THE KORDZ aus Beirut beeindrucken dieser Tage mit Ihrem phantastischen Album »Beauty & The East«. Da libanesische Rockbands im Business eher die Seltenheit sind, ist ein Interview unabdingbar, und so stand uns Sänger Moe Hamzeh Rede und Antwort.
Vorab erst mal Gratulation zu Eurem Album. Da das UNDERGROUND EMPIRE in erster Linie ein Heavy Metal-Magazin ist, war ich nicht sicher, was mich bei Eurer CD erwartet. Gott sei Dank haut Ihr dem Hörer nicht brutalen Metal voller Haß und Wut um die Ohren, sondern hervorragende Rockmusik, die einfühlsam und zeitweise optimistisch klingt. Zudem ist Euer Mix aus Rock und arabischen Sounds sehr natürlich und ansprechend. Bisher konnte ich auch nirgendwo eine schlechte Kritik zu Eurem Album lesen. Gab es überhaupt negative Resonanzen?
Vielen Dank für Euren Zuspruch. Es freut uns natürlich, daß Ihr das Album so positiv aufnehmt und daß Ihr den Optimismus in den Songs fühlt. Negative Kritiken gibt es bisher noch nicht, aber einige Hörer hatten wohl erwartet, daß wir exotischer klingen mit einem stärkeren Fokus auf orientalische Musik. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Tatsächlich haben wir darauf geachtet, daß die orientalischen Klänge nicht zu dominant werden. Entweder ergab es sich beim Schreiben der Songs ganz natürlich und spontan oder eben nicht. Deswegen ist unser Soundspektrum auch ziemlich breitgefächert.
Ich bin auch sehr beeindruckt, daß Ihr im Vorprogramm meiner ewigen Helden DEEP PURPLE auftretet. Werdet Ihr ein spezielles Set zusammenstellen oder werden es ganz normale Konzerte?
Wir fühlen uns natürlich sehr geehrt und sind richtig wild darauf, das erste Mal in Deutschland aufzutreten. Ganz besonders mit einer Legende, wie DEEP PURPLE. Die Setlist muß dem zeitlich vorgegebenen Rahmen angepaßt werden, aber was immer wir spielen wird mit Hingabe dargeboten.
Eure Lyrics gaben mir manchmal Rätsel auf oder, besser gesagt, überraschten mich immer wieder. So hatte ich bei dem einen oder anderen Stück - beispielsweise bei ›The Garden‹ - zuerst das Gefühl, einen Lovesong zu hören, doch dann wurde die Atmosphäre bedrohlich oder traurig. Gibt es da vielleicht eine gewisse Zerrissenheit, die Eure Texte beeinflußt?
›The Garden‹ handelt zum einen davon, mit dem inneren Ich in Einklang und Frieden zu sein, zum anderen von der Tatsache, daß Himmel und Hölle zwei verschiedene Welten sind, die wir uns selber erschaffen und die in unseren Köpfen existieren. So beschreibt der Text die Reise eines Menschen, der den Tod erlebt und feststellt, daß es keine andere Welt gibt, als die, in der er lebt.
›Insomnia Kid‹ ist einer der herausragenden Songs. Die Musik ist eine gelungene Untermalung der Lyrics. Es wirkt wie ein Soundtrack zum einem schönen und dann wieder beängstigendem Traum. Ist das kleine Mädchen auf dem Cover dieses ›Insomnia Kid‹?
Ehrlich gesagt bin ich das ›Insomnia Kid‹. Der Song beschreibt eine persönliche Erfahrung und Gefühle meiner Kindheit. Jetzt, im höheren Alter merke ich, daß diese Gefühle wieder in mein Leben treten. Zwar auf einer anderen Ebene, doch mehr oder weniger hervorgerufen von denselben Ängsten.
Gibt es einen Grund, warum nicht alle Texte vollständig im Booklet abgedruckt wurden?
Gute Frage. Ich dachte, niemand würde sie stellen. Der Grund ist, daß ich der Meinung bin, daß die Bilder den Text erklären können, bzw. daß die kurzen Textzitate den Hörer veranlassen, intensiver hinzuhören und tiefer in die Songs einzutauchen. Zudem möchte ich einige Texte exklusiv auf unserer Site veröffentlichen, die in Kürze im Web zu finden ist.
Soweit ich verstanden habe, entstanden Eure Songs über einen längeren Zeitraum. Welches ist der älteste Song?
Die Stücke befinden sich seit 2002 in ihrer Entstehung. Das erste war ›Last Call‹ und stammt von einem Freund namens Ramy Karami und wurde bereits Ende 2004 veröffentlicht. ›The Garden‹ war der erste gemeinsame Werk der Band, geschrieben von unserem Keyboarder Mazen Siblini, unserem Gitarristen Nadim Sioufi und mir. Der jüngste Song - ›Insomnia Kid‹ - entstand in groben Zügen etwa eine Woche, bevor wir zu den Aufnahmen nach Kanada flogen und wurde während der Recordingsessions vollendet. Übrigens habe ich den einen oder anderen Text auch erst im Studio fertiggeschrieben.
Wie lange dauerten die Aufnahmen zu »Beauty & The East«, und was waren die größten Probleme beziehungsweise Herausforderungen in dieser Zeit?
»Beauty & The East« ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit, während derer viele Hürden zu nehmen waren. Die harte Realität ist, daß seit dem Tage, an dem wir in diesem Teil der Welt geboren wurden, die Zeit gegen uns arbeitet. Um finanzielle Probleme zu lösen und alle notwendigen Arbeiten und Vorbereitungen zu bewältigen, bedurfte es sehr viel Hingabe, Beharrlichkeit und Herzblut. Wir hatten immer das Gefühl, ein Werk zu kreieren, welches die Essenz aus verschiedenen Alben darstellt, die nie das Licht der Welt erblicken durften. Für jemanden aus dem Libanon bedeutet es ohnehin eine ungleich größere Herausforderung, eine gute, professionelle CD auf den Markt zu bringen.
Während meiner Recherchen stieß ich auf die Website von THERE FOR DESIGN, die das Bandlogo entwarfen und teilweise am Artwork der CD beteiligt waren. Wird mit steigender Bekanntheit von THE KORDZ die Gefahr groß, daß bei kreativen Entscheidungen Einfluß von außen genommen wird (beispielsweise durch die Plattenfirma oder das Management)?
Die Firma THERE FOR DESIGN sind Freunde, die uns großartig unterstützten, ein Bandlogo zu entwerfen, daß die Identität von THE KORDZ wiedergibt. Das Ergebnis ist genial. Wir müssen uns auch bei Sophia Valkova bedanken, die das optische Konzept erarbeitet und umgesetzt hat. Wie bereits erwähnt, werden die kreativen Entscheidungen und alles, was letztendlich damit zusammenhängt hausintern, bei meinem Label entschieden. Selbst, wenn wir zukünftig mit weiteren Partnern zusammenarbeiten werden, ist unsere künstlerische Unabhängigkeit ein Punkt, bei dem es keine Kompromisse geben wird.
Ein paar Fragen zur Szene in Eurem Heimatland und zur allgemeinen Situation von Hard Rock oder Metalbands im Libanon. Wie sieht es mit Aufnahmestudios aus? Gibt es für libanesische Bands ohne Plattenvertrag, Möglichkeiten vernünftige Aufnahmen zu machen?
Ja und nein. Es gibt viele gute Studios, doch im Bereich der Rockmusik-Produktion fehlt es einfach an erfahrenen Leuten. Aber es sind auf jeden Fall gute Ansätze vorhanden.
Wie sieht es mit der Infrastruktur aus? Ist es einfach, einen Proberaum zu finden? Gibt es Lokalitäten, in denen Bands regelmäßig auftreten können? Wie oft habt Ihr denn die Möglichkeit, live zu spielen und wieviel Zuschauer kommen in der Regel zu den Gigs?
Proberäume und geeignete Lokalitäten für Auftritte sind tatsächlich sehr dünn gesät. Früher konnten wir noch einmal pro Monat auftreten, inzwischen klappt das nur noch alle zwei Monate. Die Rock- und Metalszene wird zunehmend kleiner, während elektronische Tanzmusik die Überhand gewinnt. Zu einem wirklich hochkarätig besetzten Rock-Konzert kommen etwa 5.000 bis 6.000 Zuschauer, während ein guter DJ solche Zuschauerzahlen inzwischen auch alleine anzieht.
Gibt es eine Möglichkeit, von der Musik zu leben?
Als Rockmusiker? Absolut unmöglich. Im Gegenteil: Du brauchst einen wirklich guten Job, der es Dir finanziell ermöglicht, überhaupt Rockmusik zu machen.
Ihr kommt aus Beirut, der Hauptstadt des Libanon. Wie sieht es dort und in anderen Regionen mit der Metalszene aus? Gibt es überhaupt eine spezielle Gemeinschaft von Hard Rock- oder Metalfans oder vielleicht sogar spezielle Zeitschriften und Plattenläden?
Beirut ist das Zentrum für die gesamte Kulturszene. In anderen Städten findet sich natürlich entsprechendes, allerdings sehr viel kleiner und unter sehr viel erschwerteren Bedingungen, da es außerhalb von Beirut in puncto Rockmusik um einiges konservativer zugeht. Die Fangemeinschaft führt ein Nischendasein und ist über das ganze Land zerstreut. Hard Rock und Metal sind bei uns eine echte Kult- und Untergrundkultur, die außerhalb dieser Gemeinschaft von niemandem unterstützt wird, sei es nun die Gesellschaft, die Familie oder sonst jemand. Somit ist es natürlich auch sehr schwer, Musiker zu finden, neue Bands zu gründen und die Szene wachsen zu lassen. Es gibt noch nicht einmal Labels, die überhaupt abendländische Musik fördern. Daher habe ich auch mein eigenes Label gegründet.
Metal-Zeitschriften in Printform haben wir nicht, bis auf ein Magazin, das allerdings in Kuwait erscheint. Ansonsten gibt es nur noch einige Online-Blogs und Websites. Früher gab es sogar einige spezielle Metal-Shops, die inzwischen leider nicht mehr existieren. Leider verirren sich nur selten Bands von außerhalb in den Libanon beziehungsweise nach Beirut, aber ich hoffe natürlich, daß sich das ändert.
Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte zu den Themen Politik und Religion sagen? Was denkst Du über die aktuellen politischen Entwicklungen im Nahen Osten und Nordafrika; ich denke da beispielsweise an Ägypten und Libyen.
Nun, Religion und Politik sind letztendlich die Wurzeln allen Übels und die Ursachen für unser Leid. Die politischen Umbrüche in den angesprochenen Regionen werden natürlich Einfluß haben. Wir wurden nun einmal in einem Umfeld geboren, das nur Unruhe und Konflikte kennt, sei es in jüngster Zeit oder in der Geschichte. Andererseits inspirieren mich die Ereignisse immer wieder zum Schreiben.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen. Wir wünschen Euch eine gute und erfolgreiche Zukunft!