Y-Files-Datasheet |
Contents: CHASTAIN-Interview |
Date: 1995 (created), 04.05.2022 (revisited), 04.05.2022 (updated) |
Origin: post-UNDERGROUND EMPIRE 7 |
Status: unreleased |
Reason: medium missing |
Task: revitalize |
Comment: Mittlerweile ist UNDERGROUND EMPIRE 7 komplett online, so daß wir uns nun den Beiträgen zuwenden, die bereits für die Nachfolgeausgabe entstanden waren. Da diese nie erscheinen sollte, blieben diese Texte bislang unveröffentlicht; lediglich einige wurden für die frühen Online-Ausgaben verwendet. Daß aber wir auch nach UNDERGROUND EMPIRE 7 fleißig waren, zeigen diese Artikel, die nun auf diesem Weg veröffentlicht werden; darunter befinden sich allerdings auch einige Fragmente, die in ihrem unvollständigen Zustand wiederbelebt werden, um einen möglichst genauen Eindruck davon zu vermitteln, wie UNDERGROUND EMPIRE 8 hätte aussehen sollen.
Das Interview fand im Rahmen der Promotour zur damals aktuellen CHASTAIN-Platte »Sick Society« in der Rockfabrik Ludwigsburg statt, so daß man die Hauptdarsteller auch photographisch aufs Korn nehmen konnte. Ein kleiner Teil des Tetxtes wurde fürs ROCK HARD verwendet und die Komplettversion hätte sollen in UNDERGROUND EMPIRE 8 erscheinen. Daher also an dieser Stelle das vollständige Gesprächsprotokoll. Allerdings stand eine Veröffentlichung der Story mangels der entsprechenden UE-Papierausgabe eben nie an, so daß ich auch nie eine Einleitung verfaßte. Das liegt vor allem daran, daß es schwierig ist, zwei ganz unterschiedliche Einleitungen zu verfassen, denn fürs ROCK HARD hatte ich eben schon eine solche geschrieben. |
Supervisor: Stefan Glas |
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Eine Erklärung zur ungewöhnlichen Form dieses Artikels ↑
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David, am Anfang Deiner Karriere waren pro Jahr mindestens ein bis zwei Alben angesagt. Seit 1990 plötzlich bist Du regelrecht faul geworden und hast nur zwei Soloalben plus ein Projektalbum mit Michael Harris veröffentlicht. Was hat Dich gebremst?
David: Zunächst möchte ich mal vorausschicken, daß ich alle meine früheren Produkte für gute Alben hielt, auch wenn die man Klagen hörte, es sei zu viel gewesen. Damals hatte ich zwei Full-Time-Bands, CJSS und CHASTAIN, die natürlich beide Alben veröffentlichen wollten. Zudem gehen die meisten Bands nach einer Albumveröffentlichung monatelang auf Tour, wir jedoch spielten maximal acht Wochen Livegigs, und so hatte ich zehn Monate des Jahres für das Songwriting zur Verfügung. Es kam noch hinzu, daß ich ein eigenes Studio hatte, was das Aufnehmen deutlich erleichterte. Langsam aber sicher schlief das CJSS-Projekt ein, und um das Jahr 1990 kamen auch CHASTAIN an den Punkt, an dem es keinen rechten Spaß mehr machte. Ich suchte einige Jahre erfolglos nach einem männlichen Sänger für die neuen CHASTAIN, bis ich schließlich Kate traf und sie mir ein Tape gab. Kate gab mir meinen Enthusiasmus für eine neue Gesangsplatte zurück.
David, eine Frage unter Männern. Wie findet man eine solche tolle Frau, die nicht nur unglaublich toll aussieht, sondern zugleich noch eine dermaßen faszinierende Stimme mitbringt?
David: Ich war eigentlich nicht unbedingt auf der Suche nach einer Sängerin, aber weibliche Stimmen haben mich schon immer stark angesprochen.
War Kate ein Grund, CHASTAIN wieder aufleben zu lassen?
David: Ich hatte zwar mit dem Gedanken gespielt, ein weiteres Projekt mit Gesang anzustreben, das aber unter einem anderen Namen gelaufen wäre. Kates Stimme hat jedoch das Kaliber, das auch Leather zu bieten hatte. Kate wird jedoch noch mehr Leute ansprechen, weil sie attraktiver als Leather ist. Zudem ging Leather mit der Stimme oft extrem hoch, was die Leute eher abgeschreckt hat...
Kate: Er hat mir alle Höhen untersagt! Obwohl ich definitiv auch hoch singen kann. Aber wußtest Du, daß David auch gut singen kann? Er hat eine Tour in Mexiko selbst gesungen!
David: Glaub' ihr nicht, es war schrecklich. Ich habe eine total monotone, dissonante Stimme.
Kate, wie bist Du über David gestolpert?
Kate: Ich habe ihn beim "Foundations Forum" getroffen. Ich mochte die Musik von CHASTAIN und habe David angebetet... Ich sang damals bei einem All-Girl-Projekt, und wir hatten Kontakte zu Mike Varney geknüpft. Wir spielten Mosh, wir waren extrem heavy, stellenweise nahezu Death Metal-mäßig. Das Projekt hatte noch keinen Namen und zudem konnten wir nie die passende Gitarristin finden. Daher war Davids Angebot zu verlockend, als daß ich es hätte ablehnen können. Klar, CHASTAIN ist Davids Projekt, und ich muß tun, was er will. Ich hätte viel lieber hoch gesungen. I know I can kick ass when I sing high. Aber ich habe derzeit ein Soloprojekt laufen, in dem ich mehr meine eigenen Vorstellungen verwirklichen kann. Als ich 18 Jahre alt war, hatte ich eine Band namens TANTRUM. Anschließend stieg ich bei VILLAIN ein und übernahm dort die Position von Carl Albert, der zu VICIOUS RUMORS wechselte. Daraufhin nannten sich VILLAIN in ONE BAD APPLE um. Schließlich war ich noch bei MACHINE GUN KELLY. Obwohl alle Bands echt gut waren, gab es immer Probleme, die zu deren Scheitern führte.
Du scheinst Kontakte zu VICIOUS RUMORS zu haben. Was geht bei den Jungs zur Zeit ab?
Kate: Sie haben etliche Sänger getestet, unter anderem auch David Reece von SIRCLE OF SILENCE, der aber nicht gepaßt hat. Ich hatte just for fun auch einige Songs mit ihnen gesungen, und es hat tierisch Spaß gemacht! Sie haben gerade einen Sänger namens Morgan Thorn von Wisconsin eingeflogen. Er ist der Beste, den sie bislang angecheckt haben, und Jeff hat mir gesagt, daß sie sich wahrscheinlich für ihn entscheiden werden. Zudem haben sie einen neuen Gitarristen Steve Smyth, der neben einigen anderen VICIOUS RUMORS-Musikern auch an meinem Soloprojekt beteiligt ist.
Gibt es bei Euch so etwas wie einen Generationskonflikt, schließlich seid Ihr ganz offensichtlich nicht gleichaltrig!
Kate: Oh ja, er behandelt mich wie eine Barbie-Puppe.
Die anschließende Prügelei schließt David mit dem Kommentar ab, daß es bei CHASTAIN keinerlei Kommunikationsprobleme gibt.
Wie bist Du dazu gekommen, so viele Instrumente zu lernen? Das Klischee besagt doch eher, daß hübsche Mädchen davon träumen, Model oder Schauspielerin zu werden!
Kate: Solche Träume hatte ich nie, sondern ich liebe Musik. Als Songwriter ist es notwendig, mehr oder minder alle Instrumente zu beherrschen. Als Kind hatte ich bereits Klavier gelernt, und so kam eines zum anderen. Als ich 17 war, hatte ich einen Freund, der Platten von Al Di Meola, Yngwie Malmsteen und auch CHASTAIN anschleppte. Als ich Leather singen hörte war ich sofort Feuer und Flamme und sagte mir, daß ich so etwas auch auf die Beine stellen könne. So kam ich zum Metal und gründete meine erste Band.
Netter Promospruch oder der cineastische Fall des Fans, der eines Tages neben seinem Idol auf der Bühne stehen darf?
David, man hat Dich immer als guitar hero bezeichnet, und auf Deinen Releases gab es sicher stets eine Menge Platz für Deine Soloausflüge. Völlig anders bei »Sick Society«, die extrem rhythmus-orientiert ist und nie den wild solierenden Gitarrengott aufblitzen läßt.
David: Auf den frühen Alben stand die Gitarre wirklich meist im Rampenlicht. Dadurch wurden etliche Songs aber auch echt kompliziert, und es machte kaum Spaß, sie live zu spielen, weil ich mich zu sehr auf das Griffbrett konzentrieren mußte. Also ging ich dazu über, das Material mit Gesang einfacher zu gestalten. Wenn ich mich austoben will, habe ich ja immer noch mein Soloprojekt.
Offenbart der Titel »Sick Society« den Fatalisten David Chastain?
David: Ich persönlich finde, daß es sehr viele wunderbare Dinge gibt, aber ebenso viele schreckliche Dinge. Laß uns der Wahrheit ins Auge blicken, es gibt heute keinen Tag mehr, an dem nicht in irgendeinem Winkel der Welt ein Krieg stattfindet. Wir nähern uns dem 21. Jahrhundert, und in meiner Heimatstadt Atlanta vergeht kein Tag, an dem kein Mord geschieht. Jeden Tag verhungern 35.000 Kinder auf dieser Welt. Ein Mann wie OJ Simpson tötet zwei Menschen, und weil er berühmt und reich ist, kann er sich die Verteidiger kaufen, die ihn rausboxen. An diesem Tag habe ich mich geschämt, ein Amerikaner zu sein. Ein Mann aus der Gosse wäre im Schnellverfahren zum Tode verurteilt worden. Kate jedoch schreibt ihre Texte auf eine ganz andere Art.
Kate: Meine Texte sind viel persönlicher, basieren teilweise auf eigenen Erfahrungen. ›Violence In Blame‹ beispielsweise handelt von Kindesmißhandlung, davon daß Deine Eltern sich nie wirklich um Dich geschert haben, und hat einen gewissen persönlichen Anstrich. ›Angel Falls‹ handelt von der verzweifelten Suche nach jemandem, der dich liebt, so daß du dich jedem sofort körperlich hingibst, wodurch du nur um so einsamer wirst. Du versuchst, mit Hilfe von Sex Liebe zu gewinnen, und ich habe die Erfahrung gemacht, daß dies nie funktioniert.
Glaubst Du, daß es Dein Aussehen für Dich einfacher macht?
Kate: Klar, ich versuche aus Marketinggründen nett auszusehen, aber letztendlich zählt nur das Talent. Daher glaube ich nicht, daß das Aussehen eine so große Rolle spielt. Wenn die Musik nicht gut ist, wird sich niemand für Dich interessieren.
David, ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als SHRAPNEL RECORDS nahezu gleichzeitig vier Alben veröffentlichte: »Scratch And Scream« von TRAUMA, »No Escape« von HEXX, »Flight Of The Griffin« von GRIFFIN und »Mystery Of Illusion« von CHASTAIN. Die anderen drei Bands kamen unterschiedlich weit, aber heute bist Du der einzige Überlebende. Was ist Dein Geheimnis, Dein Lebenselixir?
David: Das Projekt war um Leather und mich herum aufgebaut. Daher konnten wir die anderen Musiker wechseln, wie wir wollten. Solange wir beide da waren, gab es auch CHASTAIN. Ebenso hockten wir uns nicht ständig auf der Pelle, sondern jeder hatte seine eigenen Projekte neben CHASTAIN. Daher kam es nie an den Punkt, daß wir uns gegenseitig auf die Nerven gingen und uns zu hassen begannen.
Was hat ein David Chastain vor »Mystery Of Illusion« getan?
David: Ursprünglich gab es CHASTAIN nicht, sondern nur CJSS. Mit dieser Band suchten wir 1985 nach einem Deal, und Mike Varney hörte unser Demo. Er war nicht sonderlich begeistert, und er haßte besonders den Sänger, aber er schien an mir interessiert zu sein. Er schlug mir ein Projekt vor, das neu um mich herum aufgebaut werden sollte. So brachte er mich mit Leather zusammen, und wir paßten einfach zusammen. So wurde CHASTAIN komplettiert, um »Mystery Of Illusion« aufzunehmen.
War überhaupt geplant gewesen, daß CHASTAIN länger bestehen sollte oder hätte sollen nur eine einzige LP aufgenommen werden sollen?
David: Die guten Resonanzen auf »Mystery Of Illusion« bestärkten uns, es weiter zu probieren. Da auch »Ruler Of The Wasteland« positiv aufgenommen wurde, lag es nahe, CHASTAIN fortzuführen. Außerdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt genügend über das Business gelernt, daß ich das gleiche tun konnte, was auch SHRAPNEL tat. Also startete ich mit einem Freund LEVIATHAN RECORDS, so daß alle CJSS-Alben und die CHASTAIN-Platten ab »The 7th Of Never« auf unserem eigenen Label erschienen.
Und vor der Episode CJSS/CHASTAIN?
David: Ich spielte in einer Band namens SPIKE, mit der wir eine Platte namens »The Price Of Pleasure« veröffentlichten, zu dem auch einige Videos gedreht wurden, und wir spielten einige Gigs auf der BLACK SABBATH/THE CULT-Tour mit. Davor spielte ich in Atlanta bei TARGET, die vielleicht meine beste Band waren! TARGET bestanden aus erstklassigen Musikern, und ich war bestimmt der schlechteste in der Band. Jedoch muß ich zu meiner Entlastung sagen, daß das bereits 15 Jahre her ist.
Warum wurden CJSS nach zwei Alben einschlafen gelassen?
David: Eigentlich hätte »Voice Of The Cult« ein CJSS-Album werden sollen. Die Stücke waren für CJSS geschrieben worden. Der Sänger von CJSS hatte sich damals jedoch in eine Pfarrerstochter verliebt, die ihn total unter der Knute hatte. Wenn wir einen Gig hatten und ich ihn telefonisch darüber verständigte, mußte er sich immer erst die Erlaubnis von ihr holen. Irgendwann war mir diese Situation zu dumm geworden, was quasi das Schicksal von CJSS besiegelte. Offiziell haben sich CJSS nie aufgelöst. Wir kamen sogar später nochmal zusammen, um ein Album aufzunehmen, das ich aber nie veröffentlichte, weil ich mit dem Material nicht zufrieden war. Unseren letzten Gig spielten wir, glaube ich 1992.
Warum haben sich 1990 die Wege von Dir und Leather getrennt?
David: Wir spielten damals eine lange Tour, und - wie ich zuvor schon gesagt habe - ich hatte etwas den Spaß an diesem komplizierten Material verloren. So konzentrierte ich mich auf das Instrumentalmaterial und spielte zudem mit dem ARCH RIVAL-Gitaristen Michael Harris eine kurze Tour, aus der das COUNTERPOINT-Album resultierte. Irgendwann kriegte ich einen Brief von Leather, in der sie fragte, ob wir ein weiteres Album aufnehmen würden. Für mich war diese Konstellation jedoch ausgereizt, und ich hielt die ganze Zeit Ausschau nach einem Sänger für ein neues Projekt mit Gesang. Dabei war ich rundum erfolglos, bis ich Kate traf und ich wußte, daß ich mit ihr den Namen CHASTAIN wieder aufleben lassen konnte, weil Fans von Leather auch ihre Stimme mögen würden.
Warum hat man seither nichts mehr von Leather gehört? Schließlich hatte sie doch schon 1989 ein Soloalbum namens »Shock Waves« veröffentlicht.
David: Ich habe leider auch schon einige Monate nichts mehr von Leather gehört, aber ich weiß, daß sie eigentlich immer auf der Suche nach einem neuen Projekt war, jedoch nie das Passende gefunden hat. Sie hat alle möglichen Jobs getan und hat sich zusammen mit ihrem Freund ein Haus gekauft. Leather hatte eigentlich immer ihre Kolleginnen im Blickfeld gehabt, die als Solokünstlerinnen mehr im Rampenlicht standen und mehr Presse erhielten. Also war der Weg zur Idee einer Soloplatte nicht weit. Ich hatte mich ihr dabei nicht in den Weg gestellt, sondern sogar unterstützt. Ich habe mich gefreut, Ihr helfen zu können. Also schrieb ich die meisten Songs für »Shock Waves«, engagierte Michael Harris als Gitarrist für sie und produzierte die Platte, so daß Leathers Soloalbum fast ein CHASTAIN-Album hätte sein können. Sie war vor CHASTAIN bei einer All-Girl-Band namens RUDE GIRL gewesen, die leider nie ein Album veröffentlicht hatte. Diese Band klang nicht nur total anders als CHASTAIN, sondern auch Leather sang damals noch ganz anders.
Kate, wie hat Dir Leather gefallen?
Kate: Sie ist großartig! Ich glaube, sie ist die beste Sängerin, die ich in meinem Leben gehört habe. Ich glaube sogar, daß sie einen Einfluß für mich darstellte. Es hat Spaß gemacht, "ihre" Songs zu spielen. Ich habe jedoch nie ihre Gesangslinien exakt kopiert, sondern das zu den Songs gesungen, das ich gefühlt habe. Und - ich durfte dabei auch mal hoch singen, weil Leather sehr oft hoch gesungen hat.
David: Du hättest es erleben sollen! Als sie in die höchsten Höhen kletterte, kam sie so kraftvoll und laut rüber, daß einige Leute die Finger in die Ohren versenkt haben und zur Tür gerannt sind. Mir ging es aber genauso. Ich glaube, über die Monitorboxen klang sie noch extremer... Eine sehr schmerzhafte Erfahrung.
Wie sieht es mit anderen Heavy-Sängerinnen aus?
Kate: Ich mag sie alle, ganz gleich ob Lita Ford oder Doro. Wer es geschafft hat, so weit zu kommen, hat jeglichen Respekt verdient, zumal es Frauen im Heavy-Business ohnehin schwieriger haben. Meine absolute Lieblingssängerin ist jedoch Mariah Carey. Sie ist wunderbar!
Wenn Du auf Mariah Carey stehst, wäre es dann denkbar, daß Du eines Tages mal solche Musik machen wirst?
Kate: Ich denke, mir würde dann eher eine Kombination von harter und softer Musik liegen. Songs, die ganz entspannt und weich beginnen, in ihrem Verlauf aber richtig heftig werden. Ja, ich könnte mir so etwas vorstellen. Musik muß vom Herzen kommen, und ich liebe ganz verschiedene Musik- und Gesangsstile.
David, ich war überrascht über die stilistische Bandbreite Deiner Instrumentalalben. »Instrumental Variations« war deutlich klassisch angehaucht, während »Next Planet Please« teilweise schon jazzige Züge annahm.
David: Ich mag einfach beide Stile. Ich könnte niemals nur einen einzigen Stil spielen. Ich brauche die Abwechslung, so daß ich nicht weiß, wie mein nächstes Instrumentalalbum ausfallen wird. Vielleicht ein Bluesalbum? Heavy wird es aber in jedem Fall ausfallen. Ich habe zudem den Vorteil, daß ich meine eigene Plattenfirma habe, so daß ich machen kann, wozu ich Bock habe.
Damit hast Du den nächsten Punkt schon angeschnitten. Deine Fima LEVIATHAN RECORDS wurde ursprünglich gegründet, um das erste CJSS-Album zu veröffentlichen. Seither hast Du jedoch einige Alben von anderen Bands veröffentlicht!
David: Begonnen hat es damit, daß unsere europäische Plattenfirma BLACK DRAGON RECORDS »Epicus Doomicus Metallicus« von CANDLEMASS in Amerika veröffentlichen wollten und sie uns zur Lizensierung anbot. Da mir die Band sehr gut gefiel, wagten wir diesen Schritt. Dann haben wir MANILLA ROAD gesignt, weil ich die Band liebe, auch wenn sie nie besonders gut verkauft haben. Wir verfahren auch oft so, daß wir eigenproduzierte Alben von Bands übernehmen und für sie weltweit Lizenzdeals organisieren. Ich bin also quasi ein Mittelsmann. Es gibt so viele hervorragende Bands, die einfach nur eine Starthilfe brauchen. Dabei will ich ihnen helfen. Auf diesem Wege haben LEVIATHAN beispielsweise mit STYGIAN, ARCH RIVAL, SIMPLE AGGRESSION, FULL CIRCLE, TILES oder IMPERIUM zusammengearbeitet und eine Menge Instrumentalalben von amerikanischen Gitarristen, wie zum Beispiel Joe Stump, veröffentlicht.
Seit »Mystery Of Illusion« vor zehn Jahren erschien, war der Name David Chastain immer auf der Matte. Hast Du es in dieser Zeit geschafft, von der Musik leben zu können?
David: Ich hatte das Glück, daß ich mittlerweile seit 20 Jahren von der Musik leben kann. Dies hätte ich sicherlich nie geschafft, wenn ich nur meine Musik gemacht hätte. Heute, da LEVIATHAN recht gut läuft, kann ich recht komfortabel leben. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich nur Musik machen, denn zum Business an sich hege ich eine gewisse Haßliebe.
Zu Beginn, als Du so viele Produkte in einer kurzen Zeitspanne veröffentlicht hast, hat man Dir vorgeworfen, daß Du Dich wiederholen würdest. Wie hast Du als Vater der ganzen Releases dazu gestanden?
David: Für mich gab es immer eine konstante Weiterentwicklung! Ich glaube eher, die Leute waren nicht an eine solche hohe Veröffentlichungsfrequenz gewöhnt und hielten es daher für unumgänglich, daß es gleich klingen müßte. Als ich dann 1990 ein etwas gemächlicheres Tempo einlegte, erhielt ich dagegen Post von Fans, die total angepisst waren; "Wir hatten uns auf Dich verlassen, daß wir alle sechs Monate ein neues Album von Dir kriegen, und jetzt hast Du uns im Stich gelassen!" Das fand ich total witzig. Ich stehe auf jeden Fall zu dem, was ich getan habe!
Was ist Dein Lieblingsprodukt von David T. Chastain. Die Antwort »Sick Society« gilt natürlich nicht!
David: Das beste CJSS-Album ist »Praise The Loud«, mein Fave von CHASTAIN ist »7th Of Never«, und bei den Instrumentalalben müßte ich mich zwischen »Instrumental Variations« und »Next Planet Please« entscheiden. Ich sehe Dir jedoch am Gesicht an, daß Du mich zu einer Entscheidung für ein einziges Album zwingen willst. Dann wähle ich »Moon Mister Tom« (es könnte auch "Blue Mister Town" geheißen haben, David war da leider nicht genau zu verstehen - sg), eine Greatest Hits-CD mit CJSS-, CHASTAIN- und Solomaterial, die nur in England bei einem ganz kleinen Label erschien, die jedoch nie einen Vertrieb klarmachen konnten.
Oh nein, ein eindeutiger Regelverstoß! Daher reiche ich die Frage an Kate weiter!
Kate: Mir hat »For Those Who Dare« immer am besten gefallen. Mein Lieblingstape zum Autofahren ist jedoch jedoch »Next Planet Please«.
David, Du bist ohne Zweifel ein Veteran des US-Metal. Warum hast Du, obwohl Du nie den großen Erfolg geerntet hast, dennoch immer weitergemacht? Andererseits haben nicht viele Deiner Kollegen, die zeitgleich mit Dir begonnen haben, so lange durchgehalten!
David: Zum einen waren die Labels, mit denen ich zusammengearbeitet habe, immer recht klein und hatten daher nur beschränkte Möglichkeiten. Andererseits hätten mir die Deals, die mir große Firmen angeboten hatten, nie die künstlerische Freiheit gelassen, die für mich absoluten Vorrang hatte. Zudem war es nie mein Ziel, ein Chartbreaker zu werden. Solange meine Musik mir Spaß macht und es Leute gibt, die sie mögen, ist das großartig für mich. Außerdem verrate ich Dir sicher kein Geheimnis, daß zum großen Erfolg auch die nötige Portion Glück gehört. Es stand für mich auch nie zur Debatte, meinen Stil zu ändern und hinter Trends herzulaufen. Vielleicht hätte ich damit eines Tages den großen Durchbruch geschafft, aber ich kann einfach nur die Musik machen, die ich wirklich machen will! Dadurch, daß ich mich mit einem eher niedrigen Erfolgslevel zufriedengab, hatte ich die Möglichkeit, konstant und zielstrebig zu arbeiten und mir so eine Situation aufzubauen, in der ich sicherlich nicht luxuriös, aber doch ganz angenehm von der Musik leben kann.
Was ist für Euch reizvoller - die vereinten Kräfte einer Band oder die Möglichkeiten des solistischen Austobens?
David: In der Vergangenheit habe ich am liebsten Soloscheiben aufgenommen und mit dem Gesangsprojekt live gespielt. »Sick Society« hat jedoch eine neue Tür aufgestoßen. Wir haben mit verschiedenen Sounds, Equipment und Stimmungen experimentiert, hatten ganz unterschiedliche Songs und Stilrichtungen, wodurch die Aufnahmen sehr viel Spaß gemacht haben.
Kate: Ich habe immer die Bandarbeit bevorzugt und habe stets die Arbeit mit der Band angestrebt. Ich liebe es, im Proberaum abzuhängen, ein Programm einzustudieren und neue Stücke zu schreiben. Businesstechnisch scheint für eine Frau eine Solokarriere jedoch erfolgversprechender zu sein. Beides hat also seine Vor- und Nachteile. Daher bin ich mit meiner momentanen Situation sehr zufrieden. Ich habe zusammen mit David eine Band, wobei ich bei CHASTAIN letztendlich das tue, was David sich vorstellt, und arbeite gleichzeitig an meinem Solomaterial, bei dem ich meinen eigenen Kopf durchsetzen kann.
Warum scheint ein David T. Chastain nur auf Sängerinnen zu stehen?
David: Ich habe irgendwann festgestellt, daß es ausschließlich Frauen schaffen, mir durch ihren Gesang einen Schauer den Rücken runterlaufen zu lassen. Es gibt eine Menge männlicher Sänger, die ich großartig finde, aber sie haben mich nie so tief berührt wie ihre weibliche Kollegen.
Wie jeder Mensch weiß, laufen Männer und Frauen nach zwei total unterschiedlichen Programmen, die die in keinster Weise zusammenpassen. Daher könnte ich mir vorstellen, daß Du die Musik ganz anders angehst und siehst als Deine Damen dies getan haben beziehungsweise tun. Entsteht durch diese Spannung vielleicht kreative Energie, die Dich stets nach vorne treibt?
David: Eigentlich hatten Leather und ich sehr ähnliche musikalische Visionen. Wir lagen in dieser Hinsicht auf der gleichen Wellenlänge. Ich hatte nie Probleme mit weiblichen Sängerinnen. Auch mit Kate hat die Zusammenarbeit hervorragend geklappt. Vielleicht liegt es auch einfach daran, daß ich auf Mädels stehe...
Kate, wenn man Dich so anschaut, würde man Dir nie diese Stimme, die man auf »Sick Society« hört, zutrauen. Tief, rauh, aggressiv, heftig. Gurgelst Du jeden Tag mit Salzsäure, oder lautet Stimmbandtransplantation die Lösung dieses Phänomens?
David: Äh, ich möchte nochmal betonen, daß es auf »Sick Society« auch hoch gesungene Parts gibt, aber Du hast recht, sie sieht nicht so aus wie sie klingt.
Kate: Ich glaube, das kommt einfach mit der Zeit. Ich singe schon seit vielen Jahren und habe mich immer darauf trainiert, eine bestimmte Tonlage zu treffen, so daß ich irgendwann nicht nur auf einem Level singen konnte. Andererseits muß man eine solche Veranlagung auch mitbringen, sonst könnte ich sicherlich nicht zugleich so hoch und so tief singen. Ich mag es, sehr gefühlvoll zu singen und dann auf einen zornigen, powervollen Tonfall umzuschwenken.
Bislang gab es bei CHASTAIN nur eine Gitarre. Du spielst jedoch auch Gitarre. Wie wird die Verteilung bei Konzerten aussehen?
Kate: Das hängt von den einzelnen Songs ab. Es gibt Stücke, die mich vom Gesang her so sehr fordern, daß ich keine Gitarre nebenher spielen werde. Bei anderen Liedern bietet es sich an, daß ich auch Gitarre spiele, nicht nur um David zu entlaste, sondern auch um den Sound fetter zu machen. Ich schätze mal, daß ich bei etwa 25 Prozent des Sets Gitarre spielen werde.
David, Du hast Dir eine starke Frau als Sängerin ausgesucht. Hast Du keine Angst, daß sie Dir die Schau stehlen könnte?
David: Es macht mir nichts aus, wenn mir irgendjemand die Schau stiehlt. Ich bin da nicht auf dem großen Ego-Trip. In der letzten Besetzung hatte ich einen großartigen Bassisten. Hätte ich ihn in seinen Möglichkeiten beschneiden sollen? Im Gegenteil, er hat live immer ein Solo gespielt. Ich spiele gern mit herausragenden Musikern zusammen, und daher gewähre ich ihnen auch den Freiraum, der ihnen zusteht. Wenn ich ehrlich bin, stehe ich eigentlich gar nicht gerne im Rampenlicht.
Mit dem Ausdruck der Bescheidenheit auf dem Gesicht endet David...
Photos: Stefan Glas