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”UNDERGROUND EMPIRE 5”-Datasheet

Contents:  Ithyn Luin-"Die Sagen von Dawnia"-Kapitel

Date:  12.08.1991 (created), 30.09.2010 (revisited), 22.01.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 5

Status:  published

Availability:  original printed issue still available, order here!

Comment:

Endlich waren wir bei den "Sagen von Dawnia" im gedruckten Heft auf zweispaltigen Satz übergegangen, was die Lesbarkeit deutlich verbesserte. Leider jedoch mußte unsere Fantasygeschichte in der nächsten Ausgabe eine Runde pausieren, da Heinz-Günter das nächste Kapitel nicht rechtzeitig fertigstellen konnte. Doch anschließend sollte er dann ja laaange Zeit haben... :-)

Supervisor:  i.V. Stefan Glas

 
 

Titel: Die Sagen von Dawnia

Ithyn Luin

Noch lange hatten Emra und Gumnion über die Altvorderenzeit geredet, und sie waren mitunter die letzten, die den Gastraum verließen. Es war ein langes und interessantes Gespräch gewesen, und viele Geschichten, die lange als verschollen galten, wurden erwähnt. Es wurde über Beren und seine unsterbliche Liebe zu Luthien Tinuviel erzählt, über das Verhängnis, welches das Nauglafring über viele Elben brachte, die von der Gier nach Gold und Edelsteinen besessen waren, da auf ihnen der Bann von Glaurung und Melkor lag und auch die Istari, die Gesandten der Valar, wurden oft erwähnt.

Emra ging noch immer nicht aus dem Sinn, welch ein arges Werk die Zwerge in der Altvorderenzeit vollbracht hatten und so den Haß zwischen den Völkern der Elben und dem der Zwerge geschürt hatten. Doch die Geschichte hatte ihn gelehrt, daß sich selbst der schlimmste Zwist einmal in Freundschaft wenden kann, und so war es auch: Mit der Rückkehr der Elben von ihrer langen, aber erfolglosen Suche nach Kor Tirion wurde den Zwergen erstmals erlaubt, in Lothlorien frei umherzuwandern, ohne den tödlichen Angriff der Elben fürchten zu müssen.

Überhaupt verstanden sich die Völker immer besser untereinander, Elben, Hobbits, Zwerge und Menschen hatten einen regen Handel aufgenommen, und nur eine Stadt der Menschen machte da eine Ausnahme: Acrelon, eine riesige Festung im Süden des Landes, eine Stadt, die völlig abgekapselt von der Außenwelt lebte und die sich auch nicht in die Angelegenheiten der Elben oder der Hobbits mischte, die ihre nächsten Nachbaren waren. Es gab nur noch ein oder zwei Wanderer, die in Acrelon ein- und ausgingen und auch desöfteren in den anderen Ländern gesehen wurden.

Inzwischen war Emra im ersten Stockwerk der Festung und betrat gerade sein Zimmer, wo er sofort sein Kettenhemd auszog und sich todmüde auf das weiche Bett warf; ein süßer Schlummer umfing ihn sofort. Wie schon so oft, träumte ihm, daß er auf einem dunklen Weg, voller Nebel und immer gut verborgen einherschritt. Die Büsche umstanden den Weg so dicht, daß Emra glaubte, er ginge in einem Hohlweg, der stetig nach oben führte. Oft endete er abrupt, doch der Zwerg fand immer wieder die Stelle, in der man das Gebüsch gefahrlos durchbrechen konnte. Emra wußte, es war tödlich, von den langen Dornen gestochen zu werden, die die Büsche über und über bedeckten, denn ihr Gift war stark und wirkte schnell. Jedoch war Emra der Weg vertraut, bewanderte er ihn doch fast jede Nacht. Heute aber war etwas anders als gewöhnlich, denn in seinen früheren Träumen kam Emra niemals irgendwo an, heute jedoch ging er den Pfad so weit wie nie zuvor, und Emra stand plötzlich vor einer kleinen Holztür, die verschlossen war. Die Tür war reich verziert, und schloß so dicht, daß an ein Aufbrechen nicht zu denken war. Schon glaubte Emra, am Ziel seiner Wanderung angelangt zu sein, doch die Valar hatten ihm ein anderes bestimmt, und so fand er, unscheinbar in die Schnitzereien der Tür eingelegt, einen winzigen Schlüssel. Mit einem sicheren Griff zog er ihn aus der Halterung und gleichzeitig erschien ein kleines Loch in der Tür, das vorher noch nicht da gewesen war. Zu Emras Überraschung paßte der Schlüssel hervorragend und leise glitt die Tür nach innen. Vor ihm lag ein dunkler Gang, doch als Emra einen Schritt in die Dunkelheit wagte, erglühten die Wände und gaben ein unwirkliches, blaues Licht ab, denn ein uralter Zauber lag auf den noch älteren Gängen, die jedem Licht spendeten, der die Wege benutzte und die Intensität des Lichtes war so groß, daß der ganze Fels erglühte, denn schon lange lagen die Wege im Dunklen, und niemand kannte ihren Verlauf. Auch Emra wußte nicht, wohin ihn die Stufen führten, denen er schon lange nach oben folgte. Es herrschte absolute Stille in den Gängen, nur Emras Schritte hallten von den Wänden. Emra glaubte, schon fast so hoch wie das Sonnenschiff gestiegen zu sein, als er wiederum vor einer Tür stand, die jedoch offen war und Emra in einen kleinen Raum führte. Hinter ihm klickte die Tür wieder in ihr Schloß, und als Emra sich umwand, sah er nur eine absolut glatte Wand, von der Tür war nichts zu entdecken, scheinbar war er in dem kleinen Raum gefangen. Doch Emra gab nicht auf, sondern tastete die glatt behauenen Felswände ab und wollte schon aufgeben, als er einen Stein berührte, der sich plötzlich in nichts auflöste und einen verborgenen Schalter offenlegte, der die Falltür auf dem Boden freigab und so Emra den weiteren Weg wies. Er sah die Stufen hinab und fand, daß dieser Gang ihn nur wenige Schritte tiefer führte, doch sah er auch eine Tür am Ende der Stufen, und so folgte er dem Gang nach unten. Er öffnete die Tür und kam in einen riesigen Saal, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Auch hier glühten die Wände, doch ihr Strahlen konnte die Tiefe des Raums nicht erleuchten, und so tastete Emra sich langsam vor und stieß bald gegen einen Tisch auf dem sogleich in blauer Schrift die Worte "Turambar Mithrandir" aufleuchteten, und nun wußte Emra, wo er war. Er war wieder in diesem Tafelsaal, auf dessen Tafel auch sein Name vermerkt war, aus welchem Grund auch immer.

Doch diesmal blieb Emra nicht bei der Tafel stehen, sondern ging die Wände entlang, bis er an ein großes Portal kam, dessen Flügel bei seiner Berührung nach außen aufschwangen und er auf einer hohen Plattform stand, die ihm einen weiten Ausblick auf die Umgegend bot. Nach Süden hin fiel der Fels tief hinab in eine schmale Schlucht, deren andere Seite dicht mit Wald bestanden war. Nach Norden hin befand sich ein herrlicher Garten, im Osten, gegenüber der Stelle an der Emra gerade stand, ragte ein gewaltiger Bergfried in die Höhe, und dem Zwerg wurden die Augen geöffnet: Er war in der Burg der Istarii, er war auf Hodru! Lange Zeit stand er unbeweglich in der frischen Luft und viele Gedanken jagten durch seinen Kopf: Er war doch kein Magier, keiner der Zauberer, wie konnte er also auf die Festung kommen, die seit Jahrhunderten von keinem Wesen außer den Vögeln betreten wurde? Wer war er, daß er den geheimen Zugang kannte, der in die Burg führte, wer, daß sein Name auf der Tafelrunde der Istarii vermerkt war? Fragen, auf die Emra keine Antwort finden konnte, und so wandte er seine Schritte nach Norden an die Brüstung, die einen herrlichen Blick auf die prachtvollen Gärten erlaubte, die inmitten der Gemäuer lagen. Nur wenige Schritte entfernt entdeckte Emra einen Gang, der nach unten zu führen schien und von dem er hoffte, daß er ihn zu den Anlagen bringen konnte. Er sprang geschwind die Stufen hinab, und kurze Zeit später fand er sich inmitten der herrlichsten Blüten, der kräftigsten Bäume und des saftigsten Grases, welches man außerhalb von Lothlorien finden konnte, wieder. Alles war wunderbar angelegt, und kein Unkraut trübte die Schönheit des Gartens. Eine herrliche Ruhe lag auf ihm, nur unterbrochen vom Schlag der Dommel und dem lustigen Geplapper der Vögel, die in den Zweigen der prächtigen Bäume um die Wette sangen. Doch sein Interesse galt weniger den einzigartigen Pflanzen; nicht sie waren es, die ihm das Herz schneller schlagen ließen, nein, er lenkte seinen Schritt in die Mitte des Gartens, wo ein sonderbares Bauwerk stand. Es war ein Ring aus fünfzig Steinen, ein jeder etwa dreieinhalb Schritte hoch, eineinhalb Schritte dick und zwei Schritte breit. Zwischen jeder der Säulen, die an einem Stück aus dem Fels gehauen und deren Kanten kunstvoll abgerundet waren, war ein Zwischenraum von etwa vier Schritten. Auf den Steinen lagen nochmals Quader, ein jeder drei Fuß hoch, und die Steine verbanden die fünfzig Säulen zu einem steinernen Ring, der etwa hundert Schritte von einem Ende bis zum anderen maß. Das gesamte Bauwerk stand auf einem kleinen Hügel, und eine Treppe aus dem feinsten Marmor führte hinauf. Emra folgte ihr, und eine gewaltige Ehrfurcht befiel ihn, denn das Werk hatte eine Ausstrahlung, die Emra als Magie bezeichnete. Als er die Stufen betrat, begannen diese, ein blaues Licht auszustrahlen und auf dem Steinring erschien eine goldene Schrift, die Emra jedoch nicht kannte. Nun begannen auch die Ringsteine zu leuchten, und die Nachtluft war erfüllt von dem blauen Licht, doch diesmal rannte Emra nicht vor der unheimlichen Erscheinung davon! Im Gegenteil, er legte sein Schwert ab, denn er fühlte, daß er es nicht mit in den Ring nehmen konnte, und ging langsam in die strahlende Mitte des Rings. Doch er war noch nicht im Zentrum angekommen, als er aus dem Glanz heraustrat und vor der seltsamsten Erscheinung stand, die je ein Zwerg gesehen hatte: Vor ihm, genau inmitten der Steine, war eine gewaltige Pyramide, die blauschwarz glänzte und sich langsam um sich selbst drehte. Die Pyramide war jedoch nicht aus Stein, sondern durchscheinend und nicht greifbar, und doch ging von ihr eine Kraft aus, die Emra dazu zwang den letzten Schritt zu tun und in das Kraftfeld der Pyramide zu treten.

Emra wußte nicht, was ihn erwartete, und so war er nur wenig überrascht, sich auf einem schmalen Pfad wiederzufinden. Vor ihm lag Dunkelheit. Der Weg verlief im Nichts. Rechts und links war Dunkelheit, und Emra spürte, daß er auf keinen Fall den Weg verlassen durfte, wenn er dieses Abenteuer überleben wollte, und so ging er langsam, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen, den Weg entlang. Doch schon kurze Zeit später lichtete sich die Dunkelheit und Emra fand sich in einem unbekannten Land wieder. Lange Zeit wanderte er auf dem seltsam verschlungenen Weg, der ihn bald hierhin, bald dorthin brachte. Doch wo auch immer er sich befand, alles kam ihm neu und unbekannt vor. Oft führte ihn der Pfad durch dichtes Gestrüpp, durch Fluß, Wald und Feld. Lange wanderte er in tiefen Höhlen und über hohe unwegsame Gebirge. Lang war der Weg und beschwerlich, doch Emra war so leichten Fußes, daß es ihm vorkam, als würde er über dem Weg schweben, und ehe er sich versah, gelangte er in ein Land, welches seit vielen Zeitaltern kein Sterblicher mehr betreten hatte. Er sah wundervolle Wesen, den Elben ähnlich, doch waren sie noch schöner anzusehen und ihre Körper leuchteten silbern, und ihr Gesang war so klar und schön, wie Emra noch nie zuvor eine Melodie gehört hatte. Dann sah er eine Stadt, die prächtiger war als das sagenhafte Gondolin - die Stadt mit den sieben Namen - sie lag an einem Hügel, und in ihrer Mitte stand ein weißer Turm, der alles überragte. Die Wege waren aus dem feinsten weißen Marmor, und die Häuser waren mit Ziegeln aus Achat gedeckt. Alles glänzte und funkelte, und die Bewohner der Stadt waren Handwerker, die die wundervollsten Werke vollbrachten, sie schnitten Gemmen, die schöner waren, als alles, was Emra je gesehen hatte. Emra betrat eines der Häuser und sogleich wurde er freundlich empfangen, wenn sich auch die Bewohner über seinen kleinen Wuchs und seine sonderbaren Züge wunderten, hatten sie doch noch nie einen Zwerg gesehen. Noch lange danach bedauerte es Emra, daß er nicht die klangvolle Sprache der Noldor verstand, denn ihm war inzwischen klargeworden, daß er sich nur an einem Ort der Welt befinden konnte, einem Ort, der von den Elben Mittelerdes viele, viele Zeitalter früher verlassen worden war, und an dem jetzt nur noch die wenigen Noldor lebten, die damals Kor nicht verlassen wollten. Er war in dem Land Tol Eressa, in der Hauptstadt Kor, die in seinen Landen von den Elben Kor Tirion genannt wird und von dessen Turm noch viele Geschichten künden. Emra war glücklich wie nie zuvor, als er zusammen mit den Noldor Abendmahl hielt und eine Speise aß, die ihn stärkte. Doch nach dem Mahl bedeutete ihm ein Elb, ihm zu folgen und Emra ging schweren Herzens von dem Haus, ließ jedoch als kleines Geschenk seinen Ring zurück, ein wertvolles Stück kunstvoller Zwergenarbeit und in Mittelerde einmalig, in Kor jedoch nur eine Kleinigkeit, verglichen mit der Kunst der Elben. Dennoch schienen sie erfreut, und der Hausherr legte ihm die Rechte auf, und Emra verbeugte sich noch im Gehen. Der Elb jedoch führte ihn in einen kleinen Hain, in dessen Mitte sich ein Quell befand. Er zeigte auf die Oberfläche und Emra sah viele Dinge, die lange in der Vergangenheit lagen, Dinge, die nur kurze Zeit vergangen waren und Geschehnisse, von denen Emra glaubte, daß sie in der Zukunft lägen. Lange betrachtete er die Bilder, und sein Blick verdunkelte sich, denn er sah Schreckliches auf Mittelerde zukommen, und er wußte, daß es seine Aufgabe war, Mittelerde davor zu bewahren.

"Ich bin doch so klein und schwach!" erkannte Emra und wandte sich ab. Der Elb war inzwischen gegangen. Traurig ging er den Weg zurück, der ihn zu dem Hain geführt hatte und kam an dem Haus vorbei, in dem er noch vor kurzem froh gespeist hatte. Schon wand er seinen Schritt wieder dem Pfad zu, über den er hierher gefunden hatte, als ihn der Elb aufhielt, der Emra vorher in dem Haus bewirtet hatte. Er trug Emras Ring an seiner rechten Hand küßte ihn und überreichte Emra ein Schwert, das in einer kunstvoll verzierten Scheide steckte, die über und über mit Runen beschriftet war. Emra verbeugte sich vor dem Elben und nahm dankbar das Geschenk an.

"Gorthing", sprach der Elb und Emra wußte, daß dies der Name des Schwertes sein sollte. Emra wollte sich noch das Schwert ansehen, doch ehe er sich versah, war er wieder allein und so heftete er Gorthing an seinen Gürtel und ging wieder so wie er gekommen war, doch der Weg schien ihm nun seltsam verändert, führte er nun schnurgerade nach Westen und schon nach kurzer Zeit war Emra wieder von der vollkommenen Dunkelheit umgeben, die nur durch das staubige Braun des Weges unterbrochen wurde. Als sich jedoch die Dunkelheit zu lichten begann, war Emra nur noch wenige Schritte von der Burg der Wächter entfernt.

 

Das Klappern der Teller im Gastraum, die ein gutes Frühstück versprachen, weckten Emra. Er streckte sich im Bett und stand auf. Da das Zimmer kein Fenster hatte, war es noch dunkel, und Emra griff nach den Schwefelhölzern und der Kerze, um Licht zu machen. Erst jetzt merkte Emra, daß er noch sein Kettenhemd trug, obwohl er sich genau daran erinnerte wie er es gestern Abend über den Schemel gehängt hatte. Und langsam wich die Dunkelheit aus seinem Kopf, und er erinnerte sich an seinen Traum, der ihn in das sagenhafte Kor Tirion geführt hatte, ein jeder Schritt war ihm noch bewußt. Die Bilder aus dem See des Schicksals, wie Emra ihn von nun an nannte, erfüllten sich vor seinen Augen mit Leben, und Emra griff an seine Seite um zu sehen, ob er noch das Schwert der Elben trug, dem Beweis für seine Reise ins Reich der Valar! Und tatsächlich, das Schwert hing in seiner schwarzen Scheide, die herrlich mit Gold und edlen Steinen verziert war. Langsam und voller Stolz zog Emra die Klinge und fand, daß sie aus Kristall bestand. Sie war vollkommen durchsichtig und als Emra über ihre Kanten griff, waren sie vollkommen stumpf. Emra war enttäuscht, es war scheinbar ein Zierschwert und nicht für den Kampf bestimmt, und doch ließ ihn die Klinge nicht in Ruhe, denn tief in dem Kristall glühte eine blaue Flamme, ruhig und gleichmäßig brannte sie, gerade als ob sie schliefe.

"Gorthing", sprach Emra, "mein Schwert, in Ehren halten werde ich Dich; diene mir treu, und wir werden beide Ruhm erlangen.« Es war eine alte Formel, mit der die Zwerge ihren Waffen die Treue schworen, und die Zwerge waren bekannt dafür, sich nie freiwillig von ihren Waffen zu trennen, wenn sie diesen Schwur gesprochen hatten.

Gerade wollte Emra den Kristall wieder in die Scheide zurückstecken, als die Flamme größer wurde, und und das Schwert zu leuchten begann.

"Gorthing, nennst Du mich, und Gorthing bin ich, der Unterdrücker des Bösen und der Feind Saurons. Treue hast Du mir geschworen, und treu werde ich sein. Bei den Valar, solange ich bei Dir bin, soll kein Schaden Dir entstehen! Nie werde ich Dich verletzen, doch Tod bringe ich Deinen Feinden, denn ich bin Gorthing!"

Emra hätte vor Schreck fast den Kristall fallengelassen, als diese Worte vernahm - sein Schwert hatte zu ihm gesprochen, es hatte ihm Treue geschworen und Emra wußte nun, daß dieses Schwert todbringender sein würde als jeglicher Stahl, der in Mittelerde geschmiedet wurde.

Erst jetzt bemerkte Emra die Gestalt, die lautlos in sein Zimmer geschlichen war und nun vor Emra stand. Der Mann war groß, doch er ging so gebückt, daß er Emra nur wenig überragte. Er trug einen weiten tiefblauen Umhang und einen ebensolchen spitz zulaufenden Hut. Doch das merkwürdigste an ihm war der gewaltige Bart, der tiefschwarz bis auf den Boden hing. Klein und geduckt stand der Alte auf einen Stab gestützt da und unter der tiefgezogenen Hutkrempe entdeckte Emra tiefgraue Augen, die ihm vorkamen, als wäre hinter ihnen die Tiefe der Zeit selbst. Doch bevor Emra sich auch nur von seinem Schreck erholt hatte, sprach der Alte in einer wohlklingenden freundlichen Stimme:

"Az Mjald Tremn! - Die Sonne scheine immer auf Deinen Weg, Du Beschützer von Mittelerde!"

Emra betrachtete den Besucher und fand, daß er scheinbar völlig unbewaffnet war. Kein Metall und keine Rüstung war zu sehen, nur eine knorrige Wurzel, die dem Alten als Stütze zu dienen schien. Er war also in friedlicher Absicht gekommen, dachte Emra, und der freundliche Blick des Mannes bestätigten dies.

"Seid auch Ihr gegrüßt, werter Fremder. Was ist Euer Begehr, es muß wichtig sein, wenn Ihr so unangemeldet hier erscheint. In der Tat, ich kenne Euch nicht, doch sehe ich, daß Ihr als Mensch die Sprache der alten Elben sehr gut kennt und sie zu benutzen wißt. Wer also seid Ihr, daß Ihr so geheimes Wissen Euer Eigen nennt?", sagte Emra, und der Mann antwortete ihm sofort:

"Wisse, ich bin Euch bekannt, auch wenn Ihr nicht glaubt, mich zu kennen. Ja, Ihr selbst habt mich hierher gebracht, in die Welt von Mittelerde, in der ich meinen Weg zu gehen habe. Mein Weg jedoch wird sich nicht selten mit dem Euren kreuzen. Ich komme von weit her. Viele, viele Wochen und Monate aus dem Westen. Dort lebte ich lange Zeit mit glücklicheren Wesen doch bin ich keiner von Ihnen. Auch meine Wiege stand in Mittelerde. Tatsächlich wurde ich nicht weit von hier geboren, an einem Ort, den ich unter dem Namen Echnogart kenne, den Ihr aber Hodru nennt. Ja, ich bin Ithyn Luin, der Blaue, wie man mich genannt hatte, als ich vor Zeiten in Eurer Welt weilte!"

Ithyn Luin, es war ein gewaltiger Name, den der Fremde für sich beanspruchte. Vor Zeiten sandten die Götter Menschen in die Welt, um die Elben, die Menschen und alle Völkern, die guten Willens waren, zu unterstützen. Diese Menschen bildeten einen Orden. In langen, geheimen Sitzungen erlernten sie die Künste der Magie, sie lernten, mit Blitzen und Feuerwerk umzugehen, sie studierten die Sprachen und Gepflogenheiten der Völker, allen voran die der Elben, sie mischten sich in die Politik der Könige und brachten die Pläne einfacher Hobbits durcheinander. Einige von ihnen sind im letzten Krieg der Völker sehr berühmt geworden, obwohl sie auch schon zuvor tätig waren. Der Vorsteher und Leiter des Ordens war Saruman gewesen, doch er verfiel dem Bösen. Ein anderes Mitglied des Ordens tat sich aber zu jener Zeit hervor, und dies nicht nur durch seine Feuerwerke und die herrlich bunten Rauchringe, die er so wunderbar zu blasen verstand, vor allem durch seine Beteiligung an der gefährlichen Mission, die zur Vernichtung der Ringgeister führte und Sauron einen schweren Schlag versetze. Dessen Name war Mithrandir, doch im Auenland wurde er nur Gandalf genannt, und ich sage Euch, ihm gefiel dieser Name auch besser! Doch der Orden bestand nicht nur aus diesen beiden Istari - weitere Magier beschäftigten sich mit den geheimen Künsten. Einige von ihnen waren bereits verstorben, neue hinzugekommen, doch ihre Hilfe wurde viele Jahre nicht benötigt. Doch nun plötzlich stand einer der ersten Istari - Ithyn Luin, der Blaue, wie er genannt wurde, - hier vor Emra, und es schien Emra nichts Gutes zu verheißen! Istari waren mächtige Wesen, starke Freunde, seltsam und geheimnisvoll, unergründliche und unberechenbare Leute, die zum Feind haben, eine große Gefahr war. Der Zorn der Istari war sehr berühmt und nicht weniger gefürchtet.

All dies wußte Emra. Und doch kam es ihm vor, als wüßte er nichts. Jahrelang hatte er ein recht normales Zwergenleben geführt. Er war Kämpfer und Ranger geworden, und bald erwies er sich als fähig, die besten Truppen der Zwerge zu führen: die Ranger vom weißen Stein! Mit Magie, wie sie Istari benutzen, hatte er nie viel im Sinn gehabt, doch nun schien es, als ließe ihn diese Magie nicht mehr los. Sogar in seinen Träumen verfolgt sie ihn, und kurz darauf steht ein leibhaftiger Istari vor ihm.

Lange Sekunden verstrichen, während Emra über diesen Namen grübelte. Er wußte, daß irgendeine Macht ihn ausgewählt hatte. Zuerst die Erscheinung am Paß, die seltsamen Träume, die ihn in Burg der Magier führten und in seltsame Länder, in denen noch die sagenhaften Elbenschmiede lebten. Und nun steht doch tatsächlich ein Zauberer vor ihm und nannte ihn Beschützer von Mittelerde, was eine hohe Auszeichnung, wenn nicht sogar vollkommener Unsinn, war!

"Nun?", fragte Emra, dem im Moment nichts passendes einfiel, so überrumpelt kam er sich vor.

"Ich verstehe Euch und Eure Überraschung, werter Emra! Auch ich glaubte meine Jahre woanders verbringen zu können, doch das Böse in unserer Welt ist noch nicht besiegt. Sauron verlor die letzte Schlacht und sein Meisterring ging für immer verloren. Die anderen Ringe jedoch waren älter als der Eine. Ihre Macht war gut, und sie besteht bis zum heutigen Tag. Das war ein Punkt, in dem sich damals alle irrten. Die Macht der Ringe erlosch nicht durch die Zerstörung des Einen. Doch die Bewohner von Dawnia machten einen weiteren Fehler! Sie glaubten an die endgültige Vernichtung des schwarzen Herrschers. Doch Sauron wurde nur die Mittel entzogen, der Geist des Bösen Valar lebt weiter. Und er ist mächtiger als je zuvor. Wieder hat er sich Diener geschaffen, die das Land bedrohen, Orks, Balrogs, Drachen und viele Wesen mehr! Ja, seine Macht ist so gewaltig wie nie! Selbst ich kann mir kaum vorstellen, wie ein paar kleine Sterbliche dieser Gewalt widerstehen können! Doch noch gibt es freie und mutige Zwerge, mächtige Elben, wütende Menschen aus Acrelon und den Städten im Norden, noch gibt es das lustige Volk der Hobbits, und noch immer gibt es einige wenige aus unserem Orden. Wir sind alt und vergessen - doch noch immer gibt es uns! Gestern ist die Tochter der Elbenkönige aus der Stadt der Menschen verbannt worden, und nun ist es an uns, zu verhindern, daß sie Orks in die Hände fällt. Rüstet Euch, wir werden sofort aufbrechen, um uns mit anderen Freunden zu treffen, die alle dem Bösen die Stirn bieten wollen!" Ithyn sprach leise aber eindringlich, und Emra wagte nicht, an der Wahrheit der Worte zu zweifeln. Tatsächlich hatte auch er bemerkt, daß sich wieder mehr Orks in den dunklen Wäldern herumtrieben und daß die Bergpässe immer unsicherer wurden. Es regte sich etwas im Land und Emra zögerte nicht, dem Zauberer zu folgen. Alles würde er zur Verteidigung des Landes seiner Väter geben.

"So laßt uns gehen!", sprach er darauf, schnallte sich noch seinen Gürtel um, der genau wie seine Mütze tiefblau schimmerte. Er heftete sich Gorthing daran und folgte der blauen Gestalt des Zauberers, der sich für sein Alter überraschend schnell bewegte.

Sie gingen rasch die schmale Treppe hinunter, huschten vorbei an der Tür, die in die Küchenräume führte, wo gerade das Frühstück für die Gäste zubereitet wurde, und verließen die Burg der Wächter durch den hinteren Eingang. Emra wollte gleich weiter in Richtung Hodru-Paß eilen, doch der Druide hielt ihn zurück. Wortlos zeigte er auf Gumnion, der ruhig im Tor stand und der Pracht des aufgehenden Sonnenschiffs zusah. Er hatte die beiden dunklen Gestalten noch nicht bemerkt, die nun hinter seinem Rücken vorbei zu den Stallungen und weiter zu den Wiesen dahinter wollten. Doch das Wiehern eines unruhigen Pferdes vereitelte die Aktion. Gerade war Ithyn Luin in den Ställen verschwunden, als der stämmige Zwerg sich umdrehte und Emra mitten auf dem Hof erblickte.

"Wohin so eilig?", rief Gumnion, und Emra wußte sofort, daß er den erfahrenen Kämpfer nicht umgehen oder ihm ausweichen konnte, also entschloß er sich, ihn einzuweihen.

"Werter Gumnion, gut daß ich Euch treffe. Es geht um unser Gespräch von gestern Abend. Ich hatte recht. Das Leuchten im Paß war wirklich magischer Natur, und die Dinge stehen schlecht um die Welt von Dawnia. Sauron wurde im großen Ringkrieg nicht getötet. Sein Geist lebte weiter, und er rüstet sich zu einem weiteren Kampf. Wie das alles zusammenhängt, und woher ich das nun so schnell weiß, kann ich Euch nicht erklären, denn ich bin sehr in Eile. Gumnion! Ich bitte Euch, seid wachsamer als je zuvor und rüstet Euch und Eure Truppen für einen Kampf, zu dem es hoffentlich nie kommen wird. Sobald ich weitere Informationen habe, werde ich es Euch wissen lassen." Emra war kaum fertig, als er auch schon in den flachen Anbau der Burg verschwand, um ihn auf der anderen Seite wieder zu verlassen und dem Magier zu folgen.

Gumnion hingegen war total überrascht von der Rede Emras, doch als ein erfahrener Truppenführer sah er sofort, daß dieser junge Ranger jedes Wort ernstmeinte, und so beschloß er, zumindest wachsam zu sein und seine Leute ein wenig zu mobilisieren.

In Gedanken versunken, die sich alle um den großen Ringkrieg drehten, wandte Gumnion sich langsam dem Wirtsraum und einem guten Frühstück zu.

Derweil war Emra schon ein gutes Stück auf den Wiesen im Hinterland gelaufen, doch von dem alten Mann war keine Spur zu entdecken. Aufmerksam suchte Emra nach Fährten, doch nicht das geringste war zu sehen. Verwundert sah Emra sich um und fragte sich, ob sich Ithyn Luin in Luft auflösen konnte, und tatsächlich schien es so zu sein. Emra sah ein, daß es sinnlos war, in irgendeine Richtung zu laufen, er würde den Alten nie finden oder gar einholen, denn trotz der enormen Kondition der Zwerge war dieser Mensch schneller und seine Schritte maßen zwei der seinen. Also wandte sich Emra wieder der Burg zu, um sich nochmals mit Gumnion zu besprechen, doch er kam nur wenige Schritte weit, als sich plötzlich ein Rauschen in der Luft erhob, das wie von Flügeln eines gewaltigen Vogels klang. Erschrocken sah der Zwerg nach oben und fiel vor Überraschung fast der Länge nach hin. Ithyn Luin, der Magier, war wiedergekommen - auf einem Fabeltier, das Emra nur aus uralten Geschichten kannte und an die nicht einmal mehr seine Vorfahren geglaubt hatten; die blaue Gestalt des Druiden saß auf einem weißen Pferd mit Flügeln, einem Pegasus.

Emra war völlig außerstande irgendetwas zu tun, geschweige denn, zu sagen, so überwältigt war er von der grazilen Schönheit und der scheuen Anmut des Pferdes, das gerade wenige Schritte von ihm auf der Erde landete und mit angelegten Flügeln auf Emra zulief.

"Kommt, Emra!", lachte der Magier, und mit einer schnellen Bewegung beugte er sich zu dem Zwerg hinab und hob ihn mit einer Hand hinter sich auf den Rücken des Pferdes, so als ob Emra ein Grashalm wäre. Geblendet von der Schönheit des Tieres und der gewaltigen und unvermuteten Kraft des blauen Reiters, klammerte sich Emra schnell an Ithyn Luin fest, um nicht von Pferd zu fallen, als dieses - scheinbar mühelos - die Flügel ausbreitete und sich nach wenigen Schritten schnell in die Lüfte erhob.

Kurze Zeit später waren Ithyn Luin und Emra schon über den Waldhängen, die die südliche Abgrenzung zum Hodru-Paß bildeten. Erst jetzt wagte der Zwerg einmal kurz, die Augen zu öffnen, doch nach einem kurzen Blick nach unten bereute er dies schnell. Krampfhaft schloß er die Augen und suchte nach einem festen Halt, bis er zufällig sein Kristallschwert Gorthing berührte und er plötzlich neuen Mut faßte und sogar fast übermütig mal hierhin und dorthin sah. Hin und wieder erkannte er einen markanten Punkt in der Landschaft, die von oben so friedlich und still aussah, und erkannte, daß sie sich mit großer Geschwindigkeit in südwestlicher Richtung bewegten; dorthin, wo die Stadt der Menschen, Acrelon, lag.

Ende des fünften Kapitels
to be continued...


Heinz-Günter Weber

"Die Sagen von Dawnia" im Überblick:
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 1-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1989)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 2-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1990)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 3-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1990)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 4-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1991)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 5-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1991)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 7-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1994)
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