Mit ihrem Debutabum »T?« eroberten die Neuseeländer vor drei Jahren die Herzen der Metal-Liebhaber im Sturm. Faszinierend daran war nicht nur die Tatsache, daß ALIEN WEAPONRY mehr oder weniger aus dem Nichts in der Szene aufschlugen, sondern noch vielmehr die Tatsache, daß sie mit ihrem Sound quasi Neuland betrat. Eine Melange wie ihre, gab es bislang nämlich noch nicht zu hören. Das mitreißende, irgendwo zwischen Thrash, Death und Groove Metal zu verortende Gebräu an sich war nicht neu, sehr wohl aber der Gesang. Die beiden Bandgründer Henry (d) und Lewis de Jong (g, v) setzten auf ihrem Erstling beim Vortrag ihrer Texte nämlich vorwiegend auf ihre Muttersprache: Te Reo M?ori.
Wie sie damit umgegangen sind, plötzlich dermaßen erfolgreich zu sein, und auch wie es sich anfühlte, als nur wenig später ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen ist, erzählte uns das Brüderpaar bei einem Zoom-Meeting. Dabei war zwar auch T?ranga Morgan-Edmonds, ihr neuer Kollege am Baß, zugegen, der jedoch die Zuhörerrolle bevorzugte. Zu bereden gab es vieles, in erster Linie aber klarerweise das eben veröffentlichte zweite Album »Tangaroa«:
Hättet Ihr jemals zu träumen gewagt, aus dem Stand heraus dermaßen erfolgreich zu sein?
Henry: Natürlich nicht! Auch wenn ich durchaus zugeben muß, daß wir sehr wohl mit einer gehörigen Portion Selbstbewußtsein an den den Start gegangen sind. Da wir zu diesem Zeitpunkt noch verdammt jung waren, und ohne Rücksicht auf Verluste einfach losgelegt haben, war uns einziges Motto: "Laßt es uns einfach mal versuchen, was soll schon schiefgehen?". Wie das eben so ist bei Jungs die gerade einmal im Teenager-Alter sind, und sich die Idee in den Kopf gesetzt haben, als Band die Welt zu erobern.
Lewis: Wir waren einfach begeisterte Metalfans und haben die Szene erst einmal für uns entdeckt. Es gab so viele interessante Formationen, die es zu erkunden gab. Bald hat sich jedoch herauskristallisiert, welche für uns die relevantesten sind, und in welche Richtung es wohl gehen wird, als wir beschlossen, selbst Songs zu schreiben.
Henry: Das war logischerweise nicht ganz so einfach, denn zunächst hatten wir zwar jede Menge Ideen, konnten diese aber spieltechnisch noch nicht ganz so umsetzen. Deshalb haben wir in unserer frühen Jugend auch mehr Zeit in Proberäumen verbracht als alle anderen jungen Bands hier in der Umgebung.
Welche Bands waren es denn, an denen Ihr Euch orientiert habt? Hat sich seit den Anfängen daran etwas geändert?
Lewis: Unser Einstieg waren METALLICA, bald darauf folgten SLAYER und diverse andere Thrash Metal-Bands. Allerdings dauerte es nicht lange, ehe wir uns an extremere Sounds heranwagten. Allen voran SLIPKNOT hatten es uns angetan, aber auch LAMB OF GOD hörten wir sehr häufig. In den letzten Jahren hat sich da sehr wohl einiges verändert, denn mittlerweile haben wir auch ein Faible für die eher progressivere Gangart von brutalen Sounds entwickelt.
Henry: GOJIRA! Wir kannten die Band nicht wirklich, hatten aber das Glück die Musiker bei unseren ersten Europa-Aufenthalten näher kennenlernen zu dürfen. Nette Jungs, coole Musik und eine Hammer-Liveband! Ich denke, das reicht, um Fan zu sein, oder? [lacht]
Sicher. Wobei ich die Franzosen aus Eurem aktuellen Album gar nicht so stark als Einfluß heraushören kann. Oder hab' ich da etwas falsch verstanden?
Henry: Wenn Du nur die musikalische Ausrichtung von »Tangaroa« meinst, hast Du sicher recht. Schließlich haben wir einen völlig anderen Groove. Das Faszinierende an dieser Band ist aber ihre Spieltechnik, ihre Herangehensweise an das Songwriting und ihr soziales Engagement.
Lewis: Das ist auch uns mindestens ebenso wichtig, wie die Songs selbst! Eine Nummer kann kompositorisch noch so genial sein, wenn nichts dahintersteckt, das den Hörer packt, wird sie bald darauf wieder vergessen sein.
Das kann Euch nicht passieren. Auch wenn es in Europa wohl nur ganz, ganz wenige Menschen geben dürfte, die Te Reo M?ori verstehen...
Henry: Das ist uns natürlich bewußt. Du kannst Dir aber in etwa vorstellen, wie befremdend es für uns klingt, wenn wir beispielsweise ein Gespräch zweier unserer Plattenfirmen-Mitarbeiter hören. Daß wir damit vielleicht Fans anlocken, die uns aus bloßer Neugierde entdecken möchten, mag sein, dürfte aber nicht auf eine Mehrheit zutreffen. Da wir uns darum bemühen, Geschichten unseres Volkes zu erzählen, kommt für diese Songs einfach nichts anderes in Frage. Das ist unverändert geblieben, und auch der Grund weshalb wir auf »Tangaroa« nur für die Hälfte der Tracks Englisch verwendet haben.
Steht denn das Cover in direktem Zusammenhang mit dem Titel?
Lewis: Ja! Der Titel »Tangaroa« ist ein Maori-Begriff für den Ozean. Als der Titel feststand, habe ich einfach begonnen, etwas zu dieser Thematik zu malen. Das Ergebnis kann man als eine Schlange, oder auch als mehrere sehen. Meinetwegen aber auch als außerirdisches Seeungeheuer, auch damit habe ich kein Problem, haha.
Auch einige Songtitel hätte ich gerne ein wenig näher erklärt.
Henry: Kein Problem. Im Titelsong setzen wir uns mit den leider immer noch vorherrschenden, ausbeuterischen Fischereipraktiken vor den Küsten unseres Landes auseinander. Die Menschen werden wohl erst dann darüber nachdenken, daß etwas falsch läuft, wenn alles Leben aus dem Ozean entfernt wurde.
Lewis: Weniger kritisch ist der Opener ausgefallen. Hier erzählen wir in erster Linie die Geschichte des Maori-Häuptlings Titokowaru. Er war einer der härtesten Widersacher der britischen Kolonial-Regierung und hat mit der von ihm angeführten Rebellenarmee einen langjährigen Kampf gegen sie geführt. Wir sehen uns sowohl als Erzähler, denen es am Herzen liegt, den Menschen etwas aus der Welt und Kultur der Maori näherzubringen, wollen aber auch ein Bewußtsein dafür schaffen, daß sich viele Dinge seit dem 19. Jahrhundert für die Maori noch immer nicht verbessert haben.
Henry: Doch nicht nur unsere Herkunft hat zu kritischen Texten geführt. In ›Buried Underground‹ geht es um die dramatische Situation von Jugendlichen, die synthetischen Drogen verfallen sind. Ein Jammer. ›Down The Rabbit Hole‹ ist dagegen als persönliche Abrechnung mit jenen Zeitgenossen zu sehen, die uns zunächst nicht mehr als belächelt haben, nun aber so tun, als ob sie ewig unsere Freunde wären. Danke, bleibt wo ihr seid, euch brauchen wir nicht!
Ganz und gar nicht belächelt wurdet ihr von Beginn an von der "Konkurrenz". Wie war denn das Gefühl für Euch, selbst von den ganz großen der Szene immer wieder lobend erwähnt zu werden?
Henry: Unfaßbar! Ich muß zugeben, daß ich es zunächst gar nicht glauben konnte, als man uns mitgeteilt hat, SLAYER hätten uns als Vorgruppe ausgewählt, um auf einem Teil ihrer Abschiedstournee mit dabei zu sein. Ich meine, ich war ein junger Bursche, der von der großen, weiten Metal-Welt geträumt und ständig SLAYER gehört hat. Und dann soll ich auf einmal mit meinen Kumpels auf ein und derselben Bühne spielen dürfen? Wie absurd ist das denn?
Lewis: Aber es war kein Traum! Es war Realität. Auch wenn ich noch auf der Bühne das Gefühl hätte, das kann alles gar nicht wahr sein. [lacht] Doch das war es, ein Kindheitstraum wurde wahr!
Photos: Piotr Kwasnik
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