UNDERGROUND EMPIRE 7-Datasheet |
Contents: ASIA-Interview |
Date: 08.11.1992 (created), 26.07.2021 (revisited), 27.10.2024 (updated) |
Origin: UNDERGROUND EMPIRE 7 |
Status: published |
Task: from paper to screen |
Availability: original printed issue sold out! Several earlier issues still available; find details here! |
Comment: Daß das Interview außergewöhnlich war, sollte man schon an der Story ablesen können. Ich habe noch selten einen bekannten Musiker erlebt, der derart entspannt und down to earth war (das gleiche kann ich auch über John Wetton sagen, denn mit beiden machte ich einige Jahre später eine tolle Photosession in der Ludwigsburger "Rockfabrik"), wie Geoff Downes. Das gipfelte darin, daß er mir nicht ewig lang Rede und Antwort stand, sondern mich kurzerhand auch noch zum Essen einlud, so daß er beim Catering ein weiteres Abendessen orderte. Da Geoff so engagiert bei der Sache war, ist auch das Resultat sehr lesenswert. Daher war es mir wichtig, die Story auch wirklich hübsch zu gestalten. Daher waren die vier Seiten mit den Covern der vier bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen ASIA-Alben hinterlegt, die bekanntlich eine Augenweide waren. Dies können wir heute natürlich nicht nachbauen, so daß wir stattdessen das Logo, ein Bandphoto von der »Aqua«-Besetzung sowie einige Liveshots von der Show verwenden.
P.S.: Das "Extra" sollte später immer häufiger von sich reden machen, weil es zu einem gigantischen Drogenumschlagplatz mutierte, so daß der Laden irgendwann dichtgemacht wurde. |
Supervisor: Stefan Glas |
Irgendwo in der Wüste direkt hinter Koblenz, in einem Industrie-/Gewerbegebiet versteckt, unter einem Dach mit einer Tennishalle und einer Sauna-Solarium-Schwimmbadfarm liegt eine Disco, die sich "Extra" nennt, die groß genug ist, daß dort die gesamte Kälberzucht von Gross-Dümpelania ohne Gedränge Völkerball spielen könnte und deren Struktur so wirkt, als würde sich hier am Wochenende die gesamte hoffnungsvolle Discojugend aus dem Umkreis von zwei- bis dreihundert Kilometern winden wie Würmer beim Bodendurchfurchen. Könnt Ihr Euch vorstellen, daß an einem solchen Ort ein Ereignis stattfinden wird, das zu den letzten denkwürdigen Momenten unseres Jahrhunderts zu zählen sein wird? Wenn Ihr mit dem Gedanken noch etwas Probleme habt, dann beginnt schleunigst, Euch damit vertraut zu machen, denn das Happening dieses Abends, das ich Euch nun zu beschreiben gewillt bin, muß unter obige Kategorie eingeordnet werden.
ASIA heißt das magische Wort, das den Abend prägte und eine Kulisse anzog, die von der aufgedonnerten Discogöre oder dem pfadfindergeeigneten Schulmädchen mit Pferdeschwanz bis zu Hippiebraut oder der abgefuckten Drogenmadam, sowie dem unheimlich tollen Schicki-Micki-Dödel oder dem Fünfzehnjährigen Himbeerbubi bis hin zum leicht müffelnden Biker oder dem Overkill-Metaller mit viel zu gewagtem T-Shirt einfach alles gewünschten oder unerwünschten Schattierungen zu bieten hatte. Ein gemeinsamer Faktor schien jedoch da zu sein, denn ASIA machte sie sich alle gefügig und drückte ihnen einen Abend rein, den sie sich vorher bestimmt nicht nur annähernd so intensiv vorgestellt hatten. Auch wenn Zweifler die "neuen" ASIA schon unter "ferner liefen" abheften wollten, so bewies diese ungeheuere Mischung aus Alt und Neu, daß gute Rockmusik einfach unschlagbar ist. Schon der Opener ›Go‹ ließ die Wogen toben, und die wohlüberlegte Kombination aus aktuellen Stücken des »Aqua«-Albums und alten Klassikern ließ kaum ein Stimmungsloch zu. Selbst die solistische Einlage von Steve Howe, der die Tour als Special Guest mitspielte, machte da keine Ausnahme. So unnötig 99,99 Prozent aller Soli sind - sollte es jemals das ein oder andere Solo gegeben haben, das nicht überflüssig war, so ist diese brillante musikalische Reise von Steve Howe mit Sicherheit dazuzuzählen. Als Geoff Downes dann nach etwa 120 Minuten ein letztes Mal in die Tasten griff, um ›Heat Of The Moment‹ anzustimmen, gab es kein Zurückhalten mehr und das Pubikum sang mit einer Begeisterung mit, daß die Hitze des Augenblicks dieser postmodernen Discofabrik fast den Rest gegeben hätte.
Doch lange bevor dies alles sich abspielte, hatte ich das einzigartige Vergnügen, mit Keyboarder Geoff Downes, sowie dem neuen Sänger John Payne ein Interview zu führen, das ähnlich den Rahmen sprengte wie das folgende Konzert. Bei der Interviewvorbereitung war meine Hauptbeschäftigung gewesen, Fragen zu streichen, um mich halbwegs auf das Wesentliche zu beschränken. Als wir nun ganz gemütlich im disco-eigenen Lokal sassen, packte ich meinen Zettel aus und ließ den Walkman loswalken. Man stelle sich also vor - da sitzt ein Mann wie Geoff Downes, der schon bei einer epochemachenden Band wie YES gespielt hat und mit ASIA schon so ziemlich alles erreicht hat, was man als Rockmusiker erreichen kann, schon vor Hunderttausenden Leuten gespielt hat, Interviews für die bedeutendsten Zeitschriften, Fernseh- oder Radiosendungen der Welt gegeben hat, mit seiner Band mit einer Platte mehr Einheiten verkauft hat, als sich Tausende gemachte Stars unserer Zeit erträumen würden und führt ein Interview mit einem unbedeutenden Hobbyjournalisten, wie ich an anderer Stelle schon mal sagte, und Geoffs Verhalten deutet in jedem seiner Züge drauf hin, als sei dies sein erstes, wichtigstes und zugleich letztes Interview. So vergehen fast eineinhalb Stunden, in denen ein Interview zu einem Gedankenaustausch wird, in denen mehr Details rüberkommen, als es Papier zu fassen imstande ist. Die verfügbare Kapazität will ich auf den nächsten Seiten möglichst maximal ausnutzen, so daß ich dem Verlauf dieses unvergeßlichen Interviews so gut wie möglich gerecht werde!
Mit dem Debut sind ASIA regelrecht von Null auf Eins geschossen. Welches Gefühl war es für Euch, von Anfang an solchen Erfolg zu haben?
Geoff: Es war lustig, denn wir hatten nie wirklich Zeit, darüber nachzudenken. Es ging so schnell, und wir waren eigentlich gar nicht darauf vorbereitet. Aber irgendwie war schon damals unterschwellig das Gefühl da, daß es nicht ewig so weitergehen könne. Es war ein gemischtes Gefühl, und in einer gewissen Weise hatten wir nie wirklich die Zeit dazu, uns an den guten Seiten zu erfreuen.
Als Ihr damals zusammengekommen seid und im Studio die erste Platte aufgenommen habt, hattet Ihr daran gedacht, daß es dermaßen abgehen könnte?
Geoff: Eigentlich nein, wir dachten nicht daran. Ich war sehr überrascht, daß die Platte so erfolgreich wurde. Mir schwebte eigentlich eher vor, die Sache langsam aufzubauen, aber so ging alles rasend schnell und geriet daher auch außer Kontrolle. Das war dann wohl auch der Grund, weshalb wir viele persönliche Probleme hatten.
Auf der zweiten Platte »Alpha« befand sich ausschließlich auf der Original-Kassettenversion der Song ›Daylight‹, den ich zu meinen Lieblingsstücken von ASIA zähle. Warum wurde er eigentlich nie nochmal veröffentlicht? Selbst als neulich »Alpha« als CD aufgelegt wurde, war ›Daylight‹ nicht drauf! Oder aber Euere »Then And Now«-Quasi-Compilation wäre doch eine optimale Gelegenheit gewesen, ›Daylight‹ erneut zu releasen und so allen ASIA-Fans zugänglich zu machen!
Geoff: Der Song wurde nochmal veröffentlicht - auf einer CD in Japan nämlich. Auf dieser 4-Track-CD waren verschiedene B-Seiten vertreten. Ja, es war ein guter Song, den wir oft live spielten. Es war jedoch mehr eine Angelegenheit des Labels, wie und wo sie ›Daylight‹ veröffentlichten, worauf wir Künstler keinen Einfluß hatten.
Der Nachfolger »Astra« hat den Ruf, das schwächste ASIA-Album zu sein. Ich jedoch mag die Platte sehr, denke aber, daß sie weniger rockig, sondern etwas glatter und kommerzieller gehalten war. Erzähl' doch mal etwas zu »Astra« und zu diesen Veränderungen!
Geoff: Ich denke, es war durchaus ein gutes Album; wir schwitzten viel dafür; es war ein schmerzvolles Album. Es war das erste Album, das wir ohne Steve machten. Mandy Meyer war ein sehr guter Gitarrist. Ich glaube nicht, daß das Album schlecht war, sondern das Feeling, die Moral in der Band war ziemlich down und einige Songs reflektieren das. ›Wishing‹ zum Beispiel ist zwar nicht depressiv, aber die Stimmung des Songs ist sehr gedrückt; da ist nichts, was einen erheben würde. ›Go‹ dagegen ist ein sehr positiver Song oder auch ›Voice Of America‹ und ›Rock'n'Roll Dream‹. Es sind einige gute Songs auf dem Album. Ich glaube jedoch, daß es den Geist der Zeit eingefangen hat, der damals in der Band nicht besonders stark war.
John: Für mich als Hörer ist das Album einfach etwas inkonstant. Es waren einige sehr starke Songs, aber auch einige sehr durchschnittliche Stücke auf »Astra«. Wie Du schon sagtest, ›Go‹, ›Voice Of America‹ oder ›Rock'n'Roll Dream‹ sind sehr starke Songs.
Geoff: Seltsamerweise sagen viele, daß »Astra« ein sehr vitales Album sei!
John: Diese Meinung dürfte von Mandys etwas Michael-Schenker-mäßigem Gitarrenspiel herrühren.
Geoff: Eigentlich war es für die meisten von uns ein interessantes Album, da es ein rockigeres Gitarrenbild präsentierte. Wenn ich mir anschaue, wie sich die Musik in den letzten fünf Jahren verändert hat, so muß ich sagen, daß ASIA auf »Astra« gitarrenmäßig der Zeit voraus waren. Ich denke jedoch, daß der Zuhörer damals noch nicht bereit dafür war, daß ASIA dies tun würden. Jedoch muß man sagen, daß ASIA gleichzeitig ihre klare Richtung verloren. Wir verloren einfach den Enthusiasmus, weiterzumachen, und so brach die Band auseinander, was uns die Möglichkeit gab, ein paar Jahre zu rasten.
Ihr hattet auch ganz anders geartete Texte, besonders wenn ich es nun mit »Aqua« vergleiche!
John: Auf welchem Album speziell?
Ich meinte eigentlich »Astra« im Speziellen, aber Du kannst auch gern die Texte der gesamten Karriere von ASIA betrachten!
John: Ich glaube dies liegt primär an John Wettons Ausstieg.
Geoff: Es war damals irgendwie "hip", sich mit bestimmten Dingen auseinanderzusetzen. In den letzten Jahren ist das Thema der nuklearen Bedrohung praktisch weggefallen. Damals jedoch waren diese Themen in der Bevölkerung sehr im Gespräch, und das ist der Grund wie wir zu Texten wie ›Countdown To Zero‹ kamen. Als John zu ASIA stieß, setzten wir uns zusammen, unterhielten uns über die Texte, und es wurde klar, daß die Texte nicht mehr so spezifisch sein sollten.
John: Die neuen Texte sind so gestaltet, daß der Hörer draufschauen kann und verschiedene Dinge sehen kann. Einer kann die Texte dadurch ganz anders sehen als der andere. So wie wenn man sich ein Gemälde anschaut, in dem jeder etwas anderes sehen kann. Geoff und mir schwebten zwar ganz konkrete Gedanken vor, als wir die Texte schrieben, aber man kann von verschiedenen Blickwinkeln draufschauen. Der Zuhörer kann also beginnen, selbst zu denken und kreativ zu sein, und die Interpretation wird ihm nicht aufdiktiert.
Okay, knüpfen wir doch mal an dem Punkt an, an dem ASIA sich nach »Astra« auflösten. Nach etwa vier Jahren reformierten sich ASIA, und als erstes Lebenszeichen erschien »Then And Now«, welche sechs Stücke von den ersten beiden Alben und vier neue Songs enthielt. Also weder eine "Best Of" noch eine neue Platte - nix Halbes und nix Ganzes - warum?
Geoff: Ich glaube, wegen der Zeit. Zwischen 1986 und 1989 gab es verschiedene Versionen von ASIA, die zusammen probten. Ich probte beispielsweise eine Zeitlang mit John Wetton und Scott Gorham und Michael Sturgis als ASIA zusammen, John Wetton, Carl Palmer schrieben zusammen mit einigen anderen Leuten einige Songs. Auf diese Weise entstanden vier oder fünf Songs. Als wir es für eine gute Idee hielten, wieder als ASIA zu touren, wollten wir eine Platte herausbringen, die die Leute an die alte Periode von ASIA erinnern sollte, ebenso wie sie ihnen neues Material von ASIA vorstellen sollte. Das war der Gedanke, der hinter »Then & Now« steckte.
Als nächstes erschien von ASIA ein Livealbum, welches in Moskau mitgeschnitten wurde. Warum erscheint diese Platte nicht in der Bandbiographie, welche Eure Plattenfirma mit »Aqua« verschickt hat?
Geoff: Ich persönlich denke, daß Livealben unwichtig für die Karriere der Künstler sind. Es ist ein nettes Sammlerstück für sehr interessierte Fans. Ich denke noch nicht mal, daß ein Livealbum ein Statement ist, denn es reflektiert eher die vergangenen Jahre, als das, was zum Zeitpunkt der Aufnahme passiert. Es ist gut, um die Sache am Laufen zu halten, hat aber nichts mit Kreativität, neuen Ideen, Entwicklung zu tun. Als Livealbum war »Live Mockba« okay, aber nicht mehr.
Was war Euer primärer Beweggrund, dieses Livealbum zu machen? Sollte es ebenfalls darauf hinweisen, daß ASIA zurück sind?
Geoff: Wir spielten vor 20.000 Leuten im Olympiastadion in Moskau, und das war ein Moment, den wir einfangen wollten. Ich denke, daß uns das gelungen ist, zumal das Konzert auch per Video dokumentiert wurde. Es war aber mehr als Sammlerstück für die Fans gedacht und hat irgendwo auch das Kapitel der ersten zehn Jahre von ASIA beendet. Das entwickelte sich aber eher zufällig, denn es kam so, daß John Wetton kurze Zeit später die Band verließ. ASIA waren damals also noch ich und Carl Palmer, aber Carl hatte damals schon begonnen, wieder mit E.L.P. zu spielen, weshalb er nach »Aqua« ausstieg. Ich fragte daraufhin John, ob er bei ASIA mitwirken wolle, und er stieg ein, was uns den Push gab, ASIA wieder von ganz unten aufzubauen, so wie wenn man ein Haus vom Fundament her ganz neu errichtet.
Somit bist Du das einzige verbliebene Gründungsmitglied von ASIA, sieht man mal von Steve ab, der diese Tour mitspielt. Inwiefern haben ASIA '92 noch etwas mit den alten ASIA zu tun?
Geoff: Ich denke, bei ASIA ging es immer um Musik und nicht um Individuen. ASIA war immer größer als einzelne Teile davon! ASIA wurde als "Superband" tituliert, aber das war ein gemachter Begriff der Presse. Die Tatsache, daß ASIA erfolgreich war, lag nicht daran, daß die Leute sich sagten, "Hey, da ist ein Album einer Superband! Das muß ich mir kaufen!", ASIA waren erfolgreich, weil die Musik für diese Zeit originell war und die Gefühle der Menschen berührt hat. Genau das ist es, worum es bei ASIA ging, und das ist es, worum es bei ASIA auch in Zukunft gehen wird. Die einzelnen Elemente von ASIA sind nicht so signifikant..., doch sie sind signifikant, weil sie zusammen ein vollständiges Bild ergeben! ASIA hat über die Zeit hinweg ständig seine Form verändert, aber einen zentralen Punkt stets behalten. In dieser Art, denke ich, wird es mit ASIA weitergehen, außer daß es ganz offensichtlich nun mehr Johns und meine Band ist, da wir die Kontrolle darüber haben, wie sich die Band entwickeln soll. Glücklicherweise stimmen wir in praktisch allen wichtigen Entscheidungen überein.
Laß' mich Begriffe wie "All-Star-Band" oder "Superband" nochmal bemühen! ASIA wurden von Anfang an so tituliert, da sie sich aus sehr bekannten Musikern formiert hatten. Heute fehlen bei ASIA die großen Namen praktisch komplett. Wie hat sich dies auf das Bandfeeling ausgewirkt? Ich kann mir vorstellen, daß es in jener "Superband" echte Ego-Probleme gab!
John: Wir halten das bei den jetzigen ASIA so, daß jeder auf einer Stufe steht, was eine gute Sache ist. Es läuft alles zusammen, wie bei einer Maschine. Jeder arbeitet auf ein Ziel hin, das für die Band am besten ist. Sobald die Musiker anfangen, selbstsüchtig zu werden, zerstört das die Band, weil jeder lieber selbst im Rampenlicht stehen will, als daß es sein Bestreben ist, daß die Band gut klingt.
Geoff: Es war früher allein schon daher schwierig, weil jeder seine eigene "Fanbasis" hatte, die er sich in seiner vorhergehenden Karriere aufgebaut hatte. Um Dir die Wahrheit zu sagen - es gab eine Menge Konflikte damals - besonders zwischen John Wetton und Steve Howe. Es wirkte nie so, als würden sie an der Entwicklung der gleichen Band mitarbeiten. Diese Auseinandersetzung startete mit dem zweiten Album, und John stieg aus, kurz bevor es auf eine großangelegte Japantour gehen sollte. Ich versuchte, die Band zusammenzuhalten, indem ich Steve dazu brachte zuzustimmen, John wieder zurückzuholen. John kam für einige Monate zurück und sagte dann, daß er mit Steve nicht arbeiten könne. Solche Dinge gingen damals ab, die dazu führten, daß wir Mandy als neuen Gitarristen verpflichteten. Es war keine gute Zeit für die Band. Was wir jetzt tun, ist so aufregend! Es ist so frisch und neu - eine lebendige Band und wir kommen sehr gut miteinander zurecht.
Laßt uns doch mal etwas über »Aqua« sprechen! Ich habe den Eindruck, als sei die Musik nicht mehr so keyboardorientiert wie das auf den früheren Alben der Fall war!
John: Da steckt wahrscheinlich etwas Wahrheit drin, aber es ist wohl eher die Dynamik, die sich verändert hat. Es gab zum Beispiel bei den alten ASIA nie eine echte Rhythmusgitarre. Es war mehr ein "Kampf" zwischen Keyboard und Gitarre. Auf der neuen Platte gibt es viele Keyboardhooks oder Stellen, die sehr dicht mit Keyboards gefüllt sind. Ich denke dabei zum Beispiel an Songs wie ›Someday‹. Wir wollten aber alles etwas mehr ausbalancieren und gleichzeitig mehr Gitarre verwenden. Ich denke, daß sich die Dinge, daß sich AOR in den letzten zehn Jahren verändert haben. Das nimmt nichts von Geoff als Keyboarder weg, denn nahezu jeder Song wurde rund um das Keyboard geschrieben. Es gibt einfach mehrere sich verändernde Schwerpunkte auf dem Album.
Geoff: Wir haben einfach versucht, Ideen rüberzubringen und einen Sound zu haben, der sowohl zeitgemäß als auch interessant klingt. Die Gitarrenperspektive auf der Platte ist ziemlich tiefgehend. Das meiste von Steves Parts ist sehr akustikorientiert, während Al Pitrellis Parts das genaue Gegenteil sind, da Al sehr heavy spielt. Dies sind Elemente, die wir verknüpft haben.
Das Songwriting scheint sich auf »Aqua« geändert zu haben! Einerseits habt Ihr Kracher wie ›Who Will Stop The Rain‹, die in ihrer Art absolut an den Symphonic-Bombast-Rock vergangener Tage erinnern, während da andererseits in ›Back In Town‹ auch ein Song steht, der eher ein bluesangehauchter Rocker ist.
John: Das Album hat definitiv ganz verschiedene Seiten zu bieten. ›Far Cry‹ startet wie ein starker Rocksong, und sogleich schließt sich eine klassische Gitarrensektion an. ASIA ist eine der wenigen Gruppen, die sich während der Tracks und zwischen den Tracks frei hin und her bewegen können und so viele Veränderungen einbauen können wie sie wollen.
Geoff: Das bedeutet, daß wir nicht an einen bestimmten Stil gefesselt sind, sondern wir können unseren ganz eigenen Stil entwickeln. Das ist eine sehr glückliche Position, in der wir uns befinden. Andere Bands sind einfach an eine gewisse Mode gebunden, wie zum Beispiel die ganzen Seattle-Bands. Sobald der Trend stirbt, werden auch sie sterben. ASIA dagegen waren nie eine Modeband - selbst zu Beginn der Achtziger, als es Bands wie JOURNEY, FOREIGNER, STYX, KANSAS oder andere gab, die irgendwie alle der gleichen Richtung angehörten. Aber diese Bands waren doch mehr Mainstream und hatten nicht diesen gefährlichen, typischen Charakter des englischen Rock, sondern orientierten sich an Amerika.
Ihr habt eben einiges zur momentanen Musikszene gesagt, so daß ich da mal etwas nachhaken und Euch nach Eurer Meinung zur Musikszene fragen will!
Geoff: Ich denke, daß es eine Schande ist, daß der englische Rock auf dem Markt seine Stellung als interessante Quelle für Musik verloren hat. Die britischen Bands, die in Amerika verkaufen, sind Bands wie Ozzy Osbourne, GENESIS, QUEEN oder PINK FLOYD, während die neue Generation britischer Rockbands wie THUNDER oder QUIREBOYS kaum etwas zu melden hat - ja selbst DEF LEPPARD sind mittlerweile schon 15 Jahre alt, obwohl sie immer noch als neue Band gehandelt werden. Ich denke, daß es nicht notwendigerweise ein Teil des Problems ist, daß Tanzmusik das Feld übernommen hat, sondern es gab ein großes Loch in der Musik zwischen der Mitte bis zum Ende der Achtziger.
John: Tanzmusik verkörpert die Idee des Fast-Food-Musik-Zeitalters. Man nehme zwei Typen mit Synthesizern, nehme einen Song auf, pushe diesen stark. Es ist unheimlich einfach, auf diese Weise Geld zu machen, man braucht keine künstlerische Unterstützung, die Formationen brauchen nicht zu touren, etc. All diese Ausgaben, um eine Band aufzubauen, fallen weg.
Geoff, stell' Dir doch mal vor, der Progressivrock der Siebziger hätte nie existiert und Du würdest mit YES in die heutige Szene hineinkommen. Würdest Du Euch eine Chance geben?
Geoff: Nein, absolut nicht. Allein schon weil die Technik heute zu bestimmend ist. In diesen Bands kamen damals vier oder fünf Kerle zusammen, die originelle progressive Musik machen wollten. Generell betrachtet kaufen die Leute heute nicht mehr aus den selben Gründen Platten, wie sie das einst taten. Allein schon die Plattenläden haben sich so sehr verändert. Früher hatte man ganz kleine Läden, die sich sehr stark auf bestimmte Musikrichtungen spezialisiert hatten, und heute wirkt es eher so, als ob man in einen Musik-Supermarkt geht. Für mich zeigt das an, daß der Einfluß der Musikkultur heute nicht mehr so dominant ist wie früher. Bands wie E.L.P. oder YES hatten einen massiven Einfluß auf ihren Hörer. Ich glaube nicht, daß zum Beispiel Bands wie GUNS N' ROSES oder BLACK CROWES wirklich Einfluß darauf haben, wie sich die Leute anziehen oder ihr Leben leben.
Ich denke auch, daß es in den Siebzigern nur eine Handvoll Bands gab, die aber für eine lange Zeit existierten und sich daher entwickeln konnten. Heute gibt es Millionen Bands, so daß die Konkurrenz enorm hoch ist, so daß eine Band mit ihrem ersten Album gleich einen Treffer landen muß, sonst wird sie nie ein zweites machen.
John: Eine Plattenfirma muß heute eine halbe Million in eine neue Band investieren, und wenn sie nicht zumindest dieses Geld wieder zurückkriegen, so werden sie probieren, die Band nach zwölf Monaten loszuwerden.
Was sagst Du als "alter Progressivhase" zu den Bands der neuen Progressiv-Rock-Szene? Kennst Du da Bands?
Geoff: Nein, leider kenne ich diese Szene praktisch nicht, so daß ich nichts dazu sagen kann!
Die Cover von ASIA sind sehr fantasyorientiert und optisch einander ähnlich. Sie erinnern mich auch ein wenig an das, was YES früher machte. Absicht?
Geoff: Wir wollten diesen Fantasyaspekt in den Covern, weil er auf eine bestimmte Art parallel zur Musik ist. Das Design des neuen Covers hat uns nebenbei praktisch den Albumtitel geliefert, denn, wie Du vielleicht weißt, heißt "Aqua" übersetzt "Wasser" (Hey, Mann, romanus sum! - Red)
Früher konntest Du mit ASIA auf richtig großem Level agieren. Große Plattenfirma, Tourneen durch riesige Hallen, etc. Heute läuft alles drei Etagen kleiner ab. Stellt das für Dich ein Problem dar?
Geoff: Nein, denn ich denke, daß es notwendig für uns ist. Wir bauen etwas wieder auf, und das kann nicht von einem Moment zum anderen geschehen, sondern braucht seine Zeit! Es war damals natürlich phantastisch, solchen Support zu erhalten, aber es waren damals auch so viele Leute beteiligt, die den Künstlern die Kontrolle entzogen. Heute liegt nahezu alles in unseren Händen, so daß wir die Chance haben, unser Leben darauf aufzubauen und trotzdem an dem Spaß zu haben, was wir tun. Der "Spaß-Faktor" ist uns wichtiger als der "Kommerz-Faktor", denn letztlich es geht um Musik und nicht um Kohle!
Leider vergessen genau das heute viele Musiker!
Geoff: Ja, da hast Du recht. Ich glaube, die Leute spüren, daß wir die richtige Einstellung haben! Wir haben Spaß auf der Bühne, und das merkt das Publikum. Nach den Shows versuchen wir, die Fans zu treffen, um keine Barriere entstehen zu lassen.
Es scheint also nicht so, daß Du den alten Zeiten nachtrauerst!
Geoff: Nein, sicherlich nicht. Auch wenn es gewiß eine Sache war, die einem nur einmal im Leben passiert, daß man als Debutant gleich so groß rauskommt.
John: Es gibt dann auch das Problem, daß nahezu alles, was nach einem solchen Anfangshit kommt, ein Tiefpunkt zu sein scheint. Schau' Dir zum Beispiel das neue Album von Michael Jackson, das zehn Millionen Einheiten verkauft hat, an. Jetzt sagen die Leute, daß es ein Reinfall war - ist das nicht total lächerlich!?! Zehn Millionen Alben zu verkaufen soll ein Fehlschlag sein, nur weil man zuvor 28 Millionen verkauft hat!
Geoff: Wir hatten das gleiche mit ASIA: Dieser Druck kam mit dem zweiten Album auf, da es nicht so erfolgreich war wie das erste. Vom Debut verkauften wir etwa fünf Millionen in Amerika, und die Zweite verkaufte zwei Millionen und stieg auf Platz 5 der Charts, woraufhin uns die Plattenfirma erzählte, daß die Platte ein Flop gewesen sei! Geh' doch mal zu irgendeiner Band und sage Ihr, daß Du ihnen die Möglichkeit gibst, zwei Millionen Platten zu verkaufen und Platz 5 in Amerika zu sein, so werden sie Dir bestimmt antworten, daß das besser sei, als sie es sich je im Leben vorgestellt hätten.
John: Außerdem muß man bedenken, daß zu dieser Zeit die Verkaufszahlen allgemein nicht so hoch angesiedelt waren. Schau Dir doch mal Seal an, der vielleicht der populärste Popact in England und Amerika ist. Er hat bei weitem nicht so viele Platten verkauft wie ASIA mit ihrer Zweiten.
Außerdem dürfte es ein Thema sein, daß viele Leute, die eine Chartband live ansehen oft nur die Hitsingle und sonst nichts kennen. Bei Eurem Publikum, das Euch heute abend erwartet, könnt Ihr zu einem Großteil sicher sein, daß sie verschiedene alte Sachen ebenso wie die neue Platte kennen.
John: Was noch hinzukommt ist, daß viele Kids, die auf Dance- oder Housemusik stehen, diese Musik nur hören aber nicht kaufen. Die Verkaufszahlen der Singlecharts haben sich gegenüber vor zehn bis fünfzehn Jahren auf ein Zehntel reduziert. Um vor zehn Jahren den ersten Platz der Singlecharts zu belegen, mußte man etwa das Zehnfache verkaufen wie heute. Daher müssen die aktuellen Singlecharts nicht notwendigerweise die wirkliche Popularität reflektieren. Leute wie Engelbert Humperdinck verkaufen in zwei Jahren bestimmt zwei Millionen Platten aus dem alten Programm, aber eben nicht in so kurzer Zeit! Die meisten aktuellen Modeacts verkaufen kurze Zeit sehr viel, und dann sind sie verschwunden.
Das dürfte auch Eure Chance sein, daß jemand, der heute abend zum Konzert kommt und zum Beispiel nur ›Who Will Stop The Rain‹, die Single von »Aqua«, aus dem Radio kennt, morgen in einen Laden geht, um sich alte ASIA-Platten zu kaufen!
Geoff: Ich glaube, daß genau das oft passiert, was sehr gut für die Zukunft der Band ist! Andererseits sind auch oft recht junge Kids bei den Konzerten, die die neuen Stücke genauso wie die alten Sachen exakt mitsingen können.
Ich will noch ein letztes Mal auf die Vergangenheit zurückkommen! Es ist auffällig in der History von ASIA, daß es recht viele Besetzungswechsel gab. Auch nach der Veröffentlichung der neuen Platte »Aqua« hat sich wieder einiges im Line-up getan!
Geoff: Wir haben mit verschiedenen Kombinationen herumexperimentiert. Bevor wir beginnen können, neues Material zu schreiben, ist es wichtig die Chemie in der Band in Ordnung zu bringen. Seit wir nun zusammen touren, fühlen wir stark, daß wir eine gute Kombination gefunden haben! Die neue Platte wurde mit Gastmusikern aufgenommen, und so wollen wir jetzt erst eine neue Besetzung finden. Wenn man nur noch für sich selbst arbeitet, wird man in eine Ecke hineingedrängt, und plötzlich passieren Dinge, die man nicht will, weil viele Leute beteiligt sind, die eigentlich nichts mit der Band zu tun haben. Im Moment läuft es sehr, sehr gut für uns, und wir hoffen, daß wir diese Zusammensetzung so konstant wie möglich halten können! Eventuell werden wir wieder gezwungen sein, Veränderungen vorzunehmen, wie zum Beispiel, als Carl nach »Aqua« ausstieg, weil er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein kann.
Geoff, Du warst schon bei YES, spielst nun seit langem mit ASIA - zu gut deutsch, Du machst schon sehr lange Musik und hast mehr oder minder alles erreicht, was man als Musiker erreichen kann. Was bringt Dich dazu, immer noch weiterzumachen?
Geoff: Es ist die Leidenschaft für die Musik. Ich liebe es, Musik zu machen, so wie ich es eh' und je geliebt habe! Welche Probleme ich auch immer im Leben hatte oder welche Krisen ich in meinem Leben durchmachen mußte, ich hatte immer das Gefühl, daß die Musik ein zentraler Punkt meines Lebens ist, der mir sehr viel Stärkung zuteil werden läßt. Es ist eine Leidenschaft! Ich glaube, daß dies auch der Grund ist, weshalb ich diese Erfolge haben durfte! Ich liebe alles an der Musik - in Interviews darüber zu reden, sie auf der Bühne zu spielen oder sie im Studio aufzunehmen. Ich denke Tag und Nacht an alle Aspekte, die die Band betreffen - es eine 24-Stunden-am-Tag-, 30-Tage-im-Monat-, 365-Tage-im-Jahr-Hingabe an die Musik. Ich habe keine anderen Hobbys, alles, was ich tue, ist Musik!
Wie sehr betrifft es Dich mit Deiner idealistischen Einstellung, daß in unserer heutigen, sehr oberflächlichen Welt gehaltvolle Musik kaum noch geschätzt wird?
Geoff: Diese Tatsache hat uns dazu gebracht, das »Aqua«-Album sehr genau auszuarbeiten, so daß da mehr ist, in das man sich reinhören kann, sofern man dazu bereit ist. Es bietet mehr als eine Hitsingle und eine Menge Makulatur! Es stört mich aber nicht, daß viele Leute die Platte sehr oberflächlich betrachten. Heutzutage nimmt die Musik einfach nicht mehr so viel Platz im Leben der Menschen ein, wie ich schon sagte. Trotzdem glaube ich immer noch, vielleicht fälschlicherweise, daß wenn man den Leuten etwas bietet, das sie mitreißt, sie inspiriert, es immer Raum für gehaltvolle Musik gibt. Wir haben heute solch' eine enorme Technik wie CDs, unglaubliche Stereoanlagen oder wahnsinnige Kopfhörer, und ich finde, daß es eine Schande ist, daß die aktuelle Musik meist überhaupt nicht dafür geeignet ist, weil sie platt ist, keine Details zu bieten hat, etc.
Man kann aber sagen, daß Du Dir von solchen Details Deinen Idealismus nicht kaputtmachen läßt!
Geoff: Das ist richtig! Außerdem glaube ich dennoch, daß es in der Musikszene einen Freiraum gibt, in dem auch Bands wie wir erfolgreich sein können. Ebenso sind wir bereit, unsere Musik zu machen, auch wenn es vielleicht nur sehr wenige Leute gibt, die sich echt hineinvertiefen.
Okay, Geoff, das Ende des Marathons naht! ASIA waren eine Superband der Achtziger, welche Chancen haben sie für die Neunziger?
Geoff: Wir befinden uns momentan im Embryonalstadium, ein Durchgangsstadium, und ich finde das sehr aufregend! Die Möglichkeit für ASIA auf einem großen Level akzeptiert zu werden, ist vorhanden. Das ist aber nicht der Grund, weshalb wir Musik machen. Wir wollen für die Menschen spielen und wollen, daß sie sich an unseren Platten erfreuen können. Ich sehe, daß ASIA sich entwickeln, und mit etwas Glück wird es für uns gut laufen!
Dem ist nichts hinzuzufügen...
Photos: Stefan Glas [Photos 2-5]