Die Rockmusik hat mitunter seltsame Konstellationen zu bieten. Musiker, die sich scheinbar hoffnungslos zerstritten haben, wagen es in mehr oder minder regelmäßigen Abständen abermals, gemeinsam Alben aufzunehmen und so etwas wie die große Versöhnung kundzutun. Daß solche "Ehen" desöfteren geschlossen werden können, beweisen beispielsweise UFO und ein gewisser Herr Michael Schenker. Doch um besagte Herrschaften soll es in diesem Artikel nicht gehen.
Auch Don Dokken ist bekannt dafür, trotz vormaligen Problemen innerhalb der Band immer wieder auf bereits bekannte Leute zurückzugreifen. Zwei dieser, von Don in letzter Zeit aber nicht mehr zurück an Bord geholten, ehemaligen Mitstreiter, namentlich George Lynch und Jeff Pilson, haben vor kurzem ein gemeinsames Album mit dem Titel »Wicked Underground« auf die Menschheit losgelassen.
Wie es dazu kam und was dahinter steckt, erzählte mir ein hochmotiviert wirkender Jeff Pilson am Telefon:
Ehrlich gesagt, hätte ich um nichts auf der Welt mit einer Scheibe in dieser Konstellation gerechnet. Wie kam es zu einer weiteren Zusammenarbeit mit George?
Im Grunde genommen hat es zwischen George und mir niemals großartige persönliche Probleme gegeben. Alles was diesbezüglich eventuell an Meinungen kolportiert wurde, ist zum größten Teil erlogen. Tatsache ist, daß Don und George kein besonders gutes Verhältnis zueinander haben, weshalb George auch für die letzten DOKKEN-Alben nicht in Frage gekommen ist. Die Idee für dieses gemeinsame Projekt stammt in erster Linie von Georges Management, das an mich herantrat, ob ich interessiert wäre. Nun, wie du siehst, oder besser hören kannst, sprach von meiner Seite aus nichts dagegen. So, here we are!
Na gut, wenns immer so einfach geht, soll mir das auch recht sein. Der Albumtitel »Wicked Underground« soll scheinbar ebenfalls verdeutlichen, daß zwei gleichberechtigte Partner am Werk sind, oder?
Gut erkannt. Wir haben den Titel bewußt als Mischung aus Georges Solowerk »Wicked Sensation« und dem Namen meiner letzten Band UNDERGROUND MOON gewählt. Wir haben beide unsere Ideen für das Songwriting eingebracht und waren uns auch sonst recht schnell einig, wie und was aufzunehmen ist.
Du hast ja selbst erwähnt, daß es sich bei Lynch/Pilson nur um ein Projekt handelt, oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Es wäre einfach übertrieben, von einer Band zu sprechen. Tatsache ist, daß George, Michael Frowein (d) und ich ein Album gemeinsam aufgenommen haben. Ob da noch weitere Aufnahmen folgen werden, ist noch nicht sichergestellt. Allerdings muß ich zugeben, daß die Arbeiten phantastisch gelaufen sind und wir alle guter Dinge sind, was weitere gemeinsame Produktionen betrifft.
Ich gehe allerdings davon aus, daß sich Eure derzeitige Beschäftigung nicht nur darauf beschränkt.
So ist es. George werkt derzeit nicht nur an einer weiteren Soloscheibe, er verhandelt auch gerade mit verschiedenen Labels betreffend eines Re-Releases der alten LYNCH MOB-Alben.
Ich bin ja nach wie vor auch als Produzent tätig und nebenbei sind auch WAR & PEACE wieder aktiv. Ob und wann genau mit einer weitere Veröffentlichung zu rechnen ist, wage ich aber noch nicht auszusprechen.
Die stilistische Ausrichtung der Songs kann grob als Melodic Rock bezeichnet werden. Scheinbar habt Ihr Euch aber auf das Wesentliche beschränkt, denn George stellt seine Gitarre äußerst banddienlich zur Verfügung, und auch auf die von UNDERGROUND MOON bekannten "modernen" Einflüsse wurde verzichtet. Absicht oder "einfach nur passiert"?
Generell haben wir uns ein wenig unserer Wurzeln besonnen. Zwar haben wir uns im Vorfeld den Satz "Leave The Past Behind" als Motto gewählt, doch damit waren eher persönliche Dinge gemeint. Tief in uns schlummert nach wie vor die Vorliebe für typisch amerikanischen, stadiontauglichen Rock. Genau diese Richtung wollten wir verfolgen.
Was auch fraglos gelungen ist. Gibt es aber 2003 noch genügend Fans, die auf diese Art von Musik warten?
Hier bei uns in den Staaten ist im Moment so etwas wie ein Revival erkennbar. Wie Ihr in Europa mit Sicherheit mitbekommen habt, gibt es unzählige Bands aus den 80ern wieder, die im Prinzip in den 90ern nicht existierten. Deswegen denke ich auch, daß die Staaten der Markt für uns sein sollten. Aber auch in Japan und bei euch in Europa könnte es mit einer Tour, wenn auch nur in kleinerem Rahmen, klappen. Unsere Plattenfirma SPITFIRE RECORDS hat versprochen, diesbezüglich das Bestmögliche zu unternehmen. Ich bin also zuversichtlich, was eine Tournee unter dem Banner Lynch/Pilson betrifft.
Da also alles in Butter sein dürfte, und die Herren scheinbar alles gemeinsam anfassen, hätten mich noch die Texte des Albums interessiert.
Auch diese stammen von uns beiden, wobei die Inspirationen aus dem täglichen Leben gegriffen sind. Als Beispiele, wie unterschiedlich George und ich drauf waren, als es an der Zeit war, Texte zu verfassen, seien die folgenden Songs genannt. ›Every Higher‹, habe ich für meine Frau geschrieben, da sie auch in den dunkelsten Stunden an meiner Seite steht. George dagegen hat ›Beast In The Box‹ seiner Ex-Frau gewidmet. Bereits der Titel dürfte mehr verraten, als ihr lieb ist.
Nun ja, da hoffen wir doch, daß Herr Lynch nicht noch mehr mit der holden Weiblichkeit durchmachen muß, denn Textzeilen wie "Bury the beast in the box, never come back again" zeugen nicht gerade von positiver Erfahrung.
Wie auch immer, mit Lynch/Pilson dürfte im Jahre 2003 durchaus zu rechnen. Checkt »Wicked Underground« einfach an. Musik wie diese, ist im Moment leider selten geworden.
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