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  UE-Home → History → Online Empire 14 → Interview-Übersicht → SOLITUDE (J)-Interview last update: 27.03.2024, 15:23:21  

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Japanische Bands sind immer etwas besonderes - und auch Interviews mit ihnen. Das sollte sich auch im Falle SOLITUDE bewahrheiten: Die Truppe hatte in Form von »Virtual Image« ein furioses Power Metal-Album veröffentlicht, so daß wir die Band noch näher beleuchten wollten und folglich ein Interview mit ihnen ins Auge faßten. Doch schon die Festlegung eines Interviewtermins gestaltete sich aufgrund der mäßigen Englischkenntnisse der Band sowie der Zeitverschiebung als sehr schwierig.
Letztendlich sollte das Märchen dennoch ein gutes Ende finden, denn SOLITUDE-Sänger Akira Sugiuchi organisierte kurzerhand einen Übersetzer, der beim Smalltalk englische Sätze in japanische Quietschlaute und vice versa übersetzte.

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SOLITUDE klingen nicht typisch japanisch, sondern man kann eine Menge europäischer Einflüsse ausmachen. Woher rührt das?

Wir sind von verschiedenen englischen Metalbands wie RAVEN oder TYGERS OF PAN TANG beeinflußt, aber auch von Urväter der Thrashbewegung wie MOTÖRHEAD oder VENOM. Es war uns sehr wichtig, daß wir nicht wie eine japanische Band klingen.

Es hängt sicherlich auch mit Deinem Gesangsstil zusammen: Du klingst völlig anders als andere japanische Sänger und singst sehr aggressiv.

Mir gefallen sehr melodische Vokalisten und mein Lieblingssänger ist David Coverdale. Ich würde gerne wie er singen können, aber ich bin mir bewußt, daß ich das niemals schaffen werde. Dennoch möchte ich versuchen, meine Stimme auch auf dem melodischen Sektor zu trainieren, so daß ich eines Tages auch mal Balladen singen kann. Mein Gesangsstil rührt daher, daß ich zu Anfang meiner Karriere sehr viele MOTÖRHEAD-Songs gesungen habe, und zudem habe ich nun mal eine sehr rauhe Stimme.

Seid Ihr Euch bewußt, daß der Name SOLITUDE schon mehrfach verwendet wurde und daß es momentan auch eine Band aus der Türkei gibt, die diesen Namen verwendet?

Das haben wir vor kurzem herausgefunden und waren sehr überrascht. Da diese Bands aber völlig anders klingen als wir, macht es uns nichts aus. Wir entschieden uns für SOLITUDE, weil wir keinen typischen Metalnamen wollten. Auch wenn man es unserer Musik nicht unbedingt anhört, sind wir auch von Progressive Rock-Bands beeinflußt, so daß wir einen Namen wollten, der eher in diese Richtung geht. Wenn irgendwelche Probleme wegen unseres Namens auftauchen werden, müssen wir natürlich eine Lösung finden, aber ich glaube nicht, daß es so weit kommen wird. Einen Namenswechsel haben wir daher bislang noch nicht erwogen.

Erzähl uns doch bitte etwas über SOLITUDE. Vor der Veröffentlichung von »Virtual Image« war nichts von der Band zu hören.

Nachdem sich meine ehemalige Band SACRIFICE aufgelöst hatte, zog ich mich eine Zeitlang aus dem Musikbusiness zurück, doch irgendwann kam das Bedürfnis zurück, wieder Musik zu machen. Daher gründete ich 1996 SOLITUDE zusammen mit Toru Nishida, der schon bei SACRIFICE Baß gespielt hatte. In Shingo Ida fanden wir einen Gitarristen und Yasuo Koyano von japanischen Undergroundband RIPRIDE wurde unserer Drummer. In dieser Besetzung nahmen wir zunächst eine Promo-CD auf, die die beiden Stücke ›Virtual Image‹ und ›Eagle Fly‹ enthielt, und spielten anschließend unsere CD »Virtual Image« ein. Kurz nach den Aufnahmen entschloß sich Yasuo auszusteigen, aber wir sind immer noch sehr eng befreundet. Seither haben wir sessionmäßig mit ehemaligen Schlagzeuger von CASBAH gespielt, der jedoch kein offizielles Bandmitglied war. Wir werden im November noch eine Show gemeinsam spielen, sind allerdings schon dabei, einen definitiven Nachfolger einzuarbeiten.

Folglich bist Du schon sehr lange in der japanischen Szene aktiv!

Exakt, denn vor SACRIFICE sang ich in einer Band namens BLOODLUST. Wir waren sehr von VENOM beeinflußt und starteten schon 1983, so daß BLOODLUST vermutlich einer der Gründungsväter der japanischen Thrashszene waren.

Musikalisch seid Ihr sehr traditionell ausgerichtet. Der Albumtitel »Virtual Image« plus das zugehörige computergenerierte Cover sind hingegen sehr neuzeitlich. Verfolgt Ihr damit eine bestimmte Absicht?

Die Platte sollte keinen typischen Metaltitel bekommen, doch alles ist weit weniger neuzeitlich als man vermuten würde. Der Song ›Virtual Image‹ handelt nämlich von Marilyn Monroe, die eine sehr gute Schauspielerin war: Nach außen hin verkörperte sie all den Glamour und den Erotik Hollywoods, doch tief in ihr drin war sie nicht glücklich. Der Song beschäftigt sich mit der Diskrepanz zwischen ihrem Image und der wahren Person.

Das Covermotiv wurde keineswegs auf dem Computer gerendert, sondern es wurde gemalt. Die Kettenglieder sollen die vier SOLITUDE-Musiker symbolisieren und den Zusammenhalt zwischen ihnen.

Das einzige Metalklischee auf dem Cover findet man im Logo, das so entworfen wurde, daß es an den Rändern wie eine Rasierklinge aussieht.

Wenn man bedenkt, daß die Band schon fünf Jahre bestand als »Virtual Image« aufgenommen wurde, ist es verwunderlich, daß nur eine 6-Song-EP daraus wurde. Hattet Ihr nicht genügend Songmaterial oder konntet Ihr Euch keinen längeren Studioaufenthalt leisten?

Beides war kein Grund gewesen. Es ging uns einfach darum, unsere stärksten Stücke aufzunehmen. Abgesehen davon sehen wir »Virtual Image« keineswegs als EP an, denn die CD hat eine Spielzeit von 36 Minuten. Ich muß ehrlich sagen, daß ich CDs mit 60 oder 70 Minuten Spielzeit nicht mag, weil es schwierig ist, sich über solch eine lange Zeit auf die Musik zu konzentrieren. Wir wollten eine CD machen, die wie die alten Vinylalben etwa 40 Minuten lang dauert.

Die Songs an sich sind mit sieben bis acht Minuten Länge allerdings sehr lang ausgefallen.

Das ergab sich nahezu zwangsläufig: Wir wollten unsere Riffs exzessiv ausleben, so daß die Stücke so lang werden mußten. Allerdings werden auf unserer nächsten Platte auch kürzere Stücke zu finden sein.

Warum habt Ihr auf »Virtual Image« zwei Instrumentalsongs hintereinandergepackt?

Wie schon gesagt, war es uns wichtig, unsere stärksten Songs auf die CD zu packen. Da unsere beiden Instrumentals ›Requiem Of The Kingdom‹ und ›Beyond The Storm‹ sehr eng miteinander verwandt sind, war es einfach unmöglich, sie auseinanderzureißen. Daher stehen sie auch gemeinsam auf der CD. Du bist nicht der erste, der sich darüber wundert. Wie schon erwähnt sind wir ebenfalls von Progressive Rock-Bands beeinflußt und bei denen ist es absolut normal, wenn mehrere Instrumentals aufeinanderfolgen.

Ist es eigentlich schwierig, englische Texte zu schreiben, wenn man die Sprache nicht sehr gut beherrscht? Es ist kaum zu übersehen, daß Eure Texte nicht gerade im Oxford-Englisch verfaßt sind...

Ich schreibe die Texte selbst, aber ein Freund checkt sie noch durch und weist mich auf Fehler hin. Früher hatte ich die Texte zunächst auf Japanisch geschrieben und sie dann übersetzt. Das brachte allerdings eine Menge Probleme mit sich, weil die Worte der übersetzten Version nicht immer zu der Gesangsmelodie gepaßt haben. Heute schreibe ich die Texte gleich auf Englisch. Das ist zwar etwas zeitaufwendiger, aber so funktioniert es besser, auch wenn nicht alles sprachlich perfekt ist.

Wann kann man mit einer neuen SOLITUDE-CD rechnen?

Die Preproduction für die nächste CD läuft. Wir wollten eigentlich noch 2002 ins Studio gehen, aber das wird wahrscheinlich nicht klappen, weil unser neuer Drummer noch nicht sattelfest genug ist. Wir hoffen jedoch, daß die CD im ersten Halbjahr 2003 erscheinen wird. Unser größtes Ziel ist, die Platte auch in Europa zu veröffentlichen, obwohl es uns bewußt ist, daß es nicht einfach sein wird, ein Label zu finden. Ich bin mir sicher, daß die nächste CD die Weiterentwicklung von SOLITUDE verdeutlichen wird.

Was fasziniert Dich so sehr an Adlern? Auf der CD gibt es einen Song namens ›Eagle Fly‹ und im Booklet befindet sich der Satz: "The highest pride! Live like an eagle!"

Wir haben den Song ›Eagle Fly‹ SAXON gewidmet. Doch zu dem Text wurde ich durch eine Fernsehsendung inspiriert, in der davon berichtet wurde, daß die Adler mittlerweile so sehr aus ihren natürlichen Lebensräumen verdrängt wurden, daß heute einige Tiere sogar mitten in New York leben und nisten. Was mich jedoch fasziniert ist, daß auch in dieser völlig veränderten Umgebung Beutetiere jagen und daß sie sich selbst in dieser Situation ihre Erhabenheit und ihren Stolz bewahrt haben.

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»Virtual Image« habt Ihr auf Eurem eigenen Label SPIRITUAL BEAST veröffentlicht. Gab es keine Angebote von anderen Firmen?

Die großen japanischen Labels interessieren sich nicht im Geringsten für Bands wie SOLITUDE. Deswegen haben wir SPIRITUAL BEAST gegründet, aber das Label soll nicht ausschließlich für SOLITUDE reserviert sein. Wir haben gerade das neue TANK-Album veröffentlicht und bereiten gerade weitere Releases vor. Wir hoffen, daß wir unsere Zusammenarbeit mit europäischen Labels in Zukunft intensivieren können. Ich denke, daß SOLITUDE bei europäischen Labels sehr viel bessere Karten haben als hier in Japan. Deshalb wollen wir unbedingt auch in Europa touren und unsere nächste Platte auch dort veröffentlichen. Bislang hatten wir Kontakt mit einigen Firmen aus Europa, mit denen wir uns allerdings nicht handelseinig wurden. Außerdem möchte ich noch erwähnen, daß europäische Bands uns gern ihr Promomaterial schicken können, wenn sie Interesse haben, ihre CDs in Japan zu veröffentlichen, da wir mit SPIRITUAL BEAST zukünftig mehr Scheiben lizenzieren wollen.

Welche japanischen Bands sind Deiner Meinung nach besonders erwähnenswert?

Wir haben gerade mit SPIRITUAL BEAST die Zusammenarbeit mit zwei japanischen Bands aufgenommen: Es handelt sich dabei um OUTRAGE, die schon sehr lange im Business sind, und um MAVERICK, die ein wenig wie eine melodischere Variante von MANOWAR klingen.

Wie sieht die derzeitige Plattenfirmenlandschaft in Japan aus? Gibt es noch Labels wie HOWLING BULL RECORDS, die früher japanische Underground-Bands veröffentlicht hatten und unter anderem auch Deine frühere Band SACRIFICE unter Vertrag hatten?

Außer SPIRITUAL BEAST gibt es nur noch eine Firma, die kleine Bands wahrnimmt: WORLD CHAOS; sie haben beispielsweise Bands wie TERRORSQUAD oder GRIM FORCE unter Vertrag haben. HOWLING BULL existieren immer noch, haben sich aber gegenüber der Vergangenheit stark verändert: Sie sind mittlerweile eine sehr große Firma geworden, die sich aber auf moderne Bands und Nu Metal-Acts beschränkt. Sie veranstalten außerdem ein sehr großes Festival, das sich "Beast Feast" nennt, bei dem in diesem Jahr SLAYER, MOTÖRHEAD, ARCH ENEMY, SOULFLY und DOWN spielen werden.

Wie sieht es auf dem Zeitungsmarkt aus? Ist der Monopolist BURRN! an Bands wie SOLITUDE interessiert? Welche Fanzines gibt es?

Im BURRN! haben wir ebenso wie die anderen japanischen Underground-Bands keine Chancen. Wir waren schon froh, daß sie unsere Platte reviewt und einen Livebericht verfaßt haben. Das BURRN! hat nach wie vor keine Konkurrenz in Japan und es gibt derzeit lediglich drei Fanzines: KABBALA, HMF und DEMONIC MAJESTIC.

Gibt es in Tokio viele Clubs, in denen eine Band wie SOLITUDE live auftreten kann?

Wir treten etwa zwanzigmal im Jahr auf. Es gibt eine Menge Clubs, aber nur wenige arbeiten professionell oder bringen die notwendigen technischen Voraussetzungen mit. Daher muß man sich immer jene Clubs heraussuchen, in denen man einen guten Sound zurechtbasteln kann.

Wie groß ist das Feedback auf solche Shows? Wieviele Besucher tauchen normalerweise auf? Wie hoch ist der Eintrittspreis bei diesen Konzerten? Meines Wissens sind die Tickets für normale Konzerte in Japan extrem teuer und kosten teilweise bis zu 70 Euro.

Die Zuschauerzahl bewegt sich normalerweise zwischen 150 und 200. Der Eintritt bei unseren Konzerten kostet meist um 20 Euro, was hierzulande ein relativ günstiger Preis ist. Du mußt bedenken, daß in Japan einfach alles teurer ist.

Gibt es in Japan eigentlich noch wie früher bestuhlte Hallen, in denen Metalkonzerte stattfinden?

Bei Underground-Konzerten gab es noch nie bestuhlte Venues; ich glaube, daß diese Konzerte hierzulande sehr den Shows in Europa ähneln. Abgesehen davon gibt es auch bei größeren Bands kaum noch bestuhlte Konzerthallen. Diesbezüglich hat sich in den letzten Jahren eine Menge verändert.

Tokio ist eine Millionenmetropole, in der es enorme Wohnraumprobleme gibt. Wie schwer ist es für eine Band, einen Proberaum zu finden?

Es ist sogar sehr einfach, einen Proberaum zu finden, denn es gibt viele Studios in Tokio. Der Raum, den SOLITUDE nutzen, ist sehr groß. Das einzige Problem ist die Tatsache, daß die Mieten für einen Proberaum sehr hoch sind, womit wir wieder bei dem oben erwähnten Preisniveau hierzulande sind...

Also sind solche Berichte, die man im deutschen Fernsehen sieht, erstunken und erlogen: Angeblich soll es in Japan beispielsweise sogenannte Love Hotels geben, in denen sich frisch verheiratete Paare für einige Stunden einmieten können, um gelegentlich "die Ehe zu vollziehen." Dies soll darin begründet sein, daß es in Tokio viel zu wenige Wohnungen gibt, so daß junge Paare nach der Hochzeit oft keine eigene Wohnung finden können und folglich gezwungenermaßen weiterhin getrennt bei ihren Eltern wohnen bleiben.

Nein, diese Geschichte entspricht den Tatsachen. Es gibt eine enorme Wohnraumnot in Tokio, aber in Sachen Proberäume ist das Problem wie gesagt weitaus geringer.

Da bietet sich doch der Themenwechsel hervorragend an: Wenn Du schon seit 1983 in Bands aktiv bist, kannst Du gewiß kein Greenhorn mehr sein. Was sagt Deine Familie dazu, daß Du immer noch den wilden Mucker raushängen läßt.

Ich bin mittlerweile 40 Jahre alt, bin verheiratet, habe aber keine Kinder. Ich habe das Glück, daß meine Frau mich sehr stark unterstützt. Sie hat verstanden, daß Musik eines der wichtigsten Dinge in meinem Leben ist und hat mich noch nie deswegen kritisiert.

Wer in Sachen »Virtual Image« noch Nachholbedarf hat, kann die Klasse-CD für 15 US-Dollar oder 17 Eumel bei folgender Adresse ordern:

SOLITUDE
#502, 7-14-14 Shimorenjaku, Mitaka-city
J - 181-0013 Tokyo
Japan

http://www.spiritual-beast.com/solitude/

solitude@spiritual-beast.com

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

SOLITUDE (J) im Überblick:
SOLITUDE (J) – Heavy, oder was!? 64-Special (aus dem Jahr 2002)
SOLITUDE (J) – Heavy, oder was!? 66-Interview (aus dem Jahr 2002)
SOLITUDE (J) – Online Empire 10-"Rising United"-Artikel (aus dem Jahr 2002)
SOLITUDE (J) – Online Empire 14-Interview (aus dem Jahr 2003)
SOLITUDE (J) – Online Empire 16-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2003)
SOLITUDE (J) – News vom 26.11.2008
SOLITUDE (J) – News vom 28.11.2009
Playlist: SOLITUDE (J)-Album »Virtual Image« in "Playlist Heavy, oder was!? 63" auf Platz 5 von Stefan Glas
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