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DEEP PURPLE – Graz 1975
E·A·R MUSIC/EDEL
DEEP PURPLE kurz vor ihrem Ende. Zumindest mit der "Mark III"-Besetzung. Und somit eigentlich auch ganz allgemein, denn die "Mark IV"-Besetzung mit Tommy Bolin anstelle von Ritchie Blackmore an der Gitarre sollte nicht wirklich aus den Startblöcken kommen, was sicher auch an den Drogenexzessen von Glenn Hughes und dem Neuling lag, so daß die verbliebenen Urmitglieder die Band im März 1976 auflösten.
Da Ritchie kurz zuvor dem Management gegenüber schon eröffnet hatte, daß er DEEP PURPLE verlassen werde, um stattdessen mit einem kleinen Mann namens Ronnie James Dio gemeinsame Sache unter dem Regenbogen zu machen, schickte man im April 1975 kurzerhand das "Rolling Stones Mobile Studio" los, um die letzten drei Konzerte der Europatour mitzuschneiden. Diese letzten drei Shows der "Mark III"-Ära fanden in Graz, Saarbrücken und Paris statt. Aus den Aufnahmen wurde nach der Auflösung der Band das Livealbum »Made In Europe« zusammengeschnitten. Die nun veröffentlichte »Graz 1975« enthält den kompletten Hauptset des Abends, aber nicht die komplette Show, denn der Zugabeteil fehlt - zumindest auf der Vorab-Presse-CD.
Wer sich noch exzessiver in die Details rund um diese Aufnahmen reinlesen möchte, findet im Blog unseres ehemaligen Mitarbeiters Andreas Thul eine sehr ausführliche, leider nur auf Englisch verfügbare Schilderung der Umstände kurz vor dem Zusammenbruch von DEEP PURPLE "Mark III":
http://blog.thul.org/musik/cds/deep-purple-graz-1975/
Doch letzten Endes ist es nicht bedauerlich, daß dieser Silberling nicht noch mehr Musik enthält, braucht man nicht zu bedauern, denn die Band war - zumindest an diesem Abend - in einem desaströsen Zustand. Alles wirkt lustlos runtergespielt - bestenfalls Pflichterfüllung auf unterstem Level, Inspiration Fehlanzeige. Welche Motivation die Band hatte, sieht man an den extrem maulfaulen Ansagen der beiden singenden Herren David Coverdale und Glenn Hughes. Nicht nur weil Glenn uns seine damaligen Kosumgewohnheiten in seiner Autobiographie dargelegt hat, man spürt förmlich, wie Glenn das abgehobene Rockstar-Arschloch markiert, das auf einem weißen Slalom-Parcours über den Wolken schwebt.
Zudem war das Hauptanliegen der Band ganz offensichtlich, das noch aktuelle Album »Stormbringer« zu promoten. Leider sprechen wir hier von einem Album, auf dem außer dem Titeltrack kaum ein Song erwähnenswert war. Daß die Band dann allerdings solche Ausschußware wie ›The Gypsy‹ ins Programm wuchtete, die selbst kaum eine der vielen heute existenten DEEP PURPLE-Coverbands auch nur mit der Kneifzange anrühren dürfte, spricht Bände. Die Fähigkeit zur kritischen Selbsteinschätzung war seinerzeit bei DEEP PURPLE wohl schon auf der Strecke geblieben.
Doch der absolute Tiefpunkt sind sämtliche "Mark II"-Songs, die dermaßen grauenhaft gesungen werden, daß es einer Schändung dieser Heiligtümer gleichkommt. Wenn die beiden Sänger dann noch zweistimmig gegeneinander singen (Nein, hier gibt es definitiv kein Miteinander!), wird der Ohrenschmerz unerträglich. Als die Band dann im Improvisationspart von ›Space Truckin'‹ kurz ›Child In Time‹ anspielt, setzte zumindest bei mir eine massive Panikattacke ein, aus Angst, die beiden Stimmakrobaten könnten sich nun an Ian Gillans stimmlicher Höchstleistung von einst versuchen. Doch schon wenn man das massakrierte ›Smoke On The Water‹ hört, versteht man, warum das oben erwähnte »Made In Europe«-Album im Gegensatz zu seinem Livevorgänger »Made In Japan« kein Doppelalbum wurde und auch nur Songs der "Mark III"-Ära enthält.
Kurz: Wenn man diese Aufnahmen hört, kann man einfach nicht glauben, daß eine Band gleichen Namens nur etwa drei Jahre zuvor noch auf absolutem Weltniveau agiert hatte. Zudem wird die manchmal provozierte Diskussion, welche der frühen PURPLE-Inkarnationen denn die stärkste gewesen sei, hier eindeutig beantwortet: Hätte nämlich die "Mark III"-Besetzung nicht in Form von »Burn« ein exzellentes Album geschaffen, dann wäre ihnen nämlich die "Mark I"-Besetzung locker davongezogen. Daß die "Mark II"-Ära um Lichtjahre voraus ist, steht freilich komplett außer Frage.
»Graz 1975« ist somit lediglich für PURPLE-Allesammler interessant. Um die Band in besserer Verfassung zu erleben, gibt es wahrlich genügend andere Möglichkeiten. Als historisches Dokument taugt »Graz 1975« aufgrund seines unvollständigen Zustandes leider auch nicht.
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