UNDERGROUND EMPIRE the ONLINE EMPIRE-Titel
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”UNDERGROUND EMPIRE 7”-Datasheet

Contents:  Forin-"Die Sagen von Dawnia"-Kapitel

Date:  1993 (estimated, created), 07.04.2022 (revisited), 16.04.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 7

Status:  published

Task:  from paper to screen

Availability:  original printed issue sold out! Several earlier issues still available; find details here!

Comment:

Im gedruckten Heft stand unter dem Schlußhinweis "Ende des sechsten Kapitels" der Zusatz "Fortsetzung folgt!". Doch heute wissen wir, daß es kein weiteres gedrucktes UNDERGROUND EMPIRE mehr erscheinen sollte. Bis UNDERGROUND EMPIRE online an den Start ging, war mein Kontakt zu Heinz-Günter abgerissen, so daß ich ihn noch nicht mal fragen konnte, ob er denn weitere Kapitel auch zu diesem Format beisteuern möchte. Genau gesagt weiß ich auch nicht, ob weitere Kapitel überhaupt existieren.

Supervisor:  i.V. Stefan Glas

 
 

Titel: Die Sagen von Dawnia

Forin

Forin führte die kleine Truppe schnell und sicher durch den Nebel, der immer dichter zu werden schien. Garth, der in seinem ganzen Leben die Stadt noch nie verlassen hatte, kam alles sehr seltsam und interessant vor. Vor allem jedoch erstaunte ihn die Sicherheit, mit der Forin die Gruppe führte. Er schien sich hier in der Wildnis sehr gut auszukennen. Schnell überquerten sie die Felder, die rings um die Befestigungen lagen und erreichten wenig später den Waldrand. Nur kurz orientierte sich Forin und ging dann in westlicher Richtung am Waldrand entlang. Wenig später stoppte er und bedeutete Garth, daß dies eine wichtige Stelle sei, die er sich merken sollte, was Garth gar nicht verstand, sah sie doch aus, wie der Wald woanders auch. Dahliah lächelte und zeigte ihm eine seltsame Astformation, die sich zwischen zwei gewaltigen Eichen spannte. Es sah aus wie ein gewaltiges natürliches Tor, das sich in den dunklen Forst öffnete. Ehrfürchtig durchschritt Garth das Portal und fand sich auf einer Lichtung wieder, die wie ein perfekter Kreis vor ihm lag. In regelmäßigen Abständen standen die Bäume und bildeten so eine natürliche Abgrenzung, die durch dichtes Dorngestrüpp zwischen den Stämmen verstärkt wurde. Das Tor, durch das nun auch die anderen gekommen waren, schien der einzige Zugang zu diesem Platz zu sein, es sei denn, man wollte durch die Dornen brechen, was kein guter Gedanke gewesen wäre, denn die Stacheln brachen leicht ab, und ihr Gift war tödlich. Garth dachte, daß hier die Reise zu Ende sei, hatten sie doch ein leicht zu verteidigendes Plätzchen gefunden, das zu einer ruhigen Nacht einlud. Doch seine neuen Freunde schienen noch keine Rast machen zu wollen. Schon waren sie auf der anderen Seite der Lichtung, die gerade von den ersten Sonnenstrahlen erhellt wurde, und gingen zielstrebig auf eine bestimmte Stelle zu. "Was die wohl vorhaben", dachte Garth, dem Dahliah gerade erklärte, daß er vorsichtig sein solle, um nicht die Dornen zu berühren.

"Lauf genau hinter mir her und weiche nicht ab, egal was passiert", warnte sie, und als Forin nickte, ging sie geradewegs auf eine besonders dichte Hecke zu, und wie ein Geist glitt sie hindurch. Vor Schreck blieb Garth stehen, doch Forin schob ihn energisch vorwärts, so daß er feststellen mußte, daß nicht Dahliah der Geist war, sondern die Dornenbüsche. Tätsächlich war die Hecke an dieser Stelle nur eine Illusion, die sich jedoch nicht auflöste, selbst wenn man die Täuschung erkannt hatte. So war es dann auch gar nicht einfach, durch diesen Dornenwall zu gelangen, denn der Weg, der durch die Illusion geschützt wurde, wand sich hin und her und seine Begrenzungen waren die Stacheln der echten Hecken, die einen unaufmerksamen Wanderer schnell zu einem toten Wanderer gemacht hätten. Garth hatte jedoch eine gute Führerin, die die Truppe sicher durch die Gefahr leitete, und er staunte über das Mädchen, das so viel kannte und Dinge wußte, von denen er nicht einmal träumte.

"Was ist das für ein Weg, und wohin führt er?", wollte Garth plötzlich wissen; und Dahliah erklärte:

"Es ist ein uralter Weg, den die Elben angelegt haben. Es war ein Fluchtweg, der in Zeiten großer Not und Bedrängnis den Elben Rettung bringen sollte. Der Weg ist jedoch geheim, selbst die meisten Elben kennen ihn nicht, und eigentlich war er auch zur Flucht in die entgegengesetzte Richtung gedacht, zur Flucht aus der Elbenstadt zur Küste. Wir gehen nun jedoch zu den Ruinen der ehemaligen Elben-Südstadt, um dort einen Freund zu treffen, der uns in unserer Mission weiterhelfen soll."

Garth nickte und trottete in Gedanken versunken hinter Dahliah her, die er bislang nur als fröhliche Freundin Ilas gekannt hatte und die sich nun als so vollkommen anders erwies. Sie war eine starke Führungsperson, mutig und voll geheimen Wissens. Sie hatte ihn aus der Stadt geführt, vorbei an aufmerksamen Torwachen, vor dem Zorn der Orks gerettet, die er nur aus den Erzählungen der Alten kannte, riesige, grobschlächtige, ausgesprochen häßliche Wesen, deren Häßlichkeit nur von den Trollen oder Melkor, dem Schrecklichen, übertroffen wurde. Sie lebten meist in Höhlen und dienten oft finsteren Gestalten. Vor allen Dingen waren Orks aber ziemlich kräftig und ausdauernd, was sie zu recht unfreundlichen Gegnern und noch schlimmeren Feinden machte. In der Tat hat noch keiner etwas Gutes über Orks gesagt, sie scheinen so abgrundtief böse zu sein, daß sie selbst untereinander immer wieder blutige Kriege führen. Noch immer hallte der markerschütternde Schrei in Garth' Gedanken wieder, den er von weitem aus seinem Haus gehört hatte. Eigentlich wollte er gar nicht so genau wissen, wer da so geschrien hatte, denn der Schreck saß ihm immer noch in den Knochen. Voll Abscheu schüttelte Garth sich und sah sich um. Doch was er sah, beruhigte ihn kaum: Die kleine Truppe, in deren Mitte er sich befand, bewegte sich langsam durch ein Meer aus tödlichen Dornenhecken, die teils Illusionen, teils mörderische Fallen darstellten. Er sah an sich herunter und stellte fest, daß die Illusion scheinbar durch seinen Körper ging. Kurz sah er über seine Schulter: Direkt hinter ihm war Forin, der mit geschlossenen Augen lief und doch mit absoluter Sicherheit dem verschlungenen Weg folgte. Verwirrt suchte Garth nach Will Unterberg, dem kleinen Hobbit. Beinahe belustigt stellte er fest, daß der Auenländer dicht hinter Forin folgte, aber außer seinem braunen Haarschopf alles von der magischen Hecke verdeckt wurde.

"Es ist eigentlich verrückt! Ich gehe hier durch magische Hecken, verbündet mit Wesen aus einer Märchenwelt, auf der Flucht vor schrecklichen Monstern, die nicht mal mich suchen, sondern meine liebe Frau, die als Hexe verbannt wurde! Ist in Dawnia überhaupt noch etwas normal? Der so gerechte Regierungsrat, dient einem Teufel; meine Frau ist eine Elbenprinzessin, und ich bin womöglich vollkommen verrückt! Am besten ich wache auf, schmiede meine Hufeisen und Schwerter und lebe weiter wie bisher!", dachte Garth, doch er wurde durch eine leise Stimme aus seinen Gedanken gerissen:

"Du träumst nicht, Garth, alles ist so wie Du es gehört hast. Es ist für Dich bestimmt schwer zu glauben, doch die Valar haben die Dinge so geplant, und wir alle müssen unseren Teil zum Erfolg des Guten beitragen. Also zweifle nicht, denn Zweifel schwächen den Geist, und ohne Geist ist der Körper nur eine wertlose Hülle. Und doch ist der Körper die Heimstatt des Geistes, und so schütze ihn gut und achte auf den Weg, den Dahliah Dir zeigt. Folge meinem Rat und alles wird ein gutes Ende nehmen, denn wir sind nicht allein." Es waren Forins Worte, doch ein weiterer Blick zeigte Garth, daß die Stimme nur in seinen Gedanken vorhanden war, daß nur er sie gehört hatte. Das leichte Lächeln auf Forins Lippen bewiesen ihm, daß er recht hatte: Forin war doch einer der gefürchteten Magier!

Es muß eine gute Stunde gewesen sein, bis die buntgemischte Truppe plötzlich aus den Hecken hervortrat und vor sich einen lichten Wald sah.

"Endlich!", Garth atmete auf, obwohl er sich fast an die seltsamen magischen Büsche gewöhnt hatte. Noch ein letztes Mal sah er zurück, und vor seinen Augen tauchte aus dem grünen Gestrüpp Will Unterberg auf.

"So, Herr Garth, nun haben wir die eklige Hecke hinter uns gelassen und sind weit weg von deiner Heimatstadt Acrelon. Wir sind jetzt aber nicht mehr weit weg von dem Land der Elben, die aber noch einige Wegstunden nach Norden entfernt leben. Nur noch ein paar Schritte, und dann werden wir schon in den Ruinen von Mibelion stehen, die einst von den wundervollen Elben gebaut, aber im großen Krieg zerstört wurden." Will klopfte noch an seinen Kleidern herum, denn ihm behagte diese Magie nicht, irgendwie kam er sich ganz zerkratzt vor, so als wäre er durch echte Büsche gekrochen. Jetzt kam auch Dahliah zurück, die schnell die nähere Umgebung nach Orks abgesucht hatte.

"Im Moment droht uns keine Gefahr", stellte sie kurz fest und wandte sich dann an Forin, dem sie leise einige Worte ins Ohr flüsterte. Das ernste, kaum spürbare Nicken des Magier beruhigte Garth jedoch wenig. Irgendetwas war anscheinend nicht in Ordnung. Auch Will hatte die Sorge auf Dahliahs Gesicht bemerkt und sagte:

"Frau Dahliah, etwas stimmt nicht, und ich glaube nicht, daß es uns nützt, wenn nur Du weißt, was es ist!"

"Beleidigter, kleiner Hobbit, wie recht du hast! Aber ich habe wahr gesprochen. Im Moment droht uns keine Gefahr, jedoch sind vor kurzer Zeit eine Truppe Orks nur wenige Schritte von hier vorbeigekommen und ihr Weg war der in die Stadt. Wir müssen also auch weiterhin vorsichtig sein und damit rechnen, auf Feinde zu stoßen." Mit einem freundlichen Blick auf Garth fügte sie hinzu, "Es sind nur wenige Orks gewesen, drei, vielleicht vier. In einem offenen Kampf hätten wir also eine gute Chance!"

"Genug der Worte!", sprach Forin, "wir haben uns nun lange genug aufgehalten, und wir werden in Mibelion erwartet. Ich hoffe Quahlin hat Ila gefunden und kann sie vor den Orks beschützen. Wir müssen uns also beeilen."

Forin schritt nun voraus gefolgt von dem Hobbit, der eifrig hinter dem Zauberer hinterhertappelte. Garth folgte mit Dahliah am Ende des Trupps. Leise erklärte Dahliah, daß Forin irgendwie mit einem anderen Mitglied seines Ordens Kontakt aufgenommen hatte, der hier in der Elbenstadt lebte, im Geheimen die dunklen Mächte bekämpfte und nun mit dem Auftrag die Gegend durchstreifte, Ila zu suchen, und in die Stadt zu bringen. Wenn dies gelänge, hätte Ila noch eine Chance, der Bedrohung zu entgehen. Garth nickte hoffnungsvoll und dachte an Ila, die er nicht verlieren wollte. Inzwischen waren sie auf eine gepflasterte Straße gekommen, die sich von Westen her einer Mauer näherte. Die Mauer war jedoch verfallen, und viele Lücken ermöglichten es den vier Gefährten, darüber hinwegzusteigen und in das riesige Trümmerfeld einzutreten. Garth blieb fast die Luft weg, als er die Trümmer einer Stadt sah, die an Größe und Schönheit Acrelon in nichts nachstand, sie sogar trotz der Staubschicht und den verbrannten Mauern noch übertraf. Bis gestern hatte Garth nicht mal an eine fremde Siedlung geglaubt, nun stand er in einer Ruine, die vor Ihrer Zerstörung um ein vielfaches prachtvoller als seine Heimat gewesen sein mußte.

"Zurück!" zischte plötzlich Forins Stimme. Mit aller Kraft drückte er die drei an eine Wand, er selbst schlug sich seinen Mantel um und augenblicklich entschwand er Garths Blicken. Gebannt starrte er immer noch auf die Stelle, wo er sich in Nichts aufgelöst hatte, als er bemerkte, daß Dahliah inzwischen ein schlankes Schwert aus Ihrem Mantel gezogen hatte. Also zog auch Garth sein Langschwert, das lange unbenutzt in seinem Haus gehangen hatte. Auch der Hobbit hatte ein kleines Schwert in der Hand, von dem Garth verwundert feststellte, daß es leuchtete, ein bläuliches Glimmen umgab die Klinge.

"Orks!", murmelte Will leise. "Stich wittert sie!"

Das Glimmen wurde stärker, und nun hörte Garth plötzlich den schnarchenden Atem der Orks, die offensichtlich die Straße heraufkamen. Leise klirrten die Ketten und Ringe ihrer Rüstungen, als sie im Gleichschritt näherkamen. Während Garth noch dachte, es wäre vielleicht nur einer, sagte Dahliah lautlos:

"Vier. Sie sind bewaffnet!"

Garth schlug das Blut durch die Adern, die Spannung war unerträglich. Hatten sie eine Chance? Vier gegen vier. Aber gegen vier Orks! Ihm kam das Verhältnis ungerecht vor, traute er sich doch nicht zu, auch nur einen Ork zu treffen! Doch ihm blieb keine Zeit, sich weitere Gedanken zu machen. Plötzlich tauchte an der Straßenecke der Orktrupp auf, aber bevor sie die drei Gefährten entdecken konnten, erschien in ihrem Rücken Forin mit gezogenem Schwert, der ohne Warnung angriff. Die Orks waren durch die hereinbrechende Dunkelheit gestärkt und reagierten schnell auf den unvermittelten Angriff. Gleich zwei Orks hieben mit ihren schweren Kolben auf Forin ein, der jedoch geschickt auswich. Jetzt griffen auch die restlichen Gefährten ein. Mit einem "Für das Auenland!", stürzte sich Will mutig auf einen Ork. Dahliah übernahm den vierten Ork, so daß alle Orks in einen wilden Kampf verwickelt waren. Garth rief beherzt:

"Für Acrelon!", und unterstützte Will, der aufgrund seiner Größe seine Probleme mit dem Ork hatte. Er war jedoch flink und sein kleines Schwert schnitt klaffende Wunden in die ledrige Orkhaut. Garth holte zu einem großen Schlag aus und traf den Ork hart, so daß Will ihn mit einem gezielten Stich außer Gefecht setzen konnte. "Bleiben noch drei", dachte Garth und hieb auf einen der beiden Orks ein, die Forin inzwischen empfindlich getroffen hatte. Der Ork schlug daraufhin mit der Keule nach hinten, um Garth zu treffen, doch Will sprang unglücklich dazwischen und wurde hart zu Seite geschleudert, wo er kampfunfähig liegenblieb. Garth rief daraufhin:

"Für das Auenland!", und rächte Will durch einen gewaltigen Hieb, der dem Ork seinen Kopf von den Schultern trennte.

"Ich sehe, wir haben einen wahren Kämpen in unserer Mitte!", rief Forin überrascht, "machen wir dem Spiel also ein Ende!" Sprach's, und hieb mit einer unheimlich schnellen Bewegung auf den Ork ein, der tödlich getroffen zusammenbrach. Auch Dahliah hatte ihren Gegner getötet, und so rannte Garth schnell zu Will, der sich an eine Mauer gesetzt hatte.

"Wie geht es dir?", fragte Garth besorgt und gleichzeitig überrascht, daß der kleine Hobbit den Schlag ohne größere Blessuren überstanden hatte.

"Es ist alles in Ordnung, mir blieb nur kurz die Luft weg.", grinste Will, "das Hemd ist stabil!" Er klopfte sanft auf seinen Bauch und ein metallischer Wohlklang erschallte. Garth fühlte an der Stellte und fand unter dem bunten, gelben Hemd ein Kettenhemd, das weich und doch fest war und das vor allem dem Hobbit das Leben gerettet hatte.

"Sonderbare Zeiten sind das!", sagte Garth nur und half dann dem Hobbit auf die Füße.

"Danke, daß du den Ork erledigt hast. Du hast einen kräftigen Hieb. Die Orks werden dich fürchten lernen, Herr Garth!"

"Recht hat der Hobbit! Doch wir müssen nun weiter, Garth, du wirst noch genügend Gelegenheit haben, deine Kampfkunst zu zeigen. Laßt uns noch sehen, ob die Orks etwas wichtiges bei sich hatten."

Schnell durchsuchten sie die vier, doch außer den Keulen schienen sie nichts bei sich zu tragen. Einzig das Wappen auf den Gürteln der Orks schien Forins Interesse zu finden, betrachtete er doch lange und eingehend den geflügelten Löwen auf der Schnalle, bevor er den Gürtel einsteckte und dann schnellen Schrittes die Straße hinunterlief.

"Kommt, wir sind in Eile!"

Garth war immer noch wie benommen von dem Kampf und bekam überhaupt nicht mit, wie die Gruppe beinahe lautlos durch die tote Stadt schlich. Forin führte nun schnell und sicher, so als ob er sich in dieser Stadt gut auskennen würde. Garth stolperte hintendrein und sah den bunt zusammengewürfelten Haufen von Abenteurern, der nun, mit verborgenen Waffen, vielmehr so aussah, als sei er eine Wandergruppe. Doch er wußte nun genau, daß dem nicht so war, sondern daß er sich in Gesellschaft von kampferprobten Freunden befand, die jedoch unterschiedlicher nicht sein konnten: Ein kleiner Hobbit, der mutig, ja fast leichtfüßig einen doppelt so großen Gegner in Schach hielt, ein Mädchen, das sich mit den häßlichsten Kreaturen im Schwertkampf maß und ein sehr seltsamer Mann, der scheinbar nicht nur mit Schwertern zu kämpfen verstand. Und doch fühlte sich Garth bei Forin fast am wohlsten. Er selbst konnte nicht sagen, warum, doch ein Gefühl der Sicherheit ging von ihm aus, das Garth nie zuvor gespürt hatte.

In der Zwischenzeit waren sie einige Straßenzüge weitergegangen und befanden sich so ziemlich in der Mitte der Stadt, als Forin plötzlich stehenblieb, einen Moment wie erstarrt innehielt und dann mit weit ausholenden Schritten quer über die Straße lief und in einem relativ gut erhaltenen Haus verschwand. Schnell folgten die anderen, stießen die schwere Eichentür auf und fanden ein total verwüstetes Zimmer. Garth wunderte sich, warum Forin und die anderen so aufgeregt und grimmig umherliefen und hier und dahin schauten, als suchten sie etwas. Will bemerkte zuerst den verdutzten Garth und erklärte:

"Herr Garth, sicher versteht ihr nicht, warum wir über dieses Durcheinander so besorgt sind, es sieht in der ganzen Stadt ja so aus! Doch nicht in diesem Zimmer. Es ist das Haus eines Mannes, der hier großgeworden war und sich bis vor wenigen Tagen noch hier aufgehalten hatte. Dieses Durcheinander beweist, daß er Besuch hatte, vielleicht von unseren Freunden von vorhin!"

Will zog eine Grimasse, um die Orks nachzuäffen, doch Forin unterbrach ihn:

"Ja, Orks. Sie haben was gesucht, aber scheinbar nicht gefunden. Einen Kampf hat es nicht gegeben. Garth, wo würdest du etwas verstecken, das Feinde in deinem Haus suchen könnten?"

Garth dachte kurz nach und meinte:

"Unterm Bett vielleicht, im Ofen, oder... ",

"Unsinn!", rief Dahliah. ",Wenn jemand etwas im Haus sucht, versteckt man es am besten im Garten!"

Wie auf ein Kommando liefen alle wieder hinaus und Forin zischte:

"Leise, und verändert nichts!", Er schloß die Augen, konzentrierte sich kurz und ging dann auf eine Stelle zu, die sich für Garth in nichts von jeder beliebigen anderen Stelle im Garten unterschied. Dahliah folgte ihm und ihr Blick strahlte:

"Da haben wir es!", rief sie leise und Garth versuchte auch etwas zwischen den herumliegenden Steinen zu entdecken.

"Ah, der ehrenwerte Freund von Herrn Forin ist ein guter Wanderer!", stellte Will fest und Garth wurde nun langsam ärgerlich, weil er nichts sehen konnte, das ihm auch nur einen Anhaltspunkt gab.

"Herr Garth, es ist eigentlich ganz einfach, seht her: Hier liegen vier längliche Steine mit einem großen flachen darauf, das Haus! Um das Haus verstreut liegen grobe, rauhe Steine, es sind die Orks, zwölf, wenn ich richtig gesehen habe. Dann liegt hier ein Stein mit einem länglichen Einschluß, vielleicht einem Wanderstab: Der Freund von Forin, doch direkt daneben liegt ein bauchiger Stein: Ein dicker Mann..."

"Oder eine schwangere Frau!" Garth ging endlich ein Licht auf, "und die beiden Steine sind nach Nordosten gegangen, da sie sich nordöstlich vom Haus befinden. Vielleicht über die Stadtmauer, denn diese vielen kleinen Steine in einer Reihe könnten die Mauer darstellen, oder?"

"Unser Mann aus Acrelon lernt schnell, nicht wahr, Dahliah?", lächelte Forin und Dahliah nickte zufrieden. "Also auf zur Stadtmauer!"

 

Immer die Deckung der Ruinen ausnutzend kam die kleine Gruppe schnell an die Reste der Mauer. Trotz der Verwüstung war dieses Bollwerk immer noch in gutem Zustand und bot einen gewaltigen Anblick. Aus riesigen Quadern aufgeschichtet, trotzte der Wall jedem Angriff und noch heute waren die Außenwände der Mauer glattpoliert: Ein Meisterwerk der Baukunst, wie es nur Zwerge schaffen konnten. Doch nun gab es ein Problem: Die versteckten Hinweise im Garten des alten Hauses zeigten zwar an, daß zwei Menschen in Richtung der Mauer geflohen waren, doch außer unzähligen Tapsern von Orks war keine Spur auf dem staubigen Boden auszumachen. Die auffällig vielen Orkspuren waren jedoch ein deutlicher Hinweis darauf, daß auch die grobschlächtigen Wesen an dieser Stelle verzweifelt nach dem weiteren Weg der Flüchtigen gesucht hatten.

"Wenn sie etwas gefunden haben, ist bestimmt jede Spur verwischt! Seht euch den Wirrwarr aus Füßen an. Es sind jedoch keine Spuren eines Kampfes zu sehen - scheinbar sind die beiden entwischt! Aber wohin?", Will plapperte in seiner Hobbitart einfach so dahin und doch traf er den Kern des Problems. Die Mauer war in diesem Bereich viel zu gut erhalten und viel zu hoch, um darüberzuklettern. Ein Verlassen der Stadt war also unmöglich. Ein kurzes Suchen erbrachte auch keine Spuren links und rechts des zertrampelten Feldes.

"Sie sind wie vom Erdboden verschluckt!", stellte Garth entmutigt fest.

Alle in der Gruppe mußten dem zustimmen und fürs erste einigte man sich darauf, zu dem Haus zurückzugehen, ein wenig zu essen und über Nacht dort zu bleiben. Vielleicht konnte man ja bei genauerem Hinsehen noch den einen oder anderen Hinweis auf den Verbleib der Gesuchten finden. Notdürftig richteten Dahliah und Forin die Räume als Nachtlager her und der Abend wurde zum Geschichtenerzählen genutzt. So erfuhr Garth, daß sie sich alle nun im Haus von Quahlin Innhind befanden, einem Mann mit großem Wissen und wohl auch einigen Fähigkeiten, wie Garth vermutete. Jedenfalls wußte dieser geheimnisvolle Mensch von der wahrscheinlichen Ankunft Ilas in den Südwäldern (von der Elbenstadt aus gesehen liegen die Wälder im Süden) und war sogleich mit der Suche nach ihr beschäftigt. Die letzte Nachricht, die Forin von ihm erhalten hatte, war, daß er eine Spur von Ila gefunden habe und er sie wohl bald sehen werde. Dies war jedoch schon einige Tage her, und alle in der Gruppe hofften, daß er sie gefunden habe und sie sich nun unter seinem Schutz befände. Es gab genug Gefahren und Abenteuer zu meistern, und Ila würde dabei bestimmt auf Hilfe angewiesen sein - eine Tatsache, der Garth auch für sich selbst ohne zu Zögern zustimmte. Was die Suche betraf wurde nur noch wenig gesprochen, doch Garth erfuhr an diesem Abend etwas von der Prophezeiung der alten Elbenkönige, die auf Ila zutreffen sollte. Forin schloß die Augen, und Stille kehrte in dem nur durch Kerzenschein erhellten Raum ein. Alle Augen richteten sich auf den alten Mann, und eine seltsame Spannung lag in der Luft. In der alten Sprache sagte er einige Verse, die er danach in die gemeine Sprache übersetzte - doch viel von ihrem Wohlklang ging dabei verloren:

Einst wird kommen - auf dem kahlen Berg
aus der Burg - aus der toten Feste - eine Kunde:
Er wird geboren aus dem Blut von Mensch und Mensch
Die Königin der Elben - Nachfolger aus dem Blut der Ahnen
Doch Mensch wird Elb, und Mensch war Elb,
und Elb war Mensch, und Elb ist Mensch.
Der Vater wird sein ein großer Kämpe im Guten
Die Mutter eine Starke Führerin der Weisen Frauen
Die Königin wird kommen und mit ihr wird Frieden werden
Frieden nach Krieg, Ruhe nach Sturm.
Dies wird künden euch der Prophet aus der Burg
am Tage, in der Nacht, und wenn die Schiffe von Sonne
und Mond zusammenstoßen und ewige Dunkelheit liegt
auf Dawnia - bis der Bote kommt und bringet das Licht!
Es wird kommen der neue Tag,
und sie wird genannt werden:
Königin der Morgenröte - Elbin des Lichts!

Es war ein starkes Stück, das Forin vortrug und Garth dachte lange schweigend über die Worte nach. Vieles daran war deutlich, einleuchtend, daß seine liebe Frau Ila damit gemeint sein könnte. Doch einiges sprach auch dagegen. Ila war Mensch - oder vielleicht doch ein Elb. Nun, sie war schlank und von schönem Wuchs, ihre Augenbrauen zeigten leicht nach oben und ihre spitzen Ohren waren unter dem blonden, langen Haar nicht zu sehen, doch Garth schien es, als hätte sie zumindest elbische Züge. Aber daß sie Königin werden sollte, und Dawnia vor der Zerstörung retten überstieg Garths Vorstellungsvermögen. Auch war da von einer Prophezeiung die Rede, wenn die Schiffe von Sonne und Mond sich kreuzen! Und das bei völliger Dunkelheit. Nein, der Vers war Dichtung, schön im Klang der alten Sprache, doch Garth war überzeugt, daß der Inhalt völliger Blödsinn war. Noch nie hatten Sonne und Mond ihre Bahnen gekreuzt, waren sie doch zu verschiedenen Zeiten auf dem Himmelsmeer unterwegs. Und selbst wenn sie sich treffen könnten, würde dann nicht die Leuchtkraft beider Schiffe den Tag blendend hell machen? Ja, es war unmöglich! Weshalb sollte ein Krieg stattfinden? Im ganzen Land war es doch ruhig! Doch im selben Moment wurde Garth bewußt, daß er vor wenigen Stunden mit schrecklichen Wesen aus der Fabelwelt, Orks, gekämpft hatte und nur mit knapper Not den Sieg errungen hatte. Zusammen mit anderen Wesen, an deren Existenz Garth bis vor wenigen Tagen nicht einmal gedacht hatte.

Verwirrt sah Garth in die Runde und stellt fest, daß Forin ihn noch immer durchdringend ansah, während die anderen sich bereits ein Lager im Nebenraum hergerichtet hatten, um bis zum nächsten Morgen zu ruhen. Der Blick des Mannes lag unangenehm schwer auf Garth. Es war, als sehe Forin durch ihn hindurch, tief in sein Inneres, seine Gedanken erforschend und Dinge sehend, die selbst ihm verborgen waren. Er fühlte, wie er geprüft wurde, ob er vielleicht der Kämpe aus dem Vers sein könnte, und ihm wurde ganz unbehaglich zumute - noch nie war er so entwaffnet gewesen wie in diesem Moment, und in Forins Gesicht regte sich kein Muskel. Starr sah er in Garths Augen und schien an nichts anderem interessiert. Doch nach wenigen Sekunden löste er seinen Blick - Garth kam es vor wie Stunden - und lächelte schwach:

"Ich denke, für heute haben wir genug Abenteuer bestanden. Wir sollten nun ruhen. Morgen werden wir Eure Frau weiter suchen. Ich bin sicher, wir werden mehr Erfolg haben wie heute. Legt Euch jetzt hin, ich übernehme die erste Wache!" Noch im selben Moment drehte Forin sich um, zog seinen Umhang über die Schultern und verschwand draußen im Dunkel der Nacht.

Den Kopf noch immer voller Gedanken an all die Vorkommnisse, schlief Garth wenig später ein, doch selbst im Traum quälten ihn die Gedanken an die Prophezeiung, und er hatte eine unruhige Nacht.

Ende des sechsten Kapitels


Heinz-Günter Weber

"Die Sagen von Dawnia" im Überblick:
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 1-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1989)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 2-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1990)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 3-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1990)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 4-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1991)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 5-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1991)
"Die Sagen von Dawnia" – Underground Empire 7-"Die Sagen von Dawnia"-Artikel (aus dem Jahr 1994)
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