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"Z Rock"-Festival 2001

Mannheim, Capitol

08.09.2001

Schlechte Karten für die "Heavy Metal or no Metal at all, whimps and posers leave the hall"-Fraktion: Im Mannheimer "Capitol" ging zum ersten Mal das in Manchester, England, beheimatete "Z Rock"-Festival auch in Deutschland über die Bühne. Folglich gab es Melodic Rock bis zum Abwinken - eine Musikrichtung, die seit den Achtzigern den Durchmarsch von den Charts in den Underground hatte hinnehmen müssen, aber seit zwei oder drei Jahren wieder Morgenluft zu wittern scheint. Ähnlich wie die Musik hatte auch ein Teil der Anwesenden schon bessere Tage gesehen - vor allem einige Damen, die in völliger Verkennung ihrer aktuellen körperlichen Vorzüge die alten Outfits wieder aus dem Schrank geholt hatten und einen eher monströsen Anblick boten.

SEVEN WISHES [S]-Liveshot

Doch das störte bei SEVEN WISHES wenig, denn schon als man den Saal betrat wurde man vom Glitzern des Stageoutfits der Schweden geblendet. Während Gitarrist Anthony Cedergren lediglich still die Außenseite der Bühne markierte, fuddelte Basser Tony Westgard voller Hingabe auf seinem Instrument und poste wie man es von einem Melodic-Man erwartet, während Sänger Pelle Andersson bemüht war, sein Gemächt möglichst vorteilhaft in Richtung Publikum zu strecken - obwohl zu diesem Zeitpunkt gerade mal 150 Leute anwesend waren. SEVEN WISHES boten einen guten Gig, den sie mit dem DOKKEN-Cover ›Unchain The Night‹ beendeten.

SEVEN WISHES [S]-Liveshot

Doch den echten Bonus hatte der schwedische Wunschbrunnen in der hinteren Reihe versteckt: Schlagzeugerin Linda Gustafsson hämmerte voller Grazie auf die Pauke und hatte sich mit ihrem Top dem Glitzerlook ihrer Kollegen angeschlossen, den sie jedoch mit einer kurzen Jeans abrundete.

CONTAGIOUS-Liveshot

Bei CONTAGIOUS klang alles deutlich fetter, doch ansonsten wirkte man wie eine graue Maus: Das Stageacting war sehr harmlos, und die Band war zudem mit unauffälligen schwarzen Straßenklamotten angetreten, so daß der Gig trotz der musikalisch einwandfreien Leistung recht bald langweilig anmutete.

DREAMHUNTER-Liveshot

Bei DREAMHUNTER gab es endlich wieder etwas posiges zu sehen: Sänger Stig Gunnarsson hatte sich in sein hübschestes Glitzerjäckchen geworfen, die Haare nett mit Gel gestylt und die Sonnenbrille ausgepackt. Der Höhepunkt einer musikalisch exzellenten Show, bei der vor allem beeindruckte, wie sauber der vierstimmige Gesang rübergebracht wurde, war ›The Heart Is A Lonely Hunter‹. Doch auch bei DREAMHUNTER war die Performance völlig eintönig und lediglich Gitarrist Olle Zimmerman konnte seiner Begeisterung auch in Form von Gestik und Mimik Ausdruck verleihen.

DREAMHUNTER-Liveshot

Leider mußten zwei Band ihre Teilnahme am "Z Rock" absagen: die Briten SHY sowie die TALISMAN-Nachfolgeband HUMANIMAL, die nicht antreten konnten, da Bassist Marcel Jacob einen Motorradunfall erlitten hatte.

DEMON [GB]-Liveshot

Doch die erste Ersatzband sollte einen der Glanzpunkte des Festivals setzen, denn dann war es Zeit für die Plage: DEMON absolvierten ihren ersten Deutschland-Auftritt seit ihrer Appearance in Wacken im letzten Jahr und eröffneten den Set mit dem Titelsong des '83er Albums »The Plague«. Sieht man davon ab, daß man bei ›Blackheath‹ einen tollen balladesken Zwischenpart neu eingefügt haben, blieb bei den Briten alles beim alten und sie bewiesen, daß sie nichts verlernt haben: Sänger Dave Hill sah in seinen kurzen Hosen und Badelatschen erneut so aus, als würde er nicht dazugehören und sei auf dem Weg von der Toilette zum Frühstückstisch entführt und auf die Bühne gestellt worden. Mit seinem bekannt durchgeknallten Auftreten hat man sich mittlerweile halbwegs abgefunden und nur noch die wenigsten erliegen dem Wunsch, ihn umgehend in eine geschlossene Anstalt einzuweisen. Doch was bei ›Sign Of The Madman‹ noch ganz passend ist, wirkt bei dem unter die Haut gehenden ›Remembrance Day‹ einfach deplaziert. Einen weiteren kleinen Kritikpunkt müssen DEMON über sich ergehen lassen: Mit dem Titelsong ›Spaced Out Monkey‹ sowie ›Streetwise Cowboy‹ hatte man nicht die besten Stücke der aktuellen Platte ausgewählt - wenngleich es amüsant war, Dave Hill Phantomimekünste einmal als Primat und einmal als Clint Eastwood zu sehen. Dennoch waren DEMON deutlich besser als in Wacken und sprachen eine herzliche Einladung aus, sie auf der Tour zu besuchen, die um die Jahreswende stattfinden wird.

DEMON [GB]-Liveshot

Enttäuschenderweise waren jedoch viele Leute bei der DEMON-Show am Bierstand in der Vorhalle geblieben, was kein gutes Licht auf die Melodicfans wirft: Anscheinend legen sie bei etwas härteren Bands genau die gleiche Intoleranz an den Tag, die sie sonst Fans anderer Stilrichtungen in Bezug auf melodische Bands zuschreiben.

VON GROOVE-Liveshot

Dann war es Zeit für den ersten Deutschlandauftritt einer der unbestritten besten Melodicbands der Welt: VON GROOVE. Es war zwar nicht zu übersehen, daß die Truppe hauptsächlich im Studio zu Hause ist und nur wenig Bühnenerfahrung hat und zwar nicht nur, weil Sänger Michael Shotton auf den Monitorboxen ein Ringbuch mit seinen Texten liegen hatte. Das hinderte ihm jedoch nicht daran, bei ›Rainmaker‹ ins Publikum zu gehen, um sich zwei hübsche Blondinen aus der Nähe zu betrachten oder bei ›Lily‹ eine Zeile aus JOURNEYs ›Don't Stop Believing‹ einzufügen. Zudem lieh er sein Tambourin einem Mädel in der ersten Reihe, so daß sie immer fleißig den Rhythmus mitschütteln konnte. Kurz - man merkte der Band den Spaß deutlich an, so daß es nicht störte, daß die Technik hier und da mithelfen mußte: Am Schlagzeugpodest lag ein unscheinbares Kästchen, dem Mladen mittels Knopfdruck für jeden neuen Song verklickerte, welche Fill-ins es nun beisteuern sollte. Die Kanadier spielten eine geile Show, die sie mit ›Helter Skelter‹ von den BEATLES als Zugabe krönten.

JADED HEART [D, Duisburg]-Liveshot

In der Umbaupause zog vorm "Capitol" eine Demo mit Umtz-Umtz-Musik vorbei, so daß alle froh waren, als der zweite "Ersatzact" die Bühne stürmte: JADED HEART. Doch daran kann es nicht allein gelegen haben, daß die Deutschen sehr guten Zuspruch erhielten. Nein, man präsentierte sich zur allgemeinen Überraschung als professionellste und tighteste Band des Festivals und konnten den Kollegen gar etwas in Sachen Groove beibringen. Folglich gab es bis zur Zugabe, der BEATLES-Nummer ›Help‹, jede Menge tanzende Mädels, die Michael Bormann auf diese Weise für seine gute Leistung als Sänger, Akustikklampfer und Frontmann dankten. Irgendwann begannen sogar einige männliche Gestalten "Micha, Micha!" zu skandieren - Obacht, Herr Bormann...

ENUFF Z'NUFF-Liveshot 1

Nun stand die nächste Premiere an: die erste-ENUFF Z'NUFF-Show in Deutschland. Gitarrist und Sänger Donnie kam als Unschuldsengel barfuß und ganz in weißem Outfit auf die Bühne geschwebt, während sein Partner, Bassist Chip mit unmöglicher Mütze und bunten Hosen auftrat. Gleich zu Beginn coverten die Amis ›Revolution‹ von den BEATLES, was am heutigen Tag ein Pflichtprogramm für nahezu alle Bands zu sein schien. Doch bei ENUFF Z'NUFF geht das mehr als in Ordnung, da man die Band zu Recht als die neuzeitliche Version der Liverpooler Pilzköpfe mit verzerrten Gitarren beschreibt. ENUFF Z'NUFF regierten ihr Publikum, so daß sogar Musiker wieder zu Fans wurden: SEVEN WISHES-Drummerin Linda machte in der ersten Reihe bis zur Extase mit. Doch als beim vorletzten Song ein männlicher Fan die Bühne stürmte, um Donnie zu küssen, war das sicherlich nicht so ganz in seinem Sinne. Vielleicht hielt es Schlagzeuger Ricky Parent deswegen nicht mehr auf seinem Sitz, so daß er den letzten Song nahezu komplett im Stehen spielte. Leider mußten die Schnuffis ihren Set um etwa 15 Minuten kürzen, weil man zu spät losgelegt hatte, was das Publikum, das zuvor euphorisch gefeiert hatte, in Rage brachte, so daß ein Großteil anschließend das "Capitol" verließ.

ENUFF Z'NUFF-Liveshot 2

Mit der Comebackshow der TYGERS OF PAN TANG sollte man nun eigentlich auf den Höhepunkt des Festivals zusteuern. Doch schon den ganzen Tag hatten News die Runde gemacht: "Sie spielen keinen einzigen Song von »Wild Cat«!" Doch letztlich war die Setlist egal, denn die TYGERS erlebten einen formidablen Absturz: Die neue Band um das einzige Originalmitglied Robb Weir an der Gitarre spielte miserabel und bewegte sich lustlos über die Bühne, was vielleicht auch damit zusammenhing, daß allenfalls 150 Fans bis zu den TYGERS ausgeharrt hatten. Die peinlichste Nummer des Tages war die Sonnenbrille des neuen Sängers Tony Liddell, der zudem einen Gesang ablieferte, den man bestenfalls als grottenschlechtes Geschrei einstufen konnte. Man konnte sich kaum mehr vorstellen, daß er dereinst auf der ersten STRANGEWAYS-Platte eine gute Leistung absolviert hatte. Am Ende waren noch 30 Standhafte in der Halle, von denen vielleicht ein Dutzend ihren Spaß an der Show hatte, während alle anderen das Grauen ins Gesicht geschrieben stand, so daß die TYGERS - ihrer Krallen beraubt - den Set kürzten, so daß man glücklicherweise nicht das komplette Trauerspiel ertragen mußte. Welche Songs die Band letztendlich gestrichen hat konnte ich in einer Beratungsrunde mit den ROCK HARD-Kollegen Klemm und Schleutermann nicht mehr herausfinden - so entsetzt waren wir über das, was sich gerade vor unseren Augen abgespielt hatte. Das unwiderrufliche Ende einer Legende.

TYGERS OF PAN TANG-Liveshot

Der versöhnliche Abschluß folgte jedoch in Form einer spontanen Jamsession von Musikern aus vier Bands, die in der Vorhalle des "Capitols" unter Leitung von Michael Bormann an der Klampfe ›Wanted: Dead Or Alive‹ von BON JOVI zum besten gaben. Enttäuschend war hingegen die Besucherzahl des Festivals von knapp 500. So kriegt der Melodic Rock nie wieder den Arsch hoch, wenn die verbliebenen Fans, die auf diese Musik stehen, nicht zu einem solchen Festival kommen, wo sie fast zwölf Stunden von "ihrer" Musik serviert bekommen und stattdessen sich lieber bei der großen SAT 1-"Ran"-Fußballshow verarschen lassen.


Stefan Glas

Photos: Stefan Glas


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