Fast vier Jahre haben die Schweden ihre Fans auf ein neues Album warten lassen. Eine Schaffenspause, in der schon so manche Band völlig aus dem Radar der Musikliebhaber verschwunden ist. Nicht so THE QUILL, die mit »Earthrise« dieser Tage eine wahre Classic Rock-Wundertüte kredenzen.
Warum es so lange gedauert hat, und was es sonst noch Neues aus dem Lager der Schweden zu vermelden gibt, erklärte uns der prächtig gelaunte Bassist Roger Nilsson beim vereinbarten, abendlichen Telefongespräch.
Euer neues Album ist ein Hammer geworden, Gratulation! All die kritischen Stimmen, die bisher festgestellt haben, daß THE QUILL zwar ordentliche Musik, aber keine Hits schreiben, sollten ab sofort verstummen. Habt Ihr denn dieses Mal länger als sonst üblich an den Songs gefeilt?
Zunächst einmal vielen Dank für Dein Lob. Ich glaube zu wissen, was Du damit meinst. Eigentlich sind wir an die Aufnahmen nicht anders herangegangen als sonst, haben aber erhöhtes Augenmerk auf Hooks, Refrains und eingängige Passagen gelegt.
Musikalische Änderungen waren ohnehin nicht zu erwarten. Dafür seid Ihr zu lange im Geschäft und wohl auch zu sehr auf Tradition eingeschworen. Ich finde aber, daß nunmehr wieder ein wenig mehr Früh-90er-Elemente zu vernehmen sind als zuletzt. Stimmst Du mir zu?
Auf jeden Fall. Auch wenn wir uns nicht zwingend an einer Epoche oder gar einer bestimmten Richtung orientiert haben. Aber auch ich finde, daß sich unser neues Material wieder stärker nach unseren ersten Scheiben anhört, als das zuletzt der Fall war.
Ich bin sogar so frech und behaupte, daß »Earthrise« klingt, als ob das berüchtigte "Black Zeppelin" wieder im "Monster Garden" gelandet wäre...
[Lacht] Der Vergleich ist cool! Danke dafür. Wir haben unsere Vorbilder und Einflüsse noch nie geheimgehalten, und daher wird sich auch niemand von THE QUILL gegen einen solchen Vergleich wehren.
Und so wirklich eilig habt Ihr es wohl auch schon länger nicht mehr, oder?
Nein, absolut nicht. Ich muß zugeben, daß wir es schon seit einigen Jahren eher entspannt und gemütlich angehen. Das war für mich persönlich auch eine der Voraussetzungen, um wieder zur Band zurückzukehren. Ich bin ja 2005 deshalb ausgestiegen, weil ich mit dem Tourstreß ein Problem hatte. Nicht direkt körperlich, aber ich habe mich damals gefragt, warum ich mir das alles in dieser Intensität antue. Der Knackpunkt war, daß mich meine Tochter, die damals noch ganz klein war, nicht wiedererkannt hat, als nach zwei Monaten auf Tour nach Hause gekommen bin. Da habe ich mich dann schon gefragt, ob das wirklich Sinn macht. Im Endeffekt habe ich mich dann für die Familie entschieden, bin aber nicht im Streit gegangen. Deshalb mußte ich auch nicht allzu lange nachdenken, als mich die Jungs einige Jahre später gefragt haben, ob ich denn wieder Lust auf die Band hätte.
Seit Deiner Rückkehr habt Ihr offenbar einen Vier-Jahres-Zyklus gefunden, um neues Material veröffentlichungsreif zu bekommen. Klingt nach einem Plan, oder?
Na ja. Eigentlich hat sich da einfach so ergeben. Im Prinzip schreiben wir nämlich nahezu permanent Songs. Für »Earthrise« haben wir gegen Ende 2018 mit dem Schreiben der Songs begonnen und hatten bald darauf so ungefähr zehn zumindest einigermaßen fertig. Die wurden jedoch mehrfach weiter- und nachbearbeitet. Nicht, weil wir unzufrieden waren, sondern weil immer wieder neue Ideen hinzugekommen sind, die wir ausprobiert haben.
Die Pandemie hatte auf den Fertigstellungsprozeß keinen Einfluß?
Nein, überhaupt nicht. Zu diesem Zeitpunkt waren wir mit den Aufnahmen und der Produktion nämlich schon durch. Allerdings hat uns der Lockdown sehr wohl getroffen. Da wir nicht alle in derselben Ortschaft wohnen, haben wir uns schon länger nicht mehr in unserem Proberaum treffen können. Das hatte zwar auf »Earthrise« keinerlei Auswirkung mehr, könnte sich aber sehr wohl auf das nächste Album auswirken. Schließlich müssen wir zum ersten Mal jeder für sich und ganz allein an Songideen arbeiten. Die präsentieren wir uns zwar gegenseitig in Videotelefonaten oder sonstwie, eine Zusammenarbeit, wie wir sie gewohnt sind, gibt es im Moment aber leider nicht.
Bis zur Veröffentlichung eines weiteren THE QUILL-Albums wird sich die momentane Lage ja hoffentlich wieder entspannt haben...
Das hoffen wir natürlich alle. Allerdings kann es gut sein, daß wir sogar noch in diesem Jahr mit einer weiteren Veröffentlichung an den Start gehen können. Da sich das Thema "Tournee" für die nähere Zukunft erledigt hat, haben wir uns mit unserem Label darauf geeinigt, so schnell wie möglich die nächste Scheibe in Angriff zu nehmen. Daher arbeiten wir momentan an einer Vinylsingle, auf der es einige etwas rustikaler klingende Tracks zu hören geben wird, die unser Sänger Magnus obendrein in schwedische Sprache eingesungen hat.