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  UE-Home → History → Online Empire 87 → Interview-Übersicht → Anneke van Giersbergen-Interview last update: 17.11.2024, 14:13:27  

Anneke van Giersbergen-Logo

Ihre Fans schätzen nicht nur ihre einzigartige Stimme, sie wissen auch, daß die Niederländerin niemals ihre Wurzeln vergessen hat und daher auch Jahre später noch mit bestem Gewissen auf alle ihrer bisherigen Veröffentlichungen zurückblicken kann. Völlig unabhängig davon, wie das jeweilige Album stilistisch auch ausgefallen sein mag, eine gleichermaßen hingebungsvolle wie beseelte Gesangsperformance zieht sich wie der berühmte "rote Faden" durch ihr musikalisches Schaffen, das vor mehr als 25 Jahren bei THE GATHERING begonnen hat und inzwischen stolze 22 Tonträger umfaßt.

Anneke van Giersbergen-Photo 1

Mit der Nummer 23, »The Darkest Skies Are The Brightest«, kredenzt Anneke van Giersbergen dieser Tage ihr bislang wohl persönlichstes Album überhaupt. Kein Wunder also, daß die überaus sympathische Künstlerin entschieden hat, die elf Songs unter ihrem eigenen Namen zu veröffentlichen und erst gar nicht zu versuchen, einen Bandkonnex herzustellen.
Die exakten Gründe dafür, sowie jede andere Menge an interessanten Details zur Scheibe hat sie uns in einem Zoom-Meeting verraten.

Anneke van Giersbergen-Headline

Hattest Du von Anfang an geplant, ein neues Soloalbum zu veröffentlichen?

Nein, überhaupt nicht. Der ursprüngliche Plan war eigentlich, ein zweites Album mit meiner Band VUUR in Angriff zu nehmen. Da ich der Meinung war, daß sich bei dieser Band generell einfach viel zu wenig tut, mußte ich mir ein Herz fassen und wollte endlich mal ordentlich loslegen. Ich dachte mir, es war einfach an der Zeit, mit VUUR Gas zu geben. Schließlich sind wir unsere Fans einiges schuldig. Ihnen ist es nicht zuletzt zu verdanken, daß mit dem Album zum allerersten Mal in meiner Karriere eine Top 3-Chartplatzierung bejubeln durfte.
Mit dieser Absicht hatte ich also begonnen, meine gesammelten Ideen musikalisch umzusetzen. Im Zuge dessen mußte ich jedoch recht bald feststellen, daß ich mit den Songfragmenten, die ich auf Lager hatte, nie im Leben ein Album in die Welt setzen könnte, das auch nur ansatzweise zu VUUR passen würde. Der Großteil der Nummern entpuppte sich nämlich als viel zu nachdenklich und emotionsgeladen, um in einer Metal-Umsetzung Sinn zu ergeben. Daher habe ich mich dazu entschlossen, mit einem Nachfolger für »In This Moment We Are Free« noch weiter zu warten, und das aktuelle Songmaterial stattdessen auf einem weiteren Soloalbum zu verarbeiten.

War Deine Herangehensweise nach diesem Entschluß eine andere? Vom einem Metalalbum bist Du mit der Scheibe schließlich doch meilenweit entfernt.

Nein, das war gar nicht nötig. Das Songwriting ist mir sehr leicht gefallen, und die Nummern waren von Beginn an auch von der Atmosphäre her in etwa so geplant, wie man sie nun zu hören bekommt. Die Sache wäre aber einfach nicht zu stemmen gewesen, wenn ich mich nicht rechtzeitig umentscheiden hätte. Es hätte sich weder authentisch noch natürlich angehört, wenn ich auf Biegen und Brechen versucht hätte, VUUR-Tracks daraus zu machen.

Gab es einen konkreten Anlaß für die im Endeffekt doch sehr nachdenkliche, tiefsinnige Ausführung der Nummern?

Sogar mehrere. Zum einen mußte ich in den letzten Monaten feststellen, daß in meinem Leben einiges längst nicht mehr so harmonisch abgelaufen ist, wie es eigentlich hätte sollen. Dadurch machte sich so einiger Unmut breit. Und da sich zum anderen auch mein Berufsleben durch die Pandemie gehörig verändert hat, kam verdammt viel auf mich zu. Mit dem Umstand, kurzfristig und auf unbestimmte Zeit keine Konzerte geben zu können, hätte ich mich vielleicht unter anderen Voraussetzungen problemlos arrangieren können, doch irgendwie kam das alles nahezu gleichzeitig, plötzlich und unerwartet. Ich denke, man kann nachvollziehen, daß ich mich nicht unbedingt in dauerhafter "Sonnenscheinstimmung" befunden habe, als ich das Album aufgenommen habe.

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Absolut. Der mitunter schwer melancholische Gesamteindruck einiger Deiner Nummern ist wohl auch damit zu erklären, oder?

Exakt, und spätestens dann, wenn man sich die Tracks angehört hat, wird man auch nachvollziehen können, warum keine Metalnummern daraus geworden sind. Ich beginne üblicherweise, meine Songideen auf einer Akustikgitarre auszuarbeiten, war dieses Mal aber recht schnell davon überzeugt, daß es überhaupt keinen Sinn ergeben würde, eine verzerrte E-Gitarre dafür einzusetzen.

Wozu auch? Die von Dir dafür gewählte minimalistische, instrumentale Umsetzung paßt ohnehin perfekt und macht Songs wie ›Agape‹, ›The Soul Knows‹ oder auch ›Survive‹, meiner bescheidenen Meinung nach sogar noch ein wenig berührender. War das Deine Absicht?

Danke für diese Worte! Im Prinzip war es nicht wirklich Absicht, sondern ist im Endeffekt so entstanden, weil auch ich genau dieses Gefühl hatte. Zudem ist es ja auch nicht neu, daß der Zuhörer bei einer solch' dezenten Instrumentierung dem Text wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenkt als üblich. Okay, das war durchaus so geplant, denn ich habe sehr viel an persönlichen Statements in meine Texte verpackt und durchaus auf dem Schirm den Hörer auf eine Reise in meine Gefühlswelt mitzunehmen. Ich habe schließlich kein Problem damit, meine Meinung kundzutun und zu dieser zu stehen. Ebensowenig damit, jemanden an meinem Seelenleben teilhaben zu lassen, wenn er sich denn darauf einläßt und zuhört.

Da muß ich sofort einsteigen und ein paar Details erfragen. Der Albumtitel läßt nämlich zumindest annehmen, daß für Dich selbst der dunkelste Himmel etwas Helles zu bieten hat, Du also doch auch das sprichwörtliche "Licht am Ende des Tunnels" erkennen kannst. Ist das so?

Oh ja! Es gab einige Dinge in meinem Privatleben, die es zu überdenken und zu ändern gab. Aber im Moment fühle ich mich wieder ganz wohl in meiner Situation, dieses Album hat mir definitiv dabei geholfen.

Ein zwar weniger gefühlsbeladene, aber nicht minder persönliche Frage wage ich außerdem noch: Von welchem Fahrzeug singst Du in ›I Saw A Car‹?

[Lacht] Damit habe ich echt nicht gerechnet, daß danach jemand fragt. Aber ganz ehrlich: Ich liebe Autos, Oldtimer ganz speziell! Mein absolutes Traumfahrzeug ist ein Saab 96, von einem solchen träume ich schon lange. Keine Ahnung warum, aber dieses Modell von Saab hat es mir ganz einfach angetan. Wie Du merkst, ist selbst in diese Nummer viel Persönliches eingeflossen, und ich war selten glücklicher bei einem Videodreh.

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Daß Dir »The Darkest Skies Are The Brightest« persönlich sehr am Herzen liegt, läßt sich aber auch daran erkennen, daß Du wohl erst gar nicht versucht hast, irgendjemand aus Deinem Musiker-Bekanntenkreis einzuspannen. Korrekt?

Genau. Als ich sicher war, welche Instrumentierung die Nummern erhalten sollten, habe ich lediglich Gijs Coolen, der ein guter Freund und auch mein Produzent ist, um Hilfe gebeten. Er hat mir dann auch die Kontakte zu den mitwirkenden Musikern hergestellt. Vor allem für die benötigten Streicher-Arrangements war sein Beitrag sehr hilfreich. Es war aber auch wieder einmal eine sehr interessante Erfahrung, mit Musikern und Künstlern zusammenzuarbeiten, die man noch nicht einmal wirklich kennt.

Nachvollziehbar, schließlich sind es ansonsten ausnahmslos bekannte Namen, die Dich als Kooperationspartnerin schätzen. Wird es denn diesbezüglich in näherer Zukunft wieder etwas für Deine Fans zu hören geben?

Nur wenig. Da ich zuletzt viel mit mir selbst beschäftigt gewesen bin, habe ich mich diesbezüglich zuletzt etwas zurückgehalten. In letzter Zeit habe ich lediglich mit Esa Holopainen von AMORPHIS zusammengearbeitet. Aber auch das war nur eine eher unspektakuläre Geschichte. Er hat mich gefragt, ob ich auf seinem ersten Soloalbum »Silver Lake« mit dabei sein möchte, und ich hab' die für mich vorgesehenen Passagen eingesungen. Mehr war es nicht.

Es wäre allerdings schon schade für Deine Fans, wenn Du in Zukunft nicht wieder mit diversen Kollegen Scheiben einspielen würdest. Mir persönlich würdest Du beispielsweise mit einem zweiten GENTLE STORM-Album eine Riesenfreude bereiten.

Glaub' mir, auch mir würde eine abermalige Kooperation mit Arjen unter diesem Banner viel Spaß machen! Mit ihm zu arbeiten ist immer eine Freude. Er ist nicht nur ein genialer Musiker und unglaublich kreativer Geist, der sich binnen kürzester Zeit die abenteuerlichsten Stories ausdenken kann, er ist auch ein überaus zuvorkommender und bewundernswerter Mensch. Mit ihm kannst Du eigentlich gar keine Probleme haben. Da er allerdings nicht gerade untätig ist, kann ich Euch leider nicht versprechen, ob es tatsächlich jemals ein zweites GENTLE STORM-Album geben wird. Ausgeschlossen ist es aber keineswegs.
Welches Projekt konkret als nächstes auf dem Programm steht, habe ich noch nicht entschieden. Ich muß mich diesbezüglich aufgrund der noch immer ungewöhnlichen Situation an die Möglichkeiten anpassen und mir einige Optionen offenlassen. Wer weiß, vielleicht ist es ja gegen Ende des Sommers tatsächlich schon wieder möglich, Konzerte zu geben? Dann wäre es wohl eher nicht ganz so schlau, sich in einem Studio zu verschanzen und an neuen Tracks zu schrauben. Für meine neue Scheibe sollten auch die Gegebenheiten vergleichsweise einfach sein, die Songs live darzubieten. Schließlich brauchen wir ja keinerlei Showelemente oder dergleichen. Vermutlich reicht sogar eine vom nächstbesten Musikhaus geliehene Anlage, um die Songs auf authentische Weise darzubieten. Auch hinsichtlich der Tourlogistik denke ich, daß eine solche Tournee recht einfach zu bewältigen ist. Leider sind das aber dennoch im Moment alles nur Mutmaßungen. Dennoch soll es an mir nicht scheitern, wenn es wieder heißt, "Bühne frei". Im Gegenteil, ich wär' sofort dafür bereit.

Wir auch. Also, Anneke, fahr' schon mal den Saab vor, wir steigen gleich ein!

http://www.annekevangiersbergen.com/

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Walter Scheurer

Photos: Mark Uyl

Anneke van Giersbergen im Überblick:
Anneke van Giersbergen – Online Empire 49-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2011)
Anneke van Giersbergen – Online Empire 87-Interview (aus dem Jahr 2021)
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