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PARADISE LOST (GB)-Bandphoto 1

Im Vorfeld der Veröffentlichung ihres neuesten Studioalbums »Obsidian« bot sich für uns die Möglichkeit, einen gepflegten Plausch mit Gitarrist Greg Mackintosh zu führen. So etwas läßt man sich natürlich nicht entgehen. Schon gar nicht, wenn ein solches Hammergerät für Gesprächsstoff sorgt. Greg erwies sich zudem allen momentanen Umständen (und auch sämtlichen Vorurteilen) zum Trotz keineswegs als übellauniger Genosse, sondern vielmehr als bodenständiger, realitätsnaher Typ, den - durchaus typisch britisch - offenbar generell nur wenig aus der Ruhe bringen kann.

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An sich wollte ich zunächst mit Dir über die anstehende Tour und diverse Festivalgigs sowie über die Vorbereitung darauf sprechen, schließlich hättet Ihr ja...

Kein Problem. Ich bin zwar - so wie alle anderen auch - mehr oder weniger dazu verdonnert worden, von jetzt auf gleich zu Hause zu bleiben, aber was soll's. Freiwillig würde das wohl nur ein sehr geringer Teil der Menschheit tun. Aber sofern man sich nicht auf etwaige Verschwörungstheorien beruft, kann man sich wohl oder übel damit abfinden und hält sich im Sinne der Allgemeinheit an diverse Maßnahmen. Mehr als abzuwarten und auf Verbesserung zu hoffen, bleibt uns allen momentan nicht. Und da es in den nächsten Wochen eben nicht möglich sein kann, gehen wir zu einem anderen Zeitpunkt auf Tour. Immerhin konnten wir bereits einen neuen Termin für eine Release-Show hier bei uns fixieren. Also, für September sind wir zuversichtlich. Aber sag mal, warum wolltest Du eigentlich mit der Frage nach unserer Tourvorbereitung ins Interview einsteigen?

Weil ich wissen wollte, wie Ihr die Setlist zusammengestellt hättet. Wären beispielsweise Songs von »Obsidian« schon bei den Gigs und Festivals vorgestellt worden, die vor dem Veröffentlichungsdatum eingeplant waren?

Hmm. Gute Frage eigentlich. Soweit sind wir allerdings gar nicht gekommen. [lacht] Die Setlist einer Tour differiert immer von der bei Festivals, das ergibt sich schon aufgrund der unterschiedlichen Spielzeiten. Die Vorstellung neuer Songs auf einer Tournee kann sich mitunter sogar von Show zu Show ändern. Vor allem kurz vor dem offiziellen Release, weil wir uns da noch in einer Art Aufwärmphase befinden. Glaub' mir, ganz so einfach ist es auch nach all den Jahren nicht, eine Setlist zusammenzustellen, weil jeder von uns eine andere Vorstellung hat. Aber es macht immer noch Spaß, mit den anderen Jungs zu diskutieren und uns dann auf die Songs selbst und die Reihenfolge zu einigen.

Die Frage hat sich für mich auch dadurch ergeben, da ich auf Eurem neuen Album gleich mehrere Kandidaten heraushören konnte, die unbedingt auf die Bühne gebracht werden müssen. Ich denke, es ist auch nicht übertrieben zu behaupten, daß Ihr auf »Obsidian« die Essenz Eures bisherigen Schaffens in Form von neuen Songs untergebracht habt.

Danke, das sehen wir genauso. Allerdings war das eigentlich gar nicht so geplant, sondern hat sich im Laufe der Zeit so ergeben. Da wir für dieses Album vergleichsweise schnell gearbeitet haben und innerhalb von nur knapp mehr als einem halben Jahr mit den Songs und den Aufnahmen fertig waren, ist es wohl gestattet, von einem Album zu sprechen, daß geradezu "spontan" entstanden ist. Außerdem ist es nach wie vor so, daß wir gemeinsam entscheiden, welche Songs schlußendlich auf einem Album verwendet werden. An Ideen im Vorfeld mangelt es nie, der Prozeß von den ersten Riffs hin zur komplett durcharrangierten Komposition ist bisweilen ein wenig mühsam. Es ist nämlich wirklich nicht so einfach, ein für alle zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen.

PARADISE LOST (GB)-Bandphoto 2

Dennoch scheint das interne Klima bei Euch auch nach über 30 Jahren verdammt gut zu sein. Schließlich gibt es nicht viele Bands, die von sich behaupten können, nach so langer Zeit noch immer nahezu vollständig im Original-Line-up unterwegs zu sein.

Absolut! Meiner Meinung nach ist die Freundschaft, die Nick, Aaron, Steve und mich seit damals verbindet, auch das Allerwichtigste für die Band überhaupt. Wir waren nichts weiter als fünf Burschen aus dem britischen Halifax, die zusammen Musik machen wollten, und sind das im Prinzip bis heute geblieben. Okay, ein wenig, ähem, "reifer" sind wir natürlich schon, aber immer noch Freunde. Freunde fürs Leben! Darauf sind wir stolz, denn keiner hätte jemals gedacht, daß wir an unserem "Hirngespinst PARADISE LOST" so lange festhalten würden. Uns verbindet auch viel mehr als nur die Musik, auch wenn die Band klarerweise sehr viel dazu beigetragen hat, daß wir bis heute ein dermaßen inniges Verhältnis zueinander pflegen.

Andererseits wäre die Bandgeschichte mit all ihren Höhen und Tiefen auch anders verlaufen, wenn Ihr "nur" Kollegen gewesen wärt...

Du meinst, wir würden heute vielleicht über die Geschichte unserer ehemaligen Band reden, wenn es nicht so wäre? [lacht] Ganz sicher. Speziell in jener Phase, als wir nach den uns völlig überwältigenden Erfolgsjahren wieder aus dem Rampenlicht verschwanden, haben wir uns gegenseitig unterstützt und uns immer wieder aufbauen können. Auch die musikalische Metamorphose vom Doom-Sound in den ersten Jahren hin zu unserem aktuellen Sound, wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht eine dermaßen intensive Beziehung zueinander hätten.

Die wird jedem Fan spätestens dann so richtig bewußt, wenn er Eure Historie anhand der vor wenigen Wochen als deutschsprachige Ausgabe erschienenen Bandbiographie »No Celebration« nachvollzieht. Wie fühlt es sich denn an, wenn man als Musiker zu einer solchen Ehre kommt?

Alt, oder sollte ich besser sagen "legendär". [lacht] Nein im Ernst, es war zwar eine überaus zeitintensive Angelegenheit für uns alle, aber es hat sich gelohnt, denn das Ergebnis ist wirklich gut geworden. Irgendwie fühlt es sich zwar beim Lesen eigenwillig an, durch die Augen eines anderen betrachtet zu werden, durch die unzähligen Interviews und Gespräche, die wir mit dem Autor geführt haben, ist uns aber auch einiges wieder bewußt geworden. Mitunter war es fast wie eine Therapie für uns, da wir bei so manchem, längst verdrängtem Thema noch einmal in uns gehen mußten.

Zudem legt der Schmöker auch einige Tatsachen offen, die man als Fan immer nur vermuten konnte. Definitiv Eure ureigene, in manchen Augen vielleicht als stur bezeichnete Arbeitsweise, die durchaus auch auf Eure Herkunft, noch vielmehr aber auf das "Kollektiv" PARADISE LOST zurückzuführen ist.

Daran wird sich auch nichts mehr ändern! Wir haben zwar in den letzten Jahren uns Arbeitsweise ein wenig verändert, unsere Einstellung ist jedoch gleichgeblieben. Durch die Möglichkeiten, die ich in meinem privaten Studio habe, läßt sich im Vorfeld einer Albumproduktion mittlerweile vieles schnell und völlig unkompliziert erledigen. Das war für »Obsidian« sehr hilfreich, speziell für die Zusammenarbeit von Nick und mir. Unter anderem habe ich ihm für einige Songs meine Vorstellungen vom Gesang als Snippets zukommen lassen, und er hat mir dann seine Versionen zurückgeschickt. So kam es, daß wir einige Songs in unterschiedlich eingesungenen Varianten zur Auswahl vorliegen hatten und dadurch nachträglich eine Diskussion, ob es nicht doch hätte anders gehen können, vermeiden konnten.

Ein guter Plan, denn »Obsidian« klingt trotz stilistisch unterschiedlich angelegter Tracks wie aus einem Guß. Stimmt es, daß Ihr den Vorschlag Eures Labels das Veröffentlichungsdatum zu verschieben, abgelehnt habt?

Ja! Für uns gab es nämlich wirklich keinen Grund dazu. Zum einen, weil sich auch für uns der Markt verändert hat und der Großteil unseres Absatzes inzwischen digital beziehungsweise online über die Bühne geht und es daher für viele Fans nicht mehr zwingend nötig ist, in einen Plattenladen zu marschieren. Und zum anderen, weil wir der Meinung sind, daß man den Menschen im Moment nicht auch noch Kunst und Kultur komplett untersagen sollte. Wenn schon keine Konzerte stattfinden dürfen, sollen sich unsere Fans zumindest an den neuen Songs erfreuen können! Es ist durchaus möglich, daß es bessere Verkaufsstrategen als unsere gibt, und man muß auch unsere Einstellung weder verstehen noch teilen. Doch was wir unseren Fans bieten wollen, bleibt nach wie vor einzig und allein unsere Angelegenheit!

http://www.paradiselost.co.uk/

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Walter Scheurer

Photos: Anne C. Swallow

PARADISE LOST (GB) (vorhergehende Besetzung) im Überblick:
PARADISE LOST (GB) – Gothic (Rundling-Review von 1991 aus Underground Empire 5)
PARADISE LOST (GB) – Icon (Rundling-Review von 1994 aus Underground Empire 7)
PARADISE LOST (GB) – Obsidian (Rundling-Review von 2020 aus Online Empire 84)
PARADISE LOST (GB) – Underground Empire 7-Special (aus dem Jahr 1994)
PARADISE LOST (GB) – Online Empire 8-"Shirt Story"-Artikel (aus dem Jahr 2001)
PARADISE LOST (GB) – Online Empire 34-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2008)
PARADISE LOST (GB) – Online Empire 36-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2008)
PARADISE LOST (GB) – Online Empire 82-"Eye 2 I"-Artikel: »Live At Rockpalast« (aus dem Jahr 2020)
PARADISE LOST (GB) – Online Empire 83-Interview (aus dem Jahr 2020)
PARADISE LOST (GB) – News vom 19.05.2004
PARADISE LOST (GB) – News vom 14.08.2008
PARADISE LOST (GB) – News vom 16.03.2009
PARADISE LOST (GB) – News vom 29.05.2015
PARADISE LOST (GB) – News vom 08.09.2022
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