Auch wenn die Briten ihr letztes Studioalbum »All The Right Noises« eigentlich schon längst fertig hatten, stand es erst vor ziemlich genau einem Jahr in den Läden. Um so bemerkenswerter daher die Tatsache, daß THUNDER mit »Dopamine« schon den nächsten Dreher, der zugleich das erste Studio-Doppel-Album in der Bandhistorie darstellt, an den Start bringen.
Warum das so ist, und was in den letzten Monaten sonst noch so alles los war bei den Herrschaften, erzählte uns Sänger Danny Bowes im Zoom-Meeting.
Hat Euch die Tournee-Zwangspause dermaßen beflügelt, daß Ihr gar nicht mehr aufhören konntet, Songs zu schreiben?
Gewissermaßen schon. Wobei die Initiative von unserem Gitarristen Luke Morley ausgegangen ist. Der hat wortwörtlich gemeint, daß er sich, wenn er schon nicht die Chance hat, Konzerte geben zu können, noch intensiver als sonst um neue Songs kümmern würde. Nun, das Ergebnis war schlicht umwerfend, denn wir hatten plötzlich 20 Songs zur Auswahl, die es allesamt verdient hätten, veröffentlicht zu werden. Nach einer internen Abstimmung haben wir uns dann auf 16 Stücke geeinigt, die jedoch unbedingt auf ein Album kommen mußten. Da uns klar war, daß die Spielzeit von Tonträgern begrenzt ist, lag es auf der Hand, ein Doppel-Album herauszubringen.
Was sagten denn die Verantwortlichen Eures Labels zu dieser Idee?
Die waren ein wenig geschockt, um es höflich auszudrücken, und haben sich wohl ernsthaft um unseren Geisteszustand Sorgen gemacht. Nach einiger Zeit konnten sie sich dann aber doch mit der Idee anfreunden, und so kam es, daß die Veröffentlichung in dieser Form abgesegnet wurde. Allerdings kamen wir danach wieder in eine Streßsituation.
Weil?
Weil es zu diesem Zeitpunkt absehbar war, daß unsere ersten Shows im Mai doch stattfinden können, und das Album einige Wochen davor auf dem Markt sein muß. Dadurch waren wir bei der Fertigstellung einigermaßen unter Druck. Aber es scheint sich gelohnt zu haben, denn so wie es aussieht, konnten wir den Terminplan einhalten.
Wie sind denn die Aufnahmen generell gelaufen? Zu Beginn dürfte wohl auch bei Euch der "Lockdown" das Geschehen beherrscht haben, oder?
Das schon. Allerdings haben wir diesbezüglich gut gepokert. Wir haben es nämlich immer dann ins Studio geschafft, sobald sich Lockerungen abgezeichnet haben. Dadurch war es für mich beispielsweise überhaupt kein Problem, meine Gesangspassagen bei Luke im Studio aufzunehmen. Wesentlich komplizierter als gedacht gestaltete sich jedoch die zu Beginn noch notwendige Doppelgleisigkeit.
Was genau war das Problem?
Wir mußten im Prinzip parallel an zwei Alben arbeiten. Für »All The Right Noises« gab es noch jede Menge an Promotion-Tätigkeit zu absolvieren. Gedanklich waren wir aber bereits mittendrin im nächsten Album, genauer gesagt waren wir dabei, uns die von Luke komponierten Songs anzueignen, um diese dann aufnehmen zu können.
Nicht minder essentiell waren bei Euren Songs auch immer schon die, teils unterschwellig, teils ganz offenkundig sozialkritischen Texte. Diesbezüglich gab es wohl reichlich Inspiration in letzter Zeit, oder?
Stimmt. Ehrlich gesagt, wäre es mir aber lieber, wenn nicht so ein Überangebot vorliegen würde. Aber die Menschheit spielt halt momentan auf dermaßen mannigfaltige Weise verrückt. Das läßt sich leider nicht so schnell ändern.
Für den Titel habt Ihr Euch aber dann doch bei der Wissenschaft bedient. Warum?
Weil das Glückshormon Dopamin, nach dem wir die Scheibe benannt haben, zwar generell vom Körper produziert wird, und notwendig ist, ebenso aber in gewisser Weise eine Sucht verursachen kann. Das wiederum paßt perfekt zur aktuellen Lage des Planeten. Dopamin verursacht nämlich jenes Abhängigkeitsverhalten, das dich ständig auf dein Handy glotzen läßt. Unter anderem, um zu sehen, ob dein letzter Beitrag auch deinen Vorstellungen nach entsprechend angenommen wurde.
Gibt es Titel für deren Texte ihr besondere Vorkommnisse verarbeitet habt?
Ich muß zugeben, daß mich das Schreiben von ›I Don't Believe The World‹ am besten unterhalten hat. Die Inspiration dazu geht auf unseren Bassisten Chris Childs zurück. Der Kerl hat sich in den letzten anderthalb Jahren immenses Wissen über Verschwörungstheorien angeeignet, und kennt selbst die abstrusesten davon. Er glaubt zwar selbst nicht daran, hat sich aber dermaßen intensiv damit beschäftigt, daß er für alles, was auf der Welt passiert, die entsprechende pseudowissenschaftliche Erklärung parat hat. Glaub' mir, ein halbstündiges Gespräch mit Chris, zu welchem Thema auch immer, reicht aus, um Inspiration für ein ganzes Album zu bekommen.
Photo: Jason Joyce [Bandphoto]