NAZARETH
IN COLD BLOOD
Stuttgart, Longhorn
09.04.2002
Endlich mal wieder ein Konzert, bei dem ich zu den Jüngsten gehört habe! Dennoch war das NAZARETH-Konzert nicht das Ausflugsziel des Seniorenkränzchens "Fröhliche Krampfader", sondern das Publikum war denkbar gemischt: vom Managertypen, der über Tag damit beschäftigt war, noch mehr Mammon auf sein Konto zu schaufeln, und sich am Abend für wenige Minuten an seine längst vergangenen Jugendtage zurückerinnern wollte, bis zu einem Freak in der CRADLE OF FILTH-"Dead Chicks Don't Say No"-Kutte, so daß das Longhorn an diesem Abend nicht über mangelnden Zuschauerzuspruch klagen konnte.
Als ich kurz vor Acht einlief, war erst mal Panik angesagt, denn drinnen hatte man schon die PA angeschmissen. Doch das Nerventonikum folgte wenige Augenblicke später, als ich um die Ecke bog und feststellte, daß die Tore noch gar nicht geöffnet waren. Die Klänge stammten vielmehr vom Supportact IN COLD BLOOD, der seine Instrumente auf Betriebstemperatur brachte und den Sound checkte. Kurz vor Neun betrat das Trio aus Bayern die Bühne und mühte sich etwas mehr als eine halbe Stunde lang mit ihrem handgemachten Rock, das Publikum aus der Reserve zu locken. Doch dazu war die Band in jeglicher Hinsicht zu unscheinbar, so daß mehr als ein bescheidener Höflichkeitsapplaus nicht drin war. Vermutlich hätte es genauso viel Jubel gegeben, wenn MORDRED eine halbe Stunde lang ihren Demoklassiker ›In Cold Blood‹ im Loop gespielt hätten..
Mit Dudelsackklängen wurde der Hauptteil eingeleitet; doch ich hatte mich mitnichten auf ein RUNRIG-Konzert verirrt - it's NAZ! Die Schotten rockten auf die Bühne und zeigten, daß sie den Tod ihres Drummers Darrel Sweet vor drei Jahren bewältigen konnten, indem sie Lee Agnew, den Sohn von Basser Pete, hinter die Schießbude gesetzt haben. Zwar konnte man auf beiden Seiten der Bühne keine sportlichen Höchstleistungen erwarten, aber es war offensichtlich, daß jeder riesigen Spaß bei dem Konzert hatte. Und daß Dan McCafferty sich selbst noch längst nicht zum alten Eisen zählt, verdeutlichte er nicht nur durch seine Dudelsack-Einlage bei ›Hair Of The Dog‹ sondern vor allem dadurch, daß er sich bei ›Dream On‹ mehrere Acapella-Parts auferlegte und diese souverän meisterte. Egal wie zerklüftet das Gesicht von Dan aussieht - seine Stimme ist immer noch ein Erlebnis! Die weiteren Highlights der Show waren das an diesem Abend ungeheuer schmissig vorgetragene ›Holiday‹ sowie ›Heart's Grown Cold‹, das unter die Haut ging wie eh und je. NAZARETH bewiesen, daß sie immer noch ein Garant für unverfälschte Rockmusik sind und ähnlich wie ein guter schottischen Whiskey mit den Jahren immer besser zu werden scheinen.
Enttäuschend war hingegen, daß man das Programm der aktuellen Live-CD »Homecoming« quasi eins zu eins heruntergespielte und lediglich um ›Cocaine‹ als Zugabe aufgestockt hatte. Man spielte auch nicht mehr die auf der Setlist vermerkte, vermutlich neue Nummer ›Animals‹, obwohl die Fans noch minutenlang eine weitere Zugabe forderten als das Saallicht schon angeschaltet war. Gestandenes Rockeralter hin oder her - knapp 90 Minuten NAZARETH plus ein indiskutabler Opener sind bei einem Eintrittspreis von 25 Eumel einfach zu wenig. Zwar konnte man sich am Merchandise-Stand ein paar offizielle Bootlegs mitnehmen, doch auch hier waren die Preise im oberen Segment angesiedelt und man mußte für ein Shirt 23 Euro abdrücken - zu viel bei DREAM THEATER gespickt? Über einen Nachschlag hätte sich bestimmt niemand beschwert - egal ob man nun einen etwas kommerzielleren Track wie ›Love Leads To Madness‹, das erfrischend dreckige ›Shanghai'd In Shanghai‹ oder den All-Time-Klassiker ›Telegram‹, den sicherlich jeder schmerzlich vermißt hatte, gespielt hätte.
Photos: Stefan Glas
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