Trotz keineswegs schwacher Veröffentlichungen sowie durchweg imposanter Live-Auftritte mit Ronny Munroe am Mikro, fehlte einem großen Teil der eingeschworenen Fangemeinschaft von METAL CHURCH jener Mann, der die Band mit seiner charismatischen Stimme von 1988 bis Mitte der 90er Jahre prägte: Mike Howe.
Wie sich herumgesprochen haben sollte, ist der auch für seine sympathische Art allseits beliebte Frontmann vor einiger Zeit tatsächlich zum Unternehmen zurückgekehrt. Näheres zu den Begleitumständen wie auch zum brandaktuellen Dreher erläuterte Gitarrist Kurdt Vanderhoof für uns.
Die aktuelle Bandkonstellation dürfte ein dermaßen überraschendes wie erfreuliches Ereignis für die Fans darstellen, daß sich andere Fragen als jene nach dem Hergang der Wiedervereinigung als Einstieg ausschließen. Also los Meister, wie kam es denn schlußendlich zu der in Eurer Klientel seit langer Zeit herbeigesehnten Reunion?
Wie ihr sicher auch in Europa mitbekommen habt, sind die ersten Gerüchte, daß Mike zu METAL CHURCH zurückkehren würde, schon kurz nach dem Ausstieg von Ronny vor knapp zwei Jahren aufgetaucht. Ich weiß zwar bis heute nicht genau, woher diese stammten, muß aber zugeben, daß ich mir zu jener Zeit sehr wohl bereits Gedanken diesbezüglich gemacht hatte. Der Zufall wollte es, daß offenbar auch Mike nach all den langen Jahren ohne Rockmusik ein gewisses Kribbeln in sich verspürte.
Kurzum, die Gerüchte sollten sich binnen kurzer Zeit bewahrheiten, und wir durften alsbald mit stolzgeschwellter Brust bekanntgeben, was sich viele unserer Fans schon seit Jahren nicht nur insgeheim gewünscht, sondern auch in diversen sozialen Netzwerken öffentlich kundgetan hatten.
Die "Nummer Sicher"-Variante mit dem Rückkehrer am Mikro erst mal auf Tournee zu gehen und erst danach weiterzuarbeiten, war keine Option?
Viele wiederbelebte Formationen versuchen auf solche Weise zunächst einmal, wieder einen Fuß in die Türe zu bekommen. Diese Vorgangsweise ist zwar nachvollziehbar, war bei uns jedoch niemals ein Thema. Vorwiegend deshalb nicht, da ich, sobald klar war, daß Mike tatsächlich wieder bei uns einsteigen würde, damit begonnen hatte, Songs zu komponieren. Schon bei den ersten Riffs schwirrte mir seine Stimme im Kopf herum, und je weiter die Arbeiten fortgeschritten waren, desto klarer wurde mir, daß es nur eine einzige Möglichkeit geben würde, diese auch so klingen zu lassen, wie es mir vorschwebte: Mike mußte diese Songs einfach singen!
Aus den ersten Songfragmenten entstanden schlußendlich jene elf Hämmer, die nun unter dem Titel »XI« auf die Menschheit losgelassen werden. Wie hoch war die Meßlatte für Dich beim Komponieren?
Für mich war von Anfang an klar, daß sich die Scheibe mit den früheren Scheiben messen wird müssen, die "Howie" mit seiner prägnanten Stimme einst prägte. Allein das Wissen, Mike wieder in der Band zu haben, animierte mich aber ohnehin dazu, Songs zu schreiben, die stilistisch deutlich melodischer ausfallen als das zuletzt der Fall gewesen ist. Seine Stimme und auch seine Art zu singen, unterscheiden sich eben ganz deutlich von Ronny, wodurch auf »XI« wieder jene Elemente im Vordergrund stehen, die schon die früheren Scheiben mit ihm am Mikro geprägt haben. Auch die Art und Weise der Zusammenarbeit ist nun wieder ganz anders. Das war mir allerdings nicht neu, denn ich wußte ja bereits, wie es ist, mit Mike Songs zu schreiben und im Studio zu arbeiten. Denn auch wenn ich damals, kurz vor der Veröffentlichung von »Blessing in Disguise« ausgestiegen bin, war ich am Songwriting und den Produktionsarbeiten beteiligt. Als wir mit den Aufnahmen zum aktuellen Album begonnen hatten, stellte sich bei mir das Gefühl ein, in den letzten Jahrzehnten irgendetwas vermißt zu haben. Und als ich dann zum allerersten Mal die Scheibe in vollem Umfang hören konnte, war mir klargeworden, was. Diese spezielle Feeling, mit Mike Musik zu machen. Ohne Mike hätte es »XI« in dieser Form nicht gegeben!
Eine Rückbesinnung auf vergangene Tage ist auch in den Texten zu erkennen. Mit Absicht nehme ich an?
Absolut! Denn auch wenn beispielsweise die Message des Openers ›Reset‹ keineswegs offenkundig direkt auf die Bandgeschichte gemünzt ist, lassen sich biographische Züge erkennen. Man darf uns durchaus unterstellen, daß wir uns zusammengesetzt und den berühmt-berüchtigten Knopf für einen Neustart gedrückt haben, denn im übertragenen Sinne war es genauso!
METAL CHURCH waren zwar noch nie eine politisch motivierte Band und werden es auch niemals sein, Texte mit Aussagekraft und Hintergrund hatten wir aber schon immer. Man erinnere sich an Beispiele wie ›Date With Poverty‹ oder ›Betrayed‹. In eine ähnliche Kerbe schlagen nun Songs wie ›No Tomorrow‹ oder ›Suffer‹.
An eine Fortsetzung Eurer bisherigen Werke läßt auch das Artwork denken, richtig?
Auf jeden Fall! Diesbezüglich haben wir zwar dem Künstler freie Hand gelassen, waren aber dennoch darauf erpicht, etwas in typischer Bandtradition zu erhalten. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen, denn es gibt schon auf den ersten Blick zu erkennen, von wem dieses Album stammt. Ich bin mir ganz sicher, jeder Fan würde sofort wissen, daß es sich um ein METAL CHURCH-Album handelt, selbst wenn das Bandlogo nicht darauf verewigt wäre.
Das Cover hätte wohl auch ohne Mike so ausgesehen. Mit dieser Gitarre haben wir uns unbewußt schon beim Debutalbum ein Markenzeichen gesetzt, deshalb kommt es immer wieder zum Zug. Es unterscheidet uns wohl auch von den ganz großen Bands dieser Welt. Wir haben es zwar zu keiner Identifikationsfigur wie "Eddie" gebracht, doch immerhin wissen die Fans, wenn sie irgendwo im Plattenladen eine Scheibe mit einer verrottenden Gitarre sehen, von wem diese stammt. [lacht]
Dabei war der Status der Band in der ersten "Howe-Phase" durchaus bemerkenswert, denkst Du, daß Ihr daran anschließen könnt?
Mal sehen. In den späten 80er Jahren war die Zeit einfach optimal für Bands wie uns. Die Fans waren hungrig nach Heavy Metal in dieser Form, und auch MTV war es zu verdanken, daß man von METAL CHURCH in einem gehörigen Ausmaß Notiz nehmen konnte. Es dürfte zudem auch für die damalige Besetzung gesprochen haben, daß mit Mike ein Mann an vorderster Front agierte, der noch dazu problemlos jedes Publikum auf seine Seite ziehen konnte. Inwiefern wir daran anschließen können, wage ich nicht vorherzusagen, bin aber schon sehr gespannt, wie es sein wird, wenn wir zum ersten Mal in dieser Besetzung auftreten werden.
Das war mir gar nicht bewußt. Eure Herangehensweise erscheint dadurch klarerweise nachvollziehbarer.
Diese Tatsache ist mit ein Grund, weshalb wir uns nicht auf eine Reunion-Tournee vor der Albumveröffentlichung eingelassen haben. Die aktuelle Besetzung in ihrer jetzigen Form hat nämlich noch keinerlei Live-Erfahrung und - ob ihr es glaubt oder nicht - ich habe bis dato noch nie zusammen mit Mike Howe auf einer Bühne gestanden!
Das hat sich zwar inzwischen geändert, denn die ersten Shows sind (offenbar erfolgreich) absolviert worden, die Europa-Premiere erfolgt aber erst in einiger Zeit.
http://www.metalchurchofficial.com/
Photos: Mike Savoia