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Contents: GRAVE DIGGER (D)-"Off The Board"-Artikel |
Date: 26.09.2008 (created), 08.07.2023 (revisited), 11.01.2024 (updated) |
Origin: HEAVY |
Status: published |
Task: from paper to screen |
Comment: Mein erster von insgesamt zwei Studiobesuchen bei GRAVE DIGGER stand am Ende einer Ära für die Band, denn es war das letzte Album mit Gitarrist Manni Schmidt, der immerhin seit dem Jahr 2000 bei der Band war. Ebenso sollte es das einzige mit Ex-FAITHFUL BREATH/RISK-Klampfer Thilo Hermann sein.
Die Bildunterschrift, wie sich das Stilmittel bei Journalisten üblicherweise nennt, beim HEAVY aber ins Bild einkopiert wurde, fand ab der 81. Ausgabe, also ab Beginn der monatlichen Erscheinungsweise, Verwendung. Etwas problematisch war dabei, daß beim HEAVY - aus Platzgründen - die Photos relativ klein waren. Wie auch immer - in diesem Fall spuckte sie folgendes aus:
Da bei den bereits im UNDERGROUND EMPIRE online veröffentlichten Artikeln bei der Portierung der HEAVY-Seiten nur ein kleines Thumbnail der HEAVY-Story zu sehen ist, von dem aus man zu der bereits veröffentlichten, meist umfangreicheren Version gelangt, soll diese kleine Graphik im Falle einer noch nicht online zu findenden Story nun hier auftauchen: |
Supervisor: Stefan Glas |
GRAVE DIGGER
✇Das "Studio 301" liegt mitten im Wohngebiet eines Kölner Randbezirks und brüstet sich damit, daß man nicht nur PUR und die HÖHNER, sondern auch Birgit Schrowange oder diverse "Deutschland sucht den Superstar"-Kasper als sanges- und spielwütige Kunden hatte. Nichts, aber auch rein gar nichts, deutet darauf hin, daß hier ein neues Kapitel in der Geschichte von GRAVE DIGGER in Stein und auf Band gemeißelt wurde.
✇Wurde es auch nicht. Das Studio wurde lediglich aufgrund der Heimatnähe für GRAVE DIGGER-Shouter Chris Boltendahl für die Listening Session gewählt. Zwar ist Chris kein Kölsche Jong, sondern in Gladbeck geboren, aber Onkel Reaper lebt schon seit langem in Köln. Aufgenommen wurde auch der neue GRAVE DIGGER-Streich - wie alle Scheiben der Band seit 1995 - in den "Principal Studios" in Münster.
✇Und so kuscheln sich schon bald die versammelten Pressevertreter um die Lautsprecher, um den »Ballads Of A Hangman« zu lauschen, so zugleich der Titel des kommenden GRAVE DIGGER-Albums als auch des Openers, der der "Fachjury" demzufolge als erstes durch die Lauscher fegt. Doch zunächst geht es mal verhalten mit Akustikgitarren los, bis dann sägende Gitarren den endgültigen Startschuß für das dreizehnte - oder vierzehnte, je nach dem ob man den DIGGER-Ausflug von 1986 mitzählen möchte oder nicht - Studioalbum der Truppe geben. Man braucht kein Prophet zu sein, um sagen zu können, daß diese Nummer ein Livekracher sein wird, denn umgehend sieht man vor dem geistigen Auge die Massen, die das "Ohohoho" des Refrains skandieren.
✇Der Titel des Albums läßt die Vermutung aufkommen, daß GRAVE DIGGER erneut ein Konzeptalbum gemacht haben, doch Chris winkt mit dem Hinweis ab, daß seiner Meinung nach die Zeit für Konzeptalben vorbei sei. Doch er hat eine interessante Entstehungsgeschichte für die Texte auf Lager: "Für die letzte Tour hatte mir meine Frau ein kleines Gedichtbändchen geschenkt, das mexikanische Sonette enthielt, das mich schnell zu einigen Texten inspirierte: Darin erzählen Verurteilte ihrem Henker, wie sie in diese mißliche Lage gekommen sind." Daher ist »Ballads Of A Hangman« also kein Konzeptalbum, es zieht sich aber sehr wohl ein thematischer Roten Faden hindurch. "So gerne ich über die Weltpolitik diskutiere, würde es aber doch keinen Sinn machen, wenn GRAVE DIGGER plötzlich auf solche Texte umschwenken würden. Doch diese letzten Geständnisse von Menschen, die Dreck am Stecken haben und anschließend dran glauben müssen, passen sehr gut!"
✇Weiter geht's mit dem bangpflichtigen Stampfer ›Hell Of Disillusion‹, bevor GRAVE DIGGER dann bei ›Sorrow Of The Dead‹ erstmals das Tempo anziehen. Vor allem der fordernde Gitarrenauftakt und der hymnische Pre-Chorus stechen bei der Nummer heraus, der mit einem einsamen Schlußbrüllen des Reapers in die kalte Nacht hinein beendet wird. Bei ›Grave Of The Addicted‹ glänzt besonders die Gitarrenarbeit, was erneut unterstreicht, daß die Band, die sich seit dem letzten Album mit Thilo Hermann als zweiten Gitarristen verstärkt hat, diesbezüglich sehr facettenreich vorgeht. "Es mag sein, daß die Gitarrenarbeit facettenreicher ist, aber letzten Endes haben wir uns eher zurückgenommen: Bei »Liberty Or Death« hatten wir teilweise sechs oder acht Gitarrenspuren übereinandergelegt, doch diesmal haben wir darauf geachtet, daß alles eher live klingt", relativiert Gitarrist Manni Schmidt, der nun seine fünfte Platte mit GRAVE DIGGER eingespielt hat und demzufolge mit seinem Vorgänger Uwe Lulis gleichzieht.
✇Die anschließende Nummer, ›Lonely The Innocence Dies‹, fällt nicht nur aufgrund ihres Halbballadencharakters aus dem Rahmen, sondern auch dadurch, daß Chris hier ein Duett mit BENEDICTUM-Sängerin Veronica Freeman singt. Den Auftakt der Nummer darf Veronica bestreiten, bevor sich dann ein grimmig-erstickter Reaper zu ihr gesellt.
✇Klare Sache, daß nun mittels des schnellen ›Into The War‹ ein Gegenpol gesetzt werden muß, während ›The Shadow Of Your Soul‹ mit hingebungsvoll schrubbenden Gitarren überzeugt. Bei ›Funeral For A Fallen Angel‹ macht eine spanisch angehauchte Akustikgitarre den Anfang, bevor dann der Reaper die Herrlichkeit zunichte macht und zu einem mitreißenden Stampfer einlädt. ›Stormrider‹ entwickelt sich nach der schnellen Doublebass-Eröffnung ebenfalls zu einer ausgesprochenen Mitshoutnummer, während der Schlußsong ›Pray‹, der auch vorab als Single aus dem Album ausgekoppelt werden wird, vor allem von seinem tollen Spannungsaufbau lebt. Eine ausgefeilte Nummer zum Schluß eines GRAVE DIGGER-Albums, das Chris zusammenfassend als "frisch, lebendig und live" beschreibt. "So wie GRAVE DIGGER in der heutigen Zeit eben klingen sollten", nickt er.
✇Zweifelsohne haben sich GRAVE DIGGER für »Ballads Of A Hangman«, die am 9. Januar erscheinen wird, um eine neue Herangehensweise bemüht, doch letzten Endes kann man sagen, daß sich die Band von tiefgreifenden Experimenten ferngehalten hat und ein typisches GRAVE DIGGER-Album eingespielt hat. Und das ist gut so, wie mir sicher alle Fans der Band zustimmen werden.
Photos: Stefan Glas