"Power Of Metal"-Tour 2011
mit
NEVERMORE (US, WA)
SYMPHONY X
PSYCHOTIC WALTZ
MERCENARY (DK)
THAUROROD
Wien, Gasometer
12.02.2011
Die Vorfreude auf diesen Konzertabend ist bei unzähligen Fans gewaltig, schließlich haben die Herrschaften von "Rock The Nation" einmal mehr ein Tour-Paket zusammengestellt, das nicht nur sämtliche Freunde von kraftvollen und anspruchsvollen Metal-Klängen ansprechen kann, sondern darüber hinaus die Rückkehr einer Legende verhieß. Von daher verspricht dieser Abend im "Gasometer" nicht nur ein einmaliges Konzerterlebnis zu werden, sondern obendrein auch fast schon eine Art "Familientreffen", da sich schon im Vorfeld abzeichnet, daß sich sowohl alle eingeschworenen NEVERMORE-Fans nach Wien begeben werden, wie selbstredend auch all jene, die diesen Tag deshalb herbeigesehnt haben, um die bis dato bloß als Traum existierende Reunion von PSYCHOTIC WALTZ miterleben zu dürfen.
Den Startschuß geben jedoch die Finnen THAUROROD ab, die mit ihrem melodiösen Heavy Metal pünktlich um 18.45 Uhr vor einer noch eher überschaubaren Menge an Zusehern den Reigen eröffnen. Das in der Zwischenzeit um den Italiener Michele Luppi am Mikro verstärkte Sextett bringt die Songs ihres Debuts »Upon Haunted Battlefields« auf der Bühne deutlich heftiger rüber und nicht zuletzt durch die langjährige Erfahrung ihres Frontmannes, der schon Formationen wie KILLING TOUCH oder VISION DIVINE angeführt hat, wirkt die Truppe auch mehr als nur ansprechend. Der Begriff "Euro Metal" trifft hier nicht nur hinsichtlich des Stils zu, durch die momentane Line-up-Konstellation wird dieser geradezu manifestiert, auch wenn Michele im Verlauf des Gigs Zurufe aus der ersten Reihe mit einem augenzwinkernden "No, this band is not from Italy, even if we might sound like that" beantwortet. Ihre Funktion als Anheizer erledigen THAUROROD in Summe sehr ordentlich und selbst notorische "Euro Metal-Verweigerer" attestieren im Nachhinein, daß man in den letzten Jahren schon weit schwächere Formationen auf Tourneen von diesem Ausmaß erleben "mußte".
Noch während der ersten Umbaupause füllt sich der Saal merklich, kein Wunder, denn die quasi runderneuerten, wiedererstarkten Dänen MERCENARY haben sich in den letzten Jahren auch in Wien ein getreues Gefolge erspielen können. Allerdings muß sich der Fan der Band erst einmal an die neue Bandkonstellation gewöhnen, denn die "Söldner" agieren mittlerweile nur noch als Quartett. Seit der Trennung von Morten und Mikkel Sandager fehlt nicht nur der Sänger, sondern auch ein Keyboarder, weshalb sich MERCENARY nunmehr eher "reduziert" präsentieren. Doch Bassist Rene Pedersen erfüllt seine neue Zusatzaufgabe als Sänger recht ordentlich und weiß mit seiner deftigen Röhre, vor allem das Material der aktuellen Scheibe »Metamorphosis« imposant darzubieten. Der Kerl, der aus der Ferne optisch vom Erscheinungsbild her ein wenig an RAGE-Mastermind Peavy erinnert, macht einen überaus sympathischen Eindruck und versteht es auch, mit seinen Ansagen die Stimmung anzuheizen. Aber auch die gebotenen Klassiker aus dem Bandfundus wissen zu gefallen, da Rene sehr wohl auch über eine feine Klargesangsstimme verfügt. So kommt ›World Hate Center‹ von ›11 Dreams‹ vor den brandaktuellen Hitkandidaten ›In Bloodred Shades‹ und ›The Follower‹ und ›The River Of Madness‹ verdammt gut zur Wirkung, ehe ›Firesoul‹ vom genannten 2004er Album den Stimmungshöhepunkt markiert. Ein überaus gelungenes Set der wohl heftigsten Band dieses Abends. Im Vergleich zu dem, was noch folgt, aber dennoch nicht mehr als eine bessere "Aufwärmübung".
Nach der nächsten Umbaupause werden nämlich sämtliche Träume der Progressive Metal-Fraktion erfüllt, und schon mit dem Einstieg ›Ashes‹ steht fest, daß es eine von unnachahmlicher Intensität geprägte Zeitreise werden wird, die hier auf dem Programm steht. Das erneut in Originalbesetzung agierende Quintett hat logischerweise nichts von seiner spielerischen Weltklasse eingebüßt und zudem muß gesagt werden, daß Göttergaben wie ›Spiral Tower‹, ›Haze One‹, oder ›Into The Everflow‹ schlichtweg unerreicht geblieben sind, mehr noch, PSYCHOTIC WALTZ können mit ihrem "Best Of"-Programm dem Begriff "Test Of Time" gar eine neue Definition verleihen. Das Quintett rund um Frontmann Devon Graves, der sich in Leinenhose und mit Sandalen auch modisch von sämtlichen Barden des Genres abzuheben versteht, kredenzt Auszüge ihrer vier Veröffentlichungen, wobei hier und heute vor allem ›Morbid‹ tief unter die Haut geht. Nett auch seine Geste, in der Ansage zu dieser Nummer darauf zu verweisen, daß Bassist Ward Evans auf »Bleeding« überhaupt nicht mit von der Partie gewesen ist, auch wenn der gute Mann diesen Song dennoch mit seinem druckvollen Baßspiel ungemein imposant darzubieten imstande ist. Generell läßt sich feststellen, daß die fünf Musiker als homogene Einheit auftreten und sich wohl nicht nur meine Wenigkeit deshalb unmittelbar in jene Tage zurückversetzt fühlt, als es diese Institution desöfteren auch hierzulande zu bestaunen gegeben hat. Durch diese Reunion macht das an sich aus San Diego stammende Quintett aber nicht nur die "alte Garde" an Konzertbesuchern mehr als nur überglücklich, betrachtet man die wahrlich beeindruckenden Publikumsreaktionen in ihrer Gesamtheit, ist davon auszugehen, daß der Formation eine durchaus große Zukunft bevorsteht, denn man kann mit diesem Auftritt sehr wohl auch unzählige "Jungspunde" auf sich aufmerksam machen. Nicht zuletzt mit den "Oldies" ›Halo Of Thorns‹ und dem sensationellen Abschied in Form von ›I Of The Storm‹ hinterlassen PSYCHOTIC WALTZ ein mehr als nur zufriedenes Publikum und das nach mehr als fast fünfzehnjähriger Bühnenabsenz. Die Reaktionen auf diesen Auftritt machen für mich einmal mehr klar, daß die vier Amis und ihr "österreichischer" Frontmann (Devon ist bekanntlich schon seit längerer Zeit in der Gegend von Herzogenburg in Niederösterreich ansässig), Mastermind und Sänger, der offenbar auf dieser Tournee ganz bewußt auf seine Querflöte verzichtet und sich von daher auch eventuelle Fragen nach dem Fehlen von Tracks wie ›I Remember‹ beantwortet haben sollten, ihrer Zeit schlichtweg voraus gewesen sind.
Auch die Tatsache, daß PSYCHOTIC WALTZ bei ihrem letzten Wien-Gig mit dem legendären Club "Rock In" einen Saal gebucht bekommen hatten, der in etwa die Dimension der heutigen Bühne gehabt hat, macht mich sicher, daß die Band hier und heute definitiv zur richtigen Zeit am richtigen Platz ist. Für die langjährigen getreuen Anhänger steht obendrein zu diesem Zeitpunkt bereits fest, eines der absoluten Konzert-Highlights 2011 gesehen haben zu dürfen. Denn ganz egal, ob man sich im Anschluß an den Gig - eher bescheiden - auf Ausdrücke wie "pure Magie" einigt, oder die Band in seiner Euphorie einmal mehr vergöttlicht, Fakt ist, daß PSYCHOTIC WALTZ mit zum Allerfeinsten und Essentiellsten zu zählen ist, das die Szene zu bieten hat. Amen.
Eine Pause hat danach nicht nur die Bühne nötig, um für die folgenden Bands hergerichtet zu werden, auch das - zum Teil noch auf den Melodien der Amis schwebende - Publikum gönnt sich ein Päuschen, um sich für die beiden noch folgenden Acts, die sich im Rahmen dieser Tournee als Headliner abwechseln, zu erfrischen. In Wien haben NEVERMORE die Ehre als letzte Band auf die Bretter zu dürfen, und so stehen als nächster Programmpunkt SYMPHONY X auf der Bühne. Die noch immer anhaltende, von PSYCHOTIC WALTZ entfachte, Euphorie bei unzähligen Fans läßt zwar befürchten, daß die New Jersey-Boys heute nur bedingt gewinnen können - zu übermächtig wirkt die Vorgabe der reformierten Götter - doch ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums scheint in dieser Prog/Power Metal-Institution seine Helden gefunden zu haben, und so bricht erneut frenetischer Jubel im gutgefüllten Saals aus, als die Herrschaften, angeführt vom hünenhaften Frontmann Russell Allen, die Bretter betreten. Flankiert von Gitarrenheld Michael Romeo, der optisch, wie auch flitzefingertechnisch, als unehelicher Sohn von Mama Malmsteen und Papa Tolkki durchgeht, dirigiert Russell die Fans und führt souverän durch das Set. Neben einigen Highlights des bisherigen Schaffens gibt es auch erste Auszüge des im Laufe des Sommers erscheinenden, achten Studioalbums »Iconoclast« zu vernehmen, und auch wenn die Reaktionen darauf noch nicht ganz so heftig und euphorisch ausfallen, wie bei Glanzlichtern vom Schlage ›Paradise Lost‹ oder ›Set The World On Fire‹, darf man sich jetzt schon auf dieses Teil freuen, auch wenn zu befürchten ist, daß die Live-Intensität des Material wohl im Studio nicht zu 100 Prozent erhalten werden kann. Exakt das läßt sich jedoch auf überaus positive Weise gleich mehrfach im Verlauf des Sets feststellen, denn nicht nur, daß Russell an Ausstrahlung im Vergleich zu früher deutlich hinzugewonnen hat, auch seine Stimme kommt an diesem Abend rauher und markiger aus den Boxen als auf sämtlichen Alben. Zum Abschluß muß man SYMPHONY X auch noch attestieren, in Sachen Sound zu den Gewinnern dieses Abends zu zählen, denn trotz des Drucks, der vor allem vom Baß der US-Metal-Legende Michael LePond (ehemals bei Underground-Heroen wie HEATHEN'S RAGE, SLEEPY HOLLOW, MALAKIS REIGN sowie DISTANT THUNDER - noch Fragen?) erzeugt wird, klingt die Chose sehr ausgewogen und verursacht bei den eingefleischten Anhängern des Quintett ein ebensolches Glücksgefühl, wie PSYCHOTIC WALTZ zuvor bei ihrer Klientel. Beifallsbekundungen zeugen von der Klasse dieses Auftrittes und lassen die Fans jetzt schon den kommenden Juni herbeisehnen, dann da soll das neue Werk dieser Amis in die Läden gestellt werden.
Ein letztes Mal noch gilt es für die Fans, sämtliche Kräfte zu mobilisieren, schließlich steht der Auftritt des Headliners NEVERMORE kurz bevor. Zuvor jedoch muß an dieser Stelle auch dem Veranstalter ein dickes Lob ausgesprochen werden, denn der Abend verläuft nicht nur musikalisch einwandfrei, sondern auch organisatorisch und das muß man bei einem solchen Package, sowie der Dichte an Auftritten innerhalb Europas, erst einmal bewerkstelligen. Respekt also an sämtliche Damen und Herren!
Apropos Dame: Da Bassist Jim Sheppard aufgrund einer vor kurzer Zeit unabdingbaren (und zum Glück gut überstandenen, wie Warrel im Verlauf des Sets verkündet) Operation nicht zur Verfügung stehen kann, wird der alte Kämpfer von Dagna Barrera ersetzt, einer Dame aus dem Umfeld der Band, die auch schon im Rahmen einer Tournee für »Praise The War Machine«, Warrels Soloalbum, an seiner Seite zu finden war. Dagna ist aber nicht nur spieltechnisch über jeden Zweifel erhaben, sondern kann sich gut in das optische Bild der Formation einfügen. Mitunter scheint sich das Mädel mit ihrem, mittlerweile auch schon wieder seit geraumer Zeit zum Line-up zählenden, ungarischen Kollegen Attila Voros an der zweiten Klampfe gar ein Duell im "Dauergrinsen" zu liefern. Ein solches zaubern die Amis auch den Fans in die Gesichter, denn sie agieren wieder einmal in absoluter Topform. Mehr noch, NEVERMORE wiederlegen sämtlichen Stumpfsinn, der über die Band anläßlich ihres unglücklichen Auftrittes beim letztjährigen "Bang Your Head!!!"-Festival verzapft worden ist und stellen unter Beweis, daß diese Truppe - angeführt von einem gesundheitlich, wie auch stimmlich in Bestform agierenden Warrel Dane, der von seinen nicht minder motivierten, langjährigen Sidekicks Van Williams am Schlagzeug und Jeff Loomis an der Leadaxt perfekt unterstützt wird - in Sachen Spielfreude ebenso eine Klasse für sich ist, wie selbstredend hinsichtlich der Songs selbst. Mit einer, zwar etwas unterwarteten, aber dennoch gelungenen Setlist, die mit ›Inside Four Walls‹ beginnt und mit dem Titeltrack des aktuellen Silberlings »The Obsidian Conspiracy« als Zugabe endet, erfüllen NEVERMORE jedoch sämtliche Erwartungen. Das Hauptaugenmerk liegt logischerweise auf dem brandaktuellen Studiodreher, wobei mit ›Moonrise (Through Mirrors Of Death)‹, ›The Termination Proclamation‹ und ›Your Poison Throne‹ auch gleich das erste Drittel des Sets bestrittet wird. Danach steht ›Born‹ als erster Track vom 2005er Werk »This Godless Endeavour« auf dem Programm, dessen Titelsong in einer mehr als nur mächtigen Ausführung in komplettem Umfang von gut neun Minuten, in denen man als Zuseher in bedrohlich ekstatisches Schwanken versetzt wird, folgt nach ›The Heart Collector‹, sowie ›The River Dragon Has Come‹, den beiden ältesten vorgestellten Songs vom 2000er Durchbruch »Dead Heart In A Dead World«, sowie einem der Hits schlechthin vom aktuellen Dreher: ›Emptiness Unobstructed‹ .
Zwar muß die Band nach ›Enemies Of Reality‹ und der bereits erwähnten Zugabe - wie im Vorfeld vereinbart und auch angekündigt - nach nur einer Stunde Spielzeit von der Bühne, doch zu meckern gibt es dennoch absolut nichts. Die Band zeigt sich an diesem Abend schlichtweg in absolut glänzender Verfassung und stellt zudem einmal mehr ihre Vormachtstellung im technisch anspruchsvollen Power Metal unter Beweis - selbst wenn sie in Sachen Intensität auf dieser Gastspielreise doch "nur" die Silbermedaille gewinnen können.
Alles in allem also ein Konzertabend für die Ewigkeit, auch wenn im Nachhinein (wie auch schon im Vorfeld) erneut unzählige und endlose Diskussionen zum Thema "Warum kann man die Anzahl an Vorbands nicht reduzieren und die dadurch gewonnene Spielzeit den Topacts zur Verfügung stellen?" die Runde machen.
Aber was soll's, jedem Zuseher kann man es als Veranstalter - wie auch als Hauptakteur auf den Brettern - ohnehin nicht rechtmachen und was die Publikumsreaktionen generell betrifft, ist hier definitiv alles bestens gelaufen - auf eine Fortsetzung der Tournee mit dem unmißverständlichen Motto "Power Of Metal" freue ich mich jedenfalls jetzt schon, auf den Auftritt von PSYCHOTIC WALTZ in Balingen im Sommer aber noch viel mehr!
Photos: Vicky Heßl
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