UNDERGROUND EMPIRE the ONLINE EMPIRE-Titel
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”UNDERGROUND EMPIRE 7”-Datasheet

Contents:  MINISTRY-Interview

Date:  13.11.1992 (created), 25.11.2021 (revisited), 24.12.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 7

Status:  published

Task:  from paper to screen

Availability:  original printed issue sold out! Several earlier issues still available; find details here!

Comment:

Es ist zweifelsohne eine unkonventionelle Story, was vor allem auf Panos Part zurückzuführen ist. Ähnliche Dinge ereigneten sich damals mehr als einmal. Es war seinerzeit ein offenes Geheimnis, daß Bandleader Al Jourgensen gewisse Probleme hatte - die er übrigens teilweise auch in der Musik verarbeitete. Der damalige Singlesong ›Just One Fix‹ spricht da Bände. Es kam dazu, daß der Hype um MINISTRY wegen ihren Singles ›Jesus Built My Hotrod‹ und ›N.W.O‹ überbordend war, so daß es für die Musiker vielleicht auch nicht einfach war, mit der Gesamtsituation umzugehen. Erfreulicherweise hat Meister Jourgensen sich schon längst wieder im Griff, so daß MINISTRY bis heute aktiv sind.

Abschließend noch ein Wort zu dem wunderbaren selbstentworfenen Logo. :-) Im Hintergrund liegt ein Symbol, das einer Fabrik ähnlich sieht. Denn: Industrial Metal wurde nun mal so benannt, weil vieles wie Geräusche aus einer Fabrik klingt. Dann wurden möglichst chaotisch die Buchstaben des Bandnamens in verschiedenen Schriften, mit unterschiedlichen Füllungen und teilweise verzerrt darüber verstreut; Ehrensache, daß für die beiden "i" das Symbol für einen Ölbohrturm genommen wurde. Leider ist die Datei von diesem wahrhaft grandiosen Design nicht mehr auffindbar, so daß wir es nun aus dem gedruckten Heft abscannen mußte, doch seine Pracht ist dabei nicht verlorengegangen. :-D Außerdem wurde der Interviewtitel - in einer möglich hübsch-häßlichen Schrift in zwei Portionen verteilt auf den beiden Seiten hinter den Text gelegt.

Supervisor:  i.V. Stefan Glas

 
 

MINISTRY-Logo

Also - es wird mal wieder kompliziert, deshalb habe ich (ach so, Stefan heiße ich, für alle, die mich noch nicht kennen) es mir erlaubt, eine gewisse Rahmenstory zu dem MINISTRY-Teil zu liefern, die etwas Klarheit schaffen soll, auch wenn ich mit der Story an sich nichts zu tun habe. Die erste Episode war ganz einfach: Holger führte ein Interview mit MINISTRY. Deshalb will ich mir jede weitere Vorrede sparen und erteile hiermit das Wort dem Herrn Andrae!

MINISTRY-Headline

"Was machen MINISTRY in den geheiligten Seiten des UNDERGROUND EMPIRE", werden sich jetzt einige unter Euch berechtigterweise fragen (Merkt Ihr, daß Andrae mal wieder maßlos übertreibt? - Stefan Glas). Nun, ganz einfach, wir wollten uns von Beginn an nicht auf eine bestimmte Richtung limitieren, sondern offen sein für neue Einflüsse, die auch außerhalb der Metalstandards liegen. Als ich MINISTRY vor etwa zwei Jahren das erste Mal hörte, konnte ich es kaum glauben. Die Energie, die von einem Song wie ›Thieves‹ ausging, faszinierte mich sofort. Obwohl ich bis dahin grundsätzlich gegen jede Art von computerisierter Musik eine Abneigung hatte, wußten MINISTRY mich mit »The Mind Is A Terrible Thing To Taste« und vor allem dem alles vernichtenden Livealbum gnadenlos zu überzeugen. Willenlose Zerstörung musikalischer Natur kombiniert mit Monotonie läßt eigentlich keine Songs entstehen. Von Songs im herkömmlichen Sinne will ich bei MINISTRY aber auch gar nicht sprechen. Vielmehr von apokalyptischen Soundtracks mit gelegentlichen Rockelementen. Mit ›Jesus Built My Hotrod‹ landeten die beiden Noisyisten Al Jourgensen und Paul Barker einen Charterfolg, der auch meine Wenigkeit zum willenlosen Monster werden ließ! Als sich nun die Chance bot, mit Paul Barker über den neuen Rundumschlag »Psalm 69« zu plaudern, nutzte ich die Gunst der Stunde. Es präsentierte sich mir ein äußerst interessierter Gesprächspartner, der lieber erst über etwas nachdachte, anstatt irgendwelchen Dünnsinn zu plappern.
Erst einmal wollte ich den Grund für die ewige Verzögerung des Albums wissen. Es war die Rede von diversen Studioproblemen. Außerdem hieß es, MINISTRY hätten ihr eigenes Studio errichtet!

Wir waren mit dem Material, das wir geschrieben hatten, nicht zufrieden. Hinzu kamen die Arbeiten an unserem eigenen Studio, welches noch nicht fertiggestellt ist. Sicher ist nur, daß wir die nächste Platte dort aufnehmen werden. Das Studio wird ausschließlich von uns genutzt werden. Wir wollen eine Situation schaffen, in der wir völlig ohne Druck von außen aufnehmen können. Das bedeutet, wir können auch mal drei Tage nichts tun, was in einem öffentlichen Studio natürlich Geld kosten würde. Es sollen reine MINISTRY-Alben entstehen, ohne Einfluß von irgendwem sonst. Das ist der Hauptgedanke.

Nun präsentiert mir Paul das Cover zu »Psalm 69«. Düster und depressiv sind die beiden ersten Vokabeln, die mir einfallen. Das sieht er allerdings völlig anders. Mit einem Schmunzeln klärt er mich auf!

Ja, es ist dunkel, aber es zeigt einen Engel. Ich denke, es ist ein optimistisches Cover. Wir sind ja auch eine optimistische Band, auch wenn wir gelegentlich nicht so klingen. Manchmal sind wir einfach wütend über Menschen, die nicht nachdenken. Das ist unsere Absicht. Wir wollen zum Nachdenken anregen, keine Predigt halten.

Mir scheint, Ihr steht mit der Kirche auf Kriegsfuß. Das Cover mit dem Engel und dann der Albumtitel deuten dies schon an. Warum also dieser Albumtitel? Immerhin steht der Psalm 69 unter der Headline "Gebet in tiefstem Leiden". Ein Bandmotto?

Der Albumtitel ist ein Insiderjoke. In Amerika haben wir die King James-Bibel, in der es diesen Psalm gar nicht gibt (Hä??? - Red.). Ich denke, die Kirche ist eine total heuchlerische Organisation. Wir werden quasi gezwungen, mit ihr zu leben. Sie nimmt den Menschen die Individualität, schaltet ihr Gehirn aus. Was wir mit unserer Musik erreichen wollen, ist diese Menschen wachzurütteln, ihre Gehirne zu reaktivieren. (Dürfte mit dem Lärm kein Problem sein. - Red.)

Nun konfrontierte ich Paul mit meinem anfangs schon erwähnten Grundgedanken, daß Musik etwas mit Gefühlen zu tun habe und deshalb nicht von Maschinen produziert werden könne!

Es hängt davon ab, wie Du die Geräte einsetzt. Es ist möglich, mit einem Sequenzer Folkmusik zu spielen, aber auch Punkrock. Wir versuchen ganz einfach, so aggressiv und laut wie eben möglich zu sein. Du kannst Deine Gefühle auch durch einen Sequenzer wiedergeben, deshalb wird man nicht selbst zum Roboter.

Siehst Du Eure Musik als eine Kunstform, und wenn ja, wo stößt Kunst Deiner Meinung nach an ihre Grenzen?

Sicherlich ist MINISTRY für mich Kunst. Keine Frage! Die einzige Einschränkung sehe ich darin, daß Du die Leute nicht dazu bringen kannst, die Sache mit Deinen Augen zu sehen. Nimm zum Beispiel den Song ›Nazi Punks Fuck Off‹ bei einem DEAD KENNEDYS-Konzert. Du wirst nicht glauben, wieviele hirnlose Skinheads diesen Song gut finden, weil sie den Sinn nicht begreifen. Sie hören nur, daß der Song sich um Nazi-Punks dreht und finden es geil. Da würdest Du am liebsten von der Bühne springen und den Typen die Birne weichklopfen. Ich denke, hier stößt Kunst an ihre Grenzen. Nicht in ihrer Aussage, sondern in ihrer Interpretation. Deshalb drucken wir auch keine Lyrics ab.

Nun gibt es bei Euch aber auch Songs, die praktisch völlig ohne Text auskommen und einfach nur Noise darstellen. Bestes Beispiel hierfür ist der letzte Titel des Albums. Wie kommt man darauf, so einen Song mit ›Grace‹ zu titulieren?

Ganz einfach, wir lieben Noise!!! ›Grace‹ hat etwas mit innerem Frieden zu tun. Wir waren einfach froh, dieses Album endlich im Kasten zu haben, hahaha. Es dreht sich um ein endgültiges Ende, um Doomsday und die Apokalypse. Wer weiß, vielleicht ist das eine endgültige Schönheit?

Auf der anderen Seite habt Ihr diesmal mehr Gitarren auf der Scheibe. In ›Hero‹ steht gar ein reiner Metaltrack mit Solo auf der Scheibe. MINISTRY goes Rock'n'Roll?

Yeah, maybe. Auch wenn ›Hero‹ sicherlich nicht der beste Metaltrack der Welt ist, war er eine Herausforderung für uns. Es hat einfach Spaß gemacht, das Teil aufzunehmen. Live verzichten wir eh' auf den Noisekram und spielen nur die Gitarrensongs. Wir haben vier Gitarristen auf der Bühne, keine Sequenzer, halt totale Ekstase. Das kann man bei unserer Liveshow immer erleben!

Ekstase ist ein gutes Stichwort! Es gibt hier diese Tekkno-Parties, wo Dreizehn-, Vierzehnjährige sich mit Drogen zukiffen und völlig abdrehen. Hast Du nicht Angst, daß Ihr mit Eurer Musik einen ähnlichen Effekt erreichen könntet?

Nein, absolut nicht! Diese Kids hören nicht MINISTRY, dazu ist unsere Musik zu anstrengend. Sie wollen einfach nur diese Extase. Vor allem in England ist das ein riesiges Problem, da die Kids da vor allem Crack nehmen. Klar, seit einiger Zeit sprechen wir auch neue Hörer an, aber das sind vor allem Metalheads und MTV-Glotzer. Für diese haben wir mit ›N.W.O.‹ auch schon einen Clip in Planung. In den Staaten setzt sich unser Publikum aus Metals und Collegetypen zusammen, die uns von Beginn an kennen. Nein, diese Drogenfreaks sprechen wir nicht an, da bin ich ganz sicher!

Hier lief dann unsere Zeit leider ab, aber Paul konnte mir glücklicherweise noch versichern, daß sie bereits mit den Arbeiten zu einem neuen LARD-Album begonnen haben. Wenn das Teil ähnlich intensiv ausfällt wie »Last Temptations Of Reid«, steht uns ein Killer ins Haus. Mit DEAD KENNEDYS-Frontmann Jello Biafra hat man auch wieder einen Garant für explosive Textinhalte. Wer sich jetzt vielleicht mit MINISTRY anfreunden möchte, dem seien die oben bereits erwähnten Scheiben, sowie die neue Scheibe ans Herz gelegt. Älteres Material, mit der Ausnahme von ›Milk & Honey‹, werden für Euch nicht interessant sein, da sehr poppig. Übrigens, hat man mit ›N.W.O.‹ eine weitere Auskopplung am Start, deren Flipside mit ›Fucked‹ wieder einen erstklassigen Noisetrack bietet!

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Holger Andrae

Damit aber nicht genug, (ach so, ich bin's mal wieder - Stefan, wie Ihr vielleicht noch wißt), denn es begab sich an einer Universität zu Mainz, daß sich Pano Christodulopulos, seines Zeichens Schreiberling beim REVELATION, und meine Wenigkeit kennenlernten, da man von der gleichen Uni, wenn auch von verschiedenen Fakultäten, leidgeprüft wird. Eines Tages kam also Pano mit der Idee, daß er gerne ein MINISTRY-Interview machen würde. Beim REVELATION bestand jedoch kein gesteigertes Interesse an diesem Thema, so daß er sich mit dem Gedanken des vorübergehenden Fremdgehens trug. Also kam man überein, daß er doch das Interview von Holger noch etwas ausbauen sollte. Also machte ich mich dran, alles zu organisieren, Panos Interviewtermin, sowie eine Lizenz zu Photografieren für mich selbst. Das schien auch alles easy zu klappen, bis zu dem Zeitpunkt, als mich eine ziemliche Grippe packte und ins Bett zerrte, so daß ein Photopaß an jenem Abend verwaist an der Kasse liegenblieb. Wie Pano sich fast auch eine Grippe geholt hätte, das schildert er nun selbst. Von einem, der auszog, ein MINISTRY-Interview zu machen...

An dieser Stelle sollte ursprünglich mein MINISTRY-Interview stehen, das ich mit der Band am 4. November 1992 vor ihrem Konzert in der Frankfurter "Music Hall" führen sollte. Warum nichts daraus wurde, ist dem folgenden Stundenprotokoll zu entnehmen.
17.00 Uhr: Kurz vor dem vereinbarten Termin treffe ich in der "Music Hall", oder besser gesagt davor, ein, und Joachim Fink von der zuständigen Promoagentur NTT MEDIEN gibt meiner guten Laune gleich einen ersten Dämpfer. Die Band sei zwar am Vormittag aus Berlin losgefahren, aber noch nicht anwesend. Es dürfte aber nicht mehr lange dauern und übrigens, "...weißt Du schon, daß Du mit drei anderen zusammen das Interview machen wirst?". Grund: Der Andrang sei groß, und die Band wolle sowieso nicht viele Interviews auf der Tour geben. Diese Nachricht kam völlig überraschend, und mir bleibt nichts übrig, als zusammen mit sechs anderen Interviewwilligen vor der Halle auf die Band zu warten.
18.00 Uhr: Nachdem sich in der Zwischenzeit nicht viel getan hatte, von einem angeregten Gespräch mit zwei Mitarbeitern eines Fanzines namens PUMP mal abgesehen, hält plötzlich ein Ford Transit vor der Halle. Es steigen aus: vier Musiker (die Vorband HELMET), zwei Roadies und jede Menge Equipment, darunter auch ein Schlagzeug. Logische Schlußfolgerung: Wenn HELMET mit diesem vergleichsweise kleinen Gefährt relativ pünktlich sind, dürften MINISTRY, die mit einem großen Bus fahren, auch gleich aufkreuzen. Inzwischen ist es nämlich dunkel und ziemlich kalt geworden, und auch das sich immer witziger gestaltende Gespräch mit den PUMP-Leuten kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir alle ziemlich frieren. Aber wo HELMET sind, können MINISTRY nicht mehr weit sein, oder?
18.30 Uhr: Ein Taxi hält vor der Halle, drei Gestalten mit Taschen steigen aus, schauen sich ein Mal kräftig um und verschwinden schließlich, ohne daß sie aufgehalten werden, in der Halle. Später stellt sich heraus, daß diese Menschen eine Schlüsselrolle in der Story spielen. Es handelt sich nämlich um drei extra aus England eingeflogene Journalisten, die hier ebenfalls ein MINISTRY-Interview machen sollen. Grund dieser Aktion: Wenn die Band einige Zeit später die Tour in England fortsetzt, erscheinen parallel zum Tourstart Stories in drei großen Heften. Genialer Schachzug der Plattenfirma! Inzwischen hat mein Gespräch mit Denis vom PUMP eine ungeahnte humoristische Dimension erreicht (es geht um Nachtschichten bei Kalle und Hoechst), was für einige Lacher sorgt. Trotzdem ist es weiterhin kalt, und die ersten Befürchtungen werden laut, daß aus den Interviews wohl nichts mehr wird.
19.00 Uhr: Es tut sich weiterhin nicht viel. Mein Gesprächspartner ist mal kurz zur Tankstelle gegangen, um sich was zum Essen zu besorgen, als plötzlich aus dem Nichts ungefähr 15 uniformierte Ordner auftauchen, darunter eine Frau, die mit entschlossenem Blick und in militärischer Formation in die Halle stapfen. Vor dem Eingang hat sich mittlerweile schon eine große Menschentraube gebildet. Obwohl das Konzert ausverkauft ist, versuchen einige Unentwegte, irgendwo noch eine Karte aufzutreiben. Einer ist angeblich bereit bis zu 150,- DM zu bezahlen. Ich überlege mir schon, ob ich nicht auf dieses Bombengeschäft eingehen soll, aber mein Pflichtbewußtsein gewinnt bei diesem intraindividuellen Geplänkel die Oberhand, und ich bleibe weiterhin in der Kälte stehen und warte bis die Zeit vergeht.
19.30 Uhr: Mein Lieblings-PUMP-Mitarbeiter ist auch wieder da und wundert sich kein bißchen, daß während seiner Abwesenheit fast nichts passiert ist. Aber da war doch noch was? Richtig, Joachim Fink von NTT, der anfangs meinte, es würde nicht mehr lange dauern. Nachdem er sich in den letzten 60 Minuten ziemlich rargemacht hatte, kuckt er mal wieder kurz raus, und ich ergreife die Möglichkeit, ihn zu fragen, ob denn heute noch was passieren würde. Er bleibt weiterhin optimistisch und meint, daß wir sofort anfangen könnten, wenn die Band da ist, weil die Musiker keinen Soundcheck zu machen brauchen. Na gut, frieren wir halt weiter. Inzwischen haben alle andern aufgegeben, nur Denis und ich bleiben hartnäckig. Das Einzige, was mich aufmuntert, ist das plötzliche Auftauchen von Götz Adler von den leider nicht mehr existenten SYSTEM DECAY.
20.00 Uhr: Nachdem wir nun über drei Stunden in der Kälte stehen und der Einlaß begonnen hat, kommen auch endlich MINISTRY. Wer hätte das gedacht?! Die martialischen Ordner kommen wieder aus der Halle und bilden ein Spalier vom Bus, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite gehalten hat, bis zum Eingang. Sogar den Verkehr stoppen diese Typen, damit die Rockstars sicher reinkommen. "Sind die zu blöd, alleine über die Straße zu gehen?", frage ich Denis, als ich sehe, daß die Security mit dieser Aktion gar nicht mal so unrecht hatte. Als letzter steigt nämlich Alain Jourgensen aus dem Bus, vielmehr er stolpert raus. Der Typ ist so dermaßen hackedicht, daß sein Manager ihn regelrecht über die Straße schleifen muß. In diesem Zustand soll der ein Konzert geben? Nett!
20.10 Uhr: Jetzt geht plötzlich alles ganz schnell. Joachim Fink kommt und sagt, daß wir uns alle um ca. halb neun in der Halle am Bühnenausgang treffen, damit wir endlich zur Tat schreiten können. Wir müssen allerdings erst zum Haupteingang rein, weil die anderen noch ihre Photopässe, u.ä. brauchen, die am Eingang bereit liegen. Da sieht es wie in der Fankurve eines Bundesligavereins aus. Und in zwanzig Minuten müssen wir uns da durchgekämpft haben!
20.25 Uhr: Unter Einsatz aller uns zur Verfügung stehenden Ellenbogen und Sprüchen wie, "Da vorne stehen meine Leute!", haben wir uns erstaunlich schnell durchgekämpft. Jetzt gilt es, die nächste Hürde zu nehmen: den Ordner am Eingang. Als ich mit Filzen dran bin, halte ich diesem Gorilla meine Tasche unter die Nase und sage ihm, daß sich dort drin mein Diktiergerät befindet, weil ich gleich ein Interview machen soll. Er kuckt es sich an und meint nur noch: "Geht nicht!". Dieses Diktiergerät ist, wie der Name schon sagt, für Musikaufnahmen völlig ungeeignet. Alle Versuche, ihm das verständlich zu machen, schlagen allerdings fehl. Auch die Erwähnung des Namens Joachim Fink läßt ihn kalt. Ich soll mein Gerät an der Kasse abgeben und mit einem Verantwortlichen zurückkommen. Also gut, dann versuche ich halt mein Glück bei dem Typ an der Kasse, dem ich mein Gerät übergeben soll. Der ist genauso blöd und besteht darauf, daß ich mit diesem Fink aufkreuze, damit dieser ihm bestätigen kann, was ich sage. Da ich keine Lust habe, mich mit vertrottelten Ordnern zu streiten, gehe ich also ohne Gerät rein und muß mich durch den schon vollen Laden quälen, um zum Treffpunkt zu kommen. Dort erzähle ich Denis, was passiert ist und dieser gibt mir geistesgegenwärtig und ohne zu zögern seinen Photopaß, mit dem ich mich wieder durch die Massen zum Eingang quetsche. Dort angekommen, zeige ich den Paß diesem Hirni und frage ihn, ob das denn Legitimation genug sei. Antwort dieser kartoffelgesichtigen Doppelnull: "Es ist zwar nur ein Photopaß, aber ich gebe Dir Dein Gerät trotzdem wieder!". Danke Meister! Soviel Wohlwollen habe ich nicht verdient! Also diesesmal mit dem Gerät wieder zurück zum Treffpunkt.
20.45 Uhr: Am Bühnenausgang herrscht ein hektisches Kommen und Gehen. Fink, der an diesem Abend die undankbare Rolle des Vermittlers zwischen den Parteien spielt, taucht auch immer wieder mal auf, murmelt was von, "Wir müssen noch einen geeigneten Raum finden, dann kann es losgehen." und verschwindet wieder. Das womit niemand mehr so richtig gerechnet hat, soll jetzt doch noch passieren? Ich kann es kaum glauben!
20.59 Uhr: Nachdem wir mal wieder nichts anderes tun können, als zu warten, kommt Fink wieder raus, und diesmal läßt er die Bombe platzen: "Es ist alles abgesagt worden. Die Band macht noch ein 30-minütiges Gespräch mit den englischen Journalisten und sonst nichts!" Toll! Klasse!! SUPER!! Geradezu G.E.N.I.A.L.!!! Deswegen bin ich früher aus einem wichtigen Seminar gegangen, deswegen habe ich drei Stunden in der Kälte gestanden und deswegen mußte ich mich mit oberdämlichen Ordnern rumplagen? Für nichts und wieder nichts? Mit einer tierischen Wut im Bauch kucke ich mir HELMET, die wirklich stark waren. Der Vollständigkeit halber sehe ich mir auch noch MINISTRY an. Unabhängig vom ganzen Hick-Hack am Nachmittag fand ich sie ziemlich öde. Alain Jourgensen und die fünf anderen Musiker spielten völlig gelangweilt ihren Set runter, und das einzige, was mich davor bewahrte einzuschlafen, waren die Videos, die auf eine Leinwand projiziert wurden. Ich gehe anschließend nach Hause und lege mich mit dem Gefühl, nach Strich und Faden verarscht worden zu sein, ins Bett. Ende der Übertragung!


Pano Christodulopulos

Um nun die Sache zu einem Abschluß zu bringen, möchte ich einfach noch die Frage beantworten, weshalb dieser Bericht von Pano im Anschluß an Holgers Interview zu lesen ist. Und weshalb dieser Artikel überhaupt in der neuen Ausgabe steht, obwohl er schon über ein Jahr alt ist. Nun, ich denke einfach, daß gewisse Wahrheiten nicht verschwiegen werden sollten, und dann spielt es auch keine Geige, ob sie sich schon etwas weiter zurück in der Vergangenheit abgespielt haben. Eure Meinung dazu dürft Ihr Euch nun selbst bilden.

http://www.facebook.com/weareministry/

Stefan Glas

MINISTRY im Überblick:
MINISTRY – Underground Empire 7-Interview (aus dem Jahr 1994)
MINISTRY – Underground Empire 7-Special (aus dem Jahr 1994)
MINISTRY – Online Empire 16-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2003)
MINISTRY – Online Empire 52-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2012)
MINISTRY – Online Empire 56-"Eye 2 I"-Artikel: »Enjoy The Quiet - Live At Wacken 2012« (aus dem Jahr 2013)
MINISTRY – News vom 29.01.2003
MINISTRY – News vom 24.03.2006
MINISTRY – News vom 13.08.2007
MINISTRY – News vom 15.04.2008
MINISTRY – News vom 10.02.2009
MINISTRY – News vom 01.02.2010
MINISTRY – News vom 08.08.2011
MINISTRY – News vom 02.03.2012
MINISTRY – News vom 13.11.2014
MINISTRY – News vom 01.05.2015
MINISTRY – News vom 27.05.2017
MINISTRY – News vom 13.02.2018
MINISTRY – News vom 22.03.2018
MINISTRY – News vom 30.05.2019
MINISTRY – News vom 11.05.2021
MINISTRY – News vom 11.06.2021
Soundcheck: MINISTRY-Album »Houses Of The Molé« im "Soundcheck Heavy, oder was!? 76" auf Platz 7
Soundcheck: MINISTRY-Album »Rio Grande Blood« im "Soundcheck Heavy 91" auf Platz 3
Soundcheck: MINISTRY-Album »The Last Sucker« im "Soundcheck Heavy 105" auf Platz 9
siehe auch: Aufführung des MINISTRY-Films angekündigt
siehe auch: MINISTRY-Film demnächst auf DVD
siehe auch: MINSTRY treten im Film "A.I. - Künstliche Intelligenz" auf
siehe auch: Musik von MINISTRY im Film "Hatchet II"
siehe auch: Musik von MINISTRY im Film "Underworld: Awakening" als Remix von Danny Lohner alias Renholdër
siehe auch: Musik von MINISTRY in einer Episode der fünften Staffel der TV-Serie "Miami Vice"
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