CATHEDRAL (GB)
THE GATES OF SLUMBER
Wien, Szene
09.11.2010
Werte Gemeinde!
Wenige Tage erst sind ins Land gezogen, und dennoch versammeln wir uns erneut, um der "heiligen Langsamkeit" zu huldigen. Nach unserer Wallfahrt in das gepriesene "Escape" anläßlich des Festes des heiligen "Chritus", haben wir uns nun an diesem verregneten Novemberabend versammelt, um uns in der CATHEDRAL einzufinden. Nach einem längeren Schweigen seinerseits, ist es uns endlich wieder einmal gestattet, andächtig dem zu lauschen, was unser "Bischof" Lee Dorrian nebst seiner Priesterschaft zu predigen im Sinne führt.
Doch bevor der "Bischof" zur Audienz bittet, dürfen wir zunächst den "Brüdern" von THE GATES OF SLUMBER lauschen, denen es zugesprochen worden ist, die Gemeinschaft Abend für Abend entsprechend auf CATHEDRAL vorzubereiten. Zunächst erweckt es jedoch den Eindruck, als ob das Interesse der Gläubigen an dieser Institution in Sachen "heiligen Langsamkeit" rapide zurückgegangen ist, denn nur eine Handvoll Jünger finden sich im Saale ein, um zunächst einmal dem aus Indianapolis stammenden Trio beizuwohnen. Dem Dreigestirn rund um Gitarrist und Zeremonienmeister Karl Simon scheint das aber nicht viel auszumachen. Sie legen sich schwer ins Zeug und lassen uns zur Eröffnung ›Chaos Calling‹ und ›Death Dealer‹ von ihrem aktuellen Album »Hymns Of Blood And Thunder« hören. Um die Gläubigen ein wenig intensiver in andächtige Stimmung zu bringen, wäre vielleicht einer ihrer elegischeren Klagegesänge dienlicher gewesen, doch im Verlauf der Zeit scheinen immer mehr Zuhörer vom Geschehen vor dem "Altar" angetan, was die Auswahl rechtfertigt. An sich sind die Kompositionen der Herrschaften aus den USA zwar durchaus mit Elementen der elegischen Langsamkeit versehen, doch ihre Wurzeln liegen eindeutig im klassischen Heavy Metal, und eben jene sind auch die gesamte Spielzeit über mehr als deutlich zu spüren. Allen voran Karl, der seiner Gibson SG Töne entlockt, die an Göttlichkeiten der späten 70er und frühen 80er Jahre erinnert, weiß zu imponieren und läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß er schon seit langer Zeit der Ordensgemeinschaft "Church Of Iommi" angehört. Unterstützt wird sein Arbeitsgerät dabei auch von einem wahrlich dem Anlaß gebührenden, in der Tat anbetungswürdigen Gitarrensound, der vergessen läßt, daß man sich dafür an diesem Abend ja eigentlich in den heiligen Hallen des "Gasometers" einfinden hätte sollen, wo Saitenpapst Joe Satriani einen seiner raren Gottesdienste zelebriert. Aber auch die für den Rhythmus verantwortlichen Meßdiener, Jason McCash (Baß) sowie das neueste Mitglied dieser Gemeinschaft, J. "Mr. Cool" Clyde Paradis am Schlagzeug, der erst vor wenigen Wochen THE GATES OF SLUMBER beigetreten ist, machen ihre Sache mehr als ordentlich. Daher verfehlen auch die weiteren Exzerpte aus den letzten veröffentlichten Tondokumenten der Herrschaften wie ›Bringer Of War‹ und ›Ice Worm‹ (vom 2008er Evangelium »Conqueror«) ihre Wirkung nicht. Um auch in Zukunft dieser Gemeinschaft zu huldigen, enthält uns Karl nicht vor, daß im Laufe des kommenden Frühlings ein weiteres Werk zu erwarten ist. Dieses wird den Titel »The Scourge Of Drunkenness« tragen, und die beiden daraus vorgestellten Auszüge (›To The Rack With Them‹, sowie der Titelsong) lassen erneut schwersten Heavy Metal in traditioneller Machart mit deftiger Doom-Schlagseite erwarten. Mit ›Trapped In The Web‹ beenden die Herrschaften danach ihre Zeremonie, durch die sie hoffentlich für ihre nächste Pilgerfahrt nach Österreich von Beginn an mehr Gläubige versammeln werden können, um ihnen entsprechend zu huldigen. Ein Anfang dafür ist aber auf jeden Fall getätigt, denn zu diesem Zeitpunkt ist das Kirchenschiff dann doch bereits ganz gut gefüllt.
Die anschließende Agape wird von einem Großteil der Glaubensgemeinschaft logischerweise dazu genutzt, sich über Gott und die Welt zu unterhalten. Eines der Gesprächsthemen dabei sind frühere Besuche in der CATHEDRAL, wobei sich die Teilnehmer der Diskussionsrunde recht schnell darüber einig sind, daß egal wann und wo auch immer Lee Dorrian und seine Brüder zur Messe gebeten haben, ausnahmslos Zufriedenheit den Raum erfüllte.
Dementsprechend wohlgemut begibt sich die Gemeinde dann wieder in das Kirchenschiff, um der kommenden Predigt zu lauschen. Das Quartett gibt sich aber auch keine Blöße und startet mit reichlich Hingabe und ›Funeral Of Dreams‹ aus seinem aktuellen Gebetsbuch ›The Guessing Game‹ die Zeremonie. Lee Dorrian scheint - im Gegensatz zu zahlreichen seiner Jünger - nicht einmal ansatzweise gealtert zu sein und läßt uns einmal mehr erkennen, daß er mit zu den elegantesten "Oberpriestern" unserer Glaubensgemeinschaft zählt. Damit meine ich aber nicht sein Outfit (obwohl das durchaus fein ist und keinerlei speckigen Eindruck vermittelt), sondern vielmehr seine immer noch unglaublichen Bewegungsabläufe. Die typischen "Alt-Hippie-Tänzchen" bekommt man selbstredend ebenso immer noch zu sehen, wie fast schon beängstigende Psycho-Einlagen. Auch Mimik und Gestik sind dementsprechend angelegt, und so sollte es nicht verwundern, daß der gute Mann im Verlaufe dieser Messe mit dem Mikrophonkabel mehrmals eine Selbststrangulierung vornimmt. Unterlegt werden Lees anbetungswürdige Darstellungen von nicht minder ehrfürchtig mitzuerlebenden Gitarrenläufen seines langjährigen, getreuen Dieners Gary Jennings, der uns mit den Klängen seiner SG ebenso zu Gebeten gen "Saitenhimmel" veranlaßt wie Karl Simon zuvor.
Da sich die Herrschaften auf einer ganz besonderen Pilgerreise (anläßlich des 20jährigen Bandbestehens nämlich) befinden, werden Schätze aus dem Tabernakel gezaubert, mit denen wohl kaum jemand aus der Gemeinde wirklich gerechnet hat. Meine Wenigkeit erfreut sich ganz besonders am gnadenlos und genial vorgetragenen ›Ebony Tears‹ sowie am kurz vor Schluß intonierten ›Ride‹, bei dem die einheimische Glaubensgemeinschaft US-amerikanischen Zuwachs erhält, als sich Karl und Jason in die vordersten "Kirchenbänke" begeben, um bei besagter Nummer lautstark mitzufeiern. Nach etwas mehr als 70 Minuten beenden die Herrschaften zunächst einmal ihren Gottesdienst, doch selbstverständlich nicht, ohne uns ein echtes "Sakrament" empfangen zu lassen. Mit ›Hopkins‹ wird danach nämlich quasi noch das "Allerheiligste" vorgetragen und noch nicht einmal dabei - nach knapp anderthalb Stunden - merkt man Lee seine heftige Verkühlung an. Im Verlauf dieser "Messe" entschuldigt er sich zwar dafür, doch sein Gesang ist davon definitiv nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Jedoch erklärt die Erkältung, weshalb er an diesem Abend nicht unbedingt den "Kommunikator" gibt.
Aber völlig ungeachtet dessen, war der Besuch in der CATHEDRAL einmal mehr ein wahrlich beeindruckendes Erlebnis, das es geradezu verdient hätte, wenn die Gemeinde sich kniend ihren "Segen" abgeholt hätte. Auch wenn der Geräuschpegel unserer Gemeinschaft eher gering gewesen ist und "Stimmung" landläufigerweise anders aussieht, sei den unzähligen Ungläubigen da draußen mit auf den Weg gegeben, daß es heutzutage sehr wohl noch derlei "Vorkommnisse" gibt und man sich der hohen Kunst auch seelenruhig, gelassen und ehrwürdig hingeben kann. Denn, geschätzte Gemeinde, eine "heilige Messe" muß nicht immer zwingend die "semi-erwachsenen" Auswüchse eines bei Kleinkindern sehr beliebten Tanzspieles annehmen...
Um auch zu Hause entsprechend huldigen zu können, erlaube ich mir Euch noch die Auszüge aus dem Meßbuch der CATHEDRAL in vorgetragener Reihenfolge mit auf den Weg zu geben:
Gehet hin in Frieden!
Euer D(o)om-Probst
Photos: Walter Scheurer
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