UNDERGROUND EMPIRE the ONLINE EMPIRE-Titel
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”UNDERGROUND EMPIRE 1”-Datasheet

Contents:  Eröffnung-"Die Sagen von Dawnia"-Kapitel

Date:  1988/'89 (created), 05.03.2002 (revisited), 22.01.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 1

Status:  published

Task:  from paper to screen

Availability:  original printed issue sold out! Several later issues still available; find details here!

Comment:

Das erste Kapitel der "Sagen von Dawnia" war die letzte "Story" in UNDERGROUND EMPIRE 1.

Heute, nach dem Erfolg der Kinoadaption von "Der Herr der Ringe", wären wir damit voll im Trend, denn Heinz-Günters Werk spielt offenkundig in der Welt, die J.R.R. Tolkien ersonnen hat. Höchst lesenswert war die Geschichte auch schon vor über zehn Jahren.

Supervisor:  Stefan Glas

 
 

Titel: Die Sagen von Dawnia

Die riesige Festung erhob sich finster über dem Hodru Paß. Sie war aus massivem Fels herausgemeißelt worden, nur einige Türme hatte man aus behauenen Steinen gegen den Himmel gebaut. Erhaben herrschten die Gemäuer über den Paß und den dunklen Wald, der sich über das gesamte Grenzgebiet im Westen von Fleretia erstreckte. Selbst an hellen Tagen drang nur wenig Licht durch das dichte Geäst der Bäume, die oft über hundert Fuß in die Höhe wuchsen. Bei Nacht sah man in diesem Wald kaum noch die Hand vor den Augen und so kam es, daß nur noch sehr wenige den uralten Weg benutzten.

Fasziniert sah die winzige Person den Felsen hinauf - zur Burg der Druiden. Schon hundert Mal hatte er die alten Geschichten gehört; die Sage von den Druiden war im ganzen Zwergenland bekannt, aber trotzdem beschlich Emra immer wieder ein beklemmendes Gefühl, wenn er diese Gemäuer sah.

"Wie alt mögen die wohl sein?" dachte er.

Im ganzen Dorf weiß niemand vor wievielen Jahren zum letzten Mal an der Burg gebaut wurde, noch, ob sie überhaupt bewohnt ist. Man erzählt sich, daß sie durch die Zauberkraft der weißen Magier errichtet wurde und vor Zeiten als ihr Zufluchtsort diente. Doch in den letzten hundert Jahren hatte niemand mehr einen Angehörigen dieses Ordens getroffen.

Langsam brach die Dämmerung über Dawnia herein, die schwarzen Umrisse der Festung wurden von der untergehenden Sonne rot angestrahlt und erhoben sich gespenstig vom dunklen Himmel ab. Emra zog seinen Umhang fester zu und stapfte etwas schneller, um noch vor Einbruch der völligen Dunkelheit den Paß verlassen zu haben. Nicht, daß er Angst hatte, denn Zwerge haben keine Angst, aber obwohl er den Paß schon einige Male bei Nacht passiert hatte und die Gegend kannte, war heute irgend etwas anders. Er blieb kurz stehen und wandte sich um. Aufmerksam suchte der Zwerg die Umgebung nach einer Gefahr ab, aber trotz seiner Fähigkeit auch nachts noch ganz gut sehen zu können, erblickte er nichts beunruhigendes.

Er trottete weiter, doch sein Gefühl sagte ihm, daß irgendetwas in der Luft lag, und so beschleunigte er seinen Schritt.

"Noch fünftausend Schritte bis zur Ebene!" dachte Emra und schlug eine noch schnellere Gangart an. Wieder sah er sich um und obwohl er nichts sah, wußte er daß etwas geschehen war.

Emra hatte die Burg schon weit hinter sich gelassen und sah schon den Ausgang des Passes. Die Dunkelheit war nun fast undurchdringlich, so daß der Zwerg nur noch undeutlich sehen konnte wohin er lief, daher drosselte Emra seine Geschwindigkeit wieder, auf daß er nicht den Weg verfehle. Das einzige Licht, das Emra leuchtete, war die schmale Sichel des Mondes, der vor ihm zwischen den Steilhängen des Passes schien und ein klein wenig fahles Licht abgab.

Je näher die Ebene kam, desto ruhiger wurde Emra. Der Ausgang des Passes war immer von einigen Zwergen bewacht, bei denen er im Notfall Hilfe und Schutz finden konnte. Nun waren es noch etwa eintausendfünfhundert Schritte bis zum Ende der Schlucht und Emra schritt wieder gemächlich dahin. Als er an die gemütliche Halle der Wächter dachte, huschte ein kleines Lächeln über sein rundes wettergegerbtes Gesicht. Er dachte an ein kräftigendes Mahl und an ein warmes Lager für die Nacht. Bestimmt waren die Wächter an seinen neuen Geschichten interessiert, die er aus Etridia mitgebracht hatte. Als Abgesandter seines Vaters, einem einflußreichen Zwerg in Doomsda, einem Vorort der Hauptstadt Fleretia, mußte er den Hobbits Pläne für Höhlenkonstruktionen überbringen, die diese für eine unterirdische Halle benötigten. Die Zwerge waren bekannt für ihr technisches Talent und ihre fast genialen Höhlen, die scheinbar mühelos und voller Anmut in die Berge getrieben wurden. Eine solche Baukunst war einmalig in Dawnia, und so verdienten die Zwerge auch ziemlich gut am Verkauf von Plänen. Auch die geschickten Handwerker ausdem Zwergenvolk, die selbst die kompliziertesten Arbeiten erledigten, waren in ganz Mittelerde gefragt.

Doch auch Emra hatte ein gutes Geschäft gemacht: Für die Pläne der Vorratshalle hatte er ein Säckchen voller Edelsteine erhalten, die in den herrlichsten Farben schimmerten und mit Sicherheit Meisterwerke der alten Noldor waren. Außerdem hatte er noch ganz billig einige Abschriften alter Dokumente ergattern können. Er wahr stolz, im Besitz dieser Bücher zu sein, denn die Hobbits waren ganz hervorragende Geschichtsschreiber, die ihre Erfahrungen jedoch nur selten in Büchern niederschrieben.

Froh über sein Geschäft lächelte er den Mond an, der ihm nun in der grünen Dunkelheit des Waldes den Weg leuchtete. Er dachte an zu Hause.

 

Schon toll, unsere unterirdischen Städte! Die vielen Gänge, tausende von Verzweigungen, ein riesiges Labyrinth - ohne einen Führer wäre wohl jeder Fremde jahrelang durch die endlosen Gänge gewandert, ohne je wieder herauszufinden - wenn er nicht vorher verhungert wäre. Trotzdem müßte öfter mal Besuch nach Fleretia Kommen", meinte Emra während er auf seinen Schatten blickte, der ihm geistergleich und lautlos vorausging, als wolle er ihm Aen Weg weisen.

"Gerade die freundlichen Hobbits, die ihn immer so gastfreundlich empfangen hatten, obwohl er einen nicht minder gesunden Appetit als ein Hobbit hatte, gerade diese Wesen könnten ruhig mal nach Flertia kommen. Nun ja, sie sind nun mal nicht an Abenteuerfahrten intere..." Mitten in seinen Gedanken erstarrte Emra

"Nein, das ist unmöglich!" Sein Schatten war plötzlich vor ihm, obwohl er vor sich ganz deutlich den Mond sehen konnte. Zuerst dachte Emra, daß vielleicht ein anderer Ranger ihn eingeholt hatte, doch der Schatten war so scharf geschnitten, daß er unmöglich von einer Fackel geworfen werden konnte. Ja, Emra hatte zum ersten Mal in seinem Leben richtige Angst. Sehr langsam und vorsichtig drehte Emra sich um - und erschrak.

Hodru estrahlte in einem grellen weißblauen Licht! Der einst so grüne Wald lag nun unter einem unwirklichen blassen Schimmer. Die Konturen eines jeden Astes, ja sogar eines jeden Blattes waren überdeutlich zu sehen und jegliche Entfernung schien seltsam verzerrt. Die gesamte Tierwelt war plötzlich wie ausgestorben - kein Laut war zu hören. Es war als hätte die Welt den Atem angehalten, so daß Emras eigener Atem wie das Rauschen eines wilden Wassers erklang. Er taumelte einige Schritte zurück, drehte sich um und rannte so schnell er konnte. Blind vor Angst rannte er immer weiter durch das unwirkliche Leuchten, rannte ohne auf den Weg zu achten, rannte um sein Leben! Selbst als er über eine hochstehende Wurzel fiel und sich dabei die Hand verstauchte, wagte er nicht, stehen zu bleiben. Mit zusammengebissenen Zähnen brachte er Schritt für Schritt hinter sich, bis er nach kurzer Zeit die Festung der Wächter sah.

Er beachtete die Wachmannschaft am Ausgang des Passes überhaupt nicht, sondern strebte direkt die zu einer kleinen Festung ausgebauten Höhle an. Leichenblaß und schweißüberströmt stolperte Emra in den nur spärlich beleuchteten Gastraum. Die anwesenden Zwerge starrten den Ankömmling an und es herrschte absolute Stille in dem Raum. Endlich in Sicherheit, wollte sich Emra an einen freien Tisch setzen, doch plötzlich verzerrte sich sein Blick, eine tiefe Schwärze kam auf ihn zu. Er spürte kaum noch, wie ihn starke Arme auffingen, als er zusammenbrach.

Als Emra wieder die Augen aufschlug, fand er sich in einer tiefen Finsternis auf dem Boden liegen. Es war ein Steinboden vielleicht Marmor, wie Emra vermutete, als er feststellte, wie glatt die Oberfläche war. Um die undurchdringliche Dunkelheit etwas aufzuhellen, entzündete er ein Schwefelstäbchen, das er immer bei sich hatte, um schnell Feuer entzünden zu können. Diese Stäbchen waren auch eine Erfindung der Hobbits, die weit entfernt im Süden von Dawnia lebten. Es gab wenig, das Hobbits mehr interessierte als gute Feste, ein gutes Pfeiffchen, mehrere ausgedehnte Mahlzeiten am Tag und vor allem große Feuerwerke! Die Hobbits waren Meister im Abbrennen solcher farbenprächter Spektakel. Durch ihre Erfahrung bei der Herstellung von Raketen und Knallfröschen hatten die Hobbits sehr viel über brennbare Materialien gelernt und haben unter anderem diese leicht entzündbaren Stäbchen erfunden, die nur sehr langsam verbrannten und so mehrfach benutzt werden konnten. Gerade diese Eigenschaften ermöglichten es Emra nun in dieser Situation seine Umgebung zu erkunden.

Er sah sich um und fand an der Wand neben ihm eine Fackel. Emra entzündete sie und sein Blickfeld erweiterte sich, so daß er den riesigen Marmorblock inmitten des gewaltigen Saales sah. Es war eine riesige Tafelrunde aus massivem Stein um die neunundvierzig Sitze aus Marmor aufgestellt waren. Es war Emra ein Rätsel, wie er in die Halle gekommen war, denn er hatte etwas ahnliches noch nie gesehen und er wußte, daß selbst die Zwerge solch große Räume nur selten bauten. Der Raum war so groß, daß Emra nur zwei Wände sehen konnte, die anderen lagen warscheinlich weit entfernt im Dunkeln. Auch die Decke war nicht zu erkennen. Er schüttelte den Kopf, da ihm von so gewaltigen Ausmaßen ganz schwindlig wurde und auf einmal bemerkte er, daß er in eine weiße Toga gekleidet war und einen violetten Umhang trug. Wie war er zu diesen Sachen gekommen? Wer hatte ihn zu diesem Ort gebracht? Was sollte er hier? Fragen, auf die Emra keine Antwort wußte. Verzweifelt setzte er sich auf einen der Sitze, spielte mit dem Edelstein herum der dort lag, und erschrak gewaltig: eine Schrift auf der Tischoberfläche erschien und leuchtete bläulich in die flackernde Dunkelheit. Emra versuchte die Glyphenzu entziffern, doch es war in Sindar geschrieben, der Sprache der Elben, die vor vielen Zeitaltern Dawnia verlassen hatten. Eine Sprache die kein Zwerg mehr lesen konnte und nur noch wenige Elben, die wenigen, die Dawnia nichtverlassen wollten, weil sie gerne mit den Menschen zusammenlebten, konnten diese Sprache noch verstehen. So blieb Emra die Bedeutung verschlossen.

"AZ MJALD TREMN" sagte Emra leise vor sich hin, "was das wohl bedeutet?"

Wieder schüttelte er den Kopf, da er nicht verstand, was das Ganze zu bedeuten hatte. Er steckte den kleinen Edelstein ein und wollte gerade aufstehen, um sich noch etwas in dem Raum umzusehen, als er eine Veränderung bemerkte: Die Schrift hatte sich geändert und als Emra sie las, traf ihn fast der Schlag:

Auf der Tafel standen in schön verzierten Buchstaben ganz verständlich zwei bläulich schimmernde Worte:

"EMRA BALIDOR", Emras Name!

Plötzlich wurde ihm wieder schwarz vor den Augen, der Saal verblasste, nur die schimmernden Worte "AZ MJALD TREMN" blieben deutlich vor seinen Augen stehen. Doch nach einiger Zeit verschwammen auch diese zu einem verwaschenen Grau, aus dem sich nach und nach die Umrisse eines kleinen Raumes herausschälten. Emra sah, daß er in einem weichen Bett lag, das in einem holzvertäfelten, kärglich eingerichteten Zimmer stand. Am Fußende des Bettes entdeckte er eine junge Zwergin.

"Willkommen in der Festung der Wächter, Fremder! Ich hoffe es geht Euch wieder besser. Steht auf und kommt: Es ist ein Mahl für Euch gerichtet." sprach sie.

Emra war immer noch ganz benommen, als er versuchte, sich aufzurichten. Aber es ging ihm langsam wieder besser, besonders der Gedanke an eine Mahlzeit belebte ihn förmlich. Er stand auf und sah sich das Zwergenmädchen an.

"Sie ist jung, vielleicht zwanzig Jahre, und sie ist hübsch!" dachte Emra. "Ich werde versuchen, mich später mal mit ihr zu unterhalten."

"Kommt, ich zeige Euch den Weg."

Emra hörte diese Worte immer noch undeutlich, gerade als hätte er einen dicken Verband um den Kopf. Er tastete sich ab, doch er war unverletzt und erleichtert folgte er dem Mädchen durch einige Gänge und Türen in den Gastraum.

"Setzt Euch an den Tisch dort, ich bringe Euch etwas zu essen."

Emra fühlte die Blicke, die ihm quer durch den Raum folgten. Es war außergewöhnlich still und der Zwerg fühlte sich unbehaglich.

"Kein Zwerg rennt nachts durch den Hodru-Paß, einfach so, nur aus Spaß!" knurrte ihn ein sehr stämmiger, wild aussehender Zwerg an.

Zwerge sind zwar hilfsbereite und herzensgute Wesen, doch ihr Mißtrauen wird nur von den Menschen übertroffen. Es gab nur wenig, vor dem Zwerge Respekt hatten. Da sind zum einen die Drachen, die genau wie die Zwerge ihr Lager in Höhlen suchten, um sich dort auf den Schätzen auszuruhen, die die Zwerge in mühevoller Arbeit der Erde entrissen hatten oder in kunstvoller Handarbeit gefertigt hatten. Drachen waren immer hungrig und Zwerge standen durchaus auf der Speisekarte. Doch Drachen waren nicht nur faul, habgierig, groß und feurig, sondern auch recht schlau, so daß Begegnungen von Zwergen und Drachen meist damit endeten, daß die Zwerge nur mit knapper Not entkamen - oder auch nicht! Einen weiteren Feind hatten die Zwerge: die Balrogs! Es waren dies furchterregende Wesen, die Melko erschaffen hatte, um Gondolin zu erobern und die sich danach damit befaßt hatten, in Höhlen umherzustreifen, Orks anzuheuern und über jegliches andere Lebewesen herzufallen, das ihnen begegnete. Doch die Zeit der Balrogs war anscheinend vorüber. Der letzte Balrog, den ein Zwerg zu Gesicht bekommen hatte, war im Kampf mit Gandalf gefallen, einem mächtigen Magier, der sieben Tage und sieben Nächte gebraucht hatte, um mit dem Ungetüm fertig zu werden. Damals war der Eingang nach Moria verschüttet worden, was die Zwerge, neben der Nachricht von Balins Tod sehr erschüttert hatte. Zuerst hatte man gedacht, Moria wäre ganz verschüttet worden, doch als eine Gruppe Zwerge damit begannen, nach dem Leichnam Balins zu graben stießen sie nach wenigen Metern auf das gewaltige Höhlensystem von Moria, das vor Jahren die Hauptstadt der Zwerge darstellte, ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum über die Grenzen der Zwergenlande hinaus. Doch seit Zeitaltern war kein Zwerg mehr dort gewesen, ausgenommen Balin, der alles für ein erneutes Aufleben der Stadt unterm Berg vorbereiten wollte, und Gimli Elbenfreund, der den Tod Balins in Fleretia verkündete. Doch in heutigen Tagen war eine neue Zwergeneinheit in Moria, um alles wieder bewohnbar zu machen und so einen baldigen Einzug der Zwerge in ihre neue, alte Heimat möglich zu machen.

Unter den Gästen war kein Drache oder Balrog, trotzdem war es Emra ganz bang. Um die Leute zu beruhigen, mußte er ihnen doch etwas erzählen, doch was? Sollte er ihnen sagen, daß er in geschäftlichen Angelegenheiten unterwegs war, und er nun mit einem Säckchen voller Edelsteine auf dem weg nach Hause war, und er im Hodru Paß von einem Warg angefallen worden war? Nein, das war keine gute Idee, denn sonst wüßten die Fremden von seinen Edelsteinen und er wäre sie vielleicht schneller los, als ihm lieb wäre.

Sollte er ihnen etwa erzählen, daß er entführt worden sei und den Schergen entkommen wäre? Nein, wer sollte ihn entführen und warum? Das würde ihm kein Zwerg glauben. Nun, ihm blieb nichts anderes übrig als den Zwergen die absolut unglaubwürdige Geschichte mit Hodru klarzumachen. Also stand er auf, stieg auf den Tisch und die Blicke ruhten gespannt auf ihm, als er begann:

"Die Sache ist die - ob ihr mir nun glaubt oder nicht, ich sage aber die Wahrheit - die Burg der Magier ist wieder erleuchtet, sie ist wieder bewohnt!"

Verwunderung und Mistrauen aber auch ein Hauch von Unsicherheit flog über die Gesichter der Anwesenden.

"...Magier ... Burg ... Geister ... Magie ... Bedrohung ... Tod ... Ende der Zeiten ... Angst!"

Das Gemurmel wurde immer lauter. Eine Zwergenfrau verlies mit einem kleinen Mädchen den Raum. Emra wunderte sich. Das Getuschel wollte nicht verstummen. Glaubte man ihm seine Geschichte etwa? Es sah wirklich so aus. Sie waren sehr beunruhigt; was war geschehen?

Wußte man, daß die Burg wieder bewohnt war, daß eventuell Gefahr drohte?

Erst jetzt bemerkte Emra, wie viele bewaffnete Zwerge in dem Raum waren. Sonst waren es nur drei oder vier, heute jedoch zählte Emra mindestens 14 Schwerter und Keulen in dem Gastraum. Irgendwie war das spnderbar - wurde das Zwergenland etwa angegriffen?

Er kam zu keiner Lösung, denn das Erscheinen eines sehr Kräftigen Zwerges in einem wunderbar geschmiedeten Kettenhemd unterbrach ihn in seinen Gedanken.

Der Zwerg war, wie Emra gleich richtig vermutet hatte, ein General und Anführer einer kleinen Truppe, die wegen ihrer vielen Siege über Orks und Warge, die Wölfe aus den dunklen Wäldern, sehr geachtet waren. Mit dem Erscheinen des Zwerges verstummte das Gemurmel. Ein Hauch von Autorität, die keinen Wiederspruch duldet, ging von dem General aus und Emra wurde es ganz unwohl unter dem kritischen Blick des Zwergenführers.

"Emra!" Es war keine Frage - Es war eine ganz nüchterne Feststellung. "Ich habe Euch erwartet. Ich muß sagen, man war sehr um Eure Gesundheit besorgt."

Die Pause die der Zwerg hier machte, versetzte Emra in Verwunderung. Man hatte ihn erwartet, obwohl er viel früher wieder ins Zwergenland gekommen war, als er geglaubt hatte. Was war nur so besonderes geschehen, daß ihn ein anscheinend so wichtiger Mann erwartet hatte - Fragen über Fragen! Doch Emra kam nicht dazu, sie zu stellen, denn der Anführer sprach weiter:

"Es sind einige Dinge während Eurer Abwesendheit geschehen, die Ihr als Sohn und Vertrauter des Meisters von Doomsda, des hochgeschätzten Emuro Balidor, doch erfahren solltet. Ihr seid ein Ranger und somit verpflichtet, dem Land unserer Vorfahren mit Rat und Tat zur Seite zu stehen."

Ja er war ein Ranger, ein speziell ausgebildeter Kämpe, dessen Aufgabe es war, in unbekanntes Gebiet vorzustoßen und, wenn nötig, den Weg für das Zwergenheer zu erkunden und zu ebnen. Und er war nicht irgendein Ranger, er war der Führer der Ranger vom weißen Stein, der Truppe des Königs! Stolz auf diese besondere Ehre nickte Emra zustimmend?jawohl er würde das Land beschützen!

"Ich sehe, Ihr seid Euch Eurer Position sehr wohl bewußt und ich will Euch deshalb berichten, was Ihr wissen solltet. - Jedoch lasst uns etwas essen, dann können wir uns besser unter vier Augen unterhalten. Wissen ist Macht - und nicht jeder sollte in diesen Tagen Macht besitzen!"

In Gedanken versunken nickte Emra. Was wollte der Mann von ihm, und was sollte der Satz über die Macht bedeuten? Und - wer war dieser Mann überhaupt - seinen Namen hatte er jedenfalls noch nicht genannt.

"Zwei Essen und zwei Bier!" rief der Zwerg dem Wirt zu und wandte sich wieder an Emra, der sich inzwischen etwas abseits an einen Tisch gesetzt hatte. Doch der Zwerg sprach jetzt wesentlich leiser, so daß nur Emra ihn verstehen konnte und plötzlich lag ein Hauch des Geheimnisvollen über der Unterhaltung.

Die anderen Gäste im Gastraum hatten inzwischen scheinbar das Interesse an Emra verloren und wandten sich ihren eigenen Gesprächen zu. Selbst der stämmige Zwerg, der ihn vor kurzem angesprochen hatte, verließ gerade den Raum.

"Mein Name ist Gumnion und es freut mich, Euch kennen zu lernen, ehrenwerter Emra, Sohn des Emuro und Rangerlord der Ranger vom weißen Stein. Es ist leider ein trauriger Anlass, der uns hier zusammengeführt hat."

Emra war überrascht, es war Gumnion, der Führer der Grenzlandtruppen, die unter dem Banner des Eichenschildes kämpften. Es war eine vielgerühmte Truppe deren erste Anfänge bis in die Zeit von Thorin Eichenschild zurückreichten. Und Gumnion war ihr Anführer. Doch was wollte er von Emra? Es mußte ja wirklich einigermaßen wichtig sein, wenn eine so wichtige Person persönlich zu ihm kam und dann auch noch so geheimnisvoll tat. Doch bevor Emra etwas fragen konnte, kam auch schon der Wirt mit zwei Tellern dampfender Suppe, Brot und dem schäumenden Bier. Als der Wirt Estarion, der Wirt den Tisch wieder verlassen hatte, begann Gumnion zu reden:

"Ihr habt Hodru erleuchtet gesehen! Und wir alle wissen, daß Ihr Euch nichts eingebildet habt. Ja, die Burg der Magier scheint wieder bewohnt zu sein. Allerdings gibt es noch keinen Hinweis darauf, wer da oben" er deutete mit dem Kopf in Richtung der Burg," sein Unwesen treibt. Viele Zwerge vermuten, daß sich nun die Prophezeihung von der Wiedergeburt der Magier erfüllen, doch ich kann das nciht so recht glauben. Es ist wahrscheinlicher, daß irgendwelches Gesinde, vielleicht Orks, in der Festung da oben haust und den Paß kontrollieren will. Ich muß sagen, wenn dem so ist, wird es schwer werden, den Paß zu sichern, denn Hodru ist sozusagen uneinnehmbar. Und da liegt auch schon der Haken an meiner Theorie. Seit die Magier die Burg verlassen hatten, und das ist gewiß schon hunderte von Jahren her, versuchen Generationen von Zwergen in die Festung zu kommen. Der Stein aus dem die Burg errichtet ist, ist so hart, daß selbst mit Meißeln aus Mithril nichts auszurichten ist, zum anderen ist die Außenwand auch so glatt, daß nicht einmal Ungweliante, die Spinne der Düsternis, an ihnen emporklettern könnte. Wie also sind die Kerle in die Burg gekommen - wie dem auch sei, ich bin hier, daß eventuelle Unruhen sofort im Keim erstickt werden, und wenn daß bedeuten würde, die Festung zu belagern!

Nun, auch Ihr habt die Erscheinung des seltsamen Leuchtens auf der Burg gesehen. Mich würde jetzt mal interessieren, wie Ihr darüber denkt."

Emra schluckte bedächtig das Stück Brot hinunter und nahm einen Zug von dem vorzüglichen dunklen Bier, bevor er antwortete:

"Mir sind die alten Legenden schon von meiner ehrenwerten Großmutter erzählt worden, die sie selbst von ihrer Großmutter gelernt hatte. Ich denke, ein jeder Zwerg kennt die Sagen über die Magier und an ihrer Wahrheit zu zweifeln, wäre Ignoranz, denn es existieren noch genügend Beweise für ihr Wirken. Ich denke da nicht nur an Hodru oder den Turm von Isengart. Nein, es gibt auch noch genügend andere Orte, die von der Macht der Magier zeugen können. Doch wie hatte alles angefangen?" Emra überlegte kurz und fuhr fort: "Man erzählt sich, daß das Land unserer Väter von bösen Mächten angegriffen wurde. Es war im Jahre 1418 des vierten Auenlandzeitalters, als sich die Macht des Bösen, verkörpert in Sauron und dem Meisterring, auszudehnen begann. Viele Gebiete im Osten waren schon von Heerscharen von Orks, angeführt von den Ringgeistern, unterwofen worden. Leid, Elend und Tod herrschte in dieser Zeit. Doch auch nach Westen begann die Macht Saurons zu greifen, nach dem Besitzer des einen Rings, nach Frodo Beutlin. Dieser war jedoch mit dem Magier Gandalf befreundet, der die schrecklichen Ereignisse, die auf die Lande im Westen zukamen voraussah und zusammen mit Bilbo und einigen Gefährten, darunter auch Gimli Elbenfreund, einem Vertreter unseres Volkes, einen kleinen unscheinbaren Gegenangriff plante. Man wollte den Ring im Feuer von Orodruin, dem Schicksalsberg vernichten und so Sauron seiner Macht berauben. Ein wahnwitziges Unternehmen, das jedoch durch den Beistand Gandalfs ein Erfolg wurde. Der Ring wurde vernichtet und Sauron geschlagen, Saruman, der schwarze Magier an Saurons Seite, vertrieben. Der Ringkrieg war gewonnen! Doch was ich eigentlich sagen wollte, ist, die Magier, die damals lebten bauten Hodru - in einer Nacht - und es war neben Isengart ihre wichtigste Burg."

"Nun selbst als die Ringgeister, Warge und alle Orks in den Krieg eingriffen, konnten sie dennoch nicht den kleinen Herrn Frodo besiegen, der die schwerste Mission der ganzen Truppe übernommen hatte. Ja, es war die gewaltigste Schlacht, die je in Mittelerde stattgefunden hatte und die Verluste auf allen Seiten waren gewaltig. Doch nun ist schon seit Generationen Friede zwischen den Völkern und so soll es auch bleiben, so war ich Gumnion heise." schloß der Führer der Grenzlandtruppen.

Zu ergänzen bliebe nur noch, daß danach die Magier von der Szene verschwanden und danach von niemand mehr gesehen wurden. Nur Waschweiber und Phantasten können behaupten, sie kämen zurück, wenn sie gebraucht werden!" lachte ein junger, sonderbar dunkler Elf, der scheinbar das ganze Gespräch belauscht hatte. "Wartet nur auf eure Zauberer, vielleicht retten sie euch ja noch rechtzeitig!" Unter den giftigen Blicken der Zwergentruppen stand er auf, warf eine Münze auf die Theke und verlies laut lachend den Saal. Auf einen Wink von Gumnion hin folgten ihm zwei Zwerge hinaus.

"Doch um auf Eure Frage zurückzukommen, ehrenwerter Herr Gumnion, ich bin mir sicher: ein Leuchten, wie es um Hodru war, kann man nicht mit Fackeln erzeugen, nein, was ich gesehen habe, war Magie!"

Ende des ersten Kapitels
to be continued...


Heinz-Günter Weber

"Die Sagen von Dawnia" im Überblick:
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 1-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1989)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 2-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1990)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 3-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1990)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 4-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1991)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 5-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1991)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 7-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1994)
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