"Keep It True XII"-Festival
Lauda-Königshofen, Tauber-Franken-Halle
24.-25.04.2009
Das "Keep It True" wird allmählich zu einem exklusiven Club. Der Underground-Club schlechthin sozusagen. Denn: Wer nicht bei Festival anwesend ist, hat ernsthafte Probleme, Tickets für die nächste Veranstaltung zu bekommen. So wurden beim KIT zwölf schon 1.500 Karten fürs nächste Festival verkauft, so daß es jetzt nur noch einige Karten bei HELLION RECORDS oder im NUCLEAR BLAST-Shop gibt. Wer also 2010, wenn solche Legenden wie ANACRUSIS, CANDLEMASS (mit einer »Epicus Doomicus Metallicus«-Show), DEMON, FIFTH ANGEL, HADES, SATANS HOST, SAVAGE GRACE, SIREN oder WATCHTOWER auftreten werden, dabei sein möchte, sollte sich sputen. Doch zunächst wollen wir uns mal dem nicht minder legendären KIT 12 widmen...
Für den standesgemäßen Einstieg sorgen IN SOLITUDE, die für eine derart junge Band eine recht gute Bühnenpräsenz an den Tag legen, wobei Sänger Pelle Åhman allerdings noch die echten Frontmannqualitäten fehlen. Die Schweden schmettern die durchaus gelungenen Songs ihres Erstlings, die freilich den letzten Pfiff noch vermissen lassen, solide ins Publikum und erhalten gutes Feedback dafür. Eher belustigend ist indes die Optik der Band: Mal abgesehen davon, daß man ein umgedrehtes Kreuz zum schicken Kerzenständer umfunktioniert hat, sieht Basser Gottfrid Åhman wie eine Kreuzung aus Poser und Death Metaller aus, während sich der Sangesmann das Gesicht schwarz und rot verschmiert hat, was man allerdings nicht wirklich sieht, da er permanent seine Haare ins Gesicht hängen hat. Und ganz ehrlich: Gefährlicher als HAMMERFALL habt Ihr auch nicht gewirkt, Jungs...
ATLANTEAN KODEX sind sicherlich die speziellste Band des Festivals, was dazu führt, daß die Reihen vor der Bühne eher licht sind, die Band aber dennoch extrem abgefeiert wird. Tja, Epic Metal mit Progressive und Doom sowie einem nicht wegzudiskutierenden Kauzfaktor à la ATLANTEAN KODEX fehlt eben jeglicher Partyfaktor und wird sicherlich nie und nimmer eine Massenmusik werden. Aufgrund der Überlänge der Songs wird man zwar das Gefühl nicht los, als hätte die Band lediglich ein oder zwei Songs gespielt, dennoch - oder gerade deswegen - muß man der bayrischen Band nebst Gastsänger Johannes Korda, welcher der Band bei Konzerten zur Verfügung steht, da der etatmäßige Sänger Markus Becker nicht auf die Bühne gehen will, eine exzellente Show attestieren, an der man allenfalls das zu lange Intro bemängeln kann.
ASKA eröffnen mit einem extrem originellen Intro, nämlich Carl Orffs ›Carmina Burana‹ - hat garantiert noch keine Band gemacht... Frontmann George Call war bereits im letzten Jahr mit OMEN beim KIT gewesen, als er der Truppe den Arsch und den Auftritt gerettet hatte, womit er dann für sich und seine Band ASKA einen Platz erspielte. Doch da sich die Texaner zudem mit ihren CDs und dem darauf enthaltenen tadellosen US-Metal schon empfohlen haben, will ihnen dies niemand neiden - zumal sich ASKA als sehr gute und tighte Band präsentieren, die auch das Kleine Stageacting-Einmaleins draufhat.
Ursprünglich hätten an dieser Stelle HELL auftreten sollen, die von nicht wenigen als eine der ultimativen Kultbands von der Insel angesehen werden. Die Truppe hatte sich zu KIT-Zwecken sogar schon der Dienste von Andy Sneap und Martin Walkyier versichert, um Originalsänger und -gitarrist Dave G. Halliday zu ersetzen, der 1987 Selbstmord begangen hatte. Doch dann sollte Kev Bower (g, k) sich einer dringenden Magenoperation unterziehen, so daß HELL absagen mußten.
An diesem Punkt kommen dann CLOVEN HOOF ins Spiel, die mit megamäßigen Sprechchören begrüßt werden. Seit dem Auftritt beim zweiten KIT hat die Band eine unglaublich Line-up-Odyssey durchgemacht, doch erfreulicherweise ist Russ North wieder an Bord, dessen Stimme seinerzeit schon dafür gesorgt hatte, daß CLOVEN HOOF als Sieger von der Bühne gehen konnten. Außerdem sind heuer neben Mister CLOVEN HOOF himself, Basser Lee Payne, zwei neue Gitarristen (Ben Read, seit 2007 dabei, und Christian Horton, seit 2008 dabei) und ein neuer, alter Drummer (Jon Brown, seit 2007 wieder dabei, zuvor etwa zwischen 1987 und 1990 dabei) zu bewundern. Zwar ist das dezent HAMMERFALLige Outfit von Lee leicht grenzwertig, doch spätestens beim Schlußsong ›Laying Down The Law‹, bei dem die komplette Halle mitsingt, daß förmlich das Dach abhebt, macht sich darüber niemand mehr Gedanken. Man darf sich also freuen, daß in diesem Jahr noch ein weiterer CLOVEN HOOF-Gig auf deutschem Boden ansteht - bei dem dann hoffentlich endlich ›Crack The Whip‹ zum Einsatz kommen wird.
Ganz ehrlich, meine Erwartungen RUTHLESS waren im Vorfeld minimal, da die Band früher allenfalls in der dritten Liga spielte - was allerdings sicherlich auch daran gelegen hatte, daß sich die Band recht schnell aufgelöst hatte und zudem auf dieser Seite des Teichs in AXE KILLER RECORDS ein Label hatte, das sich nur wenig um den flächendeckenden Vertrieb in Gesamteuropa kümmerte. Doch schon der Opener ›Gates Of Hell‹ reißt einem förmlich das Gesicht weg, denn die Band ist enorm tight, was sicherlich auch mit der Verdienst von Ex-DARK ANGEL-Klampfer Jim Durkin ist, der sich sehr gut mit Ur-RUTHLESS-Sixstringer Ken McGee ergänzt. Zudem haut Sami De John von der ersten Sekunde an seine hohen Schreie hinaus, als sei er noch ein pubertierender Jüngling und erweist sich als offensiver Frontmann, der sich auch in den Photograben wagt. RUTHLESS, die auch einen Song, den man allerdings nie aufgenommen hatte, spielen, gehören zweifelsohne zu den Gewinnern des KIT XII!
Die zweite Reunion von EXUMER - nach dem "Wacken Open Air" 2001, wo man lediglich eine einmalige Reunionshow spielen wollte - soll beim KIT erfolgen, der im nächsten Jahr auch eine neue Platte entspringen soll, für die das entsprechende, "vorbereitende" Demo gerade in der Mache ist. Der erste neue Song seit 22 Jahren, den die Band in Lauda-Königshofen spielt, klingt auf alle Fälle verheißungsvoll. Die Thrasher, die kurz vor dem KIT noch die Rhythmusgruppe ausgetauscht hatten, so daß das angedachte Konzept, daß beide Shouter der EXUMER-Geschichte nebeneinander auf der Bühne stehen, leider ins Wasser fällt, gehen mit zehnminütige Verspätung auf die Bühne, so daß man einen Song von der Setlist streichen muß. Sieht man vom durchwachsenen Sound ab, spielen EXUMER eine klasse Show, bei der sich zwar mancher Old Schooler an der modernen Optik der Band stört, doch die meisten lassen sich davon nicht die Stimmung vermiesen, so daß EXUMER den größten KIT-Pit in diesem Jahr zu verzeichnen haben.
Meine Fresse! Es sind ziemlich genau 23 Jahre vergangen, seit ich mir das EXXPLORER-Überdebut »Symphonies Of Steel« gekauft habe - und jetzt soll die Band erstmals auf einer europäischen Bühne stehen; wie die Zeit doch so vergeht... Für kurze Zeit sollte der Auftritt sogar ein wenig wackeln, denn Gitarrist Ed LaVolpe mußte sich kurz zuvor operieren lassen. Doch so schafft es die Combo aus New Jersey, das bisherige Highlight des zwölften KIT zu setzen. Dies ist vor allem Sänger Lenny Rizzo "anzulasten": Er sieht zwar aus wie die Zentralanlaufstelle für schlechte Tattoos, aber gesanglich ist er so perfekt, daß man meinen könnte, er habe erst gestern »Symphonies Of Steel« eingesungen - und welch' wichtige Rolle seine Stimme bei EXXPLORER spielt, brauche ich wohl keinem Kenner der Band zu erzählen; nicht zuletzt sein Fehlen war der Grund, warum die dritte EXXPLORER-Platte »Coldblackugly« zu einem Schlag ins Wasser wurde. Wenn man in den Krümel suchen will, könnte man lediglich anmerken, daß Basser J. McCaffrey mit seinem guten Sonntagsjackett und Barfüßen ein wenig seltsam aussieht, was aber nichts dran ändert, daß wir im Falle von EXXPLORER von einer trefflichen Reunion sprechen können!
Auch TYRANT zählen zu den Bands, die sich auf KIT-Initiative wieder zusammengefunden haben, und sie verpassen dem Festival zum Dank einen Stimmungshöhepunkt; den passenden Hauruck-Metal dazu hat die Truppe allemal auf der Latte! Das optische Highlight ist ohne Zweifel Sänger Glen May, der aussieht wie der Dee Snider des Nietenmetal. Außerdem kommen bei seinem Anblick Überlegungen auf, ob nicht Nietengürtel im Stile von Umstandskleidern, die sich schööön mitdehnen, eine echte Marktlücke wären... Kein Wunder, daß er schon nach einigen Minuten den ersten Nietengürtel, den er um den Bauch geschlungen hat, in die Ecke pfeffert... Doch genug der Frotzeleien, Hut ab für eine erstklassige Show, die Herren Tyrannen!
Nun ja, auch ABATTOIR zählten mit Abstand betrachten zu den Wackelkandidaten: Mehrere weitgehend erfolglose Reunionversuche und das permanent wechselnde Line-up erweckten nicht gerade den Eindruck, daß hier noch wirklich ein unerschütterlicher Glaube an die Band herrscht. Doch allen Unkenrufen zum Trotz sollen ABATTOIR erstaunlich gut aufspielen, wobei natürlich das Gitarrenduo für diesen Europatrip, bestehend aus Juan Garcia und Tim Thomas, der als Ersatz für Mark Caro fungiert, schon mal die halbe Miete ist; schließlich haben die beiden auch schon bei AGENT STEEL kooperiert, als Tim nämlich auf der 2005er Tour Bernie Versailles vertreten hatte - und dabei auch beim KIT einen Stop eingelegt hatten. Als "Entschuldigung" für das Fehlen von Mark Caro packt man übrigens einen EVILDEAD-Song in die Setlist, denn bekanntlich waren beide Bands personell immer sehr eng verbandelt. So spielt die ABATTOIR-Rhythmusfraktion, die beim KIT aufläuft, Mel Sanchez (b) und Rob Alaniz (d), bekanntlich ebenfalls bei EVILDEAD. Bleibt als letzter im aktuellen Schlachthausbunde noch Steve Gaines, der nach ein wenig Aufwärmzeit prächtig singt, so daß man ABATTOIR schlicht eine fehlerfreie Leistung bescheinigen kann. Demzufolge ist die Stimmung grandios, Crowdsurfer werden aus allen Rohren gen Bühne geschossen, so daß beim Abschlußdoppel, der ultimativen ABATTOIR-Hymne ›Screams From The Grave‹ sowie dem MOTÖRHEAD-Cover ›Ace Of Spades‹, das ABATTOIR für ihr '85er Debut »Vicious Attack« aufgenommen hatten, endgültig die komplette Halle kopfsteht!
Nach dem ABATTOIR-Tumult ist zu befürchten, daß Headliner LIZZY BORDEN ein wenig abstinken würden, doch so weit sollte es Routinier Lizzy Borden mit seiner Mannschaft, bei der Youngster Dario Lorina (ex-CYRUS ZAIN) die Gitarrenposition des abgewanderten Ira Black übernommen hat, nicht kommen lassen. Mal angesehen davon, daß die Band mit der Maskerade und der Show, die man in Balingen beim "Bang Your Head!!!" 2008 erleben durfte (ja, inklusive Psycho-Lizzy, Tits'n'Asses und "Do you want some blood?"-Sauereien, heuer aber ohne rituelle Kopfkissenschlachtung...), antritt, darf man jenseits der optischen Effekte und der Tatsache, daß das aktuelle Album »Appointment With Death« letzten Endes doch nicht der Bringer war, nicht vergessen, daß die Band über die Jahre auch ein Repertoire wirklich großartiger Songs angesammelt hat. Erfreulicherweise zückt die Band beim KIT eine ausgewogene Setlist, in der sich auch solche Oldtimer wie ›Give 'Em The Axe‹, ›Rod Of Iron‹, ›Psychopath‹ oder ›Red Rum‹ befinden. So sollen sich LIZZY BORDEN ihrer Position an der Spitze des Billings als würdig erweisen, weshalb sie ihre Spielzeit auch gleich mal gnadenlos um 20 Minuten überziehen, so daß ein fast zweistündiger Set hinter uns liegt als die Band dann deutlich nach Mitternacht mit der ›Long Live Rock 'n' Roll‹-Coverversion inklusive ausgedehntem Mitsingpart die Bühne räumt.
War Petrus im letzten Jahr kein KIT- und vor allem kein KIT-Camper-Freund gewesen, so stiftete er in diesem Jahr superbes Wetter, so daß es auf dem Parkplatz wieder zuging wie in einem Bienenschlag. Also auch äußerlich beste Voraussetzungen für den zweiten KIT-Tag - mit Ausnahme der terminlich extrem ungeschickt gelegten Sperrung der Ortsdurchfahrt wegen Bauarbeiten. Liebe Verantwortliche von Lauda-Königshofen! Ihr könnt doch nicht am wichtigsten Tag im Jahr, nämlich dann, wenn die ganze Welt in Eurem 3.000-Seelen-Nest zu Besuch kommt, die Durchgangsstraße sperren! Wie sieht das denn aus...
Den zweiten Tag dürfen DEJA VU eröffnen, deren Ansagen - ähnlich wie das Songmaterial der bisherigen Platten - auf ein bißchen arg provinziellem Niveau rangiert, die vielleicht bei einer Show im Bierzelt von Hintertupfingen ankommen mögen, aber bei einem internationalen Publikum doch eindeutig einen Griff ins..., na ja, Ihr wißt schon..., darstellen. Oder aber Sänger und Gitarrist Werner Kerscher ist angesichts des großen Anlasses einfach ein wenig übermotiviert, was man auch daran sehen kann, daß er irgendwann vor lauter Bewegungsdrang seinen Mikroständer umwirft. Andererseits: Lieber 'n bißchen zu viel Action als eine Langweilertruppe on stage. Letztendlich muß man DEJA VU auf alle Fälle eine anständige Show bescheinigen, und wenn die Band es jetzt noch schafft, wirkliche Knallersongs zu schreiben, sollte man auch auf Platte der großen Masse entfliehen können.
Die chilenischen Powerdoomer PROCESSION waren eingesprungen, als die ehemaligen MELTDOWN, die sich heute bekanntlich MANTIC RITUAL nennen, ihre Teilnahme absagten, da es ihnen nicht gelungen war, einige zusätzliche Shows rund um den KIT-Termin zu buchen. Für PROCESSION stellte dies jedoch einen Traumpaß dar, da das Trio eine Woche zuvor beim "Doom Shall Rise" aufgetreten war und somit die Woche dazwischen mit Shows füllen konnten. Allerdings merkt man schnell, daß PROCESSION seit dem DSR, wo sie eine der stärksten Bands gewesen waren, eine offensichtlich kräftezehrende Tourwoche hinter sich haben, denn speziell Sänger und Gitarrist Felipe Plaza Kutzbach wirkt leider bei weitem nicht so frisch wie noch einige Tage zuvor in der "Chapel". Dies mag auch ein Grund dafür gewesen sein, daß die Band die ihr zur Verfügung stehende Spielzeit nicht komplett ausschöpft. Sieht man aber von gewissen "konditionellen" Mängeln ab, kann die Combo auch beim KIT durchaus gefallen.
Die Doomtime beim KIT wird dann mit THE GATES OF SLUMBER fortgesetzt - wobei dieser Part fast ins Wasser gefallen wäre. Am Vortag hatte es nämlich zunächst so ausgesehen, als würden THE GATES OF SLUMBER ausfallen, da sie in London gestandet waren, ihr Drummer nicht aufzufinden war und keine Kohle für Ersatzflüge verfügbar war. Daher hatten die KIT-Organisatoren schon SACRED STEEL, deren Musiker ohnehin vollzählig als Besucher beim KIT anwesend waren, als Ersatz flottgemacht, doch dann kam die Nachricht von THE GATES OF SLUMBER, daß nun doch alles in Butter sei und man sich mittlerweile auf dem Weg Richtung Germany befände, was bei SACRED STEEL sicherlich für lange Gesichter sorgte. Auf der KIT-Bühne angekommen haben die Amis wohl auch mit einigen Problemen zu kämpfen, weshalb Sänger und Gitarrist Karl Simon ein wenig genervt erscheint, so daß der Funke nie wirklich überspringen will. Zudem erhält Basser Jason McCash, der wie schon beim "Doom Shall Rise" 2005 mit BURZUM-Shirt auftritt, nun endgültig die Rote Karte! Doch diese Sympathiebekundung für eine faschistoide Band allein ist nicht der Grund, daß es schon wesentlich stärkere Doomepisoden beim KIT gab, was sich auch in der nur flauen Publikumsreaktion manifestiert.
Die Tatsache, daß MILITIA mit ihrer '86er »The Sybling«-EP eine der größten Metalraritäten aller Zeiten geschaffen haben (die schon für 3.000 US-Dollar über den Tisch ging und bei der selbst der Bootleg, den ich mir vor vielen, vielen Jahren gekauft hatte, schweineteuer war...), sollte landauf, landab bekannt sein. Doch nicht nur deswegen, sondern auch wegen des überragenden, technisch angehauchten US-Metals sind MILITIA eine der größten Kultbands des Undergrounds, auf die ich mich beim 2009er KIT - trotz des durch und durch gigantischen Billings - am meisten freute. Leider hat die Band enorm mit technischen Problemen zu kämpfen und der Gitarrensound bleibt während des gesamten Gigs katastrophal - und trotzdem sollen MILITIA einer der absoluten Höhepunkte des zwölften KIT werden. Denn die Band spielt extrem tight, die Riffs sind trotz der Soundmängel mörderisch und Mike Soliz' Stimme ist unkaputtbar wie dereinst im Mai, äh in den Achtzigern. Schade, daß meinereiner beim Headlinergig am nächsten Abend in Frankfurt verhindert war, denn dort könnte vielleicht der Weg zum Metalhimmel endgültig geebnet worden sein...
Weiter geht es mit dem Texas-Metal, nun aber eine Kante schärfer - vom technischen Thrash zu einem Thrash/Death-Gemisch: RIGOR MORTIS sind wie auch MILITIA erstmals in Europa; an ihrer Stelle waren eigentlich EVILDEAD geplant gewesen, die allerdings schon vor fast einem Jahr die Absage erteilten - und in Form von ABATTOIR, wie oben ausgeführt - doch teilweise antreten. Doch zurück zu RIGOR MORTIS: Deren Sänger Bruce Corbitt hinterläßt den passenden Psychopatheneindruck und krallt sich nett an seinem Spezialmikroständer der Marke "blutig-rostige Kette" fest - und vielleicht darf Basser Casey Orr einen Song singen, weil Bruce zwischendurch sein Zwangsjäckchen wechseln muß... Gitarrist Mike Scaccia (ex-MINISTRY) schreddert sich indes ohne Unterlaß verdammt heftig durch die Show, so daß man eine zweite Klampfe allenfalls während seiner "Noise: Hanneman/King"-Soli vermißt. Mike muß sich wenige Tage nach dem Festival einer Notoperation an der Halswirbelsäule unterziehen (mein Gott, das ja wohl das Invaliden-KIT, oder wie..? Tja, wir werden alt...), ist jedoch glücklicherweise auf dem Weg der Besserung.
LIVING DEATH - ebenfalls seit Jahr(zehnt)en auf Tauchfahrt, doch fürs KIT sollte man das Periskop nochmal ausfahren. Wichtigste Erkenntnis ist dabei, daß Sänger Toto asig und prollig wie immer ist, doch von der Stimme her relativ zahm rüberkommt. Schade, denn eigentlich war sein abgefuckter Gesang doch immer ein Markenzeichen von LIVING DEATH gewesen. Natürlich sitzen LIVING DEATH allein dank der Schlagzeugarbeit von Jörg Michael bombenfest im Sattel, wobei nicht bezweifelt werden kann, daß die Kelch-Brüder Reiner an der Gitarre und Dieter am Baß sowie ihr Hilfsgitarrero ihre Sache ebenfalls prächtig machen. Der einzige Pferdfuß des Sets ist die Songauswahl, die etliche Klassiker außen vor läßt: Ein paar mehr Songs vom Debut »Vengeance Of Hell« plus ein schön schräges ›Rulers Must Come‹ wären schon wünschenswert gewesen, und dann wäre bestimmt auch mehr Action im Publikum angesagt gewesen. So gewinnen indes EXUMER den direkten Pitvergleich der KIT-Thrasher. Dennoch sorgt ›Eisbein (mit Sauerkraut)‹ für einen versöhnlichen und - natürlich! - schmunzelnden Abschluß.
Zeit für etwas mehr Melodie, wofür einige SORTILÈGE-Hymnen natürlich bestens sorgen. Sicherlich haben wir es hier nicht mit den "echten" SORTILÈGE zu tun, doch so lange sich deren Gitarrist Stéphane Dumont illegal (will heißen ohne Green Card) in Amiland aufhält, wird es keine SORTILÈGE-Reunion geben. Daher ist die Zouille & Hantson-Show die größtmögliche Näherung an SORTILÈGE, die derzeit möglich ist. Und solange die Stimme von Christian "Zouille" Augustin derart in Schuß ist, interessiert es ohnehin niemanden, wer links und rechts von ihm steht. Dabei hat er in Olivier Spitzer (g, ex-STATORS, ex-REBEL), Michael Zurita (b, BIG BEN, TAÏ PHONG) und Pascal Mulot (b, ehemals bei Patrick Rondat, TRIPLE FX), die allesamt aus der neuen Besetzung von Renaud Hantsons Band SATAN JOKERS stammen, eine mehr als kompetente Mannschaft um sich geschart. Angesichts der Tatsache, daß Christian im zweiten Namensgeber der Combo, die zukünftig unter dem Namen ZOUILLE & HANTSON BAND an den Start gehen wird, einen zweiten Promi neben sich hat, soll es keine reine SORTILÈGE-Show werden, sondern in ›Just Keep Holding On‹, ›Get Out‹ und ›A Dead Man Won't Lie‹ werden auch drei FURIOSO/FURIOUS ZOO-Songs gespielt. Den neuen SATAN JOKERS-Song ›Indien De Demain‹ singen Christian und Renaud gar im Duett, während David Lefebvre von STONEDRIVE so lange die Drums übernimmt. Kurz: Ich hatte mir eine Menge von der Show erhofft, doch meine Erwartungen werden - obgleich das Fehlen von ›Messager‹ ein kleine Enttäuschung darstellt - nicht erst in jenem Moment bei weitem übertroffen, als die gesamte Halle die Schlußhymne ›Sortilège‹ mitsingt und mich eine Gänsehautwelle nach der anderen überläuft. Der Beweis, daß Namen letzten Endes doch nur Schall und Raum sind - auch wenn es sich um den Namen der bedeutendsten französischen Metalband, um den Namen SORTILÈGE eben, handelt.
Vor der Halle findet mittlerweile schon der große Auftrieb der Stars statt, die sich für die später anstehende NWoBHM-Anniversary Show versammeln, so daß einige Fans die Chance nutzen, ein paar Erinnerungsschnappschüsse zu machen, während drinnen PICTURE ihre Show spielen, die zwar nicht besagte ›Sortilège‹-Höhen erreichen kann, aber dennoch eine feine, gediegene Show mit melodischem Holland-Hard Rock darstellt, bei der tolle Stimmung aufkommt. Zudem lassen die neuen Songs, die sehr PICTURE-mäßig klingen, Hoffnungen auf ein gutes neues Album zu. Da kann man gerne über die Optik der Band hinwegsehen, denn Sänger Pete Lovell mutet wie ein alternder Pornostar an, während Basser Rinus Vreugdenhill wie eine Mischung aus Tante Emma und Buchhalter aussieht, doch mit ihrer musikalischen Leistung rechtfertigen PICTURE die hohe Positionierung im Billing durchaus, die sie anstelle von HITTMAN angetreten, nachdem die New Yorker abgesprungen waren. Der Grund dafür war eine familiäre Tragödie bei einem Bandmitglied gewesen, und die Band hatte sich letztendlich dazu entschlossen, nicht mit einem Ersatzmusiker aufzutreten.
Es mag sein, daß beim letztjährigen METAL INQUISITOR-Auftritt, bei der Brian Ross (BLITZKRIEG) und Jess Cox (ex-TYGERS OF PAN TANG) als Gäste mitgewirkt hatten, die Idee zu dieser musikalischen Geburtstagstorte für die New Wave of British Heavy Metal geboren wurde, denn diese beiden Sänger sind auch die ersten Gäste bei der NWoBHM-Anniversary-Show am heutigen Abend. Doch zunächst geht die NWoBHM-Covertruppe ROXXCALIBUR allein an den Start, bevor dann der Gästereigen beginnt: Nach Brian (›Blitzkrieg‹, BLITZKRIEG; ›Break Free‹, SATAN) und Jess (›Wild Catz‹, TYGERS OF PAN TANG) kommen in Graham Shaw (›Rainbow Warrior‹, BLEAK HOUSE) und Terry Dark (›Seven Days Of Splendour‹, JAMESON RAID) zwei Sänger, die wohl auch so manchem Insider bis zu diesem Tag nicht bekannt gewesen sind. Mit Enid Williams, die die beiden GIRLSCHOOL-Nummern ›Emergency‹ und ›Race With The Devil‹ schmettert, wird es wieder etwas mainstreamiger, bevor dann CLOVEN HOOF die Bühne entern und die ROXXCALIBUR-Mucker nahezu komplett verdrängen, um ›Gates Of Gehenna‹ zu spielen, das sie sich am vorhergehenden Tag gespart haben. Dave Hill gibt die beiden DEMON-Nummern ›Don't Break The Circle‹ und ›Night Of The Demon‹ zum besten und läßt die Mitsingquote enorm steigen. Dann ist großer Umbau angesagt, denn das Schlagzeug wird ausgetauscht. Der Grund dafür ist schnell zu erkennen, denn das Set des Maskenmannes, SAMSON-Drummer Thunderstick, sieht eher wie ein Hochhaus aus... Als Sänger kommt nun Harry Conklin von JAG PANZER auf die Bühne, der extra 21 Stunden Anreise (und eine schätzungsweise genauso lange Rückreise) auf sich genommen hat, um der NWoBHM mittels der beiden SAMSON-Nummern ›Bright Lights‹ und ›Too Close To Rock‹ ein Ständchen zu bringen. Was Mister Barry Graham, alias Thunderstick, allerdings zwischen den beiden Songs mit seiner Einlage nach dem Motto "Ich geh' zum Bühnenrand, übergieße mich mit Wasser, hole mir einen Fan aus dem Publikum, ziehe ihm eine Narrenkappe auf, die meiner täuschend ähnlich sieht, und übergieße ihn auch mit Wasser" bezwecken will, wird wohl niemand klar. Na ja, wir werden schließlich alle älter... Anschließend ist erstmals kein ROXXCALIBUR-Musiker mehr auf der Bühne, denn die beiden TANK-Gitarristen Cliff Evans und Mick Tucker lassen zusammen mit dem SODOM-Duo Tom Angelripper (v, b) und Bobby Schottkowski (d) zwei TANK-Nummern erklingen. Dann strebt man so langsam aber sicher dem großen Finale entgegen: Harry Conklin übernimmt wieder das Mikrozepter für die GRIM REAPER-Nummer ›See You In Hell‹ sowie die beiden IRON MAIDEN-Nummern ›22, Acacia Avenue‹ und ›Running Free‹, bei dem dann die gesamte Gastmeute die Bühne erstürmt, um den Refrain mitzubrüllen. Eine schöne Feier! Happy birthday, NWoBHM, und auf die nächsten 30 Jahre!
Da die NWoBHM-Anniversary-Show etwas länger als geplant geht, können ARMORED SAINT erst gegen halb Zwölf auf die Bühne gehen. Doch wer würde bezweifeln, daß die Kalifornier das Festival krönen würden - ganz gleich zu welcher Uhrzeit!? Zwar soll es nicht zu der offiziell angekündigten Open End-Show kommen, sondern die Truppe steht letzten Endes doch nur 90 Minuten auf der Bühne, aber mal ehrlich - wann habt Ihr zum letzten Mal anderthalb Stunden lang ARMORED SAINT live gesehen!? Daß die Band genial wie immer rüberkommt hatte meinereiner schon angedeutet, doch ARMORED SAINT sind immer für eine Überraschung gut: So erläutert Sänger John Bush, daß er es stinklangweilig fände, wenn eine Band immer das gleiche Set runterleihern würde, und demzufolge gibt es als Special der heutigen ARMORED SAINT-Show ›False Alarm‹, das die Heiligen unglaublicherweise noch nie in Europa gespielt hatten, obgleich es sich dabei um einen unbestrittenen Klassiker der Band handelt, der schon auf ersten Demo gestanden hatte, das die Band in ihrem Gründungsjahr 1982 aufgenommen hatte. Tja, gut Ding will eben Weile haben...
Das trifft leider auch auf das "Keep It True" zu, denn in diesem Jahr wird es erstmals ein ganzes Jahr dauern, bis sich dann solch gigantische Acts wie die in der Einleitung erwähnten einfinden werden.
Photos: Stefan Glas
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