassen. Ergo, die Jungs schienen mindestens so viel Spass zu haben, wie das Publikum, und präsentierten sich als intakte Band, von der wir eventuell in Bälde wieder etwas mehr hören werden.
Ach ja, wer jetzt eine Playlist vermisst... Ist es nicht völlig gleichgültig welche Songs die Jungs gespielt haben? Na gut, der Vollständigkeit halber: ›Social Fears‹, ›Tyrants In Distress‹, ›Instruments Of Random Murder‹, ›The Eldritch‹, die beiden Titeltracks, die abschließende Thrashattacke ›Meltdown‹ sowie das beste Progressivmetalstück ever ›The Fall Of Reason‹. Jason Mc Master ist ein dermaßen mitreißender Frontmann, daß selbst ich Alan Tecchio völlig vergessen habe. Die großen Shows mit DANGEROUS TOYS dürften nicht ganz unschuldig an seinen Entertainingqualitäten sein und seine gesanglichen Fähigkeiten stehen eh' nicht zur Diskussion. Leider etwas im Hintergrund verschwindet (natürlich) Rick Colaluca, der kleine Mann mit dem Taktgefühl eines Octopusses. Was man beim einfachen Hören der Scheiben schon kaum glauben mag, wird live unter Beweis gestellt: Dieses Schlagzeugspiel ist nicht von dieser Welt. Wie der ganze Auftritt!
Bestes Konzert der letzten Jahre!!! Basta.
Photos: Stefan Glas
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