DIO
Offenbach, Capitol
03.06.2006
Was tut man(n), wenn man als älterer Herr (wie alt genau weiß wohl nur er selbst - sehr empfehlenswert ist da: http://en.wikipedia.org/wiki/Ronnie_James_Dio) Zeit und Lust hat, mal wieder auf Tour zu gehen? Man(n) schnappt sich ein paar Musiker, mit denen man(n) schon seit Jahren unterwegs ist, und macht sich auf den Weg. Das wären dann: Drummer Simon Wright (bekannt geworden Mitte der 80er bei AC/DC), Keyboarder Scott Warren (erinnert der eigentlich nur mich tierisch an Phil Lanzon von URIAH HEEP?), Bassist Rudy Sarzo (sehr schickes rosa (!) Instrument, hopst und grinst auf der Bühne als wäre er nicht der zweitälteste auf selbiger) und mal wieder der wahrscheinlich am besten zu Mister Dio passende Gitarist Craig Goldy (meist still vor sich hin strahlend und für dieses Musikrichtung wenig solierend).
Da es kein aktuelles DIO-Album gibt, läßt man(n) die sechs Studioalben der letzten 16 Jahre auch gleich aus und sucht sich die persönlichen Highlights der Jahre 1975 bis 1992 zusammen, die da wären: RAINBOW (»Ritchie Blackmore's Rainbow«, 1975 & »Long Live Rock'n'Roll«, 1978), BLACK SABBATH (»Heaven And Hell«, 1980 & »Dehumanizer« 1992) und die Anfänge von DIO (»Holy Diver«, 1983 & »Last In Line«, 1984 & »Dream Evil«, 1987). Das resultiert dann in folgender Setlist: ›Children Of The Sea‹ (»Heaven And Hell«)‹, ›I Speed At Night‹ (»Last In Line«), ›One Night In The City‹ (»Last In Line«), ›Stand Up And Shout‹ (»Holy Diver«), ›Holy Diver‹ (»Holy Diver«), ›Gypsy‹ (»Holy Diver«), Drum-Solo (etwas extravagant: unterlegt mit Klassik vom Band!), ›Sunset Superman‹ (»Dream Evil«), ›Don't Talk To Strangers‹ (»Holy Diver«), ›Rainbow In The Dark (»Holy Diver«), ›I‹ (»Dehumanizer«), ›All The Fools Sailed Away‹ (»Dream Evil«) und ein RAINBOW-Medley mit ›Man On The Silver Mountain‹ (»Ritchie Blackmore's Rainbow«), ›Live Rock'n'Roll‹ (»Long Live Rock'n'Roll«) und einem bißchen ›Catch The Rainbow‹ (»Ritchie Blackmore's Rainbow«). Als Zugabe: ›Heaven And Hell‹ (»Heaven And Hell«), ›We Rock‹ (»Last In Line«) und ›Last In Line‹ (»Last In Line«). Letzteres angekündigt mit: "Do not believe in any lies your government tells you"... Überhaupt scheint Dio gewisse sehr un-US-amerikanische Wesenszüge zu haben, so dankt er nicht nur mit "Thank you, Offenbach" sondern fügt an, daß es wohl genauso viele Leute aus Frankfurt im Publikum geben würden. Ein Ami, der außerhalb der USA halbwegs weiß, wo er ist - es geschehen noch Zeichen und Wunder... Ein mittelmäßiges Wunder ist vor allem die viel zitierte große Stimme des kleinen Mannes. Aber auch ich komme nicht umhin, mich zu wundern, wie er es eigentlich geschafft hat, seine Stimme über mittlerweile fünf Jahrzehnte (wenn auch "nur" dreieinhalb davon im Rampenlicht) so zu erhalten! Irgendwas muß er kolossal anders gemacht haben als 95 Prozent seiner Kollegen.
Auch wenn ich persönlich bei so einer Setlist auch gern noch älteres Material (ELF, 1972-1975 oder sogar einen der drei »Butterfly Ball«-Songs, Roger Glovers Solodebut von 1974) gehört hätte, ließ die Show kaum Wünsche offen. Nur das Fehlen von ›Rock'n'Roll Children‹ hat mich überrascht - schließlich dürfte das der bis heute am meisten gespielte Video-Clip von DIO und somit so etwas wie der größte Hit sein.
Ein großer Teil des Publikums im gut gefüllten zugänglichen Bereich des "Capitols" (für Ortskundige: Es war nur der untere Bereich geöffnet, auf dem Rang zeigten sich nur ganz ein Schluß ein paar Gestalten mit Pässen - wer sich die offensichtlich nicht nur für Konzerte genutzte, ursprünglich als Synagoge erbaute, Örtlichkeit mal ansehen will: http://www.capitol-online.de) erwies sich als recht textsicher und sangesstark (und das auch schon ganz allgemeingebildet im "Vorprogramm": Wir wurden mit einer Art "Best of Late 80ies" beschallt: Bruce Dickinson, Alice Cooper, KISS, BLACK SABBATH (mit Martin), WHITESNAKE (mit Sarzo)...) Und sehr begeisterungsfähig: Die begeisterten Rufe nach weiteren Zugaben wurden erst durch das Einschalten des Saallichts (und dem sofortigen Abtransport des Equipments) unterbunden. Ronnie James Dio selbst balancierte gegen Ende immer häufiger am Bühnenrand, um ausgiebig Hände zu schütteln - faszinierenderweise mitsamt in Benutzung befindlichem Kabel-Mikro. Aber Metal-Fans sind ja nette, kultivierte Leute und schlagen zwar sich gegenseitig, um ihren Göttern nahe zu sein, versuchen aber nicht, diesen irgendwelche Gegenstände zu entwenden oder sonst wie von ihrer Arbeit abzuhalten...
Photo: Stefan Glas