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  UE-Home → History → Online Empire 3 → Review-Überblick → Rundling-Review-Überblick → THE CORRS – »Unplugged«-Review last update: 27.03.2024, 15:23:21  

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THE CORRS – Unplugged

143 RECORDS/LAVA/ATLANTIC RECORDS

THE CORRS sind ein hübscher Beitrag zum Thema Mechanismen des Musikbusiness: Es waren einmal die Geschwister Corr (Bruder Jim und seine drei Schwestern Andrea, Caroline und Sharon - eine bildhübscher als die andere), die in ihrer irischen Heimat musizierten. Eines Tages fiel eines ihrer Demos dem Starproducer David Foster (der immerhin schon mit solchen "Größen" wie Michael Jackson gearbeitet hatte) in die Hände und er erkannte das musikalische Potential der Sprößlinge der Familie Corr. Also produzierte er mit ihnen das Debutalbum »Forgiven Not Forgotten« und das Resultat war zweifelsohne das beste Rock-Pop-Album des Jahres 1995: jeder Song ein Meisterwerk, mit einer ganz persönlichen CORRS-Handschrift geschrieben und gespielt. Das Album wurde auf den Markt geworfen, mit etwas Standardpromo übergossen, "um mal zu sehen, was passiert." Und siehe da: »Forgiven Not Forgotten« konnte mehr als nur einen Achtungserfolg einspielen.

Somit waren THE CORRS in den Status des potentiellen Goldesels aufgestiegen und jetzt rollte die Maschinerie an: Alle nur erdenklichen Größen wurden auf THE CORRS losgelassen. Glenn Ballard oder Oliver Leiber (der dereinst mit seinem Partner Stoller für eine völlig unbekannte Hinterhofband namens THE BEATLES Songs geschrieben hatte) mußten mit den CORRS Songs komponieren und die zweite Scheibe »Talk On Corners« wurde gleich von sieben verschiedenen Top-Produzenten fabriziert: Neben Jim Corr und David Foster durften die beiden oben genannten Co-Authoren ebenso wie John Hughes, Rick Nowels und Billy Steinberg an den CORRS rumproduzieren - in jeweils unterschiedlichen Kombinationen. Das Resultat: Eine zwar akzeptable Scheibe, die aber um Längen hinter dem Erstling zurückblieb, weil aufgrund der vielen Fremdeinflüsse der Fingerabdruck der CORRS verwischt worden war.

Dennoch sollte »Talk On Corners« einschlagen wie die Hölle, denn die Promomaschinerie lief auf vollen Touren und schaffte es, die Band binnen kürzester Zeit zu etablieren. Folglich wurde mit der FLEETWOOD MAC-Coverversion ›Dreams‹ eine potentielle Hitsingle nachgeschoben und man nahm dies sogleich zum Anlaß, »Talk On Corners« nochmal als "special edition" neu auf den Markt zu bringen: Natürlich mit einigen remixten »Talk On Corners«-Songs, Bonusstücken von »Forgiven Not Forgotten« und - selbstredend - ›Dreams‹, das inzwischen wie geplant durch die Charts geisterte.

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis MTV und ihr "Unplugged" ins Spiel kommen würden. Doch das sollte Euch nicht stören, denn zum einen sind THE CORRS eine superbe, hochtalentierte Band, die den Erfolg verdient haben (auch wenn er "gemacht" wurde), und zudem zeigt »Unplugged« weitaus mehr von den "ungeschminkten" CORRS als »Talk On Corners«: Es befinden sich auf der "entstöpselten" Scheibe fast genausoviele Songs von »Forgiven Not Forgotten« wie von »Talk On Corners«. Außerdem beweisen THE CORRS mit den Coverversionen, daß sie wissen, auf welchem Baum die richtige Musik wächst: THIN LIZZYs ›Old Town‹ wurde ebenso Jimi Hendrix' ›Little Wing‹, Jimmy McCarthys ›No Frontiers‹ oder R.E.M.s ›Everybody Hurts‹ phantastisch interpretiert. Noch sympathischer werden THE CORRS, weil sie zu der rundum mißglückten Version des irischen Traditionals ›Lough Erin Shore‹ stehen. Bei diesem Instrumental ist an diesem Abend wahrhaftig alles schiefgegangen, was nur schiefgehen kann: Zunächst greift Sharon auf ihrer Geige herzhaft daneben und Andrea erklärt sich mit ihr solidarisch, indem sie bei ihrem Einsatz auf der Flöte ebenfalls für einige Töne gewaltig schiefliegt. Ihr mutiger Versuch, sich wieder in die richtige Lage zurückzuspielen, gerät zu einem völligen Fiasko, so daß sie irgendwann das Lachen nur noch mit Mühe unterdrücken kann und dementsprechend fetzig in ihre Flöte prustet statt sanft zu blasen. Zum Glück hat niemand bei der Plattenfirma dies bemerkt, sonst wäre ›Lough Erin Shore‹ mit Sicherheit zu Kerkerhaft in der firmeneigenen Tiefgarage verdonnert worden. Stattdessen befindet es sich auf »Unplugged« und verleiht der Platte Leben - das ist live!

Bleibt zu hoffen, daß sich THE CORRS auf dem nächsten Album wieder so präsentieren dürfen, wie sie sind und wie sie am besten klingen: mit jeder Menge Irland, noch mehr CORRS und ohne irgendwelche Starmaker. Dann können wir uns auf ein Album freuen, das ich Euch jetzt schon mit gutem Gewissen ans Herz legen kann. Derweil laßt Euch nicht davon abschrecken, daß »Unplugged« à la CORRS gerade durch die Top Ten geistert, sondern hört mal mit offenem Ohr und Herzen rein. Dann werdet Ihr jene CORRS entdecken, die ich wie kaum eine andere Band liebe.


Stefan Glas

 
THE CORRS im Überblick:
THE CORRS – Unplugged (Rundling-Review von 2000 aus Online Empire 3)
THE CORRS – Online Empire 10-"Eye 2 I"-Artikel: »Live In London« (aus dem Jahr 2002)
Playlist: THE CORRS-Album »In Blue« in "Jahrescharts 2000" auf Platz 3 von Stefan Glas
Playlist: THE CORRS-Album »In Blue« in "Playlist Heavy, oder was!? 54" auf Platz 2 von Stefan Glas
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