DREAM THEATER
PAIN OF SALVATION
Böblingen, Sporthalle
08.02.2002
Nach mehreren Livekonserven in verschiedenen Formen stand bei DREAM THEATER endlich wieder eine Tour an und man mußte hoffen, daß die New Yorker möglichst tief in die Tickkiste greifen würden, da ihr Neuling »Six Degrees Of Inner Turbulence« nicht ansatzweise am Sockel des Vorgängers »Scenes From A Memory« kratzen konnte, mit dem man wieder Tuchfühlung zu alten Meisterleistungen aufgenommen hatte.
Dies verband den Headliner mit seiner Vorgruppe, denn auch PAIN OF SALVATION konnten mit ihrem neuen Album »Remedy Lane« nicht im gleichen Maße überzeugen wie mit dem Vorläufer »The Perfect Element Pt. 1«. Dennoch konnte man das Böblingen Publikum durchaus in seinen Bann ziehen; zwar bevorzugte das Publikum während der Stücke eher versonnenes Schweigen, vergaß jedoch nicht, nach den Songs kräftig zu applaudieren. Weniger gut waren jedoch die äußeren Umstände für PAIN OF SALVATION: Abgesehen davon, daß der Sound anfangs miserabel war und der Knöpfchenschieber einige Minute brauchte, um Ordnung in das Klangchaos zu bringen, hatte die Hauptband ihrem special guest gerade mal drei blaue Funzeln von hinten sowie etwas Schummerlicht von vorne gestiftet. Dies ließ zwar PAIN OF SALVATION mehr oder minder im Dunkeln stehen, warf aber um so mehr ein ungutes Licht auf den Gastgeber. Davon ließen sich die Schweden aber die Laune nicht verderben und Gitarrist Johan Hallgren bewegte seine Dreadlocks gelegentlich gar mit hardcoremäßigen Sprüngen und Ausfallschritten über die Bühne, während Bassist Kristoffer Gildenlöw ein Stofftier an einer Schnur befestigte und an den Lichttraversen auf- und abzog. Auf jeden Fall darf angenommen werden, daß PAIN OF SALVATION auf der Tour einige Freunde hinzugewinnen konnten.
Für Bestürzung sorgten die unverschämten Merchandisepreise: Da hatte man das Prinzip bei der Euro-Umstellung wohl nicht kapiert und das "DM" einfach durch ein "€"-Symbol ausgetauscht, so daß man für ein stinknormales Shirt 30 Euro, ein poppig-buntes Batikshirt 40 Euro und für einen Kapuzenpulli unglaubliche 80 Euro abdrücken mußte. Fanfreundliches Verhalten sieht anders aus... Kaum verwunderlich, daß nach der Show am Merch-Stand gähnende Leere herrschte, während es vor der Halle bei den Bootlegern wie im Taubenschlag zuging. Doch nicht nur die Fans sondern auch die Presse wurde reichlich seltsam behandelt: Es sollte sich herausstellen, daß es gut war, daß ROCK HARD-Kumpel Breuschl anwesend war, denn meine Wenigkeit wurde nach dem Ausüben meiner Tätigkeit als Photograph auf Geheiß des Managements von der Security zusammen im Pulk mit allen anderen Knipsern "abgeführt" und dazu gezwungen, seine Kameraausrüstung entweder zum Auto zurückzubringen oder an der Garderobe abzugeben.
Währenddessen mußte Breuschl einige Minuten lang allein verfolgen wie DREAM THEATER eine grandiose instrumentale Präsentation verbunden mit einem bewegungsarmen Stageacting absolvierten, was bei den Traumtänzern allerdings noch nie gestört hat. Zwar hatte Portnoy gerade zusammen mit TRANSATLANTIC bewiesen, daß man herausragende musikalische Fähigkeiten sehr viel emotionaler vortragen kann, aber das wirkliche Problem des Abends stand hinter dem Mikro. Weniger relevant ist dabei die Metamorphose, die James La Brie durchlaufen hat und daß der Mann, der auf den ersten Touren sich im Rüschenhemd wie eine Ballerina über die Bühne bewegt hatte, nun mit einem T-Shirt mit Rotem Stern sowie Hammer und Sichel erschien. Viel mehr schmerzte die Frage, wo nur der LaBrie geblieben ist, der früher jede Zeile perfekt sang und an diesem Abend nahezu bei jedem Song Singen mit Schreien verwechselte. Wie er die alten Perlen ›The Killing Hand‹ und ›Lifting Shadows Off A Dream‹ verunstaltete, trieb uns beiden die Tränen in die Augen.
Dennoch gelang es DREAM THEATER einen versöhnlichen Ausklang in Form des Zugabeteils zu schaffen, indem man belegte, wozu die Band fähig ist: Mit ›Scarred‹, ›The Spirit Carries On‹ und ›Pull Me Under‹ spielte man drei seiner besten Songs und LaBrie bewies bei ›The Spirit Carries On‹, der traumhaften Ballade von »Scenes From A Memory«, daß er seine Sangeskunst noch nicht verlernt hat. Daran sollte man in Zukunft anknüpfen, denn bei diesem Auftritt bewegten sich DREAM THEATER über weite Strecken in einer Sackgasse.
Photos: Stefan Glas
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