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”Y-Files”-Datasheet

Contents:  HEADCRASH-Interview

Date:  17.03.1998 (created), 07.07.2022 (revisited), 07.07.2022 (updated)

Origin:  FEEDBACK

Status:  published

Task:  from paper to screen

Comment:

Ich halte »Lifeboat« bis heute für eines der besten Experimente, die in den Neunzigern gemacht wurden. Die Platte klingt auch heute noch durch und durch fesselnd. Da ich von Anfang an schwerstens begeistert von der Platte war, nahm ich nur zu gerne das Angebot an, die Titelstory für diese FEEDBACK-Ausgabe zu basteln. Der Talk mit den Musikern fand dann ganz stilecht in der verranzten Lautrer Kneipe "Benderhof" statt, in der es am hellichten Tag so stockdunkel wie in einem Bierfaß war...

Supervisor:  Stefan Glas

 
 

HEADCRASH-Logo

Es gibt mannigfaltige Gründe, weshalb HEADCRASH einen Schädel spalten können: Zum einen zwingt ihr manischer Grrrrroove zum Auf- und Abspringen bis zum hysterischen Mitschreien, daß das selbst der robusteste Schädel nicht aushalten kann. Zum anderen ist die Musik so unglaublich heavy, daß einem das Verlangen übermannt, das am weitesten nördlich gelegene Körperteil in bester Headbangermanier mit der Wand zu vereinen.
Diese Vielseitigkeit der Musik bereitet nun auch den HEADCRASHern Roger und Allan Kopfzerbrechen.

HEADCRASH-Headline

Roger: Wir alle hören superviele verschiedene Stile. Daher ist unser Horizont offen für alle möglichen Musikarten. Wir haben unser Spektrum in den letzten Jahren erweitert, aber zugleich mehr auf den Punkt gebracht.

Das Vermischen verschiedener Stilrichtungen ist derzeit durchaus trendy. Das legt die Vermutung nahe, HEADCRASH würden versuchen, sich einem Trend anzubiedern.

Roger: Auf keinen Fall, denn wir haben bereits zu einer Zeit begonnen, als Crossover geprägt wurde und der Stil quasi noch nicht existent war. Wir waren für die deutsche Szene sozusagen einer der Wegbereiter für den Crossover. Zudem befinden sich auf unserer neuen Platte »Lifeboat« eine Menge Sachen, die nicht massenkompatibel sind. Wenn es nach der Plattenfirma gegangen wäre, hätten wir mindestens drei Songs mit Singlecharakter schreiben sollen: schön soft, ohne Ecken und Kanten, kein Geschrei und keine bösen Worte. Ich denke wir fahren genau den richtigen Kurs: nicht zuviel Hardcore und nicht zuviel Tekkno.

Die alten Platten waren Fast Food - »Lifeboat« ist viel intensiver!

HEADCRASH haben vor Jahren als Tekkno-Projekt begonnen, bei dem die Songs mit technischen Hilfsmitteln zusammenprogrammiert wurden. Von diesen Wurzeln hat sich die Band meilenweit entfernt.

Allen: Es sind wichtige neue Mitglieder hinzugekommen, und das hat die Schwerpunkte verlagert. Die ersten Songs wurden aus der Sicht eines Keyboarders und Programmierers komponiert. Mittlerweile sind unsere beiden Gitarristen Roger und Herwig die Hauptsongwriter, und die Keyboards und die Effekte werden erst später hinzugefügt. Wir sind froh, daß es heute so abläuft, denn es hat sich herausgestellt, daß das die beste Vorgehensweise für HEADCRASH ist.

HEADCRASH-Bandphoto 1

Roger, wie kam es, daß Du, der bei SPERMBIRDS oder ARTS & DECAY gespielt hatte, bei HEADCRASH eingestiegen bist, die damals noch ein sehr tekknolastiges Projekt waren.

Roger: Lange Zeit waren SPERMBIRDS, WALTER ELF und ARTS & DECAY die Lautrer "Schlachtrösser". Nach deren Splits gab es ein Vakuum. Dann tauchten plötzlich HEADCRASH mit der »Scapegoat«-EP und einem ganz anderen Sound auf. Die Band stellte eindeutig eine Bereicherung dar. Ich war daher sehr stolz drauf, daß Herwig mich fragte, ob ich bei ihnen mitmachen will. Ich denke, daß HEADCRASH nicht so weit von dem, was ich zuvor gemacht hatte, entfernt waren.
Meine ursprünglichen Roots sind bei den DOORS, Frank Zappa, Jimi Hendrix oder QUEEN zu suchen. Mein Ziel war es immer, möglichst emotionale Musik zu machen, ohne mich dabei auf einen Stil festzulegen. Ich hätte zum Beispiel kein Problem damit, deutschen Pop zu machen, sofern er Tiefgang hat und intelligent ist. Ich glaube auch, daß HEADCRASH in stilistischer Hinsicht noch lange nicht ausgeschöpft sind und daß wir in Zukunft unser Spektrum noch deutlich erweitern werden.

Mein Ziel war es immer, möglichst emotionale Musik zu machen.

Ihr habt nun zum zweiten Mal mit Tommy Newton produziert, der bis dato hauptsächlich mit Metalbands gearbeitet hat. Wie kommt es, daß die Chemie Newton/HEADCRASH funktioniert hat?

Allen: Wir wollten den bestmöglichen Sound, und Tommy arbeitete mit uns an dieser Platte wie ein Besessener. Tommy möchte in Zukunft unterschiedliche Bands produzieren und von dem Ruf, ein reiner Metalproduzent zu sein, loskommen. Als ich vierzehn Jahre alt war, stand ich total auf HELLOWEEN, und ich fand es total cool, mit deren ehemaligen Produzenten zu arbeiten.

Roger: Die Wahl des Produzenten ist im Grunde immer ein Lotteriespiel. Der Produzent, mit dem wir »Overdose On Tradition« einspielten, hätte theoretisch viel mehr mit unserer Musik anfangen können. Er hat es aber nicht verstanden, die Härte, die wir uns wünschten, auf das Album zu bringen. Tommy hingegen hat das vorzüglich gemacht. Zudem ist er selbst Gitarrist, was für mich und Herwig eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit bedeutete.

Roger, bei SPERMBIRDS oder ARTS & DECAY hast Du Erfahrungen mit kleinen Indie-Plattenfirmen wie X-MIST oder WE BITE gesammelt. HEADCRASH stehen bei SONY MUSIC ENTERTAINMENT unter Vertrag. Früher war ein Deal mit einem Major in der Punk/Hardcore-Szene völlig verpönt.

X-MIST hatten nie die Intention, möglichst viele Platten zu verkaufen, sondern wollten Bands veröffentlichen, die ihnen gefallen. Daß SPERMBIRDS ohne Promo mehrere zehntausend Platten verkauft haben, war ein Glücksfall für die Band und das Label. Andererseits haben diese kleinen Firmen nicht die besten Möglichkeiten. Wir hatten mit SPERMBIRDS endlos Streß mit ausländischen Lizenznehmern: Für die 2.000 Platten, die die Firma FULL CIRCLE in England verkauft hat, haben wir beispielsweise nie Kohle gesehen. Ähnliche Sachen sind desöfteren passiert. Bei einem Major wird das nie passieren, weil die fünf Rechtsanwälte haben.

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

HEADCRASH im Überblick:
HEADCRASH – Lifeboat (Rundling-Review von 2000 aus Online Empire 2)
HEADCRASH – Scapegoat (Rundling-Review von 1994 aus Underground Empire 7)
HEADCRASH – Feedback 39-Interview (aus dem Jahr 1998)
HEADCRASH – Online Empire 10-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2002)
HEADCRASH – Online Empire 25-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2005)
HEADCRASH – News vom 04.11.2013
Playlist: HEADCRASH-Album »Lifeboat« in "Jahrescharts 1998" auf Platz 6 von Stefan Glas
Playlist: HEADCRASH-Demo-CD »2002« in "Playlist Heavy, oder was!? 62" auf Platz 2 von Stefan Glas
Playlist: HEADCRASH-Liveshow Kaiserslautern, Fillmore 28.12.2001 in "Jahrescharts 2001" auf Platz 4 von Stefan Glas
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