UNDERGROUND EMPIRE the ONLINE EMPIRE-Titel
  UE-Home → History → Online Empire 5 → Interview-Übersicht → ICE AGE (S)-Interview last update: 18.03.2024, 21:42:28  

ICE AGE (S)-Logo

ICE AGE (S)-Headline

Sie waren die weiblichen METALLICA: Sabrina Kihlstrand, Pia Nyström, Vicky Larsson und Tina Strömberg. Die vier hübschen Schwedinnen begeisterten Ende der Achtziger mit ihrem melodischen Speed Metal die gesamte Szene und mußten zugleich erfahren, wie hart das Business ist. Daher kamen sie über Demoaufnahmen, Lobeshymnen und große Versprechungen nicht hinaus.
Bis zur Eiszeit brauchen wir heuer nicht zurückzugehen. Aber ein Sprung um fünfzehn Jahre ist notwendig, um dort anknüpfen zu können, wo wir in UNDERGROUND EMPIRE 1 leider aufhören mußten.
Pia Nyström und Vicky Larsson ließen ihre Köpfe rauchen, um sich an die glorreichen ICE AGE-Tage zu erinnern.

Pia: Es begann alles 1985 mit zwei Gitarristen: Sabrina und mir. Das erste Line-up stand als wir Sabrinas Schwester Helena als Bassistin gewinnen konnten und Tina mit ihrem Schlagzeug von einer anderen Band zu uns herüberlocken konnten. Wir spielten gut ein Jahr zusammen bis es Helena langweilig wurde, so daß Vicky ins Bild kam: Ich lernte sie auf einer Party kennen und schon am nächsten Abend jammten wir in meiner Wohnung. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut miteinander und damit war 1987 das klassische ICE AGE-Line-up beisammen!

ICE AGE (S)-Bandphoto 1

Wie war es möglich, daß das erste Demo »General Alert« bereits wenige Wochen später erscheinen konnte?

Pia: Die beiden Songs ›Abduction Of Night‹ und ›Into The Danger Zone‹ hatten wir noch 1986 mit Helena aufgenommen: Sie befinden sich auf der Rückseite von »General Alert«. Nachdem wir uns mit Vicky eingespielt hatten gingen wir erneut ins Studio und nahmen drei weitere Songs auf und beide Aufnahmen zusammen ergaben »General Alert«.

Die Resonanz auf das Tape war enorm: Propheten wollten die weiblichen METALLICA gesehen haben!

Vicky: Vor allem in England wirbelten wir eine Menge Staub auf: KERRANG! und METAL FORCES überschlugen sich in ihren Reviews, so daß Londoner Plattenläden wie "Shades" das Demo unbedingt vertreiben wollten und wir kurze Zeit später mehrere Shows in London spielten konnten.

Hat es Euch gestört, mit einem solch' großen Titel belegt zu werden?

Pia: Ich war von Anfang an ein großer METALLICA-Fan und habe den Rest der Band bekehrt. Wir wollten ein Teil der Speed Metal-Bewegung sein, die METALLICA losgetreten hatten, so daß James Hetfield und Dave Mustaine in Sachen Riffing für Sabrina und mich eine wichtige Inspirationsquelle darstellten. Diese beiden verliehen dem Begriff "Heavy-Riffs" eine neue Dimension und wir lernten von ihnen einen völlig neue Art, Rhythmusgitarre zu spielen.
Aber das ist nicht die ganze Story: Ich hatte den gleichen musikalischen Background und die gleichen Vorbilder wie Hetfield/Mustaine und meine persönliche Entwicklung war bereits in die gleiche Richtung gegangen, bevor ich den ersten Ton von den beiden gehört hatte. Ich glaube wir gehörten damals alle zu einer Gruppe Gitarristen, die gemeinsam auf dem gleichen Weg unterwegs waren, aber diese beiden Jungs begannen plötzlich loszurennen und der Rest von uns hatte seine liebe Not, wenigstens in Sichtweite zu bleiben. Wir haben also nicht ihre Riffs kopiert, sondern ihren Riffingstil, da wir uns bei diesem Stil schon zu Hause fühlten.
Was die Leadgitarre betrifft stand ich jedoch komplett unter dem Einfluß solcher Melodiegenies wie Brian May oder auch Michael Schenker und war von den großen Doppelharmonien à la IRON MAIDEN in ihren Anfangstagen fasziniert.
Es war damals für uns ein großes Kompliment, mit METALLICA verglichen zu werden und ich kann auch heute noch sehr gut damit leben. Es kann eigentlich nie ein Fehler sein, mit jenen METALLICA verglichen zu werden, die »Ride The Lightning« oder »Master Of Puppets« geschrieben. Aber bitte nenne niemals meinen Namen in einem Atemzug mit den heutigen METALLI-Geschäftsmännern. Nie im Leben hätte ich ein willenloses Rädchen im großen Getriebe der Plattenindustrie werden wollen. Late for songwriting - early for business-meeting - niemals!!!

Entfernen wir uns von Männern, die ihre Träume für schnöden Mammon aufgegeben haben und wenden uns stattdessen wieder Eurem Traum zu.

Vicky: Nach den Shows in London Ende 1987 nahmen wir in Schweden unser zweites Demo auf. Es erschien 1988, nur wenige Monate nach »General Alert«. Es folgte das übliche Prozedere und wir verschickten das Demo an alle erdenklichen Adressen. Daraufhin erhielten wir einen Brief von Kim Fowley, der mit einem gewissen Dave Male zusammenarbeitete. Beide nahmen Bands unter Vertrag, um ihnen zu einem Plattenvertrag zu verhelfen und dafür eine Provision zu kassieren. Doch sie boten uns einen regulären Managementvertrag an, da sie sich ganz offensichtlich erhofften, sich durch uns in der Szene etablieren zu können. Doch Fowley verschwand urplötzlich von der Bildfläche, so daß Dave Male unser Manager wurde.
Die Zusammenarbeit ließ sich nicht schlecht an, denn Male investierte eine Menge Geld, machte Promotion für uns und buchte viele Gigs in ganz Europa. Dennoch keimten bei Sabrina binnen kürzester Zeit Zweifel auf. Eigentlich mochten wir alle Dave Male nicht sonderlich, aber er war der Erste, der konkretes Interesse an uns gezeigt hatte. Wir waren damals Mädels im Alter von 20 Jahren und machten Dinge, die wir heute nie und nimmer machen würden. Wir hofften darauf, daß er uns groß herausbringen würde - ein großer Fehler, wie sich herausstellen sollte.

Es dauerte nämlich nicht lange und die Band brach auseinander.

Pia: Der Schritt, Dave Male als Manager zu verpflichten kam einfach zu früh, weil wir als Band noch nicht fest genug zusammengewachsen waren. Zudem wußte Dave Male sehr genau, wie man Menschen manipuliert: Obwohl er verheiratet war und Kinder hatte, bandelte er mit Tina an und die beiden wurden ein Paar. So trieb er einen Keil in die Band: Er hatte Tina auf seine Seite gezogen und zugleich intrigierte er gegen Sabrina, die sich mittlerweile offen gegen ihn stellte. Die Situation zwischen Sabrina und Dave Male spitzte sich immer mehr zu, so daß die Eskalation nur eine Frage der Zeit war, zumal Sabrina zu jener Zeit private Probleme hatte. Es geschah im Mai 1989 als wir on the road in England waren: Es gab einen riesigen Streit zwischen den beiden und just in dem Moment hielten an einer Tankstelle. Sabrina drehte sich zu uns um, sagte, daß für sie die Sache beendet sei und verschwand. Irgendwie hat sie sich nach Schweden durchgeschlagen und wir fuhren nach London, wo wir am übernächsten Tag hätten spielen sollen. (An dieser Stelle klinkten wir uns in UNDERGROUND EMPIRE 1 mit unserem London-Bericht ein. - Red.)

Dave Male war also ein Hauptgrund für den Split.

Vicky: Er hat mit Sicherheit dazu beigetragen, denn auf der persönlichen Ebene hat es nie funktioniert. Er wollte bei allem die Kontrolle, behandelte uns wie kleine Kinder und gestattete uns kein Privatleben: Das führte sogar so weit, daß wir von einer seiner Mitarbeiterinnen bespitzelt wurden. Sie war immer bei uns, wenn wir privat unterwegs waren und sollte uns beobachten.

Pia: Auch die Zusammenarbeit mit ihm ein zweischneidiges Schwert: Einerseits machte er seinen Job gut, denn die Tourneen klappten immer relativ reibungslos, er hatte den Fanclub ins Leben gerufen und er hatte für uns einen guten Anwalt verpflichtet.

Vicky: Es war schizophren, denn die Gigs liefen hervorragend, aber das Drumherum wurde immer unerträglicher.

Pia: Er blockte uns gegenüber den Firmen ab und bestand darauf, daß ausschließlich er mit ihnen sprach. So hielt er viele interessierte Plattenfirmen hin, weil er stets einen noch größeren Deal herausschlagen wollte, bis sie schließlich absprangen. So war er letztendlich der Grund, weshalb wir nicht weiterkamen, denn Dave Male hatte binnen kürzester Zeit einen schlechten Ruf in der Szene: Verschiedene Plattenfirmen wollten uns nur unter der Bedingung unter Vertrag nehmen, daß Dave Male nicht mehr im Spiel sei.
Die meisten dieser Dinge habe ich jedoch erst viel später erfahren, als wir uns von Dave Male getrennt hatten und die Dinge selbst in die Hand genommen hatten. Ich kann also nicht beschwören, daß sich alles so abgespielt hat, aber solche Aussagen habe ich oft gehört.

Der erwähnte Fanclub nannte sich "FY Fans". Eine sehr eindeutige Abkürzung, oder? Aber warum so garstig?

Pia: Ganz und gar nicht! "FY" hatte nichts mit "fuck you" zu tun, sondern es ist ein schwedischer Ausruf, der frei übersetzt "Schande über Dich" bedeutet. "Fy" tauchte am Ende eines unserer Songs auf und schon hatte unser Fanclub einen Namen. Vielleicht war es nicht die allerbeste Idee, die man in diesem Zusammenhang haben konnte...

ICE AGE waren viel on the road und dieses Leben ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Ist es für Mädels noch schwerer als für Männer?

Pia: Nicht unbedingt, aber Vicky war einmal kurz davor auszusteigen: Sie hatte sogar schon begonnen, ihrer designierten Nachfolgerin Johanna die Basslines beizubringen, als sie sich entschied weiterzumachen. Am schlimmsten waren die Zeiten, als nichts richtig klappte, so daß wir permanent im Bus schlafen mußten und oft nichts zu essen hatten.

Vicky: Es gab davon abgesehen wirklich seltsame Sachen: So enthielten unsere Verträge beispielsweise die Klausel, daß wir nicht schwanger werden durften.

Auf jeden Fall sollte es für ICE AGE auch ohne Sabrina weitergehen.

Pia: Dave Male verstand es hervorragend, jedem zu sagen, was er hören wollte und daher schaffte er es, daß wir ihm eine weitere Chance gaben. Sabrina war weg, Vicky und ich lebten seit etwa acht Monaten in England und Tina war ohnehin mit Dave Male zusammen. Wir hatten also nur die Wahl, einen neuen Versuch zu wagen oder nach Schweden zurückzugehen und alles zu vergessen.
Wir wurden in diesem Entschluß bestärkt, weil wir relativ schnell zwei gute Musikerinnen fanden: Die Italienerin Isabella Fronzoni wurde unsere Gitarristin und die Amerikanerin Debbie Gunn unsere Sängerin. (Debbie war die Sängerin von SENTINEL BEAST, mit denen sie 1986 die Scheibe »Depths Of Death« veröffentlichte. Sie schloß sich anschließend ZNÖWHITE an, wo sie deren Sängerin Nicole Lee ersetzte, die 1984 und '85 die beiden Mini-LPs »All Hail To Thee« und »Kick 'Em When They're Down« sowie die '88er Full Length-Scheibe »Act Of God« eingesungen hatte und auch auf der '86er »Live Suicide«-Platte zu hören ist, so daß Debbie auf keiner ZNÖWHITE-Aufnahme in Erscheinung trat. - Red.)

Vicky: Es ließ sich gut an: Nur wenige Wochen nach Sabrinas Ausstieg tourten wir bereits und drehten ein Video. Wenn ich ehrlich bin, war der Clip totaler Dreck, aber denoch lief er mehrfach auf MTV und SUPERCHANNEL. Schließlich stand das dritte Demo »Instant Justice« an: Wir hatten es bereits mit Sabrina aufgenommen, doch es kam nicht mehr zur Veröffentlichung. Daher ging Debbie ins Studio, sang die Vocals neu ein und das Endprodukt wurde als Demo veröffentlicht.

Und mit diesem Demo habt Ihr einen Deal bekommen, von dessen Existenz Ihr nichts wußtet, richtig?

Pia: Das war vermutlich der nächste Coup von Dave Male. Damals gratulierte uns irgendjemand aus dem Business zu unserem Deal und sagte, daß er auf die Platte gespannt sei. Wir waren völlig perplex, weil wir von absolut nichts wußten. Jahre später habe ich den Vertrag tatsächlich in die Hände bekommen und es war völlig offensichtlich, daß alle Unterschriften mit Ausnahme derer von Tina gefälscht waren. Mehr möchte ich dazu nicht sagen...

Der große Knall konnte also nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Vicky: Exakt! Der große Showdown begann in Dänemark: Wir spielten eine Show in Kopenhagen und fuhren anschließend nach Odense. Unsere Vorgruppe von jenem Abend lebte dort und wir waren über Nacht bei ihnen einquartiert. Dort gab es einen riesigen und vorerst letzten Streit zwischen uns und Dave Male. Er befahl uns, unsere Sachen aus dem Bus zu holen und suchte daraufhin das Weite. Tina ging natürlich mit ihm und er überzeugte Debbie, ebenfalls mitzukommen, indem er ihr ein Rückflugticket nach Amerika versprach. Wir beide, Isabella und die Roadies blieben ohne einen Pfennig in der Tasche mit unserem ganzen Gepäck, unseren Instrumenten und Amps zurück. Zum Glück ließ uns die örtliche Promoterin nicht hängen und half uns, zurück nach Schweden zu kommen.

Pia: Kaum zu Hause angekommen, klingelte prompt das Telephon, denn es waren noch jede Menge Gigs in Holland gebucht. Thilo Schmidt, der Manager von VENGEANCE, wollte diese Tour veranstalteten und er überredete uns, die Shows trotz aller Vorfälle zu spielen: Er versprach uns hoch und heilig, daß wir auf jeden Fall wieder nach Hause kommen würden und nicht zu befürchten hätten, in Holland zu stranden. Dennoch war die Tour sehr seltsam: Wir fuhren mit dem Zug nach Holland und hatten keine Roadcrew am Start. Also fragten wir unterwegs alle möglichen Leute, ob sie einige Tage lang für uns als Roadies arbeiten wollten. Die Tour, die Anfang 1990 stattfand, hat jedoch keinen Spaß gemacht: Wir saßen zu dritt im hinteren Teil des Busses, während Dave Male, Tina und Debbie sich vorne aufhielten. Es war schrecklich, mit langjährigen Freuden plötzlich kein Wort mehr zu wechseln. Immerhin konnten wir uns mit Debbie aussöhnen, aber bei Tina war es hoffnungslos, denn sie war Dave Male immer noch verfallen.

Eigentlich hätte diese Hollandtour das Ende der Band bedeuten müssen, aber dennoch folgte ein weiteres Kapitel.

Pia: Zurück in Schweden wurden Sabrina und ich wieder Freunde. Wir hatten ein Jahr lang nichts mehr voneinander gehört, aber nun bereinigten wir die Situation. Obwohl Vicky mir gesagt hatte, daß sie unter keinen Umständen weitermachen wolle, wollte ich die Band auf jeden Fall weiterführen. Also trug ich mich mit dem Gedanken, ICE AGE zusammen mit Sabrina wieder aufzubauen. Doch es kam völlig anders: Plötzlich meldete sich Dave Male wieder, denn er hatte ein Angebot von einem großen englischen Verlag, der auch THUNDER unter Vertrag hatte.
Doch ICE AGE gab es eigentlich nicht mehr: Debbie war in Amerika, Tina lebte mit Dave Male in London und ich war in Göteborg. Vicky stand nicht mehr zur Verfügung und Isabella hatte in London zusammen mit Johanna, die seinerzeit fast Vicky ersetzt hätte, eine eigene Band gegründet. (Diese Band trug den Namen ORIGINAL SIN und sollte nur eine kurze Lebensspanne erwarten. Bei ORIGINAL SIN saß übrigens Liz Watt an den Drums, die zuvor bei NO SHAME gespielt hatte. Bei NO SHAME war indes ein Mädel namens Tina Wood involviert, die zur aktuellen PHANTOM BLUE-Besetzung zählt. - Red.)
Dennoch gab es einen weiteren Anlauf, der nun in Göteborg stattfand. Dave Male zog mit Tina nach Göteborg und schaffte es, Debbie zu überzeugen: Sie kam zurück und brachte gleich die fehlenden Musiker mit: Dabei handelte es sich um ihre Bekannte Tammy Chavarini, die Bass spielen sollte und die ehemalige WENCH-Gitarristin Meryl Hurwich (Eben jene WENCH, denen wir uns in unseren Papierausgaben mehrfach zugewendet hatten; allerdings ist Meryl nur auf dem '87er WENCH-Demo »Sumus Quod Sumus« zu hören, das wir in UNDERGROUND EMPIRE 1 reviewt hatten.)
Meryl spürte dank ihrer langjährigen Erfahrung sofort, daß dieses Experiment nicht funktionieren würde und kehrte nach Amerika zurück. Doch Tammy brachte ihre Freundin Lisa Decavolo ins Spiel und so hatten wir wieder ein Line-up.
Wir probten und musikalisch war alles okay, aber das Feeling in der Band stimmte einfach nicht und ich verlor zusehends die Lust. Ich verbrachte schon seit einigen Monaten mehr und mehr Zeit mit Sabrina und mir wurde bewußt, daß es mit dieser neuen Band niemals so werden würde wie damals mit Sabrina. Schlußendlich erfuhr ich auf Umwegen, daß es für Dave Male beschlossene Sache war, mich rauszuschmeißen, sobald ich den anderen Girls die Songs beigebracht hatte.
Damit war für mich endgültig Feierabend und als ich Dave Male zur Rede stellte, flippte er völlig aus: Er setzte Debbie, Lisa und Tammy, die zusammen mit ihm und Tina in einer kleinen Wohnung in einem Vorort von Göteborg lebten, mitten in der Nacht vor die Tür und verschwand am nächsten Tag mit Tina. Also quetschten sich die drei Mädels gezwungenermaßen zu mir in meine Miniwohnung, bevor sie einige Tage später nach Amerika zurückkehrten.

Trotz dieses Fiaskos geht die Geschichte aber immer noch weiter.

Pia: Richtig! Debbie rief mich kurze Zeit später an und schlug mir vor, in die USA zu kommen, um ICE AGE dort weiterzuführen. Ich ergriff diesen letzten Strohhalm und ging nach New York. Doch dieses Intermezzo dauerte nur drei Wochen - im Nachhinein gesehen war es nicht mehr als ein Urlaubstrip. Trotzdem haben wir in dieser kurzen Zeit einen Gig gespielt. Da uns nur ein Drummer fehlte, haben wir ein Mädel namens Shir angeheuert. Mit ihr wollte es allerdings nicht funktionierten und die Show rückte immer näher. Doch unser Problem löste sich schnell: Unsere US-Mädels waren mit der Band VISION PURPLE befreundet (die wir in UNDERGROUND EMPIRE 5 und 6 gefeatured hatten - die Welt ist wahrlich klein... - Red.) und deren Schlagzeuger Dale Whitaker half uns aus. Er war also der einzige männliche Musiker, der jemals bei ICE AGE mitgewirkt hat.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit... Dale sollte zumindest für Dich, Pia eine noch eine viel wichtigere Rolle spielen: Schließlich lebt Ihr beide seit einigen Monaten zusammen in Göteborg.

Pia: Das begann vor zwei Jahren: Vicky und ich wollten Urlaub in den USA machen. Via Internet fand ich Lisa Decavolo wieder und sie half mir, andere Musiker aus jenen Tagen ausfindig zu machen. Darunter war Brian Fich, ehemals Bassist von VISION PURPLE. So traf ich Dale wieder und die Dinge nahmen ihren Lauf. Da es schwierig ist, eine Beziehung über die Distanz von Tausenden von Kilometern zu führen, zog Dale zu mir.

Vicky: Ich war einige Zeit mit Brian Fich zusammen, doch wir trennten uns nach einigen Monaten wieder. Er konnte sich im Gegensatz zu Dale nicht dazu entschließen, nach Schweden umzuziehen.

Dale: Um die Geschichte abzurunden, sei hinzugefügt, daß Lisa Decavolo bei Pias erstem Abstecher nach Amerika mit Brian Fich zusammen war. Das war nämlich der Grund, weshalb die Verbindung zwischen ICE AGE und VISION PURPLE zustande kam. Ach ja - und Debbie war eine Zeitlang mit dem Manager von VISION PURPLE zusammen!

Genug von diesen Yellow Press-Geschichten! Laßt uns zu ICE AGE zurückkehren: Die Episode im Frühjahr '90 in Amerika war das endgültige Schlußkapitel für die Band.

Pia: Zumindest unter dem Namen ICE AGE; zu Hause angekommen begann ich nämlich, wieder mit Sabrina Musik zu machen. Sabrina hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein eigenes kleines Studio, in dem wir aufnehmen konnten: Ich schrieb Songs, spielte alle Instrumente ein und Sabrina sang dazu. Die Songs waren immer noch sehr heavy, aber nicht mehr so schnell wie das ICE AGE-Material und grooviger.
Nach einiger Zeit - es muß wohl Ende 1990 gewesen sein - beschlossen wir, aus unserem Projekt eine echte Band zu machen. Das erste Line-up bestand aus Lori von Linstruth, einer Amerikanerin, die sich gerade in einen Schweden verliebt hatte. Er lebte zwar nicht in Göteborg, aber immerhin gab es für sie nun zwei Gründe, nach Schweden überzusiedeln; zu ihr kamen Anders Ström (d) und ein gewisser Hans (b) hinzu. Kurz vor unserem ersten "richtigen" Studioaufenthalt machte er sich jedoch aus dem Staub und so kam Vicky zurück.

Vicky: So entstand zwar ein Demo, aber dennoch dümpelte die Band mehr oder minder ziellos vor sich hin. Daher beschloß Lori, direkt zu ihrem Freund zu ziehen und stieg aus. Dadurch lag die Band definitiv auf Eis und daran hätte sich bestimmt nie etwas geändert, wenn Anders nicht noch seine andere Band GARDENIAN gehabt hätte: Dort spielte Niclas Engelin mit und als er von uns erfuhr war er völlig aus dem Häuschen. Er nötigte uns geradezu, die Band mit ihm weiterzuführen.

Pia: Und so kamen wir tatsächlich wieder in die Gänge und waren sogar so mutig, uns bei einem Bandwettbewerb in Göteborg anzumelden. Da wir zu diesem Zweck einen Namen brauchten tauften wir uns IDIOTS RULE. Überraschenderweise belegten wir bei dem Wettbewerb den zweiten Platz, obwohl wir nur einige wenige Male geprobt hatten. Dennoch hatten wir einen Studioaufenthalt gewonnen und wir durften in ein sehr renommiertes Tonstudio gehen, um ein Demo aufzunehmen.

Vicky: Dummerweise war das Studio nur aus einem Grund so renommiert: Dort hatten schon Bands wie ACE OF BASE aufgenommen...

Pia: Unser Demo wurde alles nur nicht heavy... Dennoch hatte uns die Anerkennung Auftrieb gegeben und wir begannen verstärkt, live zu spielen. Schließlich engagierten wir einen Keyboarder namens Thomas Fredrikson, was jedoch Niclas nicht sonderlich paßte, so daß er ausstieg.

Vicky: Dies war zugleich die letzte IDIOTS RULE-Besetzung, mit der wir noch einen einzigen Song aufnahmen. Dabei handelte es sich um einen Beitrag zu dem METALLICA-Tributesampler »Metal Militia«, der von DOLORES RECORDS, einem Plattenladen in Göteborg, ins Leben gerufen wurde und auf deren Label BLACK SUN RECORDS veröffentlicht wurde. Ironischerweise ist der einzige Song, der jemals von den Ur-ICE AGE-Girls auf CD veröffentlicht wurde eben diese Coverversion von ›For Whom The Bells Toll‹ (Allerdings haben sie eine idiotisch-interessante Interpretation gefunden, indem das Keyboard viele der Rhythmusgitarrenparts übernimmt und Sabrinas außergewöhnlicher Gesang der Sache eine ganz eigene Note verleiht. - Red.)

Pia: Wir spielten schließlich einen letzten Gig bei der Releaseparty des Samplers: Alle Bands sollten dabei ihren Samplerbeitrag live spielen, doch wir tanzten aus der Reihe und spielten stattdessen ein FAITH NO MORE-Cover... Danach verlor Sabrina mehr und mehr das Interesse, was das Ende von IDIOTS RULE bedeutete.

Was wißt Ihr über den Verbleib der anderen ICE AGE-Girls?

Vicky: Von Tina wissen wir absolut nichts. Seit sie mit Dave Male verschwand, ist der Kontakt komplett abgerissen. Ich habe lediglich später durch Bekannte erfahren, daß sie sich endgültig von Dave Male trennte, als er ihr bei einem Streit den Kiefer brach.

Pia: Leider haben wir Isabella völlig aus den Augen verloren. Von Meryl habe ich leider auch nichts mehr gehört, obwohl WENCH bei besagter ICE AGE-Show in New York mitspielten; doch Meryl war zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr bei WENCH.

Dale: Ich war der einzige, der nochmal Kontakt mit Debbie hatte: Sie rief mich etwa 1992 an und erzählte mir, daß sie wieder nach Sacramento zurückgegangen sei und eine Band namens BRUTAL GROOVE gegründet habe. Sie bot mir an, als Drummer einzusteigen. Doch daraus wurde nichts, denn nur zwei Wochen später beschloß Debbie, sich endgültig aus dem Musikbusiness zurückzuziehen. (Doch das hat sie nicht ganz durchgehalten: Vielleicht wird sich der ein oder andere erinnern, daß Debbie mit BRUTAL GROOVE immerhin zwei brutal-gute Demos aufgenommen hat. - Red.)
Tammy hat mit Musik nichts mehr am Hut: Sie ist verheiratet und hat Kinder (Married with children? Al Bundy läßt grüßen... - Red.)
Lisa hingegen ist noch aktiv: Sie wohnt in New Brunswick, New Jersey, wo sie als DJ und Promoter tätig ist und zudem eine Death Metal-Band managt.

ICE AGE (S)-Bandphoto 2

Für Pia und Vicky haben wir immer noch sechs Jahre "aufzuarbeiten". Was habt Ihr seither getan?

Pia: In einer Band habe ich nicht mehr gespielt, aber Sabrina hat schon seit längerem ein Pop-Projekt am Start, für das ich ein paar Texte geschrieben habe. Sabrina hat gerade mit einigen Musikern einige Songs aufgenommen und sie unter dem Projektnamen ASK Plattenfirmen angeboten, aber bislang noch kein Feedback erhalten. Abgesehen davon habe ich für mich privat Stücke komponiert. Zu diesem Zweck habe ich Keyboard spielen gelernt, um nicht auf andere Leute zurückgreifen zu müssen.
Ansonsten habe ich meine Kreativität auf andere Weise ausgelebt: Ich habe begonnen, Geschichten zu schreiben und male seit mehreren Jahren. (Auf dem Cover dieser Ausgabe seht Ihr ein Kunstwerk von Pia, das sie uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. - Red.)

Vicky: Ich habe mit dem IDIOTS RULE-Drummer Anders in einer Coverband gespielt, aber es kam nicht dazu, daß wir live auftreten konnten, da für Anders GARDENIAN der Schwerpunkt war. Zudem hatten ihn IN FLAMES für eine Tour angeheuert, so daß unser Projekt wieder unter den Tisch fiel. Anders hat heute übrigens eine Band namens NME WITHIN (ein Review zu ihrer CD »Science Krucifikktion« findet Ihr in der aktuellen Ausgabe - Red.) und Niclas spielt bei IN FLAMES.

Es war vor Jahren zu lesen, daß Chris Watts, Journalist vom englischen KERRANG!, ein Buch verfassen wolle, in dem er am Beispiel von ICE AGE exemplarisch den Werdegang einer Newcomerband und die damit verbundenen Schwierigkeiten darstellen wollte. Doch dieses Buch erschien nie.

Pia: Dies wurde von Dave Male angekurbelt, aber ich bin mir nicht sicher, wie ernsthaft dieser Plan war. Chris hatte mehrere Interviews mit uns gemacht, so daß er die Band recht gut kannte. Aber ich weiß nicht, ob er wirklich ein solches Buch schreiben wollte oder ob es nur ein weiteres Hirngespinst von Dave Male war. Leider hatte ich nicht mehr die Möglichkeit, Chris darauf anzusprechen.

Was folglich nie in Buchform erschienen ist, haben wir hiermit durchleuchtet. Doch wir wollten die Gelegenheit bei Schopf packen und ebenso über VISION PURPLE sprechen. Immerhin wollten wir vor Jahren ein Interview mit der Band führen, was leider nicht geklappt hatte.

Dale, wie bist Du zu VISION PURPLE gekommen?

Dale: Ich war damals in einer Band namens SILO und wir spielten etliche Shows zusammen mit VISION PURPLE. Dabei freundete ich mich mit deren Gitarristen George Andersch an. VISION PURPLE spielten damals straighten Thrash à la TESTAMENT und wollten in eine komplexere Richtung gehen, doch das schaffte ihr damaliger Drummer nicht. Also riefen sie mich an und so kam ich im Februar 1989 zu VISION PURPLE. Ich blieb bis Mai 1991 ihr Drummer; während dieses Zeitraums nahmen wir zwei Demos auf: das unbetitelte '91er Demo (s. UNDERGROUND EMPIRE 5 in der Rubrik "Upcoming Internationals" sowie »Staring At The Sun« von 1991 (s. UNDERGROUND EMPIRE 6 in der Rubrik "Known'n'new"). Unser letztes Projekt war ein Song, an dessen Namen ich mich nicht mal mehr erinnere, den wir für den "Foundations Forum"-Sampler aufnahmen. Das größte Problem von VISION PURPLE war, daß wir nie ein konstantes Line-up hatten: Zwar war mit Brian und mir die Rhythmusgruppe immer stabil und Brian war stets der Sänger, aber ich glaube wir hatten mehr Gitarristen als THIN LIZZY. Daher hatte VISION PURPLE nie einen klaren Stil, sondern der Sound der Band hing davon ab, welcher Wochentag war und wer gerade Gitarre spielte. Zudem hatte Brian private Probleme, die ihn permanent zwangen, von einer Minute auf die andere nach Florida zu fliegen, so daß wir viele Gigs kurzfristig absagen mußten.
Irgendwann war ich dieser Situation überdrüssig und stieg aus. Ich spielte in verschiedenen Formationen, wie zum Beispiel TECHNIKILL, die straighten Thrash spielten, oder TRANSSYLVIAN, die in etwa wie HELMET klangen, doch es war stets nur ein kurzes Stelldichein.
Schließlich gründete ich im Dezember 1992 mit meinem Freund Chris Corely GOD KILLED THE PRESIDENT, die in etwa wie eine Mischung von ALICE IN CHAINS, VOI VOD und BAD BRAINS klangen. Die Band existierte etwa dreieinhalb Jahre lang: Wir spielten viele Shows in New York, unter anderem auch als Opener für einige große Bands, und veranstalteten eine kleine Tour mit WARRIOR SOUL. Interessanterweise hatten wir ein ähnliches Problem wie ICE AGE: Wir hatten einen Manager, der uns mit vielen Plattenfirmen in Kontakt brachte und die Interesse an uns bekundeten. Also spielten wir mehrere Showcases, aber unser Manager hatte sich in den Kopf gesetzt, daß wir nur bei einem Major unterschreiben sollten. Im Endergebnis hatten wir keinen Deal und fanden stattdessen heraus, daß er eigentlich nur an unserem Sänger Billy Interesse hatte, nicht jedoch an der Band. Als GOD KILLED THE PRESIDENT sich auflösten, nahm unser Manager Billy tatsächlich unter Vertrag, hat jedoch auch mit ihm nichts zustande gebracht.
GOD KILLED THE PRESIDENT war zwar die beste Band, in der ich gespielt hatte, aber es bleibt ein fader Nachgeschmack, denn bei dem Split zerstritt ich mich dermaßen mit Chris, so daß wir uns seither abgrundtief hassen.
Nach GOD KILLED THE PRESIDENT habe ich lange Zeit nichts ernsthaftes gemacht, bis ich einen Anruf von Brian Jennings erhielt, der bei GOD KILLED THE PRESIDENT Baß gespielt hatte. Er hatte sich der Formation DOUBLE SPEAK angeschlossen, die Neo-Hardcore à la KORN oder DEFTONES spielten und einen Drummer suchten. Im Dezember 1998 stieg ich ein: Nach einem verheißungsvollen Start stagnierte die Band zusehends und ich war damals bereits mit Pia zusammen, so daß für mich die Entscheidung, die Band zu verlassen und nach Göteborg zu ziehen nicht schwer war. Die einzige Aufnahme von DOUBLE SPEAK war ein Beitrag zu einem Ray Charles-Tribute-Album.
Hier in Göteborg spiele ich bei PLAIN ZERO. Die Band startete mit Hardcore in BLACK FLAG-Manier, doch mittlerweile driften sie mehr und mehr in die RED HOT CHILI PEPPERS-Richtung ab. Die Band ist sehr ambitioniert, aber die anderen Musiker sind sehr viel jünger als ich. Darin besteht das Problem, denn die Jungs sind um die 20 Jahre alt und sie denken zu viel darüber nach, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen, anstatt einfach die Musik zu spielen, die aus ihnen herauskommt.

Weißt Du, was Dein ehemaliger VISION PURPLE-Kollege Brian heute macht?

Dale: Er hat nach dem Split von VISION PURPLE eine Band namens THE LIVING ins Leben gerufen. Sie besteht aus Mike Barnes, der zugleich der letzte VISION PURPLE-Gitarrist war und Shir, die bei der besagten ICE AGE-Show in New York hätte spielen sollen, deren Platz ich dann aber in letzter Minute übernommen hatte. THE LIVING klingen ein wenig nach KING'S X, zumal ihre aktuelle CD von deren Gitarrist Ty Tabor produziert wurde (Ihr findet ein Review der CD in der aktuellen Ausgabe. - Red.)
Von den VISION PURPLE-Gitarristen weiß ich nicht sehr viel: Danny Hoffman, der einer der ersten Gitarristen war, machte einige persönliche Probleme durch und gründete später eine Band namens THIS, die an PRIMUS erinnerten und echt klasse waren. Danach ist er zu den US-Marines gegangen - nur die Hölle weiß warum, denn das widersprach seinem Naturell völlig. George Andersch machte den gleichen Blödsinn und ging zur US-Army. Paul Krautheim gibt heute lediglich Gitarrenunterricht macht aber keine Musik mehr. Von all' den anderen habe ich nie wieder etwas gehört.

Doch wir haben hier eine Menge gehört von Musikern, die längst unserem Gesichtskreis entschwunden waren. Mit der Gewißheit, jede Menge unbekannte Facts ans Tageslicht befördert zu haben, können wir hiermit unser ICE AGE/VISION PURPLE-Doppelinterview beenden.

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

Photo: Stefan Glas [Photo 2]

ICE AGE (S) im Überblick:
ICE AGE (S) – Underground Empire 1-Interview (aus dem Jahr 1989)
ICE AGE (S) – Underground Empire 1-Special (aus dem Jahr 1989)
ICE AGE (S) – Underground Empire 3-"Demoklassiker"-Artikel (aus dem Jahr 1990)
ICE AGE (S) – Online Empire 5-Interview (aus dem Jahr 2000)
ICE AGE (S) – News vom 10.05.1990
ICE AGE (S) – News vom 15.04.2007
ICE AGE (S) – News vom 25.06.2007
ICE AGE (S) – News vom 16.03.2009
ICE AGE (S) – News vom 24.10.2014
ICE AGE (S) – News vom 10.05.2016
© 1989-2024 Underground Empire


Stop This War! Support The Victims.
Button: here