THE MIDNIGHT GHOST TRAIN – Cypress Ave.
NAPALM RECORDS/EDEL
Überraschend gemächlich, um nicht zu sagen behäbig, legen THE MIDNIGHT GHOST TRAIN in ›Tonight‹ zunächst los, ehe eine harsche Fuzz-Gitarre recht bald die vermeintliche Stille unterbricht. Von einer solchen ist spätestens dann, wenn Sänger und Gitarrist Steve Moss zu röhren beginnt, aber ohnehin nichts mehr zu vernehmen, auch wenn sein sonorer, kehliger Vortrag an sich durchweg tiefenentspannt wirkt und er seine Stimmbänder in der Eröffnungsnummer nur in den Refrains gehörig beansprucht. Als vielschichtig und variantenreich entpuppt sich aber nicht nur der Opener des aktuellen Drehers dieser verrückten Kansas-Boys, vielmehr macht es den Eindruck, »Cypress Ave.« wäre genau aus dieser Intention heraus entstanden. Im Vergleich zum Vorgänger »Cold Was The Ground« fällt nämlich auf, daß die drei Spießgesellen deutlich reduzierter loslegen und der größte Teil der neuen Tracks auch wesentlich melancholischer angelegt ist.
Völlig verzichtet wird auf Riff-Dröhnungen zwar keineswegs (›Bury Me Deep‹ entpuppt sich nicht nur deshalb als heftigster Track und kommt mit einem fetten KYUSS-Gedächtnisriffs aus den Boxen), dennoch muß man festhalten, daß häufiger denn je gefühlvoll und mit Nachsicht in die Saiten gegriffen wird. Nicht zuletzt dadurch entpuppt sich »Cypress Ave.« auch als überaus abwechslungsreiches Vergnügen, von dem jedoch Anhänger der härteren Gangart dieser Band aller Voraussicht nach nur bedingt angetan, wenn nicht gar ein wenig irritiert sein werden. Zum einen, weil der Rock-Anteil in Summe nicht nur geringer geworden ist, sondern das Trio auch weniger ungestüm und dreckig rüberkommt als zuletzt, und zum anderen, weil der von THE MIDNIGHT TRAIN immer noch auf lässige Weise intonierte Blues noch nie dermaßen massenkompatibel klang wie auf diesem Album. Über-den-Tellerrand-Musikliebhaber (und eventuell gar nur wenig Rock-affine Zeitgenosse) dagegen werden an diesem Album durchaus ihre Freude haben, gibt es doch - fernab des Desert/Stoner Rock-Gebräus, für das die Burschen in der Vergangenheit reichlich Lob und Erfolg einheimsen konnten - ein ordentlich produziertes musikalisches Spektrum zu entdecken, das von der unorthodoxen Vortragsweise eines Tom Waits über entspannt lässigen Groove und zeitgemäß-poppigen Blues bis hin zu jazzig-entspannten R'n'B-lastigen Klängen reicht.
Von letztgenannten ist ›The Boogie Down‹ geprägt, eine Kooperation mit dem US-Hip-Hop-Künstler Sonny Cheeba, mit dem THE MIDNIGHT GHOST TRAIN einen potentiellen Chartbreaker ins Leben gesetzt hat.
http://www.themidnightghosttrain.com/
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