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"Tuska"-Festival 2005

Helsinki (Finnland), Kaisaniemi-Park

15.-17.07.2005

Das "Tuska"-Festival anno 2005 - Hektik, Hitze und "Gorillas im Nebel"... Aufgrund von gestrichenen Flügen, Luftraumstau und anderen Hindernissen kam ich so spät in Helsinki an, daß ich tatsächlich am Freitag u.a. den Gig von FINNTROLL leider verpaßte. MIST! Die folgenden Acts am ersten "Tuska"-Tag wußten aber für jeden Frust zu entschädigen.
Die deutschen Thrash-Veteranen DESTRUCTION überraschten auf der kleinen "Sue"-Stage mit glasklarem Sound und Bombenstimmung. Die Band war nämlich kaum zu sehen. Einerseits aufgrund des enormen Fanandrangs - die Plätze auf der Tribüne waren heiß umkämpft, andererseits aufgrund der Sand- und Staubwolken, die vom Moshpit vor der Bühne ständig aufgefrischt wurden. Optisch kamen Schmier & Co. also wie "Gorillas im Nebel" rüber... Akustisch ließ die Band mit Klassikern (z. B. ›Mad Butcher‹) und brandneuem Material (z. B. ›Soul Collector‹) nichts zu wünschen übrig. Meiner Meinung nach hätte ihnen ein Platz auf der Hauptbühne gebührt!

APOCALYPTICA-Liveshot

Nicht nur die Sommerhitze brachte die Menge noch vor Konzertbeginn von APOCALYPTICA zum Überkochen. Die Finnen sind einfach eine Klasse für sich. Allen Temperaturen zum Trotz, und obwohl sie "nur" die Instrumental-Versionen von ›Bittersweet‹ oder ›Wie weit‹ spielten, kriegte ich bei Tracks wie ›Path‹, ›Master Of Puppets‹ oder ›Betrayal‹ 'ne Gänsehaut. Seit sie sich von Coverversionen gelöst und mit einem Schlagzeuger verstärkt haben, finde ich das Cello-Trio nur noch genial! Unfaßbar, welche Sounds sich aus einem Cello herausholen lassen, was trotz unhandlicher Instrumente an Show möglich ist; und wie schnell sich gerissene Saiten ersetzen lassen... Flankiert von Paavo und Live- "Ersatzmann" Anttero produzierte sich Perttu als totaler Metal-Maniac, Eicca stand ihm beim Bangen in nichts nach - ›Seek and Destroy‹ endete sogar in einem (Fake-) Instrumente-Massaker... Kein Wunder, daß sie dem strikten "Tuska"-Zeitplan zum Trotz für eine Zugabe auf die Bühne durften. Die Publikumschöre bei ›Enter Sandman‹ - nochmal Gänsehaut... Ein Wahnsinn! APOCALYPTICA rules!
Die Amis MONSTER MAGNET waren wie APOCALYPTICA zum ersten Mal beim "Tuska"-Festival, und in viel besserer Form als damals beim "Dynamo". Zugegeben, es fällt auch schwer, sich diesem hypnotischem Stoner-Sound, dem bösartigen Sleaze-Baß, dem kraftvollen "Best Of"-Programm und der intensiven Show zu entziehen; die Lichtshow tat ihr Übriges. Außerdem gab's alle meine Faves vom legendären »Powertrip«-Album und mein Highlight vom »Monolithic«-Silberling ›Unbroken (Hotel Baby)‹. Dave Wyndorf sang, schrie, rotzte und poste sich förmlich die Seele aus dem Leib, suchte immer wieder den Kontakt zum Publikum, brachte selbst kleine Gesten zur Geltung. ›Space Lord‹ gab's als krönenden Abschluß, jedoch keine Zugabe... So blieb der Eindruck, daß MONSTER MAGNET diesmal gegenüber den Cello-Rockern den Kürzeren zogen.

Da gleich vier Klubs in der Innenstadt eine reiche Palette an "Tuska"-Rahmenprogramm boten (u.a. mit BARATHRUM, TOTAL DEVASTATION, DEFUSE, TO/DIE/FOR, UNITED UNDERWORLD oder einer PANTERA-Coverband), ging es wohl vielen so wie mir: Samstags entgingen mir jene Bands, die schon zu unmenschlich früher Zeit (ab 13.45 Uhr) losrockten (u.a. DEATHCHAIN oder die Schweden NAGLFAR). Ahem.
Die Dänen MNEMIC auf der Hauptbühne beeindruckten mit einer Kreuzung aus Nu-Metal und Gothenburg-Sound, aber viele flüchteten wie ich in den "Sue"-Stage-Schatten und warteten auf AJATTARA. Gerüchte, es sei die letzte Show der Finnen, oder einfach deren Beliebtheitsgrad machten es wieder etwas schwierig, einen Blick auf die Bühne zu erhaschen, wenn es auch diesmal nicht sooo arg staubte... Fronter Pasi Koskinen verzichtete weitgehend auf Ansagen und ließ sein Charisma wirken, was auch über einige Soundprobleme (z. B. gelegentliche Keyboard-Absenz) hinwegtröstete.
Unter mörderischer Hitze litten nicht nur die Fans, sondern um so mehr die Bands auf der Bühne. Die Jungs um Kai Hansen mühten sich redlich, aber irgendwie wirkte die GAMMA RAY-Show ein wenig schaumgebremst. Kann aber auch sein, daß ich selbst schon dem Kollabieren zu nahe war. Soundprobleme auch hier, "aber so sind Festivals nun mal" (Hansen). Als Vorgeschmack aufs neue Album »Majestic« gab's ›Blood Religion‹, und dank Dusche vom Bühnenrand wurde beim HELLOWEEN-Klassiker ›I Want Out‹ nochmal richtig abgerockt!
Melancholische Melodien, aber tanzbar - das ist mir schon damals bei ›Devil's Diner‹ positiv aufgefallen, und seither ist der Sound von LAKE OF TEARS erheblich gereift. Leider fehlte ausgerechnet dieser Track im Programm der Schweden auf der "Hellsinki"-Stage. Angeblich wären ROTTEN SOUND parallel dazu auf der "Sue"-Stage die bessere Wahl gewesen. Dasselbe Drama der Qual der Wahl bei THUNDERSTONE und AMORAL, die Berichten zufolge alle beide absolut sehenswerte Gigs geliefert hatten - bloß ich hatte null Bock auf die Hektik, zwischen zwei Bühnen zu pendeln.

TESTAMENT-Liveshot

Ich schonte meine Kräfte lieber für die Thrash-Legende TESTAMENT - und tatsächlich, bei Uralt-Hits ›Trial By Fire‹, ›Over The Wall‹, ›Alone In The Dark‹, ›Into The Pit‹, ›Raging Waters‹, ›Disciples Of The Watch‹ oder ›The Preacher‹ war von vornehmer Zurückhaltung keine Rede mehr! Auch im Publikum wurde gebangt und mitgesungen, was die Lunge aushielt. Chuck Billy ließ an Bühnenshow nichts zu wünschen übrig, wirkte allerdings bei melodiöseren Teilen (z. B. die Ballade ›The Legacy‹) stimmlich nicht völlig sicher. Echte Soundprobleme verschuldete der in die Band zurückgekehrte Klampfer Alex Skolnick - gleich zweimal bei einem Gig den Amp in die Luft jagen (inklusive Raucheffekt!), das is "Tuska"-Rekord!

DIMMU BORGIR-Liveshot

Rechtzeitig für die norwegischen Düsterlinge DIMMU BORGIR zogen Gewitterwolken auf, die aber nur ein paar Tropfen abgaben. Um es vorwegzunehmen, es war eine ihrer besseren Shows, denn gerade live (und noch bei Tageslicht) wirken Black Metal-Acts generell etwas schwachbrüstig. Nicht so DIMMU BORGIR - sie schafften es, die Fans mit perfekten Sound, einem Querschnitt ihrer Hits (z. B. ›Unorthodox Manifesto‹, ›Kings Of The Carnival Creation‹) - makelloser Gesang von Simen! - und bombastischer Lichtshow bis zum Schluß bei Laune zu halten. Als es dann noch ›Mourning Palace‹ gab, mußte ich doch noch mal meine Genickmuskulatur malträtieren. Ein würdiger Headliner!
Am Samstag herrschte bei allen Aftershow-Parties in den Clubs "Tavastia", "Gloria", "Manala", "Makasiini" und "Nightlife Rock" derartiger Andrang, daß diesmal ein Alternativ-Programm anstand. Dennoch: auch der Sonntag bescherte "böses Erwachen"...

Tapfer war ich doch pünktlich bei den Russen HIERONYMUS BOSCH im "Hellsinki"-Zelt. Beachtlich, diese Mischung aus Prog- und Death Metal - verfrickelt, vertrackt, in etwa mit MESHUGGAH oder MEKONG DELTA vergleichbar. Exzellente Musiker! Und Fronter Vsevolod Gorbenko zeigte eine bei Death Metal-Grunzern seltene Eigenschaft: Humor... Diese Band unbedingt mal anchecken! Die parallel dazu aufspielenden TURMION KÄTILÖT (bei denen live übrigens TROLLHEIM'S GROTT-Shouter Spellgoth mitmacht, während er auf den Platten nicht zu hören ist - Stefan), in etwa mit RAMMSTEIN vergleichbar, fand ich etwas anstrengend, ich würde ihnen aber den Preis für die abgefahrensten Outfits verleihen...
Die Kinder eröffneten den Sonntag auf der Hauptbühne, und alle, alle kamen - diesen Eindruck hatte man jedenfalls, wenn man nur versuchte, zum Würstchenstand vorzudringen. Keine Chance! So voll war das Gelände vorher noch nie!! Kein Wunder, daß sich Aleksi "Mitä vittu?" Laiho & Co in bester Laune - und in Höchstform - zeigten. Da wurden mal schnell TERÄSBETONI (=die finnischen MANOWAR, die ebenfalls beim "Tuska" spielten) auf den Arm genommen, der Reaper gegrillt oder Songs spontan umgetextet: ›Tuska After Midnight‹... Bei ›Hate Me!‹, ›Needled 24/7‹, ›Hate Crew Deathroll‹, ›Trashed, Lost & Strung Out‹ oder ›Everytime I Die‹ war die Menge kaum zu halten. CHILDREN OF BODOM boten eine perfekte Show!! Da hatte ich schon meine Zweifel, ob die nachfolgenden Bands das toppen können...
SENTENCED mit einem ihrer letzten Gigs schafften es meiner Meinung nicht so richtig. Stilgerecht wurde zu einem Trauermarsch ein Sarg auf die Bühne geschleift, ironischerweise kam gerade dann die Sonne wieder aus ihrem Wolkenversteck... Irgendwie wirkte Ville Laihiala im Vergleich zur Band nicht wirklich in Höchstform. Vielleicht fühlt er sich in Hallen wohler? Ansonsten gab's an SENTENCED - geile Mischung aus alten (›Nepenthe‹) und aktuelleren Hits (›Cross My Heart‹, ›Ever-Frost‹, ›Killing Me, Killing You‹) nicht wirklich was zu bemängeln...
Bei SKYCLAD, sorry, fehlt mir einfach Martin Walkyre, ansonsten fuhr ihr Folk-Metal sofort in die Beine. Die Schweden EVERGREY boten gleich die zweite positive Überraschung an diesem Tag. Prog war nie so mein Fall, aber diese geile Kreuzung aus DREAM THEATER und IN FLAMES regte zum spontanen CD-Erwerb an...

ACCEPT-Liveshot

Legt man neben Show, Sound und Stimmung auch noch das Gedrängel als Maßstab, staubten COB eindeutig den Titel als "absoluter Tuska-Headliner" ab. Ansonsten wurde ich von den deutschen Metal-Veteranen ACCEPT mehr als positiv überrascht. Was für eine Band!!! Das Alter von Udo, oder der anderen reiferen Herren im Line-up würde ich nicht mal zu raten wagen (er selbst kündigte den Klassiker ›I'm A Rebel‹ als einen Song an, der geschrieben wurde, als die meisten im Publikum noch nicht auf der Welt waren...) In Sachen Abrocken, Spielfreude, Spaß auf der Bühne und die Fans an den Eiern (oder anderen Organen) packen, da machten sie den jüngeren noch jede Menge vor. Das Publikum war am Überkochen, selbst im Presseareal war alles auf den Beinen (und Bänken), minimalste Andeutungen reichten aus, um immer wieder lang anhaltende Spontanchöre zu provozieren. Selbst Udo war fassungslos. Als es neben den unvermeidlichen Hits ›London Leather Boys‹, ›Restless And Wild‹, ›Metal Heart‹ und ›Balls To The Wall‹ auch noch die Oldies ›Fast As A Shark‹ oder ›Princess Of The Dawn‹ gab, kriegten viele Fans wohl feuchte Augen. Schätze, der ACCEPT-Merchandiser hatte hinterher alle Hände voll zu tun...
Fazit: Tuska war mal wieder genial!


Klaudia Weber

Photos: Klaudia Weber


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