Sebastian Bach
beim
"Bang Your Head!!!"-Festival 2004
Balingen, Messegelände
26.06.2004
Ich war mir im Vorfeld zugegebenerweise nicht ganz sicher, was ich erwarten sollte. Ich kenne zwei der drei SKID ROW-Alben mit Baz und habe nichts, was er hinterher (und das sind immerhin zehn Jahre!) angestellt hat, eigenohrig gehört. Bei meiner Surferei im großen, weiten Internet bin ich nur auf recht zweifelhafte Dinge gestoßen: aktuelle Photos, die vor lauter Schminke und Hairspray nur so strotzen und ein Baz, der darauf aussieht, als ob der die "sexy" Zeit der 80er noch toppen wollte; lauter kleinere Konflikte mit Recht und Ordnung, eine eigene TV-Sendung und sogar eine Gastrolle in einer Seifenoper... Auf der anderen Seite recht ruhmreiche Kritiken für seine Musical-Karriere. Und wie wirkt sich seine Zeit am Broadway (immerhin drei große und nicht gerade unbekannte Produktionen, zuletzt bei "Jesus Christ Superstar" wegen "divenhaftem Verhalten" aus der Titelrolle geflogen) auf seine Bühnenpräsenz aus? Fragen über Fragen... Die Antworten waren eindeutig: Alles völlig schnurz!
Baz stürmt (scheinbar zuerst etwas orientierungslos - vielleicht, weil auch er keine Ansage vom Veranstalter bekam?) auf die Bühne und legt los. Sofort ist klar: Schminke und Hairspray bewegen sich im erträglichen Rahmen und - neee - "ich bin ja ach so sexy und gutaussehend" ist heute nicht angesagt. Da hätte er auch gegen seinen eigenen Bassisten keine Chance gehabt! Sämtliche Damen, die ich hinterher gehört oder gelesen habe, sind da jedenfalls mit mir einer Meinung: weniger ist manchmal mehr! Der gute Mann (laut Web-Recherche mit Namen Brian Hall, genannt "Cheeze" - der einzige nennenswerte Minuspunkt gegen Baz: Er hätte er seine Jungs ruhig ordentlich vorstellen können!) trug eine stinksimple Jeans, die zumindest so aussah, als ob sie direkt "von der Stange" war, seinen Baß - und sonst nichts! Na ja, Schuhe wahrscheinlich... Haare bis über den Hintern und wohltrainierter Oberkörper - nur die besten Attribute des Rock'n'Roll eben. Wo ich gerade bei Schuhen bin: die weißen Ken-Hensley-Gedächtnis-Stiefel von Baz bringen starken Punktabzug in der B-Note...
Offensichtlich stammen die Problemchen mit Law & Order daher, daß der gute Baz leicht reizbar ist. Nur so läßt sich seine leichte Überreaktion gegenüber einem Zuschauer in der ersten Reihe, der ihn mit "Stinkfinger" genervt hat, erklären. Nach 15 Jahren Dasein als Rock-Star sollte er doch über so was stehen, oder? Aber wirklich über seine Reaktion aufregen (wie so einige im Publikum) konnte ich mich nun auch wieder nicht... (Kleine Anmerkung am Rande, da ich den Vorfall aus nächster Nähe im Photograben miterlebt habe: Besagter Stinkfingerbesitzer stand vom der ersten Sekunde an in der zweiten Reihe und streckte sein "bestes Stück" Richtung Bühne. Sebastian forderte die Spaßbremse auf zu verschwinden, falls er ein Problem mit ihm habe, aber er solle den anderen nicht den Spaß verderben. Da die Hohlbirne mit dem Pseudopenis nicht darauf reagierte, bat Sebastian die Security, dieses Subjekt zu entfernen - was prompt erledigt wurde. Kurz: eine absolut souveräne und angemessene Reaktion auf solch einen Störenfried. Auf Nimmerwiedersehen, Mister Festivaltrottel... - sg)
Meine dritte Befürchtung, daß sich Musical-Darstellerei automatisch in leicht übermäßiger Gestik auswirkt (erinnert sich jemand an Andy Kuntz von VANDEN PLAS? ;-) war auch unbegründet. Der ›Time Warp‹ wurde gefeiert - wahrscheinlich wußte ein Großteil der Partygäste nicht einmal, daß Baz auch mal bei der "Rocky Horror Show" aufgetreten war. Die Partystimmung (egal ob jung und alt, Männlein und Weiblein) war jedenfalls unglaublich - höchstens noch zu toppen vom letztjährigen U.D.O.-Auftritt.
Äääh, ach ja: die Musik. Angefangen mit ›Slave To The Grind‹, weicht Baz' anfängliche Unsicherheit schon beim ersten Applaus einem Strahlen über das ganze Gesicht. Wenn er nicht gerade versuchte, den bösen Buben zu spielen, und beispielsweise seine "Youth Gone Wild"-Tätowierung vorlesen ließ. Bei jedem Song wurde er strahlender und gleichzeitig gerührter. Ich habe zumindest selten einen Sänger gesehen, der bei seinen eigenen Balladen so sehr mit den Rührungstränen kämpfte wie Baz bei ›18 and Life‹ und ›I Remember You‹! Auch wenn SKID ROW (zumindest für Baz) schon eine Weile (die drei eben genannten größten Hits haben 15 Jahre auf dem Buckel!) - Baz strahlt immer noch einen unglaublich jungenhaften Charme aus! Wenn ich recht überlege: Er ist der einzige Performer auf diesem BYH, dem ich attestieren würde, daß seine Begeisterung für das Publikum echt war... Nachzulesen ist das auch auf seiner Website (www.sebastianbach.com - Achtung bei empfindlichen Augen!), auf der er das BYH wahlweise als seinen "besten Auftritt jemals in Deutschland" (nach vier SKID ROW-Touren) und den "bisher besten Auftritt seiner Solo-Karriere" und dem "besten Tag seines Lebens" betitelt und seinen Fans dankt.
In diesem Punkt ist dem guten Mann ein Irrtum unterlaufen: Es waren vor dem Auftritt bei weitem nicht alle Besucher seine Fans - aber hinterher waren es wohl fast alle. ;-) Bleibt eigentlich nur zu sagen: Du wärest als heimlicher Headliner 2004 bestimmt im nächsten Jahr wieder herzlich willkommen!
Photos: Stefan Glas
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