JUDAS PRIEST
WHITESNAKE
THIN LIZZY
Wien, Stadthalle
29.06.2011
Zum Abschied sagt man in Wien zwar üblicherweise leise "Servus", doch das ist keineswegs immer so. Die anläßlich ihres Pensionsantrages namens "Epitaph Tour 2011" in der Bundeshauptstadt gastierenden JUDAS PRIEST halten sich beispielsweise überhaupt nicht daran, sondern geben ein (vermeintlich) letztes, dafür um so lauteres Abschiedsgastspiel. Mit verdammt lautem, aber auch perfektem Sound legt der Fünfer mit dem überraschenden Opener ›Rapid Fire‹ im wahrsten Sinne des Wortes los wie die Feuerwehr. Dazu passend wird auch zum ersten Mal an diesem Abend eine amtliche Pyro-Show aufgefahren. Aber nicht nur der optische Aspekt der Show ist beeindruckend, auch der neue Gitarrist Ritchie Faulkner erledigt seine Aufgabe mit Bravour und entpuppt sich im Verlauf des Abends als durchaus würdiger Ersatzmann für den kurz vor der Tour ausgestiegenen K.K. Downing. Vor allem beim in herrlichen Rot-Tönen lichttechnisch einwandfrei umgesetzten, dramaturgisch perfekten ›Blood Red Skies‹ darf Ritchie dann das Spotlight sogar ganz für sich alleine beanspruchen, Respekt! Nicht nur zu meiner persönlichen Freude scheint man dieses Evergeen aus dem Hut zu zaubern, nimmt man die Publikumsresonanz generell als Maßstab scheint Wien darauf regelrecht gewartet zu haben. PRIEST zeigen sich generell von einer ungemein spielfreudigen Seite und beeindrucken darüber hinaus auch mit einer imposanten Setlist.
So bekommt man neben unverzichtbaren Standards wie ›Metal Gods‹, ›Heading Out To The Highway‹ oder dem hier und heute ohne (!) Gesangsbeitrag intonierten (aber dennoch funktionierenden) ›Breaking The Law‹ auch einige unerwartete Perlen wie ›Beyond The Realms Of Death‹ oder ›Never Satisfied‹ vom Debut »Rocka Rolla« geboten. Aber nicht nur die Instrumentalfraktion zeigt sich in Topverfassung (einmal mehr als Ruhepol in Person zu sehen: Ian Hill), auch Rob Halford ist gut in Form und bewältigt - mit Ausnahme von ›Painkiller‹, in dem er doch sehr "gequält" wirkt - sein Programm nahezu mühelos. Daß der gute Rob einen Teil seiner Texte einmal mehr von einem Telepromter abzulesen scheint, kann ich weder bestätigen, noch ausschließen - seine mitunter gebückte, in Richtung Bühnenboden orientierte Haltung läßt aber verdächtig oft darauf schließen.
Aber das alles sind nur Kinkerlitzchen und dem Publikum auch offenbar völlig egal, denn es ist eben Augenzeuge eines überzeugenden - und hoffentlich doch nicht ganz so ganz endgültigen - Abschiedsgigs. Und falls doch, auch von mir ein Dankeschön von ganzem Herzen an die zwar nicht mehr ganz jugendlichen, aber blendend aufgelegten und spielfreudig agierenden Herrschaften.
Daß Männer dieser Altersgruppe auch immer noch imposante Performances an den Tag legen, stellt unmittelbar davor Posergott David Coverdale unter Beweis. Solange sich dieser Mann auf den Bühnen der Welt bewegt, ist gesichert, daß Viagra für Mikroständer erst gar nicht erfunden werden muß. Während andere Bands in ihren Texten über Tod und Teufel schwadronieren, widmet sich David in seinen lyrischen Ergüssen (*hüstel*) seit Beginn seiner Karriere anderen "Themenkreisen", und so kommt eben in nahezu jedem Titel das Wort "love" vor. Dieses gilt es eben auch mit Gesten live umzusetzen, und exakt darin ist David schlicht Weltklasse. Die Stimmung ist von Beginn an prächtig, und so ist es auch völlig egal, was aus der Klamottenkiste geholt wird, die Meute singt - selbst bei den Tracks des aktuellen Albums »Forevermore« - permanent begeistert mit. Mein persönliches Highlight ist das fein intonierte ›Slide It In‹, die Mehrheit der knapp 7.000 Zuseher bejubelt jedoch vorrangig ›Here I Go Again‹. Kein Wunder, ist dieser ehemalige Chartbreaker doch auch heute noch ab und an im Radio zu hören. Nicht ganz so imposant wie die Stimmung selbst ist allerdings die Gesangsdarbietung. Vor allem in den Höhenbereichen ist mehrfach überhaupt nur noch heiseres Krächzen zu vernehmen, auch wenn der alte David durchaus bemüht zu sein scheint. Außerdem weiß sich Coverdale zumindest mittels großer Posen zu helfen, und obendrein stehen mit Reb Beach und Doug Aldrich ja auch noch zwei Helden ihrer Zunft auf den Brettern, die ihr Bestes geben und sich in einem opulenten Solo-Teil austoben dürfen. Selbiges gilt selbstredend auch für Brian Tichy hinter seinem Drum-Kit, der einen Teil seines Solos gar mit bloßen Händen absolviert. Das gesamte Solospektakel hätte zwar durchaus auch kürzer ausfallen dürfen, ändert aber nichts an der Erkenntnis, den besten Auftritt von WHITESNAKE seit langer Zeit erleben zu dürfen. Kein Vergleich zum "Bang Your Head!!!"-Debakel anno 2006 und obendrein Beweis dafür, daß unser aller Lieblingsreptil noch lange keinen Tierarzt braucht!
Aber auch die "Reptilienshow" ist längst noch nicht alles, worauf sich der Konzertbesucher heute einstellen darf. Erst wenige Wochen vor dem Gig selbst wird ein weiterer, zuvor aber nicht näher erwähnter "Special Guest" genannt, der perfekter nicht zum Line-up passen könnte. Zwar muß deshalb die Beginnzeit kurzfristig auf den Frühabend vorverlegt werden, doch das stört keinen Teilnehmer dieser "Veteranen-Rallye". Logisch, haben doch die erneut in Hochform agierenden THIN LIZZY die Ehre, den Reigen zu eröffnen, und die Truppe rund um die Original-Mitglieder Scott Gorham und Brian Downey weiß diese Chance auch voll zu nutzen. Angeführt von Rampensau Ricky Warwick kredenzen die Herren ausschließlich Klassiker, legen eine tadellose Performance auf die Bretter und sorgen mit Huldigungen an Phil Lynott und Gary Moore obendrein für ganz, ganz große Emotionen. Diese "Boys" dürfen gerne "Back In Town" sein und zwar jederzeit! Ebenso aber natürlich auch WHITESNAKE und JUDAS PRIEST, wobei erste Wetten auf einen Zeitpunkt einer "The PRIEST Is Back"-Reunion-Tour mit K.K. Downing bereits kurz nach dem Ende der Show abgeschlossen werden...
Photos: Gerhard Engl
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