Vor einigen Tagen erschien das selbstbetitelte Album des All-Star-Projekts LIVING LOUD, hinter dem sich Lee Kerslake (d, URIAH HEEP), Bob Daisley (b, ex-RAINBOW, -BLACK SABBATH, etc.), Don Airey (k, DEEP PURPLE), Steve Morse (g, DEEP PURPLE) und Jimmy Barnes (v, früher bei COLD CHISEL, mittlerweile als Solokünstler in Australien ein Superstar, außerhalb des fünften Kontinents jedoch nahezu unbekannt) verbergen.
Doch »Living Loud« ist weit mehr als nur eine Platte: So ging der etwas obskure "Musikerfindungsprozeß" von LIVING LOUD mehr als einmal durch die Presse. Doch um die Tragweite der "LL"-Affäre abschätzen zu können, sollte man bedenken, daß die beiden Initiatoren Lee Kerslake und Bob Daisley auf den ersten beiden Ozzy Osbourne-Platten »Blizzard Of Oz« ('80) und »Diary Of A Madman« ('81) mitgespielt hatten, daß ihr Beitrag nach Gerichtsstreitigkeiten um die Tantiemen kurzerhand vom Osbourne-Clan gelöscht wurde und die damaligen Ozzy-Musiker Robert Trujillo und Mike Bordin die Parts neu einspielten. Daher tauchen die Namen von Lee und Bob zwar noch im Booklet der 2002 erschienenen Remaster-Versionen der beiden Alben auf, jedoch sind die beiden nicht mehr auf der CD zu hören. Ist die LIVING LOUD-Platte also weit mehr als die Ehrenbezeugung von Lee und Bob an ihren verstorbenen Bandkollegen Randy Rhoads, den visionärsten Gitarristen, den die Metalszene gekannt hat?
Wir sandten unsere Mitarbeiterin Catrin Wiegand aus, die mit genügend Hintergrundwissen gewappnet war, um die komplette Geschichte von LIVING LOUD zu enthüllen. Und so mußte zunächst Don Airey gegen sie bestehen:
Es war einmal an einem Freitag im Dezember, an dem ich eigentlich von einem gewissen Herrn Airey angerufen werden sollte. Allerdings hatte ich vorsichtshalber eine Telefonnummer bekommen, bei der ich mich melden sollte, wenn der Herr es nicht täte; was ich dann nach einer halben Stunde Wartezeit tat. Zu meinem Erstaunen landete ich direkt auf dem Handy von besagtem Herrn und mußte erst einmal erklären, woher ich seine Nummer habe und warum ich ihn anrufe. Na ja, schließlich erklärte er, daß er wohl vergessen habe, daß er Interviews geben solle...
Du bist jetzt also ein Mitglied von LIVING LOUD?
Das sind alles Freunde von mir und so läuft das.
Also ist das Ganze eine Band und nicht nur ein Projekt?
Ich kenne da keinen Unterschied.
Und warum wurde es zuerst geheimgehalten, daß Du daran beteiligt bist?
Weiß ich nicht.
Wie kam es zu Deiner Beteiligung?
Jemand hat mich angerufen.
Aha. Und wer war das?
Rate mal!
Bob Daisley sagt, es sei Drew Thompson gewesen...
Bob ist ein alter Freund von mir. Wir waren drei Jahre zusammen auf Tour, weil wir beide in der Osbourne-Band waren (die »Blizzard Of Ozz«-Band, 1980-83 - cw). Man kann so schwer "nein" zu ihm sagen. Er ist ein guter Freund von mir.
Und wann hat er Dich kontaktiert?
25 Minuten nach 3, am 4. August [Pause] 2003. [kichert]
So spät? Bob sagt immer, daß er die Idee schon seit über zehn Jahren habe. Aber er hat Dich nicht früher mal darauf angesprochen?
Nein, ich kam nur dazu und fügte die Keyboards zum Album hinzu. Sie hatten die ansonsten fertigen Tapes und kamen ins Studio nach London und riefen mich an. Ich glaube, da hätte vielleicht jemand anderes spielen sollen, aber der tat es nicht. (Dieser Jemand war kein Geringerer als Jon Lord, Dons Vorgänger bei DEEP PURPLE! - cw) Also waren sie ziemlich verzweifelt und fragten, ob ich ihnen einen Gefallen tun könne. Und wir haben viel gelacht.
Auf »Diary Of A Madman«, dem zweiten Ozzy-Album, von dem eine Hälfte der Ozzy-Cover auf dem LIVING LOUD-Album stammt, bist Du nicht genannt...
Nein, da habe ich wirklich nicht drauf gespielt. Sie wollten mich zwar haben, aber ich war auf Tour mit irgendwem, vielleicht RAINBOW oder so. Ich war jedenfalls nicht verfügbar.
Auf der Version des LIVING LOUD-Albums, die in Deutschland erschien, ist das Logo mit fünf Silhouetten und fünf Namen zu sehen. Du wurdest ganz offensichtlich auf der linken Seite hinzugefügt, während du auf der ursprünglichen, australischen Veröffentlichung fehlst - wie man auf dieser Abbbildung sieht:
Warum?
Seither hat sich nichts verändert. Ich habe das nur als eine Session gemacht. Und dann habe ich ein Konzert mit ihnen in Australien gespielt. Also haben sie mich auf das Cover gesetzt. Ich will damit sagen, daß ich nicht viel Kontrolle über das alles habe. Versteh' das nicht falsch, aber ich bin nur ein professioneller Musiker. Weißt Du, was ich damit sagen will? Ich habe herausgefunden, daß es eine Menge Dinge im Musikgeschäft gibt, die außerhalb Deiner Kontrolle als Musiker liegen. Aber so werden Platten verkauft und man muß eben allem zu einem guten Start verhelfen.
Also siehst Du Dich selbst immer noch als professionellen Musiker, der überall spielt, wer auch immer anruft?
Oh nein. Ich schränke mich da sehr ein, was ich mache. Ich bin jetzt hauptsächlich bei DEEP PURPLE.
UNICEF benutzt die LIVING LOUD-Single. Wie kam das zustande?
Welche Single?
›In The Name Of God‹; es gibt ein Promo-Video von UNICEF.
Habe ich noch nicht gesehen.
Also hast Du auch die DVD noch nicht?
Nein.
Ergo kannst Du mir wohl auch nicht erzählen, wie es zu der Zusammenarbeit mit UNICEF kam.
Genau. [lacht] Sorry, ich glaube, ich bin nicht besonders hilfreich.
Aber da Du bei dem Konzert mitgespielt hast, kannst Du mir vielleicht darüber etwas sagen! Warum sind die Songs in derselben Reihenfolge wie auf dem Studioalbum?
Weiß ich nicht.
Okay... Meiner Meinung nach klingt diese Band live viel besser als auf dem Studioalbum. Geht es Dir genauso?
Wie soll ich das beurteilen? Es war ein großartiger Gig. Es war eine großartige Atmosphäre. Jimmy Barnes war absolut umwerfend. Und das ist es, an was ich mich erinnere. So war Steve Morse, er spielt sich live den Arsch ab. Das passiert oft, wenn man live spielt. Wo ich gerade davon spreche, ich habe gerade die DVD von THE BAND namens "The Last Waltz" bekommen (ein Film von Martin Scorsese von 1978, der 2002 auf DVD erschienen ist: jede Menge Stars spielen für eine Show zusammen mit THE BAND von Robbie Robertson; diese Gruppe fungierte in ihren Anfangstagen als Begleitband von Bob Dylan - cw) und die Art, wie die Musiker die Stücke spielen, unterscheidet sich ziemlich deutlich von den jeweiligen Originalen. Oft ist es so, daß man die Songs im Studio tatsächlich zum ersten Mal spielt. Und natürlich probt man sie, bevor man sie live spielt; also werden sie dadurch besser.
Aber Ihr hattet nicht viel Zeit zum Proben.
Oh doch! Fast drei Tage! [lacht] Das ist heutzutage eine Menge.
Es wird gerade versucht, LIVING LOUD als wirklich laute, harte Metal-Band zu promoten. Aber die eigenen Songs sind doch fast alles blueslastige Balladen.
Hör mal, ich bin nicht wirklich hilfreich für Dich. Es tut mir wirklich leid, aber ich würde dieses Interview hier gern beenden. Es war nett, mit Dir zu sprechen.
Gibt es sonst noch was, was Du der Welt mitteilen möchtest?
Nein, nicht wirklich. Vielen Dank für den Anruf. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Bye.
Wie man sieht, können wenige Worte manchmal auch sehr viel aussagen. Dennoch war damit der Wissensdurst unserer Spezialagentin bei weitem noch nicht gestillt, so daß auch LIVING LOUD-Initiator Bob Daisley Rede und Antwort stehen mußte. Also erteilen wir Catrin ein weiteres Mal das Wort:
Im Gegensatz zu Don Airey erwies sich Bob Daisley als extrem wortreich. Und er scheint auch gern Interviews zu geben, denn zu meinem mittleren Erstaunen klingelte mein Telefon schon zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit. Auch wenn er im ersten Teil des Gesprächs erst einmal auf jedes Stichwort seine Promo-Schwärmereien herunterspulte, ging er nach einer Weile auch auf Punkte ein, die so nicht im Booklet oder vorab veröffentlichtem Material stehen.
Als kurze Einleitung für alle, die die Biographie des Mannes nicht (auswendig) kennen: Der 1950 geborene Bassist nimmt seit 1970 regelmäßig an mehreren Alben-Aufnahmen bzw. Touren im Rocksektor pro Jahr teil. Einem breiten Publikum wurde er 1978 als Bassist von (Ritchie Blackmore's) RAINBOW bekannt. Die für das Verständnis dieses Interviews wichtigen Stationen sind:
Ozzy Osbourne: »Blizzard Of Ozz« (1980), »Diary Of A Madman« (1981), »Bark At The Moon« (1983), »The Ultimate Sin« (1985), »No Rest For The Wicked« (1988), »No More Tears« (1991)
URIAH HEEP: »Abominog« (1982), »Head First« (1983)
Gary Moore: »Victims Of The Future« (1983), »Run For Cover« (1985), »Wild Frontier« (1987), »After The War« (1989), »Still Got The Blues" (1990), »After Hours« (1992), »Power Of The Blues« (2004)
HOOCHIE COOCHIE MEN: »Hoochie Coochie Men« (2002), »Live At The Basement« (2003, Live-Doppel-CD und -DVD mit Jon Lord als Gast)
Du hattest diese Idee also schon seit zehn oder zwölf Jahren...
Die Idee, Ozzy-Songs noch einmal aufzunehmen, hatte ich schon seit ungefähr zehn Jahren. Lee Kerslake, der Schlagzeuger auf den ersten Ozzy-Alben, und ich sprachen schon darüber, eventuell unser persönliches Tribute an Randy Rhoads einzuspielen, kurz nachdem er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Aber die ursprüngliche Idee war, mit ein paar verschiedenen Gastgitarristen, Gastsängern und vielleicht sogar Gastkeyboardern zu arbeiten. Irgendwann wären wir vielleicht auch dazu gekommen, aber immer, wenn wir uns ernsthafte Gedanken dazu machten, war irgendjemand nicht verfügbar und so kam es nie dazu.
Als sich also diese Möglichkeit bot, dachte ich "Perfekt!" Wir haben ein paar alte Songs und eben auch ein paar neue Songs aufgenommen. Sobald Lee, ich selbst und Steve Morse angefangen hatten, zusammenzuarbeiten, fühlte es sich sehr gut an und ich dachte mir, daß wir keinen anderen Gitarristen brauchen. Es begann sich mehr wie eine Band als wie ein Projekt anzufühlen. Wenn man mit einer Menge Gästen ein Album aufnimmt, dann ist es offensichtlich ein Projekt. Aber das hier fühlte sich wie eine Band an. Als Jimmy Barnes dazukam und zu singen begann, merkte ich sofort, daß wir auch keinen anderen Sänger brauchen. Ursprünglich hätte Jon Lord auf einigen Songs spielen sollen und Don Airey auf den anderen. Aber dann stellte sich heraus, daß Jon Lord keine Zeit hatte und ich dachte mir, daß es besser wäre, wenn wir auch nur einen Keyboarder, nämlich Don Airey, hätten. Und er war perfekt dafür, schließlich hatte er auch auf den ersten Ozzy-Alben mitgespielt. Also wurde aus dem Projekt mit verschiedenen Gästen eine Band: ein Gitarrist, ein Sänger, ein Keyboarder. Es klang viel besser, als wir es je erhofft hatten. Ich wußte schließlich auch nicht, ob es funktionieren würde oder nicht. Manchmal kann man den besten Gitarristen, den besten Sänger oder generell die besten Musiker zusammen in einen Raum stecken und es funktioniert nicht. Entweder passen die Egos nicht zusammen oder die Chemie stimmt nicht oder es entsteht einfach keine kreative Zusammenarbeit. Aber bei LIVING LOUD war es perfekt. Es funktionierte wirklich gut und wir standen schließlich alle unter enormen Druck, da wir nicht viel Zeit hatten. Die Tatsache, daß es so gut funktionierte, machte es aber trotzdem zu einem Vergnügen.
Gab es irgendein Ereignis oder eine Begebenheit, die diese konkrete Idee auslöste? Diese "zehn oder zwölf Jahre", die Du immer nennst, sind eine sehr vage Angabe. Es handelt sich offensichtlich um den Zeitraum, in dem Du Ozzys Band zum letzten Mal verlassen hast...
Nun ja, wir dachten in den letzten sechs bis sieben Jahren konkreter daran, als Lee und ich begannen, die Osbournes wegen nicht gezahlter Tantiemen zu verklagen. Wir dachten, daß wir den Fall gewinnen und dann genug Geld bekommen würden, um ein großes Album wie dieses finanzieren zu können. Aber, wie Du weißt, ist das nicht geschehen, wir haben den Fall nicht gewonnen und der Oberste Gerichtshof wollte unseren Fall nicht annehmen und so bekamen wir kein Geld. Aber glücklicherweise tauchte auch ohne das große Geld eine Situation auf, in der wir die Möglichkeit bekamen, dieses Album zusammenzustellen. Das war fantastisch für uns, denn wir dachten, daß wir eine riesige Summe brauchen würden, aber es stellte sich heraus, daß das gar nicht stimmte. Jemand anders glaubte an das Album, hat es finanziert und es funktionierte großartig. Wir hatten diese Idee also viele Jahre mit uns herumgetragen und mußten auf den richtigen Zeitpunkt warteten, darauf, daß die richtigen Leute zur Verfügung standen und natürlich daß Geld da war. Wir mußten die Osbournes verklagen, um zu versuchen, an unser Geld heranzukommen, aber wir haben es nicht bekommen.
Ist der Fall jetzt eigentlich endgültig abgeschlossen?
Nein, eigentlich nicht. Es sah für einen ganze Zeit sehr gut für uns aus, der Fall zog sich schließlich über sechs Jahre hin, aber als wir dann vor den Obersten Gerichtshof gemußt hätten, wollte dieser uns nicht anhören. Die Osbournes sind (jetzt wieder) sehr reich, sehr mächtig und haben die besten Verbindungen. Und ich glaube, daß sie ein paar Fäden gezogen haben, aber wie soll ich das beweisen?
Ich würde Dich gern noch ein bißchen mehr über Randy Rhoads erzählen hören. Ein Großteil der heutigen Leser hat ihn schließlich nie live erlebt. Wir wissen zwar, daß er ein großartiger Gitarrist war, aber was für ein Mensch war er?
Er war ein sehr hingebungsvoller Musiker. Er kam aus einer musikalischen Familie, seine Mutter war Musiklehrerin. Sie ist inzwischen eine alte Dame, aber sie leitet immer noch eine Musikschule in Los Angeles, in der Randy unterrichtet hat, obwohl er noch sehr jung war. Für ihn gab es einfach nur Musik. Er wollte Ozzys Band nach einer Weile verlassen. Ich glaube, daß er 1982, in dem Jahr, in dem er umkam, wirklich die Band verlassen wollte, um sein eigenes Ding zu machen. Er interessierte sich immer mehr für klassische Ausbildung, klassische Spielwiese und klassische Musik. Und ich glaube, daß er die Nase voll vom Rockgeschäft hatte. Ozzy und Sharon wollten ihn nicht gehen lassen, da sie ihn per Vertrag gebunden hatten. Aber er wollte da raus! Ich weiß, daß es einmal einen Vorfall gab, bei dem Ozzy Randy tatsächlich geschlagen hat, als er herausfand, daß Randy ihn verlassen wollte. Ich könnte da noch mehr Geschichten erzählen, aber einige davon waren nicht sehr nett und Randy ist einer der nettesten Menschen. Randy war, wie gesagt, ein sehr hingebungsvoller Musiker und ein ganz besonderes, echtes Talent.
Das klingt so, als ob Du mit ihm sehr gut ausgekommen bist.
Randy und ich kamen sowohl in musikalischer Hinsicht gut aus, als auch als gute Freunde. Er war ein sehr sanfter Mensch.
Und Ihr habt die meisten Songs zusammen geschrieben...
Nun ja, es waren schon vier von uns notwendig, um »Diary Of A Madman« zu schreiben: Lee Kerslake, ich selbst, Randy und Ozzy. Beim ersten Album war Lee in der Komponierphase noch nicht dabei, da die Auditions für einen Schlagzeuger stattfanden während wir schon Songs schrieben. Es waren hauptsächlich Randy und ich, die die Musik geschrieben haben; Ozzy kam mit den Gesangslinien und ich habe alle Texte geschrieben. Randy war kein Texter und Ozzy auch nicht. Ich erinnere mich an einen Morgen, an dem ich zum Frühstück herunterkam - wir wohnten dort, wo wir die Songs schrieben, auch zusammen - und Randy und Ozzy hatten versucht, ein paar Texte zu schreiben. Aber ich habe mir das durchgelesen und nur gedacht "Oh Gott, ist das furchtbar!" und dann beschlossen, daß ich lieber die Texte schreiben würde.
Hattest Du zuvor schon Texte geschrieben?
Oh ja, hatte ich. Ich hatte 1976/'77 Texte für eine Band namens WIDOWMAKER geschrieben. Ich hatte noch nicht wirklich viel geschrieben, aber ich hatte schon einige Erfahrung. Und ich war immer schon am Texten interessiert. Ich lese sehr viel und war immer schon an Poesie und Literatur aller Art interessiert. Also war es nicht sehr schwer für mich. Es fühlte sich natürlich an.
Wurden die sechs Ozzy-Songs, die ihr nun mit LIVING LOUD neu aufgenommen habt, dann auch wegen ihrer Texte ausgewählt? Oder ging es hauptsächlich darum, diejenigen zunehmen, die sich am besten als Tribute für Randy eigneten?
Ich wollte von jedem Album drei Songs nehmen, von denen ich dachte, daß sie das jeweilige Album am besten repräsentieren. Sie waren Klassiker. Wir hätten mehr nehmen können, aber ich wollte noch Raum für ein paar neue Songs lassen, Original-Songs von dieser Band. Um eben nicht ein ganzes Album mit Ozzy-Songs zu füllen. Lee und ich hatten nun schon so viele Jahre darüber gesprochen. Bei der ursprünglichen Version mit verschiedenen Gastmusikern hätten wir wohl ein reines Coveralbum gemacht. Aber da LIVING LOUD sich schnell wie eine Band anfühlte, wählten wir nur drei Songs von jedem Album aus und schrieben lieber noch ein paar neue Songs, was auch wunderbar funktioniert hat
Es ist also reiner Zufall, daß es sich um die jeweiligen Songs 1, 2 und 6 von jedem Album handelt?
Äh, ja... Ist das so?
Ja, ich mußte mir die Originalsongs erst heraussuchen, da ich kein Ozzy- Fan bin...
Wow. Das wußte ich gar nicht. Da hast Du aber gut aufgepaßt. Nummer 1, 2 und 6 von jedem Album, ist das nicht seltsam... Dafür muß es irgendeinen Grund geben. Im Unterbewußtsein oder so... Nummerologie ist sehr wichtig...
Äääh, für Kabbala-Anhänger, ja. Hast Du eigentlich irgendwelche Kommentare aus Ozzys Richtung zum LIVING LOUD-Album bekommen? Ich habe nämlich nirgendwo etwas gehört oder gelesen.
Überhaupt nichts. Ein weiterer Punkt, den ich gern zu diesen Songs noch ansprechen möchte, ist, daß es rein gar nichts damit zu tun hat, was sie (Bob meint an dieser Stelle Sharon und Ozzy - cw) mit den Alben angestellt haben. Sie haben unsere Beiträge gelöscht, weil wir sie verklagt haben und es nicht sehr gut für sie aussah. Es ist offensichtlich, daß sie ihre Mit-Musiker nicht bezahlt haben und deshalb verklagt werden mußten. Also gingen sie ins Studio und entfernten unsere Beiträge und haben sie von jemand anderem einspielen lassen. Damit haben sie diese Klassiker ruiniert. Daß wir diese Songs aufgenommen haben, hat damit nichts zu tun. Wir haben lange Jahre auf die Chance gewartet und jetzt kam sie eben zufällig zu diesem Zeitpunkt. Das ist der einzige Grund und hat mit dem anderen nichts zu tun.
Das sagst Du ja auch in den Sleevenotes des Albums.
Wir wollten die Songs nicht noch einmal genau so erschaffen. Und wir wollten auch nicht, daß sie genau so wie damals klingen. Wir haben sie "anders" gemacht, andere Arrangements und einen anderen Sound.
Das ist meiner Meinung nach auch besser so. Heute tummeln sich so viele Songs in den Charts, die Re-Recordings sind und sich genau wie die Originale anhören. Ziemlich langweilig... Laß' uns mal über die neuen Songs sprechen: Die Single "In The Name Of God" ist eine UNICEF-Single. Wie kam das zustande?
Der Song kam erst ganz am Ende. Wir hatten die sechs Ozzy-Songs umarrangiert und vier neue Songs geschrieben. Aber wir dachten uns, daß zehn Songs vielleicht nicht genug wären und wir noch einen weiteren Song schreiben sollten, um das Ganze ein wenig auszubalancieren. Also sprachen wir darüber, noch etwas zu schreiben, was ganz anders war als alles, was wir bisher hatten. Steve Morse spielte diese akustische Melodie, die ein bißchen spanisch klang. Und ich fragte, ob wir das nicht ein bißchen mehr fernöstlich klingen lassen könnten. Ein bißchen mehr wie, na ja, LED ZEPPELIN es gemacht haben.
Der Song wurde dann ja auch in vielen Reviews mit ›Kashmir‹ verglichen...
Yeah, okay. Wir wollten es nicht genau so klingen lassen. Nur ein bißchen östlicher. Wir begannen also, die Musik so zu spielen, als Jimmy aufstand und sagte: "Ich habe eine Idee für einen Text: In The Name Of God". Und ich sagte: "Das klingt großartig!" Der Text war noch nicht ganz fertig und als Jimmy und ich die letzten paar Verse fertigstellten, wartete Jimmy bereits in einer Ecke im Studio darauf, den Song einzusingen. Das war im Juli 2003; die Sache mit der amerikanischen Invasion im Irak war noch im vollen Gang... Und wir dachten darüber nach, was für ein Irrsinn das ist, daß sich Leute im Namen eines Gottes gegenseitig umbringen. Diese Kraft, die die Menschen Gott nennen, die doch für Frieden und Liebe steht - und die bringen sich dafür gegenseitig um. Und wir reden hier nicht nur über den Irak oder den Mittleren Osten, die Palästinenser, die Katholiken, die Hindus und Sikhs und noch so viele weitere Völker, die sich im Namen ihrer Religion oder ihres Gottes töten. Es macht keinen Sinn, es ist scheinheilig, es ist... Wir wollten nicht so sehr predigen, aber wir wollen die Leute zumindest zum nachdenken bringen. Darum geht es in diesem Song. Und um all die unschuldigen Menschen, die da mit hineingeraten, Kinder und Familien. Also dachten wir, daß es eine gute Idee wäre, Geld, das durch diesen Song eingenommen wird, an UNICEF zu geben, um Kindern in Kriegsgebieten zu helfen.
Und wie kam die Verbindung mit UNICEF zustande? Haben sie bei Euch angerufen?
Nein, ich denke es war Drew Thompson von THOMPSON MANAGEMENT in Melbourne (bekannt durch die Vermarktung von allem, was mit "DEEP PURPLE in Australien" zu tun hat, und dem Versuch, Jimmy Barnes über diese Schiene außerhalb Australiens bekannt zu machen - cw). Er hatte eine Verbindung mit UNICEF. Ich glaube, es war seine Idee, ihnen diesen Song anzubieten.
Es ist ziemlich ungewöhnlich, für so etwas eine Rockband zu nehmen. Laufen denn die Werbung und der Videoclip bei Euch in Australien gut?
Nicht besonders. Die Plattenfirma hat nicht besonders viel dafür getan. Sie hätten mehr tun sollen. Und auch UNICEF hätte mehr tun können. Es war ihr Baby. Sie wußten nicht, wie sie es promoten sollten, um mehr Geld für ihre Zweck zu bekommen. Das ist leider nicht geschehen.
Im April 2004 habt ihr ein Konzert in Australien gegeben. Die Songs auf der DVD sind in der selben Reihenfolge wie auf dem Studioalbum. Warum?
Wir haben den Ablauf so gelassen, weil wir finden, daß die Songs so gut hintereinander passen. Außerdem hatten wir sehr wenig Zeit und hatten die Songs noch nie zusammen live gespielt. Als DEEP PURPLE also auf Tour nach Australien kamen, hatten sie - offensichtlich - Don Airey und Steve Morse dabei. Jimmy Barnes und ich leben in Sydney. Wir hatten also den Vorteil, daß wir (fast) alle zur gleichen Zeit am selben Ort waren und darum haben wir Lee Kerslake aus England eingeflogen. Wir hatten ein paar schnelle Proben und da wir noch nie zusammen gespielt hatten, hatten wir noch nicht einmal Zeit, um besonders darüber nachzudenken, wie wir es machen würden. Wir hatten drei halbe Tage, um das Material zu proben und die Show zu spielen und dabei gefilmt zu werden. Wir haben noch nie als Band zusammengespielt, also sagten wir uns, daß wir die Running Order des Albums beibehalten würden. Und obwohl das Album mit 55 Minuten eine gute Länge hat, ist es für eine Show nicht lang genug. Mit verlängerten Versionen und ein paar Ansagen von Jimmy wären wir nur auf etwas mehr als eine Stunde gekommen; also haben wir einfach noch zwei weitere Cover-Songs geprobt und hinten angehängt. Das hat recht gut funktioniert.
LIVING LOUD wird als sehr heavy und laut beworben, mit "Metal Gods" als Mitgliedern - aber die meisten der neuen Songs sind eigentlich Balladen!
[lacht] Das ist der Tenor, oder? Ich glaube, es ist beides; es gibt eine Menge gutes Heavy-Material darauf.
Aber all diese "Junge trifft Mädchen-Geschichten"...
Das mag ich auch nicht. Ich mochte das noch nie. Nun ja, wir hatten eben nur wenig Zeit, die Songs zu schreiben. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. So nenne ich die Songs auch. Ich mag diesen ganzen Junge/Mädchen-Kram nicht und das ist der Grund, warum ich bei Ozzy über ungewöhnliche Dinge geschrieben habe. Ich wollte immer über was anderes als "Baby, warum hast Du mich verlassen" und all die Scheiße schreiben. Und wenn es nach mir gegangen wäre und wir mehr Zeit gehabt hätten, hätte ich auch mehr Texte selbst geschrieben. Aber da alles so schnell gehen mußte, konnten wir das nur hinbekommen, weil Jimmy, immer wenn er die musikalischen Ideen von Lee, mir und Steve Morse hörte, sagte "Oh, da habe ich schon einen tollen Text, der hervorragend dazu passen würde". Und so haben wir es dann versucht und es funktionierte - aber eigentlich bevorzuge ich Sachen, die nicht Junge/Mädchen-Kram sind. ›In The Name Of God‹ ist auch deswegen ein guter Song, weil er es nicht ist. Aber ein paar der anderen sind es eben. Ich glaube, das hätte ich wahrscheinlich besser nicht sagen sollen... Aber ich stimme Dir da zu.
Ich war recht überrascht, als ich die ersten Interviews zum Thema LIVING LOUD gelesen habe, in denen Du sagst, daß Du zuerst von Jimmy Barnes als Sänger überhaupt nicht begeistert warst.
Oh, zuerst wußte ich ja nicht, ob er überhaupt mitmachen wollte. Ob er Ozzy-Songs singen wollte. Ich wußte nicht, ob er der Richtige dafür wäre. Und ich war nicht wirklich ein Jimmy Barnes-Fan, weißt Du? Aber so wie er sich eingefügt hat, etwas mehr mit seiner Stimme gearbeitet hat und nicht bloß geschrieen hat. Ich dachte: "Wow, der kann ja tatsächlich auch singen!" Und als wir uns dann die Songs angehört hatten, die wir schon aufgenommen hatten, dachte ich, daß es zumindest funktionierte. Ziemlich gut funktionierte. Letztendlich gefiel es mir, ich war zufrieden mit dem Ergebnis.
Kam er wegen Drew Thompson ins Spiel?
Also: Ein Jahr zuvor, na ja eigentlich früh im gleichen Jahr, in dem wir das Album aufgenommen haben, war Jon Lord hier und hat ein paar klassische Konzerte gegeben. Ich habe eine Blues-Band namens HOOCHIE COOCHIE MEN und Jon hat ein paar Shows mit uns gespielt, die auch gefilmt wurden. Bei dem Gig in Sydney in einem Club namens "The Basement" kam Jimmy Barnes vorbei, um ein paar Songs mit uns zu singen. Und danach fragte mich Drew Thompson: "Warum machst Du nicht mal was zusammen mit Jon Lord und Jimmy Barnes?" Und wegen der Jon Lord- und DEEP PURPLE-Verbindung kam Steve Morse ins Spiel. Und ich wollte, daß Lee Kerslake Schlagzeug spielt. Aber als wir dann so weit waren, hatte Jon Lord keine Zeit und so nahmen wir Don Airey - so kam es also zu Steve Morse und Jimmy Barnes. Wenn ich die freie Auswahl gehabt hätte, hätte ich zum Beispiel Ronnie James Dio und ein paar weitere Sänger gefragt und vielleicht Steve Vai; Gary Moore hatte schon zugesagt, daß er ein paar Songs für mich einspielen würde. Aber nun bin ich froh darüber, wie es geworden ist, definitiv mehr eine Band als ein Projekt.
Im Moment sind reine Tribute-Alben mit zusammengewürfelten Musikern ja sehr in Mode.
Yeah. Und so ist es eben kein reines Tribute-Album. Wir wollten Randy Rhoads Tribut zollen und ich bin mir sicher, daß Randy erfreut wäre, zu hören, was Steve Morse gemacht hat. Randy liebte Steve Morses Art zu spielen. Er dachte, er sei ein großartiger Gitarrist. Und es ist eine große Ehre, wenn jemand wie Steve Morse Deine Sachen spielt.
Es gibt ja noch ein paar weitere Verbindungen zu DEEP PURPLE: So ist beispielsweise Colin Hart, der lange Zeit Tourmanager von DP war, mit im Team und auch in der Gallery der DVD zu sehen.
Ich habe mit Colin Hart gearbeitet, als ich bei RAINBOW war. Er ist ein guter Kumpel, ein wirklich netter Kerl. Drew Thompson mag Colin auch, und als er Drew sagte, daß Colin zur Verfügung stünde, waren wir begeistert.
Die Meldung, daß Du und Lee tatsächlich einige Ozzy-Songs aufnehmen würden, erschien vor mittlerweile fast zwei Jahren. Es gab allerdings da diverse Namen, bis ihr bei LIVING LOUD gelandet seid.
Ja, es war schwierig, einen Namen zu finden. Immer wenn jemand einen Vorschlag machte, gab es jemanden, der den Namen nicht mochte. Dann hatten wir einen Namen und fanden heraus, daß jemand anderes ihn schon benutzte. Schließlich endeten wir bei "Living Out Loud", den wir alle toll fanden. Und fanden heraus, daß es eine Gesangstruppe in Melbourne gibt, die so heißt. Wir hatten das Album fertig und brauchten einen Namen. Also haben wir ihn auf LIVING LOUD" gekürzt und das war's.
Auf Deiner Website hast Du ziemlich schnell Bilder von den Aufnahme-Sessions veröffentlicht, die eindeutig auch Don Airey zeigten. Also haben alle darüber berichtet, wurden aber kurze Zeit später von Steve Morse gebeten, die Berichterstattung einzustellen. Warum?
Ich glaube, daß Don zuerst darum gebeten hat, nur als Gast genannt zu werden, und es nicht nach einer festen Band aussehen zu lassen. Jon Lord hatte DEEP PURPLE gerade erst verlassen und Don Airey hatte seinen Platz gerade erst übernommen.
"Gerade erst"? Das war damals schon mehr als ein Jahr her, denn Don Airey hat seit Sommer 2001 mit DEEP PURPLE Konzerte gegeben, während Jon Lords offizieller Ausstieg aber erst im Frühjahr 2002 erfolgte.
Ja, 15 oder 16 Monate. Und Don wollte keine Unruhe in DEEP PURPLE bringen. Er wollte es nicht so aussehen lassen, als ob er gerade erst bei DEEP PURPLE eingestiegen sei und nun schon wieder mit einer anderen Band unterwegs sei. Zuerst wollte er nicht, daß es so wirken könnte, als hätte er schon wieder die nächste Band mit Steve. Er war beunruhigt, daß sie verärgert sein könnten. Aber jetzt ist es okay. Er hat zugestimmt, daß sein Name nun auf das Album kommt und sein Photo und jeder weiß, daß er in der Band ist.
Also liegt darin der Grund, warum das Logo von LIVING LOUD zuerst nur vier Musikersilhouetten zeigte und nun fünf: Don hatte das Gefühl, daß es eine Vollzeit-Band und nicht nur ein Projekt war? Aber selbst nachdem er angefangen hatte, Konzerte mit DEEP PURPLE zu geben und sogar nachdem »Bananas« im Sommer 2003 erschienen war, hat er doch noch bei anderen Projekten mitgewirkt ohne irgendwelche Probleme damit zu haben.
Ich glaube, das hier ist ein besonders Gewichtiges, weil es ja auch Steve Morse beinhaltet. Ich nehme an, er hatte Angst, das DEEP PURPLE-Camp zu beunruhigen.
War das URIAH HEEP-Camp jemals beunruhigt? Die allererste Nachricht über die Aufnahmen kam schließlich im Frühjahr 2003 von URIAH HEEP-Urgestein Mick Box!
Nein, sie hielten das für eine großartige Idee. Man sollte nicht vergessen, daß Lee nun seit über 30 Jahren bei URIAH HEEP ist. Und Don war sozusagen erst seit 30 Tagen bei DEEP PURPLE.
Auf Eurer offiziellen Website heißt es, daß Ihr plant, im Sommer in Europa auf Tour zu gehen. Gibt es da mittlerweile konkrete Pläne?
Es gibt die Möglichkeit, daß wir ein paar Shows machen werden. Wir müssen abwarten, ob alle Zeit haben. Wir sprechen von ein paar Shows im Frühjahr in Australien und Neuseeland und dann vielleicht ein paar Festivals in Europa im Juni und Juli. Es sieht gut aus, aber wir müssen warten, ob Angebote kommen.
...und niemand zu der Zeit auf Tour ist... Hast Du eigentlich zur Zeit noch eine andere Band?
Als letztes habe ich mit Gary Moore gearbeitet: Ich habe auf dem Gary Moore-Album gespielt, das im Juni 2004 erschien. Und dann flog ich nach London und probte mit Gary, um ein paar Festivals zu spielen. Ein paar haben wir auch gemacht, aber dann hat er sich den Finger verletzt und konnte nicht weitermachen. Ich hätte im Oktober/November eine Tour durch Großbritannien mit ihm spielen sollen, aber da sein Finger noch nicht völlig verheilt war, als es Zeit war, die Verträge zu unterschreiben und Werbung zu machen, wurde die Tour ebenfalls abgesagt. Ich warte jetzt also ab, was als nächstes mit Gary passiert, weil er als nächstes wohl wieder ein Album aufnehmen wird. Das werde ich wohl 2005 machen, ich würde aber LIVING LOUD Vorrang geben.
Werden denn LIVING LOUD im Jahr 2005 ein weiteres Album aufnehmen?
Vielleicht. Wir müssen abwarten, was mit diesem Album geschieht, weil es immer noch recht neu ist. Es ist in Europa, Japan und Amerika noch nicht einmal erschienen. Wenn es rauskommt und gut läuft, kann es bestimmt noch ein weiteres Album geben. Es ist jetzt in Australien seit ein paar Monaten draußen, aber das war eine andere Plattenfirma und die haben nichts für das Album getan.
Hier erscheint die Platte bei EMI.
Ja, und EMI hat hier auch die DVD herausgebracht. EMI hat auch ein Live-Album mit uns hier aufgenommen, das noch nicht erschienen ist.
Zurück zum Album: Bei ›Mr. Crowley‹ habt Ihr einen absonderlichen Vocal-Effekt benutzt. Was zum Geier ist das?!?
[lacht] Das ist ein Verzerrungsmikrofon. Ein Mikrofon, wie man es zur Aufnahme von Mundharmonikas benutzt. Es wir auf laut gestellt, so daß es verzerrt und dann wir der Effekt durch einen Leslie gejagt.
Das benutzt Ihr sogar live.
Ja.
Aber warum um alles in der Welt tut Ihr das?!?
Einfach nur, um es anders als das Original klingen zu lassen. Es ist schwierig für einen Sänger, so etwas wie "Mr. Crowley" zu singen, wenn man nicht gerade Ozzy Osbourne oder Alice Cooper oder Marilyn Manson oder so jemand ist.
Sein Haus hat aber Jimmy Page gekauft. ;-)
Allerdings. Vielleicht hätten wir Jimmy Page es singen lassen sollen - abgesehen davon, daß er kein Sänger ist. Aber es war schon schwierig: Wie machen wir bloß "Mr. Crowley"? Dann haben wir diesen Effekt auf die Stimme gelegt. Wir wollten, daß es seltsam klingt. Und das tut es.
Aber Ihr mußtet bei ›Crazy Train‹ nicht seltsam klingen?
Da gab es ein anderes Problem, weil ›Crazy Train‹ zu eine Hymne geworden ist. Offensichtlich hat es ein sehr bekanntes Riff. Wir wollten das auch ein bißchen anders klingen lassen. Weil Jimmy ein ganz anderer Typ Sänger ist als Ozzy und wir nichts machen wollten, das nach Ozzy klingt. Ich mag den Effekt des Endproduktes.
Ich nicht... [Bob lacht] Ihr seid fünf Leute, die auf drei verschiedenen Kontinenten leben. Ist das eher ein Problem oder ein Pluspunkt?
Es ist schon ein kleines Problem. Nicht nur, daß wir auf verschiedenen Kontinenten leben, wir sind auch in verschiedenen Bands. Wir hätten da Don in England und Lee in England und Steve in Amerika und Jimmy und mich hier. Jimmy hat seine eigene Band und ich mache Sachen mit Gary Moore. Lee ist mit URIAH HEEP unterwegs und Don und Steve mit DEEP PURPLE. Es ist schwierig, alle zur selben Zeit an den selben Ort zu bekommen. Darum haben wir ja die Chance ergriffen, als Steve und Don mit DEEP PURPLE hier waren. Wir dachten nur: "Schnell, bringt Lee rüber und laßt uns ein paar Shows spielen!"
Das Album habt Ihr allerdings in Steve Morses "Hinterhof" aufgenommen.
Wir haben bei Steve geprobt, Songs geschrieben und Demos aufgenommen. Und dann sind wir in ein richtiges Studio in Orlando, Florida gegangen und haben das Album aufgenommen: Drums, Gitarren, Baß und Gesang. Und in London folgten die Keyboards.
Und wer hat vorgeschlagen, in Orlando aufzunehmen?
Das könnte Colin Hart gewesen sein. Vielleicht kannte er das Studio, weil er in Florida wohnt (Sollte er eigentlich, denn DEEP PURPLE haben dort auch schon aufgenommen - cw). Ich bin mir nicht sicher, aber da Steve und Colin beide in Florida wohnen... Du hast vorhin gesagt, daß Du die Live-Versionen lieber magst. Du magst sie lieber als die Studioversionen?
Ja, sogar ziemlich deutlich. Sie klingen "rauher" oder wie auch immer man das ausdrücken soll...
Das finde ich gut. Ja, sie sind rauher. Und es gibt eine Menge nervöser Energie. Es wurde sehr schnell zusammengestellt. Wie schon erwähnt, wir hatten vorher noch nie live zusammen gespielt. Es war nervenaufreibend und wir hatten kaum Zeit zur Vorbereitung.
Was gleich ins Auge fällt, ist Lee Kerslakes Performance. Ich habe ihn mit URIAH HEEP ungefähr zehnmal in den letzten zehn Jahren gesehen, aber bei LIVING LOUD er sieht so anders aus, viel kraftvoller.
Wir haben jede Menge positive Kommentare über Lee bekommen. In der Nacht, in der wir in Sydney gespielt haben, hatten wir ein paar Freunde dabei. Er ist fucking great. Er spielt noch diese alte Schule, wie sie Led Zeppelin-Drummer John Bonham gespielt hat.
John Bonham lebt nicht mehr, Cozy Powell ist nicht mehr unter uns...
Jaaaa, Lee sollte besser gut auf sich aufpassen! [lacht]
Ich würde gern noch mehr Geschichten über Randy Rhoads hören, ein paar private Bemerkungen.
Ach, ich weiß nicht. Das ist schon so lange her. Eine Sache, an die ich mich noch genau erinnere ist, wie ich Randy in einem Pub in London getroffen habe, kurz nachdem Lee und ich Ozzy verlassen hatten: Ich traf also Ozzy und Randy und Sharon in einem Pub in London und erzählte ihnen, daß Lee und ich gerade bei URIAH HEEP eingestiegen waren und mit ihnen auf Tour in Amerika gehen würden. Und Randy sagte, daß er auch dort sein würde. Das war Anfang März 1982. Wir flogen also nach Amerika und als wir in der Luft waren, wurde Randy bei diesem Flugzeugabsturz getötet. Davon wußten Lee und ich, als wir in Houston, Texas, gelandet sind, natürlich noch nichts. Wir sollten die URIAH HEEP-Tour dort beginnen und wollten uns den Club, in dem wir am nächsten Abend spielen sollten, ansehen. Als wir ihn betraten, fragte das Mädchen an der Tür, ob wir nicht früher mit Ozzy gespielt hätten. Ich sagte "Yeah" und sie erzählte uns, daß jemand an selben Morgen gestorben wäre. Es hätte einen Flugzeugabsturz gegeben und einige Personen wären getötet worden. Sie sagte, sie wüßte keine Einzelheiten, wir sollten einen Typ von der Radiostation fragen, der im Club war. Lee setzte sich an die Bar. Ich ging zu dem Typ von der Radiostation und fragte ihn nach dem Flugzeugabsturz. Er erzählte mir daraufhin, daß der Pilot, die Garderobenfrau namens Rachel und daß Randy Rhoads getötet worden waren. Ich rief nur "Oh, nein!", ging in die Bar, setzte mich neben Lee und konnte erst einmal nichts sagen. Er drehte sich zu mir, sah mich an und sagte: "Du bist völlig weiß im Gesicht. Was ist los?" Und ich erzählte ihm also, daß ich gerade herausgefunden hatte, daß Randy bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Es war furchtbar. Wir saßen einfach nur da und tranken bis wir wirklich sehr betrunken waren.
Irgendwie habt Ihr es aber geschafft, die Show mit URIAH HEEP zu spielen?
Ich trug bei der Show am nächsten Abend eine schwarze Armbinde mit dem Schriftzug "Randy". An einigen Abenden haben wir den URIAH HEEP-Song ›The Wizzard‹ gespielt, und viele Leute haben Randy so genannt. Das war wirklich traurig. Ich mußte mich dann immer umdrehen und mit dem Rücken zum Publikum spielen, weil mir Tränen in die Augen stiegen, weil ich an Randy dachte. Er war erst ein paar Tage tot und wir standen schon wieder auf der Bühne.
Kannten die anderen der damaligen URIAH HEEP-Mitglieder Randy auch?
Nein, sie kannten ihn nicht wirklich. Sie hatten ihn mal getroffen.
"Only the good die young" wie man auf Englisch zu sagen pflegt...
Scheint so. Darum werde ich sehr lange leben! Wie alt bist Du eigentlich?
31. Ich habe mich noch nicht einmal für Musik interessiert, als Randy starb. Ich habe etwas später natürlich ständig ›Crazy Train‹ zu hören bekommen, weil das Livevideo in fast jeder Musiksendung gelaufen ist. Aber ich mochte Ozzys Art zu singen nie.
Darüber gab es auch Witze: Egal ob das nun Randy und ich waren, oder Zakk Wylde oder Jake E. Lee: "Ich habe da diese tolle Idee, aber Ozzy wird singen und sie ruinieren"...
Viele Leute, die hier "The Osbournes" sehen, wissen gar nicht, was er die 30 Jahre davor gemacht hat, bevor er ein "Popstar" wurde.
Das ist so traurig. Die Mensche haben allen Respekt vor ihm verloren. Es ist wie ein Ausverkauf. Aber so ist Sharon. Du mußt wissen, Sharon würde alles für Geld tun.
Es ist ja ganz offensichtlich, daß Du die beiden nicht magst. Warum bist Du dann so oft zu Ozzys Band zurückgekehrt?
Ich bin immer mit ihnen in Kontakt geblieben. Ich wußte nicht, daß sie unsere Tantiemen bekommen hatten. Wir hatten zuerst die Plattenfirma und Don Arden, Sharons Vater und Ozzys ursprünglicher Manager, verklagt. Wir wußten nicht, daß Sharon and Ozzy die Rechte an den Songs von Don Arden gekauft hatten, und sie haben es uns nicht gesagt. Also habe ich weiterhin mit ihnen gearbeitet bis 1991 und »No More Tears«. Dann haben wir herausgefunden, wo die Tantiemen hingingen, daß sie sie bekamen. Etwa 1997 hatte ich einen Prozeß begonnen, um herauszufinden, wohin die Tantiemen gingen. Und so kam es heraus. Also haben wir begonnen, sie zu verklagen. Woraufhin sie uns von den Alben genommen haben...
Ich stelle gerade fest, daß ich eigentlich schon vor sieben Minuten jemand anderes wegen eines Interviews hätte anrufen sollen! Es war wirklich nett, mit Dir zu sprechen.
So endete das Gespräch zwischen Bob und Catrin ein wenig abrupt, aber nichts desto trotz hatte es genügend Details erbracht, um LIVING LOUD und das komplexe Business-Räderwerk, das Einfluß darauf genommen hatte, komplett zu durchleuchten.
|
||||||
© 1989-2024 Underground Empire |