Quatsch im Quadrat?
Oder besser gesagt: Hirnriß im Rechteckformat? Denn: Man kann es mit der Old School-Philosophie auch übertreiben. Damit spielen wir nicht auf das seit Jahren immer stärker werdende Comeback des Vinyls an, das wir im Gegenteil immer beklatscht haben, sondern auf das immer häufiger auftretende Wiederbeleben der Musikkassetten. So manche Band meint mittlerweile, daß es schick sei, sein Demo wieder auf Tonband zu quetschen, und diverse Labels haben ebenfalls angefangen, ihre Releases in Kassettenform anzubieten. Und das ist - Entschuldigung! - nun mal wahrlich Blödsinn hoch zehn - genauso idiotisch wie der Versuch anderer Bands, den Sound von damals nachzuahmen. Irgendwann kommt noch eine Band auf die Idee, den EBONY-Sound zu glorifizieren und all' ihre Energie drauf zu verwenden, selbigen wieder aufleben zu lassen. Dabei handelte es sich höchstwahrscheinlich nur um ein Grottenstudio mit unfähigen Knöpfchenschiebern, wo einfach nicht mehr als dieser Rasenmähersound rauszuholen war.
Das hat nix mit Glaubwürdigkeit zu tun, sondern einer Verkennung der Tatsachen von anno dazumal. In den Achtzigern gab es nun mal keine so hochwertige Studiotechnik, die sich auch eine Demoband leisten konnte. Also mußte man auf irgendwelchen 4-Spur-Rekordern im Proberaum seine Stücke festhalten, und als finanzierbares Vervielfältigungsmedium gab es nun mal nur Audiokassetten. Diese Situation zu glorifizieren, ist eine Verspottung der Bands, die mit diesen Bedingungen zu ringen hatten. Ich weiß, was damals Bands hinlegen mußten, um ein halbwegs ordentlich klingendes Demo aufzunehmen, zumindest ein 08/15-Mastering drüberzujagen und dann noch professionelle Kassettenkopien mit einem halbwegs anschaubaren Cover ziehen zu lassen. Für diese Summen kann man heute 10.000 Exemplare eines Monumentalwerks im Vierfach-Digipack produzieren lassen!
Außerdem stehen wir dann eines Tages vor exakt jenem Problem - oder sollte ich eher sagen, jener Zeitbombe, die hinter mir schlummert: Da stehen mehrere Tausend Originaldemos, die über 20 Jahre auf dem Buckel haben und teilweise vergessene Perlen enthalten, die so langsam aber sicher dem Zerfall entgegenblicken, so daß diese Teile des Kulturguts für immer verloren sind. Diese Gefahr ist auf Vinyl nicht so sehr gegeben und auf digitalen Medien schon mal gar nicht.
Letzten Endes bestimmt doch nicht das "Ausgabeformat" die innere Haltung der Band und den Weg, den eine Aufnahme nimmt. Man kann schließlich auch eine mistige ProTools/Trigger-Arie auf eine Audiokassette überspielen, oder etwa nicht? Nur weil man mit einem Demotape herumwedeln kann, bedeutet doch noch längst nicht, daß man die Wurzeln des Metal kennt und seine Ideale beherzigt. Oder daß man packende Songs schreiben kann, die die Zeit überdauern können. Denn das ist es letzten Endes, was die Old School-Bands ausgezeichnet hat: nicht nur ihr Sound und ihr Image, sondern vor allem, daß sie unsterbliche Songs geschaffen haben. Zeitgleich mit diesen Bands existierten noch zig andere Bands, nach denen heute kein Hahn mehr kräht. Die hatten vielleicht den gleichen Sound und trugen vielleicht die gleichen Klamotten, aber ihre Songs waren eben nur Ausschuß- oder bestenfalls Massenware. Denn: Wenn der Song stimmt, ist doch das Format egal, in dem er veröffentlicht wird. Und daß Demo-CDs letzten Endes nix anderes sind als die neue Inkarnation der Demokassetten hatten wir ja schon mal in einem "Speaker's Corner" erörtert.
Die Technik ist sicherlich nicht der Feind des Old School-Metals. Sie sollte Musiker allerdings auch nicht dazu verleiten, bequeme Auswege zu suchen. Natürlich wird es immer lobenswert sein, wenn Musiker im Proberaum an sich und ihren Songs bis zum Umfallen feilen, ihre Livequalitäten mit jedem nur möglichen Gig verbessern und bei Aufnahmen eine möglichst "lebensnahe" - oder livehaftige - Vorgehensweisen bevorzugen. Auf diese Weise wird ab und zu immer mal wieder ein Act entspringen, der die Chance hat, kommende Generation zu inspirieren. Ob er seine Musik auf Kassette oder CD festgehalten hat, wird dabei aber garantiert keine Geige spielen.
Lang leben die Rundungen!
P.S.: Der in Norddeutschland ansässige Künstler Markus Vesper hat uns das Cover für diese Ausgabe gestiftet. Er ist schon seit vielen Jahren aktiv und hat unter anderem für Bands wie MANILLA ROAD, WARCRY, ASTRONOMIKON, XIRON oder ATTIC gearbeitet. Auf seiner Homepage findet Ihr diese und weitere Werke von Markus.