Y-Files-Datasheet |
Contents: GORKY PARK-Interview |
Date: 20.06.1993 (created), 14.11.2011 (revisited), 22.01.2022 (updated) |
Origin: METAL HAMMER |
Status: published |
Task: from paper to screen |
Availability: original printed issue possibly still available, check here! |
Comment: Das Interview mit GORKY PARK hatte ich ursprünglich schon für die Vorgängerausgabe geführt, doch es fand erst hier Platz. Auf alle Fälle war es interessant, sich mit einem Musiker zu unterhalten, der aus einer Region stammte, die nach damaligen Begriffen als exotisch zu gelten hatte; ganz abgesehen davon hatte Alexei auch etliches zu erzählen. Leider kenne ich lediglich »Moscow Calling« von GORKY PARK, doch die Scheibe sollte durchaus Langzeitwirkung entfachen: Besonders ›Politics Of Love‹ empfinde ich bis heute als absoluten Kracher, ›Tomorrow‹ ist ebenfalls erstklassig, und bei ›Two Candles‹ handelt es sich um eine schöne Ballade. Ohne Frage drei Songs, die den "test of time" bestanden haben, und ein solches Potential kann wahrlich nicht jede Platte vorweisen - ganz gleich aus welchem Land die Schöpfer auch stammen mögen!
Mike Breeze, der hierzulande als Kontaktperson für GORKY PARK fungiert, war so nett, uns seine Übersetzung des Interviews ins Russische zukommen zu lassen, so daß wir sie an dieser Stelle veröffentlichen wollen, falls jemand aus der Heimat der Band auf diese Seite stößt: Западно-германский журнал METAL HAMMER, 8-ой выпуск за 1993-ый год. |
Supervisor: Stefan Glas |
"Willkommen im Gorky Park!", schmettert mir der Lautsprecher entgegen. Die Einladung zu einer musikalischen Reise in unbekannte Gefilde. Mit Reiseführer Alexei Belov machte sich Stefan Glas auf, die Geheimnisse des GORKY PARKs zu erkunden.
Manch einer wird sich noch erinnern, daß anno 1989 eine Band namens GORKY PARK als erste Heavy-Formation aus der UdSSR westliches Territorium betrat. Damals witterte man eine kleine Sensation, welche sich in der Folgezeit jedoch ziemlich in Grenzen hielt. Alexei erläutert die Geschehnisse seit der Debut-LP, "Wir waren damals in der UdSSR schon ziemlich angesagt und wollten mit dem Deal bei PHONGRAM RECORDS unsere Karriere weltweit beginnen. Alles lief cool ab, bis der Präsident von PHONGRAM etwa zwei Monate nach Veröffentlichung unseres Debuts gefeuert wurde. Das hat uns gewissermaßen den Boden unter den Füßen weggezogen. Wir waren damals noch sehr blauäugig und wurden prompt ziemlich übers Ohr gehauen. Den absoluten Tiefpunkt erreichten wir, als wir in einem leerstehenden Haus in New York strandeten, wo es weder Strom noch Heizung gab. Da wir weiterhin unsere Musik machen wollten, zapften wir mit einem Verlängerungskabel die Leitungen im Nachbarhaus an. Na ja, wir haben diese Zeit überstanden und zogen nach Los Angeles, wo wir weiter an unserer neuen Platte arbeiteten. Als wir für die Aufnahmen ins Studio gingen, hatten wir keinen Deal. Mit den fertigen Aufnahmen machten wir uns auf die Suche nach einer Plattenfirma. Zunächst hatten wir einem winzigen skandinavischen Label den Zuschlag erteilt, die die Platte jedoch nur in Skandinavien veröffentlichen konnten. Wir unterschrieben schließlich bei BMG ARIOLA für ganz Europa." Unter dem Titel »Moscow Calling« ist das zweite GORKY PARK-Album mittlerweile erschienen, und just war man mit AXXIS auf Achse, um das Teil live vorzustellen.
Wenn man sich »Moscow Calling« anhört, so gibt es da nichts, was deutlich die Herkunft der Band belegt. Könnte es nicht ebenso gut ein Album einer amerikanischen Band sein, frage ich Alexei, der mir sofort widerspricht! "Du wirst in Amerika nie eine Band finden, die so klingt wie wir! In all unseren Songs verwenden wir auf irgendeine Weise Details klassischer oder volkstümlicher russischer Musik. Wenn man sich die Songs genau anhört, wird man Elemente finden, wie sie auch Strawinski oder Tschaikowski verwendet haben. Trotzdem wollen wir auf jeden Fall internationalen Rock'n'Roll spielen. Wir wollen jedoch die Klangfarben unserer klassischen Komponisten mit Rock'n'Roll verbinden, um ihn dadurch anders klingen zu lassen!"
Womit man zweifelsohne die eigene Herkunft unterstreicht, sind Bandname, Albumtitel sowie Artwork, bei dem die Anfangsbuchstaben des Bandnamens in Form von Hammer und Sichel gestaltet sind. "Wir hatten dieses Design schon von Anfang an, und so hat es der Künstler für unser Cover neu gemalt. Ich denke, daß die Idee, die ursprünglich hinter Sichel und Hammer stand, sehr gut war, aber von den Menschen pervertiert wurde. Wir wollen mit unserer Herkunft keinesfalls hinterm Berg halten. Wir werden stets eine Band aus Rußland bleiben. Die nächste Platte wird vielleicht schmerzvollere Musik enthalten, denn das, was in unserer Heimat passiert, trifft uns wirklich!"
Damit hat Alexei auf einen Stichpunkt gedeutet, den ich unbedingt ansprechen wollte. GORKY PARK können mit ihrer Musik durch die Welt tingeln, während ihre Landsleute teilweise ums nackte Überleben kämpfen müssen. Alexei hakt sich sofort ein, "Wir denken viel darüber nach! Wir wollen den Großteil unserer Einnahmen aus den Albumverkäufen in Rußland in einen "GORKY PARK-Fond" investieren, um so ein kleines Studio zu bauen, in dem russische Bands kostenlos aufnehmen können. Aber ich möchte sagen, daß wir selbst es keineswegs besonders gut haben. Wir wurden früher um eine Menge Geld betrogen, die uns heute fehlt. Wenn wir von dieser Tour zurückkommen, wird jeder vielleicht 400 Dollar in der Tasche haben, mit denen wir uns über Wasser halten müssen, bis wir mit Gigs wieder etwas Geld verdient haben. Außerdem sind wir wie Zigeuner, die keine Heimat haben. In deiner Heimat, gibt es immer Menschen, die dir über Schwierigkeiten hinweghelfen. In Amerika stehen wir immer allein da!" Ob nun Tränendrüsen-Taktik oder nicht, ein Körnchen Wahrheit steckt in dieser Aussage bestimmt!
Doch nun zurück zur Musik, die doch recht softig, stellenweise fast poppig ausgefallen ist! "Die beste Art, uns kennenzulernen, ist, uns live zu sehen. Da liegen unsere wirklichen Stärken, und man kann sehen, daß wir sehr heavy sind! Unser Instrumental ›Volga Boatman‹ wird live stets auf zehn Minuten ausgedehnt, und wir packen von Blues und Jazz bis hin zu Speed Metal alle Elemente hinein. Es mag sein, daß die Platte durch den Mix softer klingt, als wir wirklich sind." Klingt da eine gewisse Unzufriedenheit mit der Platte durch? Repräsentiert »Moscow Calling« überhaupt den Charakter der Band? "Von den Melodien her bestimmt, aber unser Sound ist viel härter. Wenn wir die finanziellen Möglichkeiten hätten, würden wir das Album gerne remixen und weniger Effekte verwenden, die Gitarren aber vielmehr in den Vordergrund stellen! Es gab da auch die Idee, einige der Songs live mitzuschneiden und zu veröffentlichen. Abwarten..." Tun wir!