Schon mit ihren ersten beiden Demos, die zu Beginn der 90er in Umlauf gebracht wurden, konnte die seinerzeit noch ausschließlich aus US-amerikanischen Musikern bestehende Formation mit einer feinen Melodic/Progressive Metal-Melange vor allem in Europa Fans für sich gewinnen.
Da auch die ersten Alben, die seinerzeit von der legendären Kultschmiede NOISE RECORDS aufgelegt wurden, mehr als nur positiv angenommen wurden, war der Grundstein für eine ruhmreiche Karriere gelegt. Bis heute hanteln sich KAMELOT von Erfolg zu Erfolg und wissen eine stetig wachsende Fanbase hinter sich, auch wenn sich neben der musikalischen Ausrichtung auch die Besetzung im Laufe der Jahre gehörig geändert hat.
Der aus Tampa in Florida stammende Thomas Youngblood ist mittlerweile als einziges noch verbliebenes Gründungsmitglied mit an Bord, jedoch nach wie vor für den Löwenanteil des Songmaterials zuständig. Gemeinsam mit dem seit 2012 anstelle des Norwegers Roy S. Khan zur Band gestoßenen Schweden Thomas Karevik absolviert er auch die Promotion-Arbeit für das im April veröffentlichte zwölfte Studioalbum »The Shadow Theory«. Aus diesem Grund stand der "Doppel-Thomas" auch uns Rede und Antwort.
Laßt mal hören, was sich bei Euch seit dem letzten Album getan hat?
Thomas Karevik: Vielleicht ist es einfacher mit der Produktion selbst zu beginnen, da gab es nämlich keine Veränderungen. [lacht] Das heißt, wir haben uns erneut in die bewährten Hände von Sascha Paeth begeben, der wie schon zuletzt für »Haven« allerbeste Arbeit verrichtet hat. Das Mastering im Anschluß daran hat Jacob Hansen erledigt, und auch mit seinem Job sind wir absolut zufrieden.
Thomas Youngblood: Absolut! Allerdings hat sich in der Tat vieles verändert. Ich möchte einmal damit beginnen, daß auf »The Shadow Theory« zwar noch unser langjähriger Schlagzeuger Casey Grillo zu hören ist, er uns jedoch inzwischen verlassen hat. Ein Glück, daß wir in kurzer Zeit diverse Anfragen für den Antritt als Nachfolger hatten. Im Endeffekt haben wir uns für den auch bei FIREWIND aktiven Johan Nunez entschieden.
Euch als US-amerikanische Band zu bezeichnen ist dadurch endgültig "Schnee" von gestern...
Thomas Youngblood: Schon, aber das ist ehrlich gesagt auch ziemlich egal. Wenn Du so willst, läßt sich sogar behaupten, daß unsere "Internationalität" insofern sogar noch gesteigert wurde, da Johan gebürtiger Belgier ist. Jetzt haben wir neben einem schwedischen Sänger und einem deutschen Keyboarder unsere "Europa-Fraktion" also gehörig gesteigert.
Die hat Euren Sound erneut entscheidend geprägt, ebenso aber auch die geladenen Gäste. Wer sind denn beispielsweise die arg unterschiedlich röhrenden Damen?
Thomas Karevik: Da ist zunächst einmal BEYOND THE BLACK-Frontdame Jennifer Haben, die mich mit ihrer entspannten, melodischen Stimme unterstützt hat. Als Kontrast haben wir aber auch Laureen Hart von den deutlich derber agierenden ONCE HUMAN verpflichtet.
Diese vermeintliche Divergenz erstaunt auf den ersten Höreindruck zwar, fügt sich aber nach mehreren Durchläufen brillant in den Album-Konsens ein. Wobei ich auch eine gehörig dunkle Industrial-Schlagseite zu vernehmen meine. Wie kam es dazu?
Thomas Youngblood: Das war weder ein Muß, noch planten wir diese dunklen Parts im Voraus. Tatsache ist, daß sich die Musik zusammen mit den Texten in diese Richtung entwickelt hat.
Nachvollziehbar, denn die lyrische Komponente läßt sich wohl nicht gerade der Kategorie "Easy Listening" zuzuordnen. Denkt Ihr, daß es für die Fans schwierig sein wird, sich in das neue Material einzuleben?
Thomas Youngblood: Ganz ehrlich: Ich hab' überhaupt keine Ahnung, ob unsere Fans mit der musikalischen Darbietung auf Anhieb zurechtkommen werden, denn eine gewisse Erschließungsphase wird man der Scheibe auf jeden Fall zubilligen müssen. Im Prinzip spiegelt das aber nur die Entstehungsgeschichte von »The Shadow Theory« wider, schließlich wurde das Album keineswegs spontan innerhalb eines Wochenendes bei ein paar Bierchen im Studio einfach so mal aufgenommen.
Das hätten wir auch gar nicht erwartet. Was war denn besonders arbeitsintensiv?
Thomas Youngblood: Allein für das lyrische Konzept hat es einer sehr umfangreichen Vorbereitung und intensiver Recherchen bedurft. Selbst wenn »The Shadow Theory« nicht als Konzeptalbum im Sinne von »Operation: Mindcrime« zu sehen ist, besteht ein innerer Zusammenhalt der einzelnen Kompositionen.
Als Basis haben wir uns nämlich an das Werk von Carl Gustav Jung gehalten, wobei uns speziell seine Arbeit in der Psychotherapie fasziniert hat. An sich war Jung zwar ein überaus vielseitiger Wissenschaftler, bekannt wurde er in erster Linie aber als Begründer der analytischen Psychologie. Erst durch seine Forschung sind Begriffe wie Komplex und Archetypus in der Psychologie zum Begriff geworden. Speziell die Arbeiten zum Thema "Schatten" der menschlichen Psyche haben wir versucht, musikalisch umzusetzen. Da diese Thematik sehr umfangreich und komplex ist, war für uns recht bald klar, daß auch unsere Umsetzung entsprechend mannigfaltig ausfallen wird.
In der Tat nicht gerade einfacher Stoff. Eines der bekanntesten Zitate des Schweizer Psychologen lautet bekanntermaßen "Wer zugleich seinen Schatten und sein Licht wahrnimmt, sieht sich von zwei Seiten, und damit kommt er in die Mitte". Jene "Mitte", also das Zentrum beziehungsweise die Basis des Schaffens, ist es im Endeffekt immer noch, das Euren musikalischen Vortrag auf elegante Weise formvollendet. Kurz gesagt: Weit entfernt habt Ihr Euch von Eurer Herangehensweise dann doch nicht, richtig?
Thomas Youngblood: Für Künstler ist es nicht wichtig, sich immer neu erfinden zu wollen, sondern sich mit einem ureigenen Stil zu etablieren. Ich denke, als Band ist uns das ganz gut gelungen.
Thomas Karevik: Allein die Tatsache, daß wir inzwischen sowohl in den USA als auch in Europa auf ein stetig wachsendes Gefolge blicken können, bestätigt, daß wir einiges richtig gemacht haben. Auch der Enthusiasmus, der unsere Liveshows begleitet, ist ein Indiz dafür. Daran wollen wir logischerweise mit den kommenden Tourneen anschließen!
Wird es denn »The Shadow Theory« in kompletter Form live zu sehen geben?
Thomas Karevik: Nein. An sich hatten wir zwar kurz mit dem Gedanken gespielt »The Shadow Theory« in ganz spezieller Weise zur Aufführung zu bringen, doch da sich ein solches Unterfangen rein logistisch nur sehr schwer bewerkstelligen läßt, haben wir das vorerst einmal bleiben lassen und werden wohl nur auf einige Tracks davon zurückgreifen, die wir in unsere Setlist integrieren werden.
Photos: Tim Tronckoe