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”Y-Files”-Datasheet

Contents:  PAYNE'S GRAY-Special

Date:  19.09.2000 (created), 19.07.2022 (revisited), 19.07.2022 (updated)

Origin:  IRON PAGES-Verlag

Status:  unreleased

Reason:  medium missing

Task:  revise

Comment:

Dieser Artikel gibt natürlich nur den Stand der Dinge bis zur Mitte des Jahres 2000 wider, als ich ihn verfaßte. Er ist einer von vielen Texten, die ich für weitere geplante Bücher im IRON PAGES-Verlag geschrieben hatte, die aber nicht veröffentlicht wurden. Dies traf auch auf zwei Beiträge zu, die ich stattdessen in der Online-Version platzierte: ADRAMELCH ("Cult Complete"-Artikel in ONLINE EMPIRE 4) und ARC ANGEL ("Cult Complete"-Artikel in ONLINE EMPIRE 7). Daher verbleiben nun nur noch ETERNITY X, PAYNE'S GRAY, SIEGES EVEN, TIME MACHINE, WITCHSLAYER und XERXES, die wiederbelebt werden müssen.

Manchmal ist es dabei schwer einzuordnen, ob sie für "US Metal Vol. 4", "Heavy Metal Made In Germany Vol. 2" oder das angedachte Buch über Progressive Metal entstanden, da mehrere Bands in mehr als einem Buch gut untergebracht gewesen wären.


Im Falle von PAYNE'S GRAY war es wohl das Progressive Metal-Buch gewesen, für das der Text entstand, doch prinzipiell hätte er auch in "Heavy Metal Made In Germany Vol. 2" stehen können.

Bei PAYNE'S GRAY war es schwierig, ein Line-up anzugeben, da selbiges sich bei der Band oft änderte; ein deutlicher Ausweis dafür, daß die Band stets mit sich selbst und für ihre Kunst kämpfte. Daher hatte ich auch den IRON PAGES-Mitarbeitern folgendes mit auf den Weg gegeben: Ich habe das meiner Meinung nach wichtigste Line-up aufgeführt; falls dies nicht erwünscht ist, meldet Euch bitte nochmal und sagt, welches Line-up (aus welcher Phase) Ihr wollt.

Supervisor:  Stefan Glas

 
 

Payne's Gray

Hagen Schmidt (v)
Haluk Balikci (v)
Jan Schröder (g, f)
Martin Mannhardt (b)
Tomek Turek (k)
Daniel Hermann (d)

Die Historie von PAYNE'S GRAY ist eine mustergültige Vorlage für das Schicksal vieler Progbands in Deutschland: Die überragende Klangkunst stand ohnmächtig maßloser Ignoranz auf Seiten des Publikums gegenüber. Doch PAYNE'S GRAY schienen sich berufen zu fühlen, dieses Prinzip bis zur Perfektion auszufeilen.

Doch der Weg zur musikalischen Extraklasse ist lang und die Anfänge düster: Bereits im Januar 1989 bringen Hagen Schmidt (v) und Martin Mannhardt (b, der sich anfangs noch mit dem Künstlernamen Marty M. Dee schmückt) das Herz der Band zum Schlagen und entlehnen ihren Namen dem Buch "Quiet Days In Clichy" von Henry Miller. Sie beginnen die Suche nach Mitstreitern und finden in dem Koreaner Jan Schröder einen Gitarristen. Ein Drummer mit Namen Andreas Nolte, der einen befreundeten Keyboarder im Schlepptau hat, vervollständigt das erste Line-up. Als man nun endlich so weit ist, einige Songs aufzunehmen, wird daraus eine ernüchternde Erfahrung: "Es war ein dilettantisches Studio, das eigentlich kein Studio war, sondern ein Wohnzimmer und ein Kellerraum." erinnert sich Hagen. "Zwillinge, die beim Südwestfunk arbeiteten, haben die Aufnahmen geleitet, und es war absolut fürchterlich, weil man nie wußte, mit wem man gerade arbeitete." Daher wird das »Firstborn«-Tape nie veröffentlicht, sondern man hakt die Session unter dem Stichpunkt "Lehrstunde" ab.

Daraus erwachsen definitiv viele gute Vorsätze für die nächsten Aufnahmen, denn das erste "richtige" Demo »Of Tyrants And Reflections« erscheint 1990 und wird ein exzellentes Tape. Zwar widmet man sich noch dem normalen, melodischen Heavy Metal, doch die kompositorische Kompetenz der Karlsruher tritt deutlich zutage. Zuvor hatte man sich jedoch von seinem Tastenkünstler verabschiedet und stattdessen in Pascal Heberling einen zweiten Gitarristen in die Band geholt - ein weiterer Grund, weshalb das Demo vergleichsweise heavy ausfällt.

Bevor man ein weiteres Mal ins Studio geht, durchlaufen PAYNE'S GRAY erneut einige Besetzungswechsel: Axel Baudendistel wird neuer Drummer, und in dem Polen Tomek Turek findet man einen exzellenten Keyboarder, der einen kreativen Schub auslöst. Überhaupt haben PAYNE'S GRAY während ihrer wechselhaften Karriere nur selten ein stabiles Line-up. Die beiden Gründer Hagen und Martin bilden stets das Rückgrat der Band, der restliche Körper befindet sich in beständigem Wandel. "Die Musik, die wir machen, erfordert sehr viel Zeit, die freiwillig investiert werden muß. Wenn es nicht mehr geht, dann ist es besser, wenn man es nicht erzwingt," erklärt Hagen. Oft scheint es, als könnten sie ihrem Ideal "PAYNE'S GRAY" niemals nahekommen. Doch: "Ich habe den Willen, so lange zu suchen, bis wir das Richtige gefunden haben", so Hagen weiter. Daher wird die Karriere von PAYNE'S GRAY eine permanente Suche nach Mitmusikern, die harmonieren. Nicht nur, weil sie stets exzellente, gereifte Musiker vereinen, klingen PAYNE'S GRAY in jeder Phase aufregend anders, sondern auch, weil die Band stets international besetzt ist und von ihrem multikulturellen Background unterschiedliche Einflüsse ableiten: Sänger Hagen ist Franzose, Jan Koreaner, Tomek Pole, und es werden noch etliche Musiker mit unterschiedlichen Nationalitäten zur Band stoßen.

So zieht das 1991er Demo »Infinity« Energie aus dem neugewonnenen Duell zwischen Gitarrist Jan und Keyboarder Tomek: Ähnlich wie DEEP PURPLEs Kampfhähne Blackmore/Lord stacheln sich die beiden stets zu neuen kreativen Explosionen an und tragen dazu bei, daß »Infinity« eine der besten deutschen Demoproduktionen wird.

Doch bevor das nächste Kapitel in Angriff genommen werden kann, sind bei der Karlsruher Formation erneut etliche Umbesetzungen fällig: Jan entschließt sich, in München ein Gitarreninstitut zu besuchen und erklärt daher seinen Ausstieg. Auch Tomek findet nicht mehr genügend Zeit, sich PAYNE'S GRAY zu widmen. Zudem trennt man sich von einigen Musikern, die man erst kurz zuvor erst verpflichtet hatte: der Serbe Radivoj Petrovic (g), Christophe Zahnleiter (g, k) und Drummer Marco Müller (Marco steigt bei DESTINY DREAMING ein, mit denen er nach zwei vielversprechenden Demos das sehr gute Debut »Water Breaks Stone« veröffentlicht. Seit dem Release im Jahre 1998 ist es jedoch verdächtig still um die Karlsruher geblieben). PAYNE'S GRAY sind also wieder auf ihre Keimzelle reduziert, die sowohl alte als auch neue Blüten hervorbringen wird: In dem Türken Haluk Balikci engagieren PAYNE'S GRAY einen zweiten Sänger, und Daniel Hermann wird der neue Drummer. Tomek und Jan haben in der Zwischenzeit ihre anderweitigen Aktivitäten abgeschlossen und kehren zur Band zurück.

In ihrer kreativsten Besetzung nehmen PAYNE'S GRAY 1995 "Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath", das exzentrischste Werk des Kultautors H.P. Lovecraft, und entschlüsseln es auf musikalischem Wege: »Kadath Decoded«. Lovecraft, oft oberflächlich als reiner Horrorautor eingeordnet, halluziniert in diesem, seinem ausgereiftesten Werk die Suche von Randolph Carter nach den Wurzeln seiner Existenz. Lovecraft läßt mit farbschwangeren Worten fiebrige Visionen entstehen, deren Sog man sich nicht entziehen kann.

PAYNE'S GRAY zeichnen mit ihrer Kompositionskunst die Traumsuche von Randolph Carter nach: Von seinen drei Träumen über die Stadt im Sonnenuntergang, die ihn nicht mehr losläßt (›Dream Sequence‹, ›Sunset City‹), so daß er sich auf die schier endlose, gefahrvolle Suche nach ihr macht (›The Cavern Of The Flame‹, ›Moonlight Waters‹, ›Procession‹, ›A Hymn To The Cats‹, ›The Way To Ngranek‹, ›Within The Vault‹). Doch erst als er den Sitz der Götter auf dem unbekannten Kadath erreicht (›Reaching Kadath‹), kommt er der Antwort ein Stück näher: Nyarlathotep, der Bote der Götter, gestattet ihm den Ritt auf dem Fabelwesen Shantak (›Nyarlathotep's Reception‹, ›Riding The Shantak‹), so daß Carter dank seiner Intuition die Stadt im Sonnenuntergang erreichen kann. So findet er heraus, warum sie solch‘ eine immense Bedeutung für ihn hat (›Finale: Sunset City Part 2‹).

Leider können PAYNE'S GRAY »Kadath Decoded« nicht in dem Umfang realisieren, der ihnen vorschwebt: "Mein Vater ist Galerist, und er wollte [...] eine Mappe mit Originalkunstdrucken, die diese Geschichte interpretieren, zusammenstellen," so Hagen. Es hätte sollen ein Package mit CD, Buch und besagten Drucken zusammengestellt werden. Doch es erscheint nur eine "normale" CD, die neben der vollkommenen musikalischen Performance durch ein überragendes Artwork des Hamburger Künstlers Michael Bähre glänzt und durch Linernotes von Eddi Ambrozi, ehemals Herausgeber des Fanzines GIANTS LORE, abgerundet wird.

Dies feiern PAYNE'S GRAY mit einer CD-Präsentation in Karlsruhe und geben dabei bekannt, daß Tomek erneut die Band verlassen wird, um anderen musikalischen Verpflichtungen nachkommen zu können. In Michael Ehninger, der bis dato mit seinem Projekt SYNERGETIC DIVERSITY und der 1995er CD »Gallery« auf sich aufmerksam gemacht hatte, findet man einen Ersatz, der sich bei PAYNE'S GRAY aber bald wieder zurückzieht. Während man sich hauptsächlich mit Einzelgigs durch die Lande schlagen muß, darf man im Herbst 1996 ohne die Unterstützung einer Plattenfirma die kalifornischen Prog-Prinzen PSYCHOTIC WALTZ auf deren Deutschlandtour supporten. In Rüdiger Blank von TALIESYN finden PAYNE'S GRAY für die Tour einen Ersatz am Keyboard, der schließlich zu einem festen Bandmitglied werden soll.

In der Zwischenzeit startet Haluk ein Projekt namens NARCISS und veröffentlicht ein Demo mit dem Titel »The White Ship«, das aufgrund der Studiotechnik recht unterkühlt klingt, aber musikalisch eine ähnliche Gangart wie PAYNE'S GRAY vorlegt.

Während sich mancheiner schon nach der Veröffentlichung von »Kadath Decoded« fragt, ob dieses Level nochmal zu erreichen sei, ereilt die Band ein Schicksalsschlag: Sänger Haluk hat einen Unfall, bei dem er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma davonträgt. Leider hinterläßt der Unfall unauslöschliche Spuren, und Haluk ist seither wesensverändert.

Ohne zu wissen, ob Haluk jemals wieder der "alte" sein wird, ist es für PAYNE'S GRAY dennoch klar, daß er jederzeit seine Position wieder übernehmen könnte. Doch der Verlust hat PAYNE'S GRAY tief getroffen. Zwar versucht man, den alten Schwung zurückzugewinnen, doch die Band scheint ausgepowert. Man nimmt lediglich im Januar 1998 den Song ›The Peak‹ auf, der auf einer Compilation des Fanzines JESTER'S NEWS erscheinen soll. Doch der Sampler-Silberling wird nie erscheinen, so daß der Song lediglich beim letzten PAYNE'S GRAY-Projekt Verwendung findet: Im Frühjahr 1999 veröffentlicht man das Fabeldemo »Infinity« auf CD und packt ›The Peak‹ als Bonusstück mit dazu.

Kurz darauf brechen PAYNE'S GRAY die Aufnahmen zum nächsten Album »Anatomy« ab und verkünden gegen Jahresende ihre Auflösung; dennoch sind Restexemplare der beiden CDs »Kadath Decoded« für 28 Mark und »Infinity« für 15 Mark (jeweils plus 3,- DM Porto) weiterhin bei

erhältlich. Es scheint, als sei ihnen die Kraft ausgegangen, gegen alle Widrigkeiten anzukämpfen, die sich immer und immer wieder meterhoch vor ihnen aufgetürmt hatten. Es erscheint wie ein Wunder, daß sie dennoch ein unsterbliches Album wie »Kadath Decoded« zur Existenz getrieben haben, das trotz seines Status als Underground-Publikation mehr bewirkt hat, als alle gut verkauften Fließbandproduktionen unserer Tage. Nicht nur mein Leben wäre um etliche Emotionen ärmer, wenn ich »Kadath Decoded« nie kennengelernt hätte. [Quelle für alle Zitate: Underground Empire Nr.7, S. 145ff]


Stefan Glas

CDs:

»Kadath Decoded« Private Pressing 1995
»Infinity« Private Pressing 1999 (previously released as a demotape in 1991; but CD with bonustrack)

 


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