WITHIN TEMPTATION
Anneke van Giersbergen
Neu-Isenburg, Hugenottenhalle
25.11.2011
Eine ausverkaufte Hugenottenhalle in Neu-Isenburg sprach Bände ob des Status, den die Holländer WITHIN TEMPTATION sich mittlerweile erarbeitet haben. Nachdem Sängerin Sharon den Adel vor einigen Monaten ihr drittes gemeinsame Kind mit Gitarrist Robert Westerholt zur Welt gebracht hatte, sollte bereits im August bei einigen Festivals die Tourmaschinerie wieder anlaufen. Nach einigen Dates in Nordamerika wurde dann Europa systematisch abgeklappert, während die deutschen Termine gegen Ende der Konzertreise lagen, an die sich nur noch eine Show in der Schweiz und eine in Finnland sowie abschließend drei Konzerte in Rußland anschlossen.
Als Gast tritt die ehemalige THE GATHERING-Sängerin Anneke van Giersbergen an, die mittlerweile das AGUA DE ANNIQUE-Etikett ad acta gelegt hat, unter dem sie seit ihrem Ausstieg bei THE GATHERING agiert hatte, und ab sofort ihr Glück quasi als Solokünstlerin probieren möchte und unter ihrem eigenen Namen operiert. Von der kommenden Soloplatte stehen auch gleich mal vier Songs auf der Setlist, während das zweite an diesem Abend vorgetragene Stück THE GATHERINGs ›Saturnine‹ ist. Auf den ersten Eindruck scheinen die neuen Lieder von Anneke stilistisch nicht meilenweit von den ruhigeren THE GATHERING-Songs entfernt zu sein, so daß diese Kombination sehr stimmig erscheint. Hinzu kommen als Opener und Schlußsong noch die beiden AGUA DE ANNIQUE-Kompositionen ›Fury‹ und ›Witnesses‹; im Verhältnis zu diesen Nummern umschreibt Anneke ihre neuen Stücke übrigens als vielschichtiger und mit mehr elektronischen Elementen versehen.
Ihre neue Band besteht aus Ferry Duijsens, ehemaliger Gitarrist der Nu-Metaller DREADLOCK PUSSY, Gijs Coolen, ehemaliger Gitarrist der Band WOOST, Joost van Haaren, ehemaliger Bassist der Rock/Pop-Band KREZIP, sowie Annekes Ehemann Rob Snijders, ehemaliger Drummer von CELESTIAL SEASON und KONG, der in letzter Zeit auch mit KYUSS-Sänger John Garcia getourt war, denen Anneke ganz in Schwarz gekleidet - mit Shirt, Leggings und Hotpants - charismatisch und sympathisch wie immer vorsteht.
Der Stop in Neu-Isenburg bedeutet die letzte Show für Anneke auf dieser Tour, die drei Wochen lang WITHIN TEMPTATION begleiten durfte, wobei es beim letzten Songs allerdings keine der traditionellen seltsamen Scherzchen seitens des Headliners oder der Crew gibt, dafür aber schließt sich WITHIN TEMPTATION-Gitarrist Ruud Jolie Frau Anneke und ihrer Mannschaft als Gast an, um sich dann mit einem "See you in half an hour" zu verabschieden.
Nicht erst in der Pause bemerkt man umgehend die interessante Publikumszusammenstellung, da jene, die man gemeinhin als "schwarze Seelen" bezeichnen würde, nur noch einen ganz kleinen Anteil des Publikums ausmachen. Ansonsten ist die Skala mittlerweile von besagtem kleinen Gothic-Mädel bis zum Fast-Rentner nach oben hin quasi komplett offen, was sicherlich auch eine Konsequenz der deutlich poppigeren und weniger Gothic-lastigen neuen WITHIN TEMPTATION-Platte »The Unforgiving« ist.
Wie sehr die Band allerdings hinter dieser Platte steht, beweist man, indem man die Show nach der langen Version des ›Why Not Me‹-Videointros, das auf der riesigen LED-Wand im Hintergrund abgespielt wird, gleich mal mit drei neuen Songs beginnt: ›Shot In The Dark‹, ›In The Middle Of The Night‹ und ›Faster‹, die auch besagte Platte eröffnen. Hier fällt auf, daß die auf Platte doch recht glatt produzierten Songs live deutlich bissiger rüberkommen. Zugleich wirken aber auch jene neuen Songs, bei denen man auf die Orchestrierung weitgehend verzichtet hat, in diesem Umfeld für WITHIN TEMPTATION-Verhältnisse ungewohnt dünn. Dafür werden hier die zugehörigen Videos auf die LED-Wand projiziert, während selbige im weiteren Verlauf des Konzertes nur ganz selten auch mal ausgeschaltet bleibt und der Vorhang vorgezogen wird.
Das Bühnenbild mit einer oberen Rampe ist sehr eindrucksvoll, wobei eben jene Ebene zum Beispiel für das Duett von WITHIN TEMPTATION-Sängerin Sharon den Adel und Anneke, die quasi einen Gegenbesuch für Ruuds zuvor stattgefundenen Besuch abstattet, bei ›Fire & Ice‹ genutzt wird.
Die beiden neuen Musiker, Drummer Mike Coolen und der erst kurz vor der Tour anstelle des an der Familienfront weiterkämpfenden Robert Westerholt zum Tourgitarrist erkorene Stefan Helleblad, haben sich gut eingefügt, auch wenn durch sie nun die durchschnittliche Haarlänge der Band auf wenige Zentimeter geschrumpft sein dürfte. :-) Neuling Stefan ist auch in die WITHIN TEMPTATION-üblichen Hüpfeskapaden eingebunden, die heuer ganz besonders ausgiebig bei ›Sinéad‹ gepflegt werden, während Bassist Jeroen van Veen immer noch so sportresistent wie eh und je ist.
Die Hugenottenhalle ist eine sehr schöne Halle, bei der es lediglich ein ausgeprägtes Parkplatzproblem gibt, da das nahegelegene Parkhaus schon um 21 Uhr schließt. Vor allem ist hier - ein fähiger Mann am Mischpult vorausgesetzt - ein guter Sound garantiert, was an diesem Abend allerdings auch dazu führt, daß man nicht überhören kann, daß Sharon wohl ein paar Probleme mit der Stimme haben muß: So hat nämlich gerade ›Ice Queen‹ ein paar ganz verräterische Passagen, wo sie vor einigen Höhen kneifen, oder bei den entsprechden Gebirgswanderungen nochmal kräftig nachfassen muß, was die Vermutung nahelegt, daß die Stimme von Sharon vielleicht durch die anhaltende Trockenheit in Deutschland und die mittlerweile doch recht frostigen Temperaturen ein wenig angekratzt ist. Dafür spricht auch das leichte Giemen bis Röcheln, das man bei ihren Ansagen vernehmen kann, was die Anwesenden mit medizinischen Vorkenntnissen umgehend dazu bringt, nach einem Asthmaspray für die Frontlady Ausschau zu halten.
Doch sieht man von diesen leichten und verzeihbaren Schwächen beim Gesang ab, die Sharon durch ihr Engagement in Sachen Entertainment und sympathischem Umgang mit dem Publikum locker wettmacht, darf man uneingeschränkt von einer tollen Show sprechen. Auch das Multimedia-Entertainment ist erstklassig, so daß die Zuschauer von WITHIN TEMPTATION mehr Vollbedienung denn je serviert bekommen.
Photos: Stefan Glas
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