Seit mittlerweile 15 Jahren versorgt Jeff Waters die metallische Fangemeinde in regelmäßigen Abständen mit neuen Alben. Egal welches Werk von Jeff und seiner Mannschaft, kurz ANNIHILATOR, gerade aktuell gewesen ist, Musik von minderer Qualität haben wir noch nie erhalten.
Klar, gab es auch mehr oder weniger durchwachsene Veröffentlichungen, aber welche Band schafft es schon, über eine derart lange Zeit nur Klassiker auf den Markt zu bringen?
Mit »All For You« steht auch 2004 wieder ein neues Album in den Regalen. Ebenso konstant wie die Qualität von ANNIHILATOR-Veröffentlichungen halten sich aber auch immer wieder diverse Besetzungswechsel in der Band.
Jeff erläuterte den aktuellsten Stand der Dinge am Telefon:
Wie leider fast schon üblich, mußtest Du auch im Vorfeld der neuen Scheibe einige Umbesetzungen vornehmen. Wie sieht denn das aktuelle Line-up überhaupt aus?
Im Grunde genommen ist ANNIHILATOR nichts anderes als eine Art "erweitertes" Jeff Waters Solo-Projekt. Das Problem an den zahlreichen Besetzungswechsel war sehr häufig das liebe Geld, wie zuletzt bei Russ Bergquist (b). Der Knabe hat einen gut bezahlten Job, die Gage könnte ich nie im Leben bezahlen. Somit sind nun Dave Padden (v), der bereits im letzten Jahr bei den Europagigs seinen Einstand gefeiert hatte, Curran Murphy (ex-NEVERMORE, g), und meine Wenigkeit ANNIHILATOR. Dazu kommt, was mich besonders stolz macht, der ehemalige EXTREME- und Steve Vai-Schlagzeuger Mike Mangini. Ich meine, wir hatten schon viele Drummer bei ANNIHILATOR und vor allem Randy Black, der zuletzt zu PRIMAL FEAR abgewandert ist, weil er dort ebenfalls besser entlohnt wird, ist ein Meister seines Fachs, aber wenn Du Mike spielen siehst und hörst, überkommt dich schlichtweg so etwas wie Ehrfurcht. Am Baß wird bei ANNIHILATOR demnächst ein junger, hungriger Musiker aus meiner Heimat Ottawa zu hören sein.
Moment mal. Weshalb Ottawa? Ich dachte, Du bist nach Vancouver übersiedelt?
Das war bis vor einiger Zeit auch mein Wohnort. Ich bin aber aus familiären Gründen wieder in meine alte Heimat zurückgezogen. Nach der Trennung von meiner Frau hätte ich keine andere Chance gehabt, mich in irgendeiner Form um die Kids zu kümmern. So habe ich meine Eltern und meine Schwester als Kindermädchen in der Nähe. Ich weiß, auch nach der Trennung von meiner ersten Frau bin ich übersiedelt und offenbar ereilt mich das Schicksal immer wieder. Aus manchen Fehlern lernt man eben doch nicht. Im Moment ist aber alles im Lot. Ich bin froh, meine Kinder bei der Verwandtschaft versorgt zu wissen, denn als Musiker kannst du dich nicht so einfach "nebenbei" um etwas kümmern. Andererseits bin ich aber von der Musik berufsbedingt abhängig, egal ob ich selbst Veröffentlichungen vorbereite oder auf Tour bin.
Die neuen Facetten im ANNIHILATOR-Sound sind wohl auch durch die Neuerungen im Line-up zu erklären, oder?
Genau so ist es. Erst mit der aktuellen Besetzung war es möglich, derart gefühlsbetonte Nummer wie ›The One‹ oder ›Holding On‹ vorzutragen. Daves Stimme ist wesentlich facettenreicher als die seiner Vorgänger. Er hat von "hart" bis "zart" die gesamte Palette anzubieten. Generell muß ich sagen, daß wir noch nie ein derart abwechslungsreiches Album abgeliefert haben. Auf »All For You« ist vom heftigsten Thrash Metal bis hin zu den genannten Balladen alles vertreten. Ich bin mir auch bewußt, daß es vor allem in Europa einige Kritiker geben wird, denen das Album zu "modern" oder einfach nicht brutal genug ist, aber damit muß ich und kann ich mittlerweile gut leben. Es ist absolut unmöglich, es allen immer recht zu machen.
Aber spätestens auf der nächsten Tour werden wohl auch diese kritischen Stimmen zum Schweigen gebracht werden. ANNIHILATOR haben wohl noch nie ein schwaches Konzert gegeben. Werden wir denn schon bald in den Genuß einer Gastspielreise kommen?
Zunächst durften wir gerade als Opener für JUDAS PRIEST einige Gigs in Europa spielen. Mann, was für eine Ehre! Ich bin sicher, Hunderte von Bands haben sich für diese Kurztour beworben und unzählige Plattenfirmen werden mit Sicherheit versucht haben, "ihre" Bands dem PRIEST-Management unterzujubeln. Tatsache ist allerdings, daß JUDAS PRIEST sich für ANNIHILATOR als Opener entschieden haben, was mich mit Stolz erfüllt. Immerhin durften wir schon einmal auf einer PRIEST-Europa-Tour mitwirken. Nach diesem Europa-Trip hoffe ich auch noch auf einem oder mehreren Sommer-Festivals auftreten zu können. Im Herbst werden wir dann mit Sicherheit auf eine längere Europa-Tournee gehen, wobei ich dazu noch nicht allzu viel verraten kann, weil sich die Geschichte erst in der Planungsphase befindet.
Bis dahin haben wir ja die Möglichkeit uns mit dem aktuellsten Output der Band zu beschäftigen. Irgendwie habe ich den Eindruck, daß »All For You« ein sehr persönliches Album geworden ist, oder täusche ich mich?
Nein, keineswegs. Wie schon erwähnt, hatte ich jede Menge Probleme, die sich auch in der Musik widerspiegeln. Manche Songs, wie ›The One‹ beispielsweise, kommen direkt aus meinem Herzen, während auf der anderen Seite die in mir aufgestaute Wut andere Songs bestimmte. Ich weiß, daß zahlreiche Kritiker gerne Musik und Lyrics im Stile von »Alice In Hell« gehabt hätten, aber nach solchen Geschichten war mir überhaupt nicht zu Mute.
Verständlich. Seit Eurem letzten Studioalbum hat sich aber auch businessmäßig wieder einmal einiges verändert. Mit AFM RECORDS habt Ihr wieder einmal ein neues Label im Hintergrund. Wie kam es zur Zusammenarbeit?
STEAMHAMMER, mit denen wir »Waking The Fury« (2002) und einige Re-Releases auf den Markt gebracht haben, hatten eine andere Veröffentlichungsstrategie im Sinn. Sie wollen in Zukunft eher "größere" Acts unter Vertrag nehmen. Die Zusammenarbeit war aber über die gesamte Vertragsdauer hinweg gesehen in Ordnung. Bei AFM sieht es im Moment so aus, als ob wir auf einem regelrecht emporsteigenden Label unterschrieben hätten. Ich freue mich schon auf die weitere Zusammenarbeit. »Double Live Annihilation« war zumindest für uns ein sehr guter Einstieg, warten wir ab, was uns mit »All For You« geschäftsmäßig gelingen wird, denn schlußendlich ist davon auch der Support für die anstehende Tour abhängig.
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