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  UE-Home → History → Online Empire 7 → Interview-Übersicht → Jon Oliva-Interview last update: 18.03.2024, 21:42:28  

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Wenn man mit Jon Oliva, dem besten Anekdotenerzähler der Metalszene, spricht, bietet es sich an, alle "Erzähl' mir mal was über Eure neue Platte"-Tendeleien außen vor zu lassen und ihn stattdessen mit Stichworten zu bewerfen. Und Jon feuerte munter ein Histörchen nach dem anderen zurück. Volle Deckung... Und natürlich viel Spaß!


Riffs

Ich liebe es, Riffs zu schreiben. Es war großartig, früher mit meinem Bruder Criss Riffs zu schustern und auch heuer mit Chris Caffery macht es viel Spaß: Wir sitzen zusammen bei einem Bier, schauen Fernsehen und versuchen, neue Riffs zu kreieren. Sobald wir eine gute Idee haben, nehmen wir sie sofort mit einem kleinen Kassettenrekorder auf und schleppen schließlich massenhaft Tapes in den Proberaum. Riffs entstehen sehr spontan und das ist ein erfrischender Gegensatz zum aufwendigen Ausarbeiten der Orchestrierungen.
Ich weiß, daß die meisten Fans davon überzeugt sind, ich hätte mit den Riffs nichts am Hut. Aber ich spiele schon seit einer halben Ewigkeit Gitarre und hatte sogar lange vor Criss begonnen. Bei unseren ersten Gehversuchen mit einer Band war sogar ich der Gitarrist während Criss Baß spielte. Doch er hat mich an der Gitarre schnell überholt, so daß wir die Instrumente tauschten. Desweiteren spiele ich Schlagzeug, so daß ich einen Teil der Drumparts bei SAVATAGE selbst entwickelt habe. Außerdem spiele ich einige Streichinstrumente: Ich beherrsche Kontrabaß recht gut und spiele ein klein wenig Cello und Geige. Außerdem singe ich nicht schlecht...

Präsidentschaftswahl

Peinlich! Mehr kann ich dazu nicht sagen. Amerika verschleudert Millionen und Aber-Millionen, um den Fernsehempfang zu verbessern, aber schafft es nicht mal, einen vernünftigen Wahlzettel zu entwerfen. Mit dieser Wahl hat sich Amerika vor der ganzen Welt lächerlich gemacht. Und um die Peinlichkeit ins Unermeßliche zu steigern, hat man wochenlang ohne Resultat vor- und zurückmanövriert anstatt dieses Problem möglichst schnell zu lösen.


Poet

Paul O'Neill. Er ist zweifelsohne ein Poet - und zwar ein begnadeter! Ich weiß nicht, woher er seine Inspiration nimmt. Er trinkt nicht und nimmt keine Drogen, so daß diese Quellen flachfallen. Aber Paul ist ein durch und durch einzigartiger Mensch und ich weiß, daß Paul sich sehr für das tagtägliche Geschehen interessiert und sich viele Gedanken darüber macht. Solche Dinge läßt er in die Texte einfließen.
Ich sehe mich nicht als Poeten, obwohl ich viele SAVATAGE-Texte geschrieben habe. Aber ich empfand es immer als schwierig, meine Gedanken in Worte zu fassen. Daher habe ich mich in dieser Hinsicht zurückgezogen und steuere lediglich Ideen oder verschiedene Zeilen bei. Worte sind die Spezialität von Paul, während meine Stärke in der Musik und in der Orchestrierung liegt. Allerdings gehen wir die Texte, die er ausgearbeitet hat, nochmal gemeinsam durch. Wenn sich nämlich ein Text beim Singen nicht gut anfühlt, würde es keinen Sinn machen. Daher machen wir den endgültigen Feinschliff immer gemeinsam.


Madman

Jon! Manchmal lasse ich mich zu sehr gehen und verhalte mich sehr verrückt. Außerdem muß ich zugeben, daß ich gelegentlich bei absoluten Kleinigkeiten völlig abdrehen kann. Ja - ich bin zweifelsohne ein Madman!

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AVATAR

Unsere Lernphase. Wir waren Kinder und wußten im Grunde nicht, was wir taten, sondern wollten einfach Spaß haben. Mein Bruder Criss war damals 15 Jahre alt und ich war gerade 18 geworden. Es dauerte eine ganze Zeitlang und es kostete uns einige Mühe, aber mit AVATAR kamen wir auf den Dreh, wie man wirklich Songs schreibt. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir nächtelang im Proberaum gesessen und an unseren Ideen gearbeitet haben. Zwischendurch schien es mehr als einmal, als würden wir nirgendwo hinkommen, aber irgendwann hat es tatsächlich geklickt! Und einige der Resultate kann man bekanntlich auf »Sirens« und »The Dungeons Are Calling« hören. Ich denke gern an die AVATAR-Tage zurück!


Drogen

Wir haben über die Jahre mehr oder minder mit allem rumexperimentiert. Heute rauchen wir glücklicherweise nur noch und trinken Alkohol. Ich habe allerdings auch Erfahrungen mit harten Drogen gemacht. Weißt Du, wenn man 22 oder 23 Jahre alt ist und einzig daran interessiert ist, Spaß zu haben macht man dumme Sachen. Wenn vor deiner Nase ständig alle nur erdenklichen Drogen rumschwirren ist es schwer, immer "Nein" zu sagen. Ich habe Fehler gemacht und mußte teuer dafür bezahlen. Aber ich habe meine Lektion gelernt.
Ich bin froh, daß mein siebzehnjähriger Sohn für sein Alter sehr vernünftig ist, so daß ich mir sicher bin, daß er solchen Versuchungen widerstehen kann. Er ist in seiner Art ganz anders als ich in seinem Alter war: Ich war ein Rebell, der nur Unsinn im Kopf hatte, habe mich ständig aus dem Haus geschlichen und mich die ganze Nacht lang herumgetrieben. Mein Sohn mußte schneller erwachsen werden als andere Kinder, weil ich in den letzten Jahren wegen der Musik oft nicht zu Hause war und meine Frau schon seit drei bis vier Jahren enorme gesundheitliche Probleme hat. Daher hat er in den letzten Jahren zu Hause mehr als einmal meine Rolle übernehmen müssen und ich bin sehr stolz auf ihn, wie souverän er diese Aufgabe gelöst hat.


Streets

»Streets« war der Höhepunkt von SAVATAGE in der damaligen Konstellation, als sowohl ich und mein Bruder noch beteiligt waren. »Streets« ist nach wie vor mein Lieblings-SAVATAGE-Album.
Abgesehen davon haben Straßen für mich etwas sehr inspirierendes. Wenn ich in New York eine Straße hinablaufe höre ich tausend Gespräche und sehe Hunderte verschiedene Dinge und das inspiriert mich sehr.


Stimmprobleme

Es war der schwärzeste Tag meines Leben, als ich nach »Streets« plötzlich feststellte, daß ich nicht mehr singen konnte. Ich bin fast wahnsinnig geworden: Ich hatte jahrelang gesungen und genoß sogar den Ruf, zu den zehn oder fünfzehn besten Metalsängern zu gehören. Singen war meine große Leidenschaft, ohne die ich mir mein Leben nicht mehr vorstellen konnte und plötzlich war ich gezwungen, in der hinteren Reihe Platz zu nehmen. Doch auch in dieser Zeit war ich in gleicher Weise bei SAVATAGE involviert, da mir eine wichtige Funktion in der Organisation zukommt.
Mein Arzt sagte mir, daß ich definitiv ein bis zwei Jahre nicht singen dürfe und daß es danach nur möglich sein würde, wenn ich meine Stimme präzise trainieren würde. Ich hasse es, Unterricht zu nehmen - allein schon weil ich es nicht mag, wenn mir jemand sagt, was ich tun und was ich lassen soll. Dennoch habe ich es getan und es hat Jahre gedauert, bis ich alles wieder im Griff hatte. Ich mußte mich wirklich durchbeißen, doch es hat sich ausgezahlt: Ich war überglücklich, als ich zusammen mit Chris Caffery DOCTOR BUTCHER ins Leben rufen konnte und meine Stimme diesen Test bestand. Es war geplant, daß ich zusammen mit Chris für »Handful Of Rain« hätte zu SAVATAGE zurückkommen sollen, doch dann verunglückte mein Bruder tödlich und alles schien endgültig aus zu sein.
Ich bin froh, daß ich ab sofort wieder mehr singen werde. Als Zak uns mitteilte, daß er mehr Zeit für seine Familie haben wolle und nicht mehr mit uns on tour gehen könne saßen wir in einer Zwickmühle: Wir verstanden sein Anliegen natürlich sehr gut - zumal ich mit meiner Familie die gleichen Probleme durchstehen mußte - aber wir wollten nicht, daß er »Poets & Madmen« einsingt, wenn er danach nicht auch mit uns auf der Bühne stehen würde. Unsere Entscheidung war zwar mit einem gewissen Risiko behaftet, aber SAVATAGE haben auch diesen Test bestanden. Auf der kommenden Tour werden wir voraussichtlich zwei Stunden spielen. Unser neuer Sänger Damond Jiniya wird live lediglich die Parts von Zak übernehmen und ich werde sowohl die Oldtimer als auch die Songs von »Poets & Madmen« singen. Folglich werden auf mich etwa zehn Songs zukommen und ich bin mir bombensicher, daß ich das schaffen werde.


Keith Collins

Ich bin sehr enttäuscht von Keith. Er hat einige miese Dinge über uns gesagt, obwohl es ihm bewußt sein sollte, daß ohne meinen Bruder und mich niemand wissen würde, wer Keith Collins überhaupt ist. Genau gesagt hat er auf unseren Platten keinen einzigen Ton eingespielt, sondern Criss und ich haben alle Baßlines eingespielt. Keith war ein netter Kerl, aber er konnte nun mal keinen Baß spielen, weil er eigentlich Gitarrist war. In der Stadt, in der wir damals lebten, standen fast keine Musiker zur Auswahl und Keith war der einzige, den wir finden konnten. Er spielte in einer anderen Band Gitarre und er sagte, daß er bei uns als Bassist einspringen und uns mit einigen anderen Dingen weiterhelfen könne. Ich habe darüber all die Jahre geschwiegen, aber irgendwann hat er angefangen, Lügen zu verbreiten und sich wie ein Arschloch aufzuführen. Er hat uns um Geld betrogen und hat beispielsweise behauptet, daß er einige unserer Songs geschrieben habe. In Wahrheit war es so, daß er keine einzige Note beigesteuert hatte. Er hat aber rumgejammert, daß er so wenig Geld abbekommen würde, weil er keine Songs geschrieben habe. Daher haben wir aus Gutmütigkeit seinen Namen hier und da bei einigen Stücken in die Autorenliste hinzugefügt. Ich habe noch nie davon gehört, daß jemand einen songwriting credit erhält, wenn er sagt: "Ich glaube, Ihr solltet den Song ›Warriors‹ nennen!" Doch genau das ist bei uns geschehen.

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Griechische Mythologie

Ich bin zwar eigentlich ein Fan von Horrorfilmen, aber ich stehe tatsächlich auch auf die griechische Mythologie: Ich hatte voller Begeisterung die "Odyssee" gelesen und habe damals die Idee bekommen, den Song ›Sirens‹ zu schreiben. Vielleicht bin ich ja ein moderner Odysseus - wenn ich bedenke, welche Odyssee SAVATAGE generell und ich mit meiner Stimme im besonderen hinter mir habe.


Jesus

Religion und alles, was damit zusammenhängt verwirrt mich sehr, denn es gibt unendlich viele unterschiedliche Sichtweisen dazu. Ich würde mir wünschen, daß es für jedermann einen einzigen Weg geben würde, aber dem ist eben nicht so. Selbst, wenn ich jetzt beginne, über dieses Thema nachzudenken, kommen mir gleichzeitig viele positive und negative Gesichtspunkte in den Sinn. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals eine Beziehung zu Gott hatte, aber heute weiß ich einfach nicht mehr, was ich glauben soll.


Jewel

Jewel ist das Mädchen, das in dem TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA-TV-Special mitgespielt hat. Sie ist ein absoluter Star in Amerika und hat hier schon drei Platinalben eingestrichen. "Jewel" ist in der Tat ihr wirklicher Name.


Feedback

Das Feedback auf das neue Album war überwältigend - fast schon zu gut. Ich weiß, daß "Poets & Madmen" bei Euch im Soundcheck nicht so genial abgeschnitten hat, aber damit kann ich leben. Wir werden uns überraschen lassen, was mit dem Album passieren wird - schließlich ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch überhaupt nicht auf dem Markt. Ich bin auf jeden Fall zuversichtlich! Vielleicht könnte es für manche Hörer schwierig sein, daß »Poets & Madmen« anders als erwartet klingt. Für uns war es jedoch wichtig, etwas Neues zu machen. Denn wer sich nicht verändert, der ist gelangweilt und wer sich langweilt, der löst sich auf. Ich kann auf jedem Fall sagen, daß ich bei keinem anderen Album bei der gesamten Produktionsphase so viel Spaß hatte wie bei »Poets & Madmen«!


Fight For The Rock

Fehlgeleitet! Es war der absolute Tiefpunkt für SAVATAGE - den Tod von Criss natürlich nicht eingerechnet. Unser Management sagte uns, wir müßten ein kommerzielles Album machen. Wir sind ihrem Ratschlag gefolgt und machten prompt den größten Fehler unserer Karriere. Wir haben dafür unsere verdiente Abreibung erhalten, aber wir haben uns nicht unterkriegen lassen: Wir haben uns wieder hochgerappelt, den Staub von den Kleider geschüttelt und weitergemacht. Man muß sich in diesem Business daran gewöhnen, daß man einige Tiefschläge einstecken muß. Danach hat man nur die Alternative, sich in eine Ecke zu verkriechen und sich selbst zu bedauern oder weiterzukämpfen.


Criss

Liebe! Wir haben ihn immer geliebt und wir lieben ihn immer noch. Im Grunde ist es, als sei er immer noch unter uns.


Kochen

Ich liebe es, in der Küche rumzuexperimentieren und eigene Rezepte zu kreieren. Meine beste Kreation ist "Spicy Spaghetti-Pie", den man folgendermaßen zubereitet: Man würzt Hackfleisch sehr pikant, gibt unter anderem Tabasco und jede Menge Gewürze hinzu. Das Hackfleisch wird angebraten und dann breitet man es auf dem Boden einer Überbackform aus. Darüber kommt eine Schicht Ricotta- und Mozarella-Käse, auf der man die gekochten Spaghetti ausbreitet. Oben drauf kommt eine weitere Schicht Käse. Alles wird etwa dreißig Minuten lang bei 180°C im Backofen überbacken. Und das Resultat schmeckt einfach sensationell. (Ich habe die vegetarische Variante mit Sojagranulat statt Hackfleisch ausprobiert und kann ihm nur zustimmen! Very lecker. Und schön schaaarf... - sg)


Famous last words

Ich kann Dir nicht sagen, wie froh ich bin, daß ich am Ende dieses scheinbar endlosen Tages ein gänzlich anderes Interview geben durfte. Glaub' mir, gewisse Standardfragen mußte ich heute im 15-Minuten-Takt beantworten. Und wenn Du mir nur eine einzige davon gestellt hättest, hätte ich mich erschossen...

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

Photos: Stefan Glas [Photo 2 & 3]

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