BONFIRE (D, Ingolstadt) – Branded
LZ RECORDS/SONY MUSIC
"Hast Du Vorbehalte gegenüber BONFIRE?", fragt mich mein Chefredakteur bevor er mir das neue Werk zukommen läßt. Ich bin irritiert und verneine. Warum sollte man Vorbehalte gegen die Ingolstädter haben? Mir fällt spontan eine Kuschelrock-CD ein, auf der ich das erste Mal einen ihrer Songs hörte. Und die Umstände, unter denen ich jene CD damals zu hören bekam, waren durchaus angenehm - wohlgemerkt die Umstände und nicht die Kuschelrock-CD an sich. Die Jungs feiern nunmehr auch ihr 25-jähriges Jubiläum, und über einem solchen Zeitraum bleiben die einen oder anderen Durchhänger oder Fettnäpfchen nun mal nicht aus. Wer frei von Schuld ist, der werfe bitte den ersten Stein. Ich bin's nicht. Also: keine Vorbehalte.
›Deadly Contradiction‹ eröffnet das Album als relativ entspannte Midtempo-Nummer, bei der es im Hintergrund unaufdringliche, jedoch sehr interessante Gitarrenarrangements zu entdecken gibt. Somit ein gelungener Opener. Die Ingolstädter legen einen Gang zu und präsentieren mit ›Just Follow The Rainbow‹ einen eingängigen Rocker, der die Füße lässig im Takt wippen läßt. Leider empfinde ich den Text als sehr hölzern und angestrengt und somit gänzlich gegensätzlich zur Leichtigkeit der Musik. "White is the colour of an innocent child... Yellow's the colour of wisdom and joy... Black is the colour of water, reflecting the oil". Dagegen wirkt so mancher Schlagerfuzzi wie ein kleiner Goethe. Was soll's. Nicht immer möchte man Tiefgründiges hören. Beschwingt geht es weiter. Und leider auch vorhersehbar. ›Save Me‹ bietet keine Überraschungen. Das mag vielleicht den BONFIRE-Fans gefallen, mir ist es jedoch zu wenig, zumal ich dem Schlagzeuger immer wieder zurufen möchte, sich doch endlich mal ins Zeug zu legen, um dem Song mehr Pfiff zu verleihen.
Ich rechne es hoch an, daß BONFIRE erst beim vierten Lied (›Let It Grow‹) die Balladenschublade öffnen. Was jedoch als cooler Roadsong beginnt, verliert sich ziemlich schnell in völliger Banalität. Hier darf man getrost die Skiptaste bemühen. Es folgt eine weitere Ballade, die anfangs mit härterem Gitarrensound und einem ungewöhnlichen Takt aufhorchen läßt. Auf eine Steigerung oder gar ein ordentliches Crescendo wartet man aber über 7 Minuten lang vergebens. Das Stück dümpelt vor sich hin, und der erwähnte Takt wird letztendlich zum Gähnfaktor. Skiptaste, die Zweite, und... Hilfe!!! Noch eine Ballade??? Zum Glück haben BONFIRE ein Einsehen, und nach kurzem Intro drücken die Jungs das Gaspedal ordentlich durch. ›Do Or Die‹ ist ein Uptempo-Kracher, der im Refrain aber zu seicht wird. Eine Portion Aggressivität hätte dem Song gut zu Gesicht gestanden und ihn aus der (oberen) Mittelklasse gerissen. Aber dann bekommen BONFIRE mit ›Close To The Edge‹ doch noch die Kurve und liefern einen exzellenten, kraftvollen Song mit einem geilen Gitarrensolo ab. Bestes Stück der CD. ›Crazy‹ ist ein weiterer Rocker, doch fehlen hier wieder die richtig geilen Akzente, und das Lied kommt über ein "durchschnittlich" nicht hinaus. Weitaus besser weiß ›Loser's Lane‹ zu gefallen. Ein sehr gelungenes Stück, das mit 3 Minuten und 19 Sekunden jedoch viel zu kurz gerät. Schade schade! Zum Schluß die unvermeidliche Ballade. Ähem... Leider ist ›Hold Me Now‹ eben nicht der Schluß, dabei hätte es so schön sein können. Der Song ist radiotauglich und mit dezenten Popelementen versetzt, tut unterm Strich nicht weh und hätte das Album entspannt ausklingen lassen. Doch als ungefragte Zugabe bekommen wir noch zwei Vollakustik-Balladen zu hören, die so gar nicht passen wollen. Nicht, daß die Songs schlecht wären - die Neuinterpretation von ›Rivers Of Glory‹ gefällt mir sogar gut - doch sie lassen mich am Ende der Scheibe mit einem unbefriedigten Gefühl zurück.
Fazit: Ich hatte mehr erwartet. Die CD ist ein zweischneidiges Schwert. Die Balladen können nur ansatzweise überzeugen, während die härteren Rocker immerhin mit drei sehr guten Vertretern punkten können. Hätten BONFIRE von dieser Sorte noch zwei auf das Album gehievt, wäre ein gelungenes Werk herausgekommen, so bleibt »Branded« jedoch im Mittelfeld hängen.
ordentlich | 9 |