Y-Files-Datasheet |
Contents: VANDEN PLAS-Interview |
Date: 31.07.1995 (created), 20.01.2012 (revisited), 01.11.2024 (updated) |
Origin: METAL HAMMER |
Status: published |
Task: from paper to screen |
Availability: original printed issue possibly still available, check here! |
Comment: Wie im "Extra-Info" zum Cover schon ausgeführt entstand diese Story ziemlich überstürzt: Wie in der letzten Ausgaben schon mehrfach angedeutet, war es nicht zu übersehen, daß ich zum METAL HAMMER kaum noch etwas beisteuern konnte; im Grunde war dieser Trend seit dem Ende der Underground-Seiten zu beobachten. Daher hatte ich mit dem ROCK HARD gesprochen und meinen Wechsel vereinbart. Somit sollte diese Ausgabe "meine letzte" für den METAL HAMMER werden, doch ich wollte diese Nachricht der Redaktion erst mitteilen, nachdem die Ausgabe fertiggestellt worden war. In der Zwischenzeit hatte ich für das ROCK HARD schon ein VANDEN PLAS-Interview gemacht. Doch dann erhielt ich ganz kurzfristig einen Anruf von der METAL HAMMER-Redaktion und wurde gebeten, schnellstmöglich ein VANDEN PLAS-Interview zu machen. Also offenbarte ich nun gezwungenermaßen früher als geplant meinen Entschluß, zum ROCK HARD zu wechseln, wofür Chefredakteurin Andrea Nieradzik großes Verständnis aufbrachte, indem sie sagte, daß ich beim ROCK HARD ohnehin besser aufgehoben sei. Sie bat mich, die Story dennoch zu machen. Da die ROCK HARD-Redaktion dem zustimmte, bastelte ich also eine Story, die ganz anders als das Interview fürs ROCK HARD ausfiel. Und somit stellten VANDEN PLAS für mich quasi das Bindeglied zwischen der Vergangenheit beim METAL HAMMER und der Zukunft beim ROCK HARD dar.
P.S.: Das "Bye!" am Schluß wurde übrigens - verständlicherweise - von der Redaktion aus dem Text entfernt. Hier bleibt es stehen, weil es irgendwie passend ist, denn meine METAL HAMMER-Retrospektive ist beendet, es werden lediglich noch ein paar Specials folgen. |
Supervisor: Stefan Glas |
Schmächtig bestückt ist der einheimische Sektor progressiver Klänge. Mit dem Album »Colour Temple« stellt sich in vanden plas ein echter Hoffnungsträger vor, der es meisterlich versteht, anspruchsvolle Stücke zu gleichen Teilen mit Power und Melodie zu bestücken. Stefan Glas kommentiert, was die Band über sich selbst zu sagen hatte.
In einem goldenen Rahmen eingeschlossen, windet sich eine feurig-glühende Gestalt wie ein Tänzer und versucht Grenzen zu sprengen. "Der Mann, der aus der Wand kommt" nennt sich dieses Kunstwerk, das der italienische Künstler Cesare Marcotto der Gruppe als Covermotiv zur Verfügung gestellt hat. Bei deutlicher Betrachtung wird man diesen Kraftakt, den der Titel offenbart, spontan mitfühlen können, doch zugleich wird die Fantasie weitere Bestandteile enthüllen - Lebewesen, Abstrakta, Unheimvolles und Verworrenes.
VANDEN PLAS selbst bestehen schon seit etlichen Jahren und fanden vor etwa fünf Jahren das lange gesuchte Geheimrezept zu ihrem heutigen Stil. Dabei verbinden sich eine harte Gitarre, die powervoll und stellenweise brachial-riffig brilliert, mit der Harmonie im Gesang, der Melodie bis zum Hymnencharakter bündelt und eine mystische Atmosphäre ausstrahlt. Pointiert durch ein Keyboard, das im rechten Maß Exzentrik ins Spiel bringt, ohne zu verwirren, sondern eine eigene Note zu setzen. All dies macht »Colour Temple« zu einem der herausragenden Releases, der durch Prog-Elemente, Power, Melodie und ein zeitgemäßes Flair überzeugt.
Doch auch textlich ragt »Colour Temple« aus der Masse heraus. Ohne ein eindeutiges Textkonzept zu verfolgen, drehen sich die Texte von VANDEN PLAS um Menschlichkeit. In schillernden Texten voller Metaphern und Bilder, denkt man über die Wiedergeburt nach (›Soul Survives‹), enthüllt den Judas in jedem von uns (›Judas‹), schreit aus tiefster Verzweiflung nach einem Retter (›Father‹) oder aber betrauert den grausamen Tod eines sechsjährigen Mädchen infolge sexueller Mißhandlung (›Anytime‹). Auf der einen Seite Gedanken nach esotherischem Strickmuster und dann wieder brutale, widerwärtige Realität.
Diese Schizophrenität prägt VANDEN PLAS und spiegelt sich im Titel wider. "Colour" steht für sowohl für Farben, als auch für die Schwingungen im Menschen, die eine negative oder positive Ausprägung erreichen können. "Temple" soll ein Gefühl der Vertrautheit ausstrahlen und spirituelle Ideen integrieren. Dabei beleuchtet die Band die gewählten Themen stets von unterschiedlichen Seiten, um dem Hörer die Möglichkeit einer eigenen Wertung zu eröffnen.
Was auf den ersten Blick vielleicht kompliziert und überzogen wirkt, präsentiert sich bei VANDEN PLAS natürlich und locker, fließt unbeschwert in die Lieder ein und verleiht ihnen die nötige Tiefe, ohne den Spaß an der Musik zu trüben.
So bleibt zum Schluß noch die Orchestergrabenerfahrung von VANDEN PLAS zu erwähnen. Die Band hat nämlich bereits in drei verschiedenen Rockmusicals mitgewirkt ("Jesus Christ Superstar", "Rocky Horror Show" und "Der Kleine Horrorladen") und zwar Sänger Andy als Akteur auf den Brettern, die die Welt bedeuten, während gleichzeitig die Band mit dem klassischen Orchester zusammen musizierte. Man ist dabei in eine andere Welt der Musik abgetaucht, die für viele Überraschungen sorgte, in der man zugleich wertvolle Erfahrung sammeln konnte.
So präsentiert sich in VANDEN PLAS eine gereifte Band, die genau weiß, was sie will, die instinktiv spürt, wo ihre Stärken liegen und »Colour Temple« zu einem Prachtexemplar der Gattung melodisch-powervollen Progressive Metals macht. Doch das war erst der Anfang... Bye!
Photo: Michael Raka Weckerle