UNDERGROUND EMPIRE the ONLINE EMPIRE-Titel
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”UNDERGROUND EMPIRE 7”-Datasheet

Contents:  GRAVE DIGGER (D)-Interview

Date:  08.03.1993 (created), 05.11.2012 (revisited), 22.01.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 7

Status:  published

Task:  from paper to screen

Availability:  original printed issue sold out! Several earlier issues still available; find details here!

Comment:

Als ich dieses Interview anpeilte, war die Band noch ohne Vertrag gewesen, weshalb die bei Veröffentlichung von UNDERGROUND EMPIRE 7 schon erhältlichen Scheiben »The Reaper« und »Symphony Of Death« nur im Schlußwort erwähnt wurden.

Ich hatte damals Chris um ein Interview gebeten, und da ich kurze Zeit später ohnehin in Köln war, lud dieser mich in seine Wohnung ein (wie passend zur aktuellen GRAVE DIGGER-Single »Zurück nach Haus«...), wo wir uns so ausgiebig unterhielten, daß die Story letzten Endes drei Seiten in UNDERGROUND EMPIRE 7 einnahm.

Über der ersten Seite prangte das GRAVE DIGGER-Logo in selbstgebastelter Version: Da die entsprechende Schrift bei CorelDraw enthalten war, konnte ich das Logo nachbauen - schwarz, mit kleinen weißen Kreuzen gefüllt, die gewissermaßen die Kreuze auf dem Friedhof symbolisierten, auf dem dem der Grabgräber beschäftigt ist... Zwar habe ich für diese Onlineversion das Logo aus dem Heft rausgescannt, aber aufgrund der Größe kann man allenfalls erahnen, daß es mal Kreuzchen waren. In der gleichen Schrift stand dann der Interviewtitel darunter, wobei die Buchstaben nur eine schwarze Outline hatten. Im Hintergrund des Textes befand sich riesengroß Dürers "Reitender Tod", der auch im Interview angesprochen wird und damals quasi das GRAVE DIGGER-Maskottchen war. Sieht auf alle Fälle auch heute noch mächtig aus, diese Eröffnungsseite des GRAVE DIGGER-Interviews.

Auf der folgenden Doppelseite war links das Livephoto, das heute die Story beschließt, mittig wie eine Banderole plaziert worden, während auf der dritten Seite das ominöse, von der Zensur in Mitleidenschaft gezogene Photo zu sehen war. Dazu gibt es natürlich eine Story: Als ich Chris nach Abschluß des Interviews um Photomaterial bat, mußte er passen, da es noch keine aktuellen Shots gab (und ich nicht im Traum daran dachte, daß bis zur Veröffentlichung der Story noch so viel zeit ins Land ziehen würde, daß ich problemlos auf offizielle Promophotos hätte warten können, die ich nun heuer auch verwendet habe, um die Story etwas aufzulockern). Doch dann fiel Chris ein, daß er zumindest ein Photo von sich selbst habe - auch wenn er für selbiges nicht gerade freiwillig posiert hatte. Über die "nasty parts" hatte er einen Paperstreifen mit dem Wort "zensiert" geklebt, was ich allerdings optisch etwas aufgemotzt habe, und diesen mit dem Aufdruck "ZENSIERT!" tätowierten Schmetterling bastelte, der dann flugs zu den gefährlichen Stellen hinflatterte.

Die Livephotos entstanden bei einer Show von GRAVE DIGGER mit CAPRICORN im "F63" in Offenbach, die am 28. Januar 1994 stattfand (das exakte Datum habe ich dank der Homepage von Stefan Marti, damals Drummer der Schweizer Combo NOSTRADAMUS, der auf der Tour als Mischer fungierte, rausgefunden, in meinem Gedächtnis klaffte diesbezüglich eine Lücke). Diese Tour war übrigens der Startschuß für die Tradition der seither ziemlich regelmäßig stattfindenden GRAVE DIGGER-Januartourneen.

Supervisor:  Stefan Glas

 
 

GRAVE DIGGER (D)-Logo

GRAVE DIGGER (D)-Headline

GRAVE DIGGER waren eine der Bands, die in den Kindheitstagen der deutschen Szene in den Jahren '84/'85 richtig gut abgingen. Mit ihrem »Heavy Metal Breakdown«-Debut haben sie sicher nicht nur mich zur Raserei getrieben und stießen sogleich in die Führungsriege der langsam munter werdenden Szene vor. Leider zeigte der Daumen danach tendenziell immer mehr nach unten, bis der traurige Absturz unausweichlich war. Doch seit etwa eineinhalb Jahren schaufelt man sich vor Energie knisternd ein neues Grab, und es scheint, als würde man heuer eher den Erdmittelpunkt erreichen, als daß man sich nochmal beerdigen lassen würde.
Also fiel ich bei Sangesmann Chris Boltendahl ein, um mich über den Stand der Ausgrabungsarbeiten zu erkundigen. So schwelgten wir zunächst in Erinnerungen an jene Tage, als wir noch jung und hübsch waren, um uns schließlich behutsam an die Gegenwart und die hoffentlich rosige Zukunft heranzutasten.

GRAVE DIGGER (D)-Bandphoto 1

Welche LP ist im Rückblick für Dich die beste GRAVE DIGGER-Platte?

Ich würde sagen »Heavy Metal Breakdown« und mit Abstrichen »Witch Hunter«, weil sie das zeigen, was wir eigentlich wollen. Dieses Ungeschliffene und Rohe kam auf den beiden LPs am besten raus. Das war ein großer Verdienst von Harris Johns, während uns schon Jan Nemec auf »Wargames« einen feineren Touch aufdrücken wollte, was nicht unser Ding war.

Die erste Veröffentlichung von GRAVE DIGGER war der »Rock From Hell«-Sampler, auf dem von Euch ›Violence‹ und ›2,000 Lightyears From Home‹, nebenbei in einer ganz anderen Version als später auf der Platte, vertreten waren. Im Frühjahr 1984 schließlich erschien »Heavy Metal Breakdown«, welche heute sicherlich als Klassiker gelten muß. Wie fühlt man sich, wenn man heute auf der Bühne steht, eigene Lieder spielt, die etwa zehn Jahre alt sind und das Publikum kriegt sich nicht mehr ein?

Das ist ein super Feeling. Im Proberaum hängen mir die Songs manchmal zum Hals raus, aber live ist es ein phantastisches Gefühl, wenn man sieht, wie die Leute mitgehen. So ähnlich muß es BLACK SABBATH gehen, wenn sie ›Paranoid‹ spielen. Wir spielen daher live fast die ganze »Heavy Metal Breakdown«!

Es folgte die »Shoot Her Down!«-Maxi, welche, soweit ich mich erinnere, primär als Promo-Aktion für Amerika gedacht war. Waren die beiden neuen Songs der Maxi Überbleibsel von »Heavy Metal Breakdown«? Sie klingen stilistisch nämlich sehr ähnlich!

›Shoot Her Down!‹ und ›Storming The Brain‹ war neues Material, das wir nach »Heavy Metal Breakdown« geschrieben hatten, während wir ›We Wanna Rock You‹ einfach nochmal neu aufgenommen hatten.

Ich weiß zwar nicht wieso, aber aus der Besprechung von ›Shoot Her Down!‹ von D. Bomb Hartmann (Prost!) im METAL HAMMER ist mir bis heute der Schlußsatz "See you on "Monsters Of Rock" next year?" hängengeblieben. Bestand damals die Chance, daß etwas ähnliches wirklich hätte passieren können?

Eigentlich schon! Es waren damals noch ganz andere Sachen im Spiel, wie beispielsweise die METALLICA-Tour, für die wir schon definitiv gebucht waren und die uns drei Tage vor Beginn gecancelt wurde, weil die Plattenfirma von TANK mehr Kohle gezahlt hat. So gesehen war auch "Monsters Of Rock" ein realistischer Gedanke, aber in diesem Business kommt nach der Vorfreude sehr oft der Absturz!

Ich finde schon die zweite Platte »Witch Hunter« deutlich schwächer als »Heavy Metal Breakdown«! Meiner Meinung nach sind die Songs schwächer, was sich besonders bei den Refrains offenbart, die bei weitem nicht so packend sind wie auf »Heavy Metal Breakdown«!

Man hat immer das Problem, wenn man ein Superalbum abgeliefert hat, wieder ein Superalbum nachzulegen. Wir wollten uns damals nicht an »Heavy Metal Breakdown« orientieren, sondern bei »Witch Hunter« zeigen, wo wir uns weiterentwickelt haben. Ich würde Dir auf jeden Fall rechtgeben, daß die Refrains anders sind, wobei ich sie nicht schwächer finde! Sie waren nicht mehr so eingängig. Auf »Wargames« haben wir wieder probiert, die Refrains eingängiger zu machen, so daß diese auch wieder mehr in Richtung »Heavy Metal Breakdown« gehen. Leider war bei »Wargames« die Produktion etwas zu geschliffen.

GRAVE DIGGER-Liveshot 1

Ist es möglich, daß Ihr bei »Witch Hunter« zu sehr unter Zeitdruck standet, denn die beiden Platten lagen gerade mal ein dreiviertel Jahr auseinander, wobei in dieser Zeit auch noch »Shoot Her Down!« erschien!

Das war auf jeden Fall so, denn Karl Walterbach, der Chef unseres Labels NOISE RECORDS, hat uns damals sehr unter Druck gesetzt. Wir hatten gerade mal eineinhalb Monate Zeit, um neue Songs zu schreiben, was einfach zu kurz ist. Man braucht drei bis vier Monate für eine LP, so daß man die Songs auch reifen lassen kann. Diese Zeit hat uns gefehlt!

Stilistisch kann man die ersten beiden Platten zusammenfassen, während »Wargames« die "neuen GRAVE DIGGER" zeigte. War dies eine bewußte Änderung seitens der Band oder siehst Du diese Veränderung allein durch die glattere Produktion bedingt?

Wir hatten mit Jan Nemec zu »Wargames« eine Vorproduktion im "Horus Sound Studio" gemacht. Wir spielten innerhalb von zwei Tagen die Stücke mehr oder weniger live ein und merkten, daß die ganze Sache wieder in »Heavy Metal Breakdown«-Richtung abgeht, besonders weil diese Vorproduktion total ungeschliffen war. Also entschieden wir uns, mit Jan Nemec aufzunehmen, was sich im Endeffekt als Fehler herausgestellt hat, weil er uns einen zu glatten Sound verpaßt hat. Außerdem hat er mich zweimal total kaputtsingen lassen. Mit meiner Stimme kann man eben nicht zehn Stunden am Stück singen! Als Produzent war er für uns ein totaler Fehlgriff, was dann bei »Stronger Than Ever« mit Mick Jackson seinen Gipfel fand.

Die B-Seite von »Wargames« baute auf einem Anti-Kriegs-Konzept auf. Auf dem unteren Rand des Backcovers gab es zu jedem Song eine Computergrafik, die beim heutigen Stand der Technik eher zum Schmunzeln anregen, was damals aber durchaus etwas recht Neuartiges waren!

Als wir die Songs von »Wargames« schrieben, war der vierzigste Jahrestag des Atombombenabwurfs, wodurch wir die Idee kriegten, etwas dazu zu machen! Die B-Seite ist eine in sich abgeschlossene Geschichte, und dazu paßten die Computergrafiken sehr gut!

Weshalb um alles in der Welt hast Du eigentlich auf dem Bild von »Wargames« die Lippen schwarz geschminkt? Warst Du damals auf dem Gruftie-Trip?

Für die Photosession hatte Karl Walterbach einen Photografen plus Visagistin einfliegen lassen. Diese Visagistin hat uns geschminkt, und sie meinte, das müßte so sein und das würde man auf den Photos nicht mehr sehen. Das Resultat sieht man ja... Ich wollte die Photos auf keinen Fall freigeben, aber Karl Walterbach hat sie gegen unseren Willen trotzdem auf die Platte gebracht.

Für die letzte Platte »Stronger Than Ever« fand der Namenswechsel hin zu DIGGER statt. Auch wenn hier die Produktion noch mehr poliert war, so war doch die Musik an sich eindeutig ziemlich poppig ausgefallen!

Wir hatten im Proberaum achtzehn Stücke gemacht und mit zwei Mikros aufgenommen, und das Resultat klang unheimlich heavy. Wir schickten dieses Tape Karl Walterbach, und er war begeistert, weil die Songs wieder in die alte Richtung gingen. Er meinte, er hätte einen Produzenten für uns und brachte uns mit Mick Jackson in Verbindung. Der hat dann erst mal die Hälfte der Stücke gestrichen und den Rest total verändert. Er laberte uns den ganzen Tag das Ohr ab, daß wir mit diesen Stücken in Amerika riesigen Erfolg haben könnten. Irgendwann kamen wir in diesen Strudel und waren dann plötzlich selbst auf dem Trip und meinten, wir müßten nun Amerika kommerziell erobern. Die Grundideen der Songs waren jedoch total anders als das, was man auf der Platte hört. Es war eine Erfahrung, die uns einige Jahre gekostet hat, und einen solchen Fehler machst du nicht zweimal!

War der Namenswechsel von vornherein geplant oder war es der logische Schritt, der wegen des neuen Sounds vollzogen werden mußte?

Wir merkten, daß die Platte nicht mehr wie GRAVE DIGGER klang, also nahmen wir das "Grave" weg und nannten uns nur noch DIGGER.

GRAVE DIGGER (D)-Bandphoto 2

Als alter Tapetrader habe ich noch einige GRAVE DIGGER-Livetapes aus dem Jahr 1984. Damals habt Ihr Songs wie ›Tears Of Blood‹, ›Struggle‹ und ›Don't Kill The Children‹ gespielt. Stammten diese Songs noch aus der Zeit vor »Heavy Metal Breakdown«?

›Tears Of Blood‹ und ›Don't Kill The Children‹ nahmen wir bei der »Witch Hunter«-Recording-Session auf. ›Tears Of Blood‹ erschien auf dem »Metal Attack Vol. II«-Sampler (Und da fällt es einem Stefan Glas wie Schuppen von den Augen... Mal wieder volle Lotte auf'm Schlauch gestanden, Alter! - Red.). ›Don't Kill The Children‹ kam nur in Amerika raus. Die Amerikaner kriegten damals 13 Stücke geliefert, aus welchen sie die US-Version zusammenstellten. Die US-Pressung von »Heavy Metal Breakdown« beispielsweise beginnt mit ›Headbanging Man‹, dann kommt ›We Wanna Rock You‹ in der Maxi-Version, ›Yesterday‹ fehlt komplett und solche Geschichten.

Nach »Stronger Than Ever« lösten sich GRAVE DIGGER auf. Einige Zeit später jedoch hast Du Dir zusammen mit Uwe neue Leute gesucht und unter dem Namen HAWAII einen Neubeginn gewagt. Warum wird diese HAWAII-Phase in Eurem offiziellen Info zum Demo komplett totgeschwiegen?

Wen interessiert das eigentlich? HAWAII war wieder ein kurzer Aussetzer von uns, weil wir dachten, daß GRAVE DIGGER keiner mehr kaufen will. Zu der Zeit wollte jeder BON JOVI und vergleichbare kommerzielle Musik hören, und wir hielten den Namen GRAVE DIGGER für ultraheavy, so daß wir uns einfach mal HAWAII nannten. Im Endeffekt stand kein bitterer Ernst dahinter, sondern war nur Spaß.

1989 erschien aber unter dem Namen HAWAII ein Demo namens »Bottles And Four Coconuts«, das die meisten Songs enthält, die auf dem »Return Of The Reaper«-Demo sowie der Maxi-CD zu hören sind. Also war es vom Songwriting her doch durchaus ernsthaft! Außerdem würde mich interessieren, wieso Ihr Euch ausgerechnet HAWAII genannt habt, da bekanntlich die Band von Marty Friedmann diesen Namen trug!

Da hast Du recht, das Songwriting war ernsthaft! Den Namen wählten wir, weil wir damals auf diese bunten Boxershorts und Hawaii-Hemden standen, so daß wir uns aus Spaß HAWAII nannten. Ich glaube aber nicht, daß damals jeder hundertprozentig dahinter gestanden hat.

Auf dem HAWAII-Demo befand sich ein Lied namens ›Spy Of Masson‹, das nun auch auf der Maxi-CD, allerdings unter dem Titel ›Spy Of Mas' On‹, zu finden ist. Als ich drüber nachgrübelte, was der Titel zu bedeuten hat und mir kein Lexikon eine Übersetzung des Wortes "masson" offenbaren konnte, fiel bei mir endlich der Groschen, dahingehend, daß der ehemalige GRAVE DIGGER-Gitarrist Peter Masson hieß. Besteht da ein Zusammenhang?

Du bist der Erste, der mir diese Frage stellt, aber ich glaube, daran werde ich mich in Zukunft gewöhnen müssen. Okay, Peter und ich waren früher mal sehr gut befreundet. Er hat mich irgendwann ziemlich hängenlassen und über'n Leisten gezogen, in einer Art und Weise, die ich absolut nicht gutheißen konnte, weil ich immer dachte, er sei ein guter Freund von mir. Darüber war ich sehr enttäuscht, und irgendwie mußte ich das verarbeiten. Das habe ich in diesem Song gemacht, und damit ist das Thema für mich erledigt.
Das bewirkte damals, daß Peter sich von GRAVE DIGGER trennte und Uwe, der damals schon seit einem Jahr unser Roadie war, neuer GRAVE DIGGER-Gitarrist wurde. Es lag einfach nahe, daß er in die Band kommen würde, und mittlerweile mache ich schon länger mit Uwe Musik, als zuvor mit Peter. Uwe hat den GRAVE DIGGER-Stil voll drauf. Er kann die Songs schreiben, die ich für meine Stimme brauche und die zu uns passen.

Ihr habt nun auf »Return Of The Reaper« und der Maxi-CD die meisten Songs des »Bottles And Four Coconuts«-Demos weiterverwendet. Was wird mit den restlichen Songs geschehen? Ich glaube mich beispielsweise erinnern zu können, live den Song ›Back To The Roots‹ gehört zu haben, welcher auch noch vom HAWAII-Demo stammt!

›Back To The Roots‹ ist schon achtspurtechnisch in neuer Version aufgenommen und wartet nur darauf unter dem neuen Titel ›Streetwars‹ eingesungen zu werden. Es wird sicher auf die neue Platte kommen.

GRAVE DIGGER-Liveshot 2

Was war der Grund, nach dem Schiffbruch des Jahres 1987 die Band erneut aufleben zu lassen?

Wenn du einmal Musiker warst oder bist und dein Herz dabei ist, kannst du nie aufhören! Selbst wenn es mit GRAVE DIGGER irgendwann mal in die Hose geht, würde ich weiterhin hobbymäßig in anderen Bands singen. Wir haben uns zusammengesetzt und festgestellt, daß wir die gleiche Richtung gehen wollen, so daß wir einfach mal wieder angefangen haben. Richtig intensiv betreiben wir GRAVE DIGGER nun wieder seit eineinhalb Jahren.

"Der Reitende Tod" von Dürer war schon auf dem »Witch Hunter«-Cover als Tattoo zu sehen. Seit »Return Of The Reaper« scheint er etwas wie ein Bandsignet zu sein. Wird "Der Reitende Tod" Euch weiterhin begleiten?

Auf jeden Fall werden wir ihn weiter verwenden. Irgendwo, irgendwie in irgendeiner Form wird er auch auf der nächsten Platte auftauchen. Ich finde ihn total gut, weil er zu uns paßt! "Der Reitende Tod" ist GRAVE DIGGER.

»Return Of The Reaper« war zweifelsohne ein symbolhafter Titel...

Ich kann Dir dazu eine Geschichte erzählen, die viel witziger ist. Die erste Version des Demos hieß »Back'n'Retired«, weil wir dachten, das hieße "zurück und ausgeschlafen". Dann zeigten wir das Demo einem amerikanischen Freund, und er hat sich erst mal tierisch totgelacht, weil es übersetzt natürlich "zurück und in Rente gehen" heißt. Da mußte natürlich sofort ein neuer Demotitel her, da wir nicht vorhatten, zurück zu sein und gleich wieder in Rente zu gehen.

Als erster Schritt habt Ihr einen Verlagsdeal mit WARNER/CHAPELL unterschrieben. Wie sieht es jedoch mit einem Plattendeal aus?

Wir werden mit der CD sämtliche Firmen und Magazine bemustern. Während dieser Zeit wollen wir die Songs für die Platte einproben und vielleicht auch noch den ein oder anderen Songs schreiben. Wir hoffen, daß wir möglichst bald einen Deal kriegen.

Wie sehen Deine Erwartungen an die Zukunft aus?

Ich erwarte eine ganze Menge, da ich wieder an dem Punkt bin, daß ich 100 Prozent hinter der ganzen Geschichte stehe, und weil ich auf der Tour gesehen habe, daß die Leute total auf unsere Musik stehen. Meine Erwartungen? Laß' es mich doch einfach mal ganz hart formulieren: Ich möchte innerhalb der nächsten zwei Jahre ACCEPT überrunden, und ich gehe davon aus, daß ich das schaffe. Ich bin jünger als Udo und hab' mehr Power als Udo - das sag' ich jetzt mal ganz hart, denn die nächste Platte wird echt der Hammer werden.

Ihr pokert also ganz eindeutig drauf, daß alles klappt und Ihr Euch etablieren könnt, was in Eurer frühen Phase nur ansatzweise gelungen war!

Das lag in erster Linie nicht an uns - mal abgesehen von der DIGGER-Phase, wo wir gewiß eine Teilschuld dran tragen. Es waren da aber viele andere Sachen. Karl Walterbach kriegte beispielsweise aus Kanada ein Angebot von POLYGRAM, die 500.000 Dollar für uns zahlen wollten, und Walterbach pokerte wie verrückt, verlangte eine Million, woraufhin POLYGRAM sich wieder zurückzog. Genauso wäre die METALLICA-Tour eine große Chance gewesen, so daß wir den Sprung vielleicht viel früher hätten schaffen können. Irgendwie trauere ich der ganzen Geschichte etwas hinterher. Andererseits befürchte ich, daß ich dann persönlich etwas abgedreht wäre. Wir hatten damals schon extrem viel gesufft, und auf der »Wargames«-Tour lief alles nur noch über Alkohol. Wir spielten auf der Tour mit HELLOWEEN teilweise Scheißkonzerte. Heute hab' ich einfach keinen Bock mehr, die Fans ständig zu betrügen, weil ich besoffen bin und auf der Bühne nur Scheiße fabriziere. Wir arbeiten heute viel disziplinierter und verfolgen den Weg nach oben viel stärker als früher. Wir wollen es aus eigener Kraft packen!

GRAVE DIGGER-Schmetterling-Shot: Chris Boltendahl

Es gibt eine Sache, die ich für GRAVE DIGGER als Problem ansehe: Eure Lieder sind zu einem gewissen Grad sehr ähnlich. Wenn Ihr aber probieren würdet, Veränderungen in die Musik zu bringen, so wäre es nicht mehr die Musik, die man mit dem Namen GRAVE DIGGER assoziiert. Irgendwo seid Ihr musikalisch etwas eingeschnürt! Könnte das irgendwann belastend für Euch werden?

Wir haben schon einiges ausprobiert und kamen dann aber immer wieder an dem Punkt an, an dem wir jetzt stehen. Das ist die Musik, die wir können, die wir am überzeugendsten rüberbringen und die die Leute hören wollen. Daher wird es in den nächsten vier, fünf Jahren so ablaufen. Man macht gewisse Fehler nur einmal. Ich denke aber trotzdem, daß wir uns weiterentwickelt haben, auch wenn die Grundcharakteristik der Songs immer die selbe ist. Es ist das, was uns Spaß macht und wo wir hundertprozentig hinter stehen. Wenn es die Leute irgendwann nicht mehr kaufen wollen - Pech gehabt!
Wenn ich etwas anderes machen will, suche ich mir nebenbei eine Hobbyband, oder vielleicht komme ich mal in den Genuß, ein Soloalbum zu machen. Im Moment besteht danach überhaupt kein Bedürfnis. Ich will momentan die Musik machen, die mir gefällt, und das ist GRAVE DIGGER!

Ich hatte bei GRAVE DIGGER meist etwas Probleme mit den Texten, die mir großteils zu banal ausfielen!

Irgendwo hast Du da recht, aber wir hatten schon auf »Witch Hunter« und »Wargames« probiert, textlich in eine andere Richtung zu gehen. Heute, durch meinen Job als Sozialarbeiter bedingt, mache ich viele sozialkritische Texte. ›Shadows Of A Moonless Night‹ paßt sicher ins Heavy Metal-Klischee rein, demgegenüber gibt es dann eine Nummer wie ›Fight The Fight‹, die sich gegen die Apartheid wendet. ›Ride On‹ ist eine Weltuntergangsgeschichte, die nach einem Atombombenabwurf spielt und die Menschen zum Durchhalten animiert. Ich denke, daß auf der nächsten Platte mehr solche Texte stehen werden.

Vorgestern fand hier in Köln ein Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim statt. Gib' doch bitte mal eine persönliche Stellungnahme dazu ab!

Wie habe ich mal bei einem Konzert in Hamburg gesagt? Mir fehlen mehr oder weniger die Worte dazu! Wir bewegen uns mittlerweile auf einer Ebene, die nicht mehr tragbar ist. Wir hatten bei Konzerten noch keine Probleme dieser Art, aber ich nehme bei jedem Konzert Stellung und sage, daß wir total gegen Rassismus und Ausländerhaß sind. Durch meinen Job kriege ich eine Menge mit, was abgeht. Man sollte bei dieser rechtsextremistischen Szene nicht mit Pauschalurteilen arbeiten. Man muß sich auch die Situation der Jugendlichen im Osten und die ganzen Umwelteinflüsse anschauen. Wenn ich mir eine Stadt wie Jena oder Cottbus anschaue, kriege ich Tränen in die Augen. Ich versuche dann nachzuvollziehen, was in den Leuten vorgeht. Als ich dort war, lag gerade Schnee, und alles war braun wegen der Braunkohlewerke, die dort die Luft verpesten. Die Leute haben keinen Job, haben kein Geld...

Und sind dementsprechend sehr empfänglich für Rattenfänger, die ihnen einfache Lösungen anbieten, indem sie den Ausländern die Schuld für all dies zuweisen!

Ja! Man muß versuchen, mit Abstand an die Sache ranzugehen, bevor man die Leute verurteilt. Die faschistische Szene besteht aus ein paar Typen, die Du als Rattenfänger bezeichnet hast, und der Rest sind Mitläufer. Ich weiß noch nicht mal, ob ein solcher Brandanschlag eher aus Vandalismus als aus Rechtsextremismus geschehen ist. Ich treffe bei meiner Arbeit im Jugendzentrum oft auf Leute, die etwas in diese rechtsextremistische Ecke denken. Wenn man mit denen diskutiert, merkt man schnell, daß sie ihre Argumente nicht lange halten können.

Laß' uns doch nochmal zur Musik zurückkommen! Welche Tips würdest Du, der Du schon einige Erfahrungen gesammelt hast, an Newcomer-Bands geben?

Ich würde versuchen, ihnen mitzugeben, sich nicht von dem ganzen Rock'n'Roll-Business blenden zu lassen! Im Endeffekt sind diese ganzen Exzesse á la Hotelzimmerzertrümmerung, etc. totaler Schwachsinn, weil man von seiner eigenen Persönlichkeit alles aufgibt! Ich bin nicht mehr bereit, meine eigene Persönlichkeit gegen diese "Rock'n'Roll-Persönlichkeit" einzutauschen. Ich möchte lieber der Chris Boltendahl sein, der ich heute bin, als der Chris Boltendahl, der ich 1985 war. Du lebst in dieser Rock'n'Roll-Welt, die dir teilweise nur irgendwelche Geschichten vorgaukelt und vergißt alles, was in deinem Leben wirklich wichtig ist.

GRAVE DIGGER-Liveshot 3

Nach diesen ausführlichen und offenen Worten, welche schon einige Tage vor dem Release der neuen Platte gewechselt wurden, bleibt mir kaum noch etwas zu sagen. Außer, daß das Pokerspiel von GRAVE DIGGER funktioniert hat, denn bekanntlich ist die Band bei G.U.N unter Vertrag. Erfreulicherweise ist der neue Rundling »The Reaper« genau so ein Brett geworden, wie wir es alle uns erhofft haben. Die Stücke stellen stilistisch eine Weiterentwicklung des Materials von »Heavy Metal Breakdown« dar und knallen wieder so richtig herrlich wie seinerzeit! Der Nachschlag »Symphony Of Death« hat nun zudem bewiesen, daß man mit gutem Grund einige Hoffnungen in GRAVE DIGGER investieren darf. Einziger Wermutstropfen für diejenigen, die nicht sofort zugeschlagen haben: Die 4-Song-Promo-Maxi-CD ist mittlerweile leider nicht mehr erhältlich.

postal-address ceased to exist

http://www.grave-digger.de/

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

Photos: Stefan Glas [Liveshots]

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