Die letzten Jahre waren zwar vorwiegend von Besetzungswechseln gekennzeichnet, doch dem Metal-Urgestein MELIAH RAGE konnte das erneut nicht viel anhaben, so daß man im letzten Jahr mit »Dead To This World« ein neues Studioalbum an den Start bringen konnte. Mit von der Partie als Sänger ist mit Paul Souza ein alter Bekannter, der bereits auf »Barely Human« Originalsänger Mike Munro ersetzte und auch auf dem 2006er-Langeisen »The Deep And Dreamless Sleep« zu hören war. Daß mit Ronny Munroe ein Szeneoriginal als Gastsänger bei dem Song ›Last Rites‹ vom 2009er Album »Masquerade« fungierte und auch Mike kurzeitig erneut in den Schoß seiner alten Freunde zurückgekehrt war, macht die aktuelle Situation für Paul nicht gerade einfacher, doch es scheint, als ob der Mann ganz gut damit leben kann, auch in Zukunft kurz und bündig als der "Neue" bezeichnet zu werden.
Das sieht auch Gitarrist und Bandgründer Anthony Nichols so, der selbstredend jede Menge zum aktuellen Silberling zu berichten hatte und auch darüber hinaus bereitwillig Auskunft gab.
»Dead To This World« klingt in sich stimmig und kompakt und kommt als Gesamtkunstwerk genossen am besten zur Geltung. Atmosphäre, aber auch das Artwork des neuen Drehers lassen darauf schließen, es mit einer konzeptionellen Geschichte zu tun zu haben. Korrekt?
Nicht ganz. Allerdings hast Du insofern recht, da wir sehr wohl zusammenhängende Songs, in denen es darum geht, wie es für einen Typen sein muß, der aus einem Krieg zurückkehrt, komponiert haben. Deshalb ist auch die Atmosphäre zumeist sehr dunkel und düster gehalten.
Wurde diese Ausrichtung von Beginn an festgelegt, oder seid Ihr erst im Laufe der Ausarbeitung des Themas in jene Richtung gedriftet?
Von beidem ein wenig. Zunächst habe ich mit Gitarrenpassagen und Melodien experimentiert, die zur Direktive dahin geworden sind. Dazu kam dann aber auch, daß es um unseren Sänger Paul im privaten Bereich nicht unbedingt rosig bestellt war. Deshalb kam er immer wieder mit fast schon beängstigenden Texten daher, die sich als perfekt passend zur Musik entpuppten.
Hatte Paul denn auch Erfahrung als Soldat machen müssen?
Nein, das nicht, aber man kann durchaus sagen, daß Paul in jener Phase eine Art Krieg gegen seine inneren Dämonen zu führen hatte. Ein solcher Kampf ist nicht minder brutal und kann einen Menschen soweit herunterziehen, daß der Titel des Albums seine Realität darstellt.
Für die Texte war also Paul verantwortlich, während die Musik auf Deine Kappe geht. Wie darf man sich denn bei Euch das Songwriting generell vorstellen?
Nicht besonders spektakulär. Ich habe mir in der Zwischenzeit ein kleines Homestudio eingerichtet, wo ich meine Idee ausarbeiten und aufnehmen kann. Diese versende ich dann an die anderen Bandmitglieder. Daraus werden dann meistens fertige Songs, allerdings gebe ich Paul phasenweise noch zusätzlich Input, indem ich ihm mitteile, an welchen Stellen ich mir welche Art von Gesang vorstelle.
Das Ergebnis spricht für diese Arbeitsweise. Gibt es dabei eigentlich einen Unterschied zu früher?
Natürlich hat sich einiges geändert, aber dennoch sollte unsere Handschrift erkennbar geblieben sein. Ich persönlich denke zwar, daß wir heutzutage ein wenig komplexer klingen, sich an unserer grundsätzlichen Ausrichtung aber nichts verändert hat. Wir selbst haben MELIAH RAGE ja niemals als reinrassige Thrash Metal-Formation betrachtet, sondern waren immerzu bemüht, heavy, eingängig und melodiös zugleich zu klingen.
Die "Handschrift" ist fraglos geblieben, dennoch wollen viele Fans hierzulande die momentane Version von MELIAH RAGE nicht wirklich akzeptieren, sondern fordern Mike Munro als Sänger zurück. Wie steht Ihr dazu?
Das Problem kenne ich. Wir nehmen Kommentare und Meinungen zu diesem Thema zur Kenntnis, lassen aber nicht beirren. Auch Paul ist sich dieser Sache bewußt und steht diesbezüglich zum Glück über den Dingen. Das Problem an sich ist ja auch nicht neu. Frag' dazu einfach mal Brian Johnson, Ronny Munroe oder Tim Owens.
Verständlich diese Reaktion - viel übler haben es Euch die deutschen Fans auch genommen, daß Euer Auftritt beim diesjährigen "Headbangers Open Air" relativ kurzfristig gecancelt worden ist. Warum eigentlich?
Als wir gehört haben, daß das Essen schlecht sein soll, sind wir lieber zu Hause geblieben. [lacht] Nein, im Ernst, es hat uns verdammt leidgetan, diese Chance nicht wahrnehmen zu können. Interne wie organisatorische Schwierigkeiten haben uns jedoch dazu gezwungen.
Da besteht aber dringend Nachholbedarf, eventuell läßt sich ja durch Eure aktuelle Business-Situation wieder ein wenig Boden gut machen. Eure neue Labelchefin Jowita kümmert sich aber nicht nur darum, sondern durfte beim Coverartwork ihre künstlerische Ader einmal mehr ausleben. Wie war die Zusammenarbeit?
Sehr entspannt. Wir hatten ihr lediglich einige Songtitel mitgeteilt und in etwa eine Idee gegeben, wovon das Album handelt. Der Rest entstand quasi von allein. Jowita hat einen verdammt guten Job erledigt, keine Frage!
Wie kam denn eigentlich der Kontakt zustande?
Auf eher ungewöhnliche Weise, denn METAL ON METAL RECORDS haben sich bei uns gemeldet, um MELIAH RAGE unter Vertrag nehmen zu dürfen. Du kannst mir glauben, daß wir etwas überrascht gewesen sind, denn mit einer solchen Aktion hätten wir nie im Leben gerechnet.
Eine Vorgangsweise die Schule machen sollte! Was steht sonst noch so an in naher Zukunft?
Das ist nicht ganz so einfach zu beantworten, schließlich handelt es sich bei uns um eine Truppe von Typen in den 40ern, die nicht nur ausschließlich Musik machen können, sondern noch jede Menge andere Arbeiten zu erledigen haben. Musik ist aber dennoch ein essentieller Teil unseres Lebens! Als nächstes steht mit Sicherheit die Neuauflage von »Barely Human« auf dem Programm, auf der wir als Bonus den alten Alice Cooper-Track ›Halo Of Flies‹ covern. Was danach kommt, werden wir sehen.
Also: Abwarten, Tee trinken und auf das Beste hoffen.