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”Y-Files”-Datasheet

Contents:  SIEGES EVEN-Special

Date:  01.08.2000 (created), 18.07.2022 (revisited), 18.07.2022 (updated)

Origin:  IRON PAGES-Verlag

Status:  unreleased

Reason:  medium missing

Task:  revise

Comment:

Dieser Artikel gibt natürlich nur den Stand der Dinge bis zur Mitte des Jahres 2000 wider, als ich ihn verfaßte. Er ist einer von vielen Texten, die ich für weitere geplante Bücher im IRON PAGES-Verlag geschrieben hatte, die aber nicht veröffentlicht wurden. Dies traf auch auf zwei Beiträge zu, die ich stattdessen in der Online-Version platzierte: ADRAMELCH ("Cult Complete"-Artikel in ONLINE EMPIRE 4) und ARC ANGEL ("Cult Complete"-Artikel in ONLINE EMPIRE 7). Daher verbleiben nun nur noch ETERNITY X, PAYNE'S GRAY, SIEGES EVEN, TIME MACHINE, WITCHSLAYER und XERXES, die wiederbelebt werden müssen.

Manchmal ist es dabei schwer einzuordnen, ob sie für "US Metal Vol. 4", "Heavy Metal Made In Germany Vol. 2" oder das angedachte Buch über Progressive Metal entstanden, da mehrere Bands in mehr als einem Buch gut untergebracht gewesen wären.


Im Falle von SIEGES EVEN war es wohl das Progressive Metal-Buch gewesen, für das der Text entstand, doch prinzipiell hätte er auch in "Heavy Metal Made In Germany Vol. 2" stehen können. Ein klarer Ausweis dürfte allerdings sein, was ich der IRON PAGES-Redaktion als Anmerkung zum Text mitgeteilt hatte: Etwa in der Mitte des Artikel fällt der Bandname ROUGH, und ich habe darauf verwiesen, daß sie in "HM Made In Germany 2" auftauchen werden. Bitte kontrollieren, ob dies wirklich der Fall sein wird!

Als weitere Infos, die ich zusammen mit dem Text auf den Weg schickte, gab es noch diese Anmerkung: Ich habe das erste Line-up aufgeführt; falls dies nicht erwünscht ist, meldet Euch bitte nochmal und sagt, welches Line-up (aus welcher Phase) Ihr wollt.

Supervisor:  Stefan Glas

 
 

Sieges Even

Franz Herde (v)
Markus Steffen (g)
Oliver Holzwarth (b)
Alex Holzwarth (d)

Spricht man von SIEGES EVEN, so meint man die erfolgreichste Progkarriere einer deutschen Band in den letzten fünfzehn Jahren. Daß die Combo dennoch nicht in den Olymp des Erfolgs eingelassen wurde liegt wahrscheinlich daran, daß alles mit Sodom und Gomorra begann.

Als die Formation 1983 von Gitarrist Markus Steffen sowie einem weiteren Sechssaitenbändiger unter dem Namen SODOM in München aus der Taufe gehoben wird, ist die bayrische Hauptstadt auf dem Weg, endlich auch einen Ausweis ernsthaften Musizierens vorweisen zu können. Doch dieser Weg, der die Band zur musikalischen Perfektion führen wird, ist beschwerlich.

Während sich in Franz Herde ein Sänger und in den Brüdern Oliver und Alex Holzwarth eine Rhythmusgruppe einstellen, wird man sich bewußt, daß die Zeiten alttestamentlicher Ausschweifungen zu Ende gehen müssen: Ein neuer Bandname muß her, der fernab aller Klischees liegen soll. "Als wir zu der Überzeugung kamen, den Bandnamen 'SODOM' nicht mehr zu verwenden, suchten wir einen originellen Namen, einen wirklich einzigartigen sozusagen, um für die Zukunft irgendeine Verwechslung auszuschließen," kommentiert Oliver die Umbenennung [Quelle: UNDERGROUND EMPIRE Nr.1, S.61] Die Wahl fällt auf die Kreation "SIEGES EVEN": "Ein wichtiger Aspekt in der Namenswahl war auch eine gewisse Eleganz bezüglich der Aussprache," so Oliver weiter.

Man ist also gewappnet, im Januar 1986 als Quintett ein erstes 3-Track-Demo aufzunehmen, das jedoch soundtechnische Mängel vorweist. Musikalisch hingegen macht es deutlich, welches Potential in SIEGES EVEN schlummert. Doch erst mit dem Ausstieg des zweiten Gitarristen im November des gleichen Jahres ist der Weg zum progressiven Wahn frei: Die Instrumentalabteilung bestehend aus Markus, Oliver und Alex wächst zu einer unerschütterlichen Einheit zusammen, so daß ihnen nicht wenige Soundmänner, mit denen man im Studio arbeitet, absolute Jazzqualitäten attestieren. Mit ihrem einzigartigen musikalischen Gewand kleidet sich ein ebenso ungewöhnlicher Sänger: Franz Herde. Nicht nur, weil er fast doppelt so alt ist wie seine Mitmusiker, sondern vor allem durch seinen trockenen, oft amelodischen Sprechgesang macht er das Unikat SIEGES EVEN perfekt.

Dies läßt man auf den beiden nächsten Demokassetten spüren: Die »1987 Bootleg Kassette« wird am 28. Februar und 1. März des Jahres 1987 (logo!) aufgenommen, und am 3. und 4. Januar des folgenden Jahres verwirklichen SIEGES EVEN mit »Repression And Resistance« ihr Meisterstück der Demonstration. SIEGES EVEN sind nun die unumstrittenen Könige des deutschen Progressives (wenngleich man die Musik damals als Techno Thrash tituliert) - ohne daß sie eine Platte vorweisen können. Zwar müssen sie sich mit WATCHTOWER-Vergleichen rumplagen, was aber einzig darin begründet liegt, daß damals keine andere Band das gleiche spieltechnische Level erreicht. Dementsprechend gelassen bezieht Oliver zu diesen Vergleichen Stellung: "Du wirst immer Paralellen [sic!] finden, wenn Du sie nur suchst. [...] Wir haben unsere eigene musikalische Identität. [...] Ich finde es aber dennoch schön, wenn man uns mit einer so kreativen Band auf eine Stufe stellt, denn dann weiß man, wofür man stundenlang jeden Tag intensiv arbeitet." [Quelle: UNDERGROUND EMPIRE Nr.2, S.62]

Der Deal läßt nicht lange auf sich warten: Kurz nach der Veröffentlichung von »Repression And Resistance« schickt die Hannoveraner Company SPV SIEGES EVEN unter der Federführung von Kalle Trapp ins Studio, um »Lifecycle« zu produzieren. Dabei nehmen die Münchner vornehmlich ihre Demosongs in überarbeiteten Versionen auf und schaffen ein Stück Vinyl, das zu den Grundpfeilern der progressiven Muse zu zählen ist. Während Eingeweihte völlig aus dem Häuschen sind, gibt es ebensoviel Unverständnis, da SIEGES EVEN etwas völlig Neuartiges bieten.

Musikalisch ist »Lifecycle« ein komplexes Erlebnis, dem ein durchdachtes Konzept gegenübersteht, das sich auf dem Cover visuell darstellt: Herz und Gehirn werden mittels einer Schaltplanes miteinander verbunden. Man kritisiert damit "die Pervertierung der Entwicklung des Menschen und seiner Gesellschaft [...] im technologischen Zeitalter. [...] Denken und Handeln wird [sic!] vom reinen Egoismus bestimmt, der wiederum sich dem Diktat des eiskalten Materialismus verschreibt," so Oliver. [Quelle: UNDERGROUND EMPIRE Nr.1, S.61]

Hat man mit dem Debut schon eine extraordinäre Leistung vollbracht, hält dies das Quartett nicht davon ab, für ihren nächsten Rundling einen Quantensprung zu wagen: »Steps« vollzieht wahrhaft Schritte en masse in unbekanntes Territorium und die 1990er Platte wird ein formvollendetes Kunstwerk. Die Songs fallen noch anspruchsvoller aus, werden von einer durchgehenden Klangfarbe belebt und finden ihren Gipfel in »Tangerine Windows Of Solace«: Die 25-Minuten-Nummer wird durch ein Thema zusammengehalten, das in allen erdenklichen Variationen wiederkehrt. Doch auch der äußere Rahmen ist perfekt: Das Klappcover beherbergt das Kunstwerk "Schritte" der Schweizer Künstlerin Margot Gäfgen und verleiht »Steps« Perfektion.

Dennoch bricht die Urbesetzung von SIEGES EVEN auseinander: Waren schon vor der Veröffentlichung von »Steps« Gerüchte zu hören, Franz sei nicht weiter ein Bestandteil von SIEGES EVEN, so markiert sein Weggang im Sommer 1991 die erste Zäsur in der Bandhistory.

Doch aus der Zwangspause kommen SIEGES EVEN erfrischt zurück: In Jogi Kaiser haben sie einen charismatischen Sänger gefunden, der eine ganz neue Seite von SIEGES EVEN ins rechte Licht rückt. Die dritte Scheibe »A Sense Of Change« wird im Herbst 1991 ihrem Titel voll und ganz gerecht: Zwar ist der instrumentale Part nach wie vor enorm komplex, doch Jogis Melodielinien geben SIEGES EVEN easy-listening-Qualitäten. Nie zuvor schien es derart unmöglich herauszufinden, wer die Gänsehaut verschuldet: die instrumentalen Eskapaden wie in ›The Waking Hours‹ oder die unvergleichliche Gesangsmelodie wie in ›Change Of Seasons‹. Der Ohrwurm-Prog ist geboren!

Ebenso finden SIEGES EVEN, deren letzte Auftritte in ihrer Demophase zu suchen sind, den Weg auf die Bühne zurück: Im Wiesbadener Live-Club "Rough", der von Jogis Bruder Michael (ehemals Drummer der Mainzer Hard Rock-Hoffnung ROUGH, die in "Heavy Metal Made In Germany, Vol. 2" abgehandelt werden) geleitet wird, geben sie nach Veröffentlichung des Albums ein denkwürdiges Konzert und beweisen, daß technische Perfektion zu einem prickelnden Live-Erlebnis werden kann.

Doch dies ist zugleich das Ende der zweiten SIEGES EVEN-Saison: Jogi beschließt, sich in Zukunft wieder ausschließlich seiner großen Leidenschaft, dem Theater und dem Musical, zu widmen. Es zieht einige Zeit ins Land bis im Sommer 1992 auch Gitarrist Markus seinen Ausstieg verkündet, um ein Musikstudium an der Münchner Uni anzustreben. Doch er widmet sich dabei keineswegs der Gitarre, sondern der Klarinette.

Es liegt also an den beiden Holzwarth-Brüdern, SIEGES EVEN weiterzuführen. Doch es dauert bis 1994, bis man in Form des »What's Progressive?«-Demos ein neues Lebenszeichen erklingen läßt. Bei Wolfgang Zenk, Dozent am Münchner Gitarreninstitut, finden sie die Saitenkünste, die ihren Ansprüchen genügen, und in dem Amerikaner Greg Keller verpflichtet man zudem einen ausdrucksstarken Frontmann. Von den drei Demosongs, die am 4.8. live (!) im Studio aufgezeichnet werden, macht ›Dreamer‹ am deutlichsten, daß SIEGES EVEN erneut in ein neues Stadium ihrer Entwicklung eingetreten sind: Vor einem gut durchgewirbelten Background wird eine mitreißende Melodielinie aufgespannt - verführerischer als ein Engel im fahlen Mondlicht.

SIEGES EVEN erhalten 1995 einen Deal bei UNDER SIEGE RECORDS. Die Firma wird von Stefan Bauerfeind, Bruder des angehenden Top-Producers Charlie Bauerfeind, gestartet. SIEGES EVEN hatten bereits für die letzten beiden Scheiben mit ihm gearbeitet, so daß Charlie im Handumdrehen mit einem homogenen Mix dafür sorgt, daß das nächste SIEGES EVEN-Scheibchen »Sophisticated« alle neuerworbenen Fähigkeiten voll ausspielen kann: rockig und flott groovt man progressiv dahin, wie es die Welt nie zuvor gesehen hat.

Da sich das Line-up gefestigt hat (und zusätzlich durch Gregs Bruder Börk an den Keyboards verstärkt wird), können SIEGES EVEN schnurstracks die Produktion ihrer nächsten Scheibe »Uneven« ansteuern, die 1997 den begonnenen Weg konsequent fortsetzt. Anschließend geht die Band gar zum ersten Mal auf Deutschlandtour. Die angedachte Livescheibe soll jedoch nicht in die Tat umgesetzt werden, da es zuvor zu einem Bruch mit dem Label kommt.

Es wird erneut still um SIEGES EVEN, doch nach längerer Pause kündigt man für November 1998 eine Promo-CD an, mit der ein neuer Deal gesichert werden soll. Doch die CD wird nie stattfinden und letztlich kommt alles anders: SIEGES EVEN werden gleichzeitig zu Grabe getragen und wiedergeboren. Das originale Instrumentaltrio von SIEGES EVEN findet wieder zusammen: Markus Steffen, Oliver und Alex Holzwarth stellen sich noch ohne Sänger via Internet unter ihrem neuen Namen LOOKING-GLASS SELF vor und bieten auf ihrer Homepage einen kostenlosen Download der Neukomposition ›Stigmata‹ an. Noch filigraner als in der Vergangenheit leitet dieser Song ein neues Kapitel in der Bandgeschichte ein: Der Kreis ist geschlossen und mit einem Sensationssänger, der zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht öffentlich bekanntgegeben werden darf, beginnt die Reise von neuem.


Stefan Glas

LPs:

»Lifecycle« Steamhammer 1988
»Steps« Steamhammer 1990

CDs:

»Lifecycle« Steamhammer 1988
»Steps« Steamhammer 1990
»A Sense Of Change« Steamhammer 1991
»Sophisticated« Under Siege Records 1995
»Uneven« Under Siege Records 1997

 


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