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  UE-Home → History → Online Empire 87 → Interview-Übersicht → LIQUID TENSION EXPERIMENT-Interview last update: 27.03.2024, 15:23:21  

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Als diese Formation gegen der 90er Jahre in der Prog-Szene auftauchte, war die Freude riesengroß. Schließlich gab es mit dem anno 1998 aufgelegten, selbstbetitelten Erstlingsalbum exakt jenes Freudenfest für Frickelfanatiker zu hören, das man sich von einer solchen Supergroup durchaus erhofft - oder weniger bescheiden ausgedrückt - erwartet hatte. Die Prog-Gemeinde nahm auch das im Jahr darauf nachgereichte Zweitwerk »2« euphorisch auf, dennoch wurde schon bald darauf beschlossen, daß es so bald keine Studioveröffentlichungen des illustren Quartetts geben würde.

LIQUID TENSION EXPERIMENT-Bandphoto

Die Gründe dafür waren mannigfaltig, einer der wohl wichtigsten war jedenfalls, daß Mike Portnoy und John Petrucci ihren Kollegen Jordan Rudess inzwischen auch bei ihrer Stammband DREAM THEATER als Nachfolger für Derek Sherinian mit an Bord geholt hatten. Ein Instrumentalquartett, zu dem neben dem durch sein Engagement bei Peter Gabriel und KING CRIMSON weltbekannten Bassisten Tony Levin drei Musiker der Prog-Metal-Institution zählten, hielt man zu diesem Zeitpunkt für nicht zwingend nötig. Lange Jahre mußten die Fans daher annehmen, daß man von dieser Formation, wenn überhaupt höchstens noch obskure Livemitschnitte oder Archivaufnahmen zu hören bekommen würde. Erst als im letzten Jahr Gerüchte bezüglich einer möglichen, abermaligen Kooperation der Herren Petrucci und Portnoy die Runde machten, kam Hoffnung auf. Dadurch kam es in der Tat überraschend, daß nur wenige Monate nach der Veröffentlichung von Petruccis aktuellem Soloalbum »Terminal Velocity« mit »3« nach mehr als zwei Dekaden schlußendlich doch ein weiteres LIQUID TENSION EXPERIMENT-Album veröffentlicht wird.

LIQUID TENSION EXPERIMENT-Headline

Bassist Tony Levin erwies sich beim dafür anberaumten Zoom-Meeting überaus auskunftsfreudig und von der abermaligen Zusammenarbeit selbst sehr angetan.

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns wieder zusammentun würden. Es war zwar klar, daß es nicht einfach sein würde, aber seit dem Zeitpunkt als Mike 2010 bei DREAM THEATER ausgestiegen ist, lag es mehr oder weniger in der Luft. Daß seit diesem Zeitpunkt jedoch weitere zehn Jahre ins Land gezogen sind, hatte weniger mit Business- oder Bandkonstellationen zu tun, sondern lag in erster Linie an unseren, nicht gerade leicht unter einen Hut zu bringenden Terminkalendern.

Das kann man sich nur zu gut vorstellen. Wie lange im Vorfeld mußtet Ihr denn planen, ehe es richtig losgehen konnte?

Das ist gar nicht mehr so einfach nachvollziehen, es muß jedoch so in etwa 2017 oder Anfang 2018 gewesen sein. Zwar standen auch nach ersten Sondierungsgesprächen zunächst einmal unsere Terminkalender im Fokus, doch es gab tatsächlich ein Zeitfenster, in dem weder bei DREAM THEATER, noch bei KING CRIMSON Tätigkeiten auf der Agenda standen. Und da es selbst für den nun wahrlich nicht gerade unterbeschäftigten Mike die Möglichkeit gab, LIQUID TENSION EXPERIMENT für einige Wochen zur Verfügung zu stehen, konnte es im letzten Sommer tatsächlich losgehen. Aufgrund der herrschenden Pandemie war jedoch erst einmal ein Gesundheitscheck das allerwichtigste. Denn erst als wir unsere Tests absolviert hatten, und diese allesamt negativ ausgefallen waren, konnten wir uns tatsächlich für zwei Wochen in einem Studio in New York verschanzen und an die Arbeit machen.

Brachte denn jeder von Euch Songideen mit, und diese auch ein?

So läuft das bei uns gar nicht! Bei LIQUID TENSION EXPERIMENT war es schon immer so, daß wir erst im Studio mit dem eigentlichen Schreiben der Songs beginnen. Wobei auch das irgendwie übertrieben klingt, denn unsere Songs entstehen im Prinzip lediglich aus Jamsessons im Studio selbst. Und weil speziell das bei uns dieses Mal dermaßen perfekt funktioniert hat, läßt sich auch mit Sicherheit behaupten, daß uns alle die Band schwer abgegangen ist.

So etwas klingt heutzutage nicht nur unkonventionell, sondern stellt definitiv auch Euren Ausnahmestatus unter Beweis. Ganz so nach dem Motto, "Ich fang' mal irgendetwas zu spielen ein, steigt einfach mit ein", wird es aber doch nicht gelaufen sein, oder?

Oh doch! Zumeist waren es Jordan und Mike, die losgelegt haben. John und ich sind oft zunächst eher nur die "Begleitband" gewesen, haben uns aber nach und nach auch gehörig ins Geschehen eingebracht. Du kannst mir glauben, daß ich manchmal froh war, daß immer alles aufgenommen wurde. Ich konnte mich an manchen Tagen nämlich nur noch schwer daran erinnern, was wir am Vorabend schon ausgearbeitet hatten, und woran es weiterzuarbeiten galt.

LIQUID TENSION EXPERIMENT-Bandphoto 1

Daß die Tracks mehr oder weniger spontan entstanden sind, hört man dem Material überhaupt nicht an. Vor allem vom technischen Aspekt her, hätten wir es Euch auch geglaubt, wenn behauptet worden wäre, jeder von Euch hätte seine Parts bis ins letzte Details schon lange im Vorfeld fertig gehabt und es nur noch daran lag, das Material produktionstechnisch unter einen Hut zu bringen.

So arbeiten wir bei LIQUID TENSION EXPERIMENT generell nicht. Natürlich hast Du recht, und es ist ja heutzutage auch wirklich kein großes Ding mehr. Man hört schließlich oft genug, daß Alben entstehen, ohne daß sich die Musiker dafür im Studio überhaupt begegnet sind. Doch bei uns läuft es immer noch anders! Wir hatten weder irgendwelche mp3-Files, die wir im Vorfeld durch die Weltgeschichte gejagt haben, noch hatten wir fertige Kompositionen vorbereitet, als wir uns im Studio getroffen haben.

Läßt sich daraus ableiten, daß es bei einer nicht dermaßen perfekten "Chemie" wesentlich länger gedauert hätte, oder »3« womöglich gar nicht aufgenommen worden wäre?

Das Album hätte bestimmt mehr Zeit in Anspruch genommen und mit Sicherheit auch anders geklungen. Da aber von Anfang mehr oder weniger zu spüren war, daß die Chemie nicht nur perfekt gepaßt hat, sondern wir regelrecht darauf gewartet haben, in dieser Formation frei von der Leber weg zusammenzuspielen, war uns recht schnell klar, daß es funktionieren wird. Und als wir unser erstes Stück fertig hatten, gab es überhaupt keine Zweifel mehr. ›Hypersonic‹ wurde nicht zuletzt aufgrund seiner Energie und Dynamik auf sofort zum Albumopener erklärt.

Gute Entscheidung, denn mehr Prog-Metal geht kaum! Positiv auffällig ist übrigens auch, daß einem als Zuhörer im Verlauf der Spielzeit nicht ein einziges Mal ein Sänger abgeht. Geht man beim Komponieren von Instrumentalnummern unterschiedlich an die Arbeit?

Ja, denn es reicht aus, die Emotionen in der Musik unterzubringen. Wahrscheinlich ist es dadurch einfacher, eine Instrumentalnummer zu komponieren. Über Gesang zu unseren Tracks haben wir zwar vor dem ersten Album mal kurz nachgedacht, uns aber dagegen entschieden.

Schwierig stelle ich mir dagegen die Suche nach einem Titel einer Instrumentalnummer vor. Was geht einem da durch den Kopf?

Das ist in der Tat eine gute, und auch berechtigte Frage, die ich mir auch schon mehrfach gestellt habe. [lacht] Ich will ganz ehrlich sein: Ich hab' nicht viel Ahnung davon. Auf diesem Gebiet ist Mike einfach eine Koryphäe, während ich - und da entspreche ich gerne dem typischen Klischeebild eines Rockbassisten [lacht] - diesbezüglich nur über wenig Kreativität verfüge. Ich hab' mir die Songs im Studio einfach nach ihrer Aufnahmereihenfolge gemerkt. Das hat zumindest mir geholfen. [lacht] Ich kann Dir jetzt also leider keine ausführliche Antwort liefern, denn die Songtitel entstammen der Gedankenwelt des unnachahmlichen Herrn Portnoy. Lediglich für ›Chris & Kevin's Amazing Odyssey‹ kann ich Dir eine schlüssige Erklärung liefern. Damit knüpfen wir an ›Chris And Kevin's Excellent Adventure‹ von unserem Debut an.

Das liegt auf der Hand. Wobei von der prominent in den Vordergrund gemischten Rhythmusarbeit her - heute wie damals - durchaus auch Tony und Mike als Protagonisten als Titelhelden hätten genannt werden können, oder?

Ganz sicher sogar. [lacht] Ein weiteres Paradeexempel für die unfaßbare Gabe unseres Drummers. Der Kerl kann nicht nur mit seinen Arbeitsgeräten grandios jonglieren, sondern auch mit Worten!

Dann dürfte wohl auch ›Your Beard Is Good‹ von der Bonus-CD auf ihn zurückgehen?

Na klar! Da wir im Endeffekt dermaßen viel Material am Start hatten, ein Doppelalbum aber nicht in Frage kam, haben wir eben fünf weitere Nummern, genauer gesagt, eine weitere gute Stunde Musik auf der Bonus-CD verewigt. Was mir Mike mit diesem Titel mitteilen will, weiß ich zwar nicht genau, aber schau' Dir bloß mal aktuelle Photos von LIQUID TENSION EXPERIMENT an. Während ich es mit dem Bartwuchs eher bescheiden und überschaubar halte, könnte man Jordan, John und Mike inzwischen doch glatt als einschlägige Models engagieren! [lacht]

Werden die Bonussongs auf allen Versionen zu hören sein?

Ich denke schon. Soviel ich weiß, wird nämlich selbst den Vinyl-Ausgaben eine Bonus-CD beigefügt sein. Wie viele unterschiedliche Formate es geben wird, weiß ich ad hoc allerdings nicht, die Songs sollten aber überall zu hören sind. Besonders gelungen finde ich übrigens das Boxset, in dem »3« als Dreifach-Vinyl, Doppel-CD sowie als Blu-ray enthalten ist. Unser Label hat zudem auch noch das Cover als großformatiges Poster drucken lassen, um den Fans auch etwas fürs Auge zu bieten. Da an der Livefront vorerst ja leider nichts zu machen ist, gehe ich davon aus, daß Musikfans zur Zeit generell wieder bereit sind, mehr in Tonträger zu investieren. Von daher gehe ich davon aus, daß die limitierten Auflagen ganz gut weggehen werden. Ich denke auch, daß unser neues Album nicht nur unsere Fans freuen wird, sondern wir damit auch die Chance haben, uns eine neue Klientel erschließen zu können.

LIQUID TENSION EXPERIMENT-Bandphoto 2

Dafür, und selbstverständlich auch für alle anderen geplanten LIQUID TENSION EXPERIMENT-Aktivitäten wünschen wir Euch nur das Beste!

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Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Walter Scheurer

LIQUID TENSION EXPERIMENT im Überblick:
LIQUID TENSION EXPERIMENT – 2 (Rundling-Review von 2000 aus Online Empire 2)
LIQUID TENSION EXPERIMENT – 3 (Rundling-Review von 2021 aus Online Empire 88)
LIQUID TENSION EXPERIMENT – Online Empire 87-Interview (aus dem Jahr 2021)
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