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  UE-Home → History → Online Empire 35 → Editorial last update: 27.03.2024, 15:23:21  

Much too much?

Der Fluch des Überflusses in der Unterhaltungsbranche. Er hat uns fest im Griff! Ganz gleich wo man hinschaut - das Resümee ist immer das gleiche: So schön es auch sein mag, wenn man keinen Mangel leiden muß, so ist mittlerweile alles extrem ausgeufert. Vielleicht zu sehr...

Schaut man auf das Kino, so muß man feststellen, daß es früher einzelne Ikonen gab, während sich heute eine große Masse an Schauspielern um die Topzuschauergunst streitet. Nicht anders ist es im Modelbusiness: Früher gab es Cindy Crawford, Claudia Schiffer & Co. Damen, die - in jenem Rahmen, der dabei möglich war - als Persönlichkeiten wahrgenommen wurden, die wahre Topmodels waren und die in den Neunzigern die Rolle übernommen hatten, die früher Schauspielerinnen zugekommen war. Doch schon längst sind es nur noch viele namenlose Schönheiten - spätestens seit Laetitia Casta, die es vielleicht als letzte geschafft hatte, sich ein eigenes Profil zu schaffen und nicht lediglich als ein schönes Gesicht mit perfektem Körper wahrgenommen zu werden. Heute ringt der potentielle Nachwuchs unter der Federführung von Heidi Klum um den Titel "Germany's Next Topmodel", doch es dürfte jetzt schon feststehen, daß keine jemals ihrer derzeitigen Vortänzerin den Rang anlaufen kann. Nicht etwa weil diese Newcomerinnen so viel schlechter wären, sondern einfach weil sich die Zeiten geändert haben: der künstlich herbeigeführte Verschleiß, der heutzutage herrscht, wo jeden Tag ein neues Gesicht, ein neuer Trend und natürlich viiiele neue Skandale entdeckt werden müssen - diese pure Idiotie macht es unmöglich.

Ähnliches gilt für die Plattenindustrie, die aus der Vergangenheit nichts gelernt hat, und im Angesicht ihres bevorstehenden Untergangs mit einem immer höher werdenden Irrsinnstempo neues Muckerfutter durch den Wolf dreht, statt wirklich hoffnungsvolle Künstler behutsam aufzubauen. Andererseits: Wer will es ihnen verdenken, wenn diese Imperien von einst vielleicht schon in fünf oder zehn Jahren komplett verschwunden sind... Glücklicherweise ist dies - wie auch der Absturz der Verkaufszahlen - auf dem Metalsektor noch nicht ganz so schlimm, aber dennoch ist die Überflutung mit neuen Produkten immens - ganz gleich, ob es Newcomer sind oder etabliertere Bands, an die die Labels mittlerweile den Anspruch stellen, daß im Jahr mindestens drei bis vier neue Produkte auf den Markt müssen, was zu einer Flut von oft halbherzigen Best Of-, Live- oder DVD-Veröffentlichungen führt. Überspitzt formuliert gesagt kamen Anfang der Achtziger, als der Metal aufzublühen begann, pro Monat soviele Releases heraus wie heute an einem Tag...

Anstatt wie heute in permanenter Hektik zu leben, hatte man früher als Fan genügend Zeit, seine Lieblinge zu finden, und diese konnten im Umkehrschluß eine große Fanschar hinter sich versammeln - wovon viele heute noch zehren können. Doch so unüberschaubar die Szene heute auch sein mag, sie bringt doch einen Vorteil mit sich: Dank der vielen Bands und der Abstufungen eines Stils, kann jeder die maßgeschneiderte Band für sich finden. Und wer noch nicht resigniert hat oder sich schon längst bei den Ewiggestrigen eingeordnet hat, der kann auch heute immer noch viele interessante neue Bands entdecken. Denn mal ganz ehrlich: Auch die Old Schooler werden zugeben müssen, daß die Lieblinge aus früheren Tagen, die mittlerweile zu Legenden geworden sind, mit ihren aktuellen Veröffentlichungen - wenn sie denn mal solche zustandbringen... - nicht im Geringsten gegen ihre Klassiker anstinken können und dies nicht allein daran liegt, daß mit den alten Perlen natürlich auch viele Emotionen untrennbar verbunden sind. Allerdings gibt es einige wenige erfreuliche Ausnahmen von dieser Regel: IRON MAIDEN sind mit ihrem aktuellen Silberling »A Matter Of Life And Death« ein perfektes Beispiel dafür, daß man sehr wohl nach fast 30 Jahren Bandgeschichte eines seiner besten Alben veröffentlichen kann - ohne dabei zum Selbstplagiat zu werden oder sich irgendwelchen Trends anzubiedern. Oder dann wären da noch wie immer RUSH, doch diese Truppe läuft seit jeher außer Konkurrenz, spielt sich in einer Liga, in der sie seit jeher im Grunde ganz alleine sind. Dennoch - nochmal ganz ehrlich - neue Stilrichtungen wie der Göteborg-Sound, Metalcore, Gothic oder Folk-Metal haben in den letzten zehn Jahren weitaus faszinierendere Hörerlebnisse zutagegefördert als irgendwelche betagte Acts mit ihren neuen Songs.

Doch ich kann mit dieser Situation gut leben: die alten Klassiker in Ehren halten und - sofern noch möglich - live genießen, doch bei jungen Bands nach neuen Kicks suchen. Die richtige Mischung aus Old und New School macht's eben! Es bleibt natürlich die Problematik, daß sich angesichts des eingangs erwähnten Überflusses die Suche ein wenig anstrengend gestaltet, doch so manche Neuentdeckung ist diese Mühen rundum wert!

Never enough...

Stefan Glas

P.S.: "Umseitig" könnt Ihr ein Kunstwerk von Mike Hrubovcak bewundern. Der Musiker, der unter anderem bei MONSTROSITY oder DIVINE RAPTURE spielt, hat in der Vergangenheit bereits Cover für Bands wie GRAVE, MORTICIAN, CATTLE DECAPITATION oder SINISTER entworfen. Auf seiner Homepage findet Ihr etliche Beispiele seiner Arbeit.

 
 
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