UNDERGROUND EMPIRE the ONLINE EMPIRE-Titel
  UE-Home → History → Online Empire 43 → Interview-Übersicht → ACCU§ER-Interview last update: 27.03.2024, 15:23:21  

ACCU§ER-Logo

Zu Beginn der 90er Jahre galten ACCU§ER als eine der hoffnungsvollsten Formationen in der deutschen Thrash Metal-Szene. Selbst wenn schon mit dem 92er-Album »Repent« nicht mehr jeder eingeschworene Fan zu 100 Pro­zent glücklich gewesen sein mag, weil unter anderem das DIE KRUPPS-Cover ›Metal Machine Music‹ ein eindeutiger Beleg dafür gewesen ist, daß Neuerungen im Sound angesagt waren und der teilweise recht ruppige Thrash der Frühzeit nicht mehr ganz so intensiv dargeboten wurde, konnten die Herrschaften unzählige Fans damit zufriedenstellen. In weiterer Folge wurden zusätzliche, damals schwer angesagte Zutaten in das Klangbild integriert, und die Siegener kamen mit den Alben »Reflections« und »Taken By The Throat« Mitte der 90er Jahre mit jenen Stakkato-Geschossen auf den Markt, die man von unzähligen Vertretern aus Amiland zu schätzen wußte. Spätestens diese Scheiben hätten der Band an sich den Durchmarsch nach ganz oben bereiten müssen, doch statt weltweitem Erfolg stellte sich lediglich eine Art "erweiterter Underground-Status" ein, der in späterer Folge leider nicht mehr ausgebaut werden konnte, da bald darauf das Ende von ACCU§ER ausgerufen wurde.

ACCU§ER-Headline

Die Herren waren zwar mehrheitlich der Szene erhaltengeblieben (wobei man später den Namen wechselte und als SCARTRIBE firmierte), doch wirklich daran geglaubt, daß so lange Jahre später erneut ein sattes Thrash Metal-Output unter dem Banner ACCU§ER erscheinen würde, haben wohl nicht einmal die treuesten Fans. Um so größer war dann die Überraschung als sich die Herren Frank Thoms (Gesang, Gitarre), René Schütz (Gitarre), Frank Kimpel (Baß) und Olli Fechner (Drums) im letzten Jahr mit »Remain« in der Szene zurückmeldeten. Nicht nur die Tatsache, ACCU§ER überhaupt erneut am Start zu wissen, machte die noch immer vorhandene Fanbase glücklich, vielmehr noch war es die heftige, die frühen Tage in Erinnerung rufende Gangart, die durch das ebenso an Frühwerke erinnernde Artwork manifestiert wurde.
Grund genug demnach den Herrschaften ein klein wenig auf den Zahn zu fühlen, wobei sich im Endeffekt Fronter Frank Thoms zum "Zahnarztbesuch" meldete.

Nachträglich nochmals Gratulation zu Eurem sehr gelungenen "Comeback", wobei dieser Ausdruck aber auch gleich die erste Frage aufwirft: Ist denn »Remain« wirklich als "Comeback" zu betrachten, oder handelt es sich "nur" um ein neues Werk von SCARTRIBE unter dem früheren Bandnamen?

Nein, es handelt sich definitiv um neue Songs von ACCU§ER, die als 5-Track Demo unter dem Namen »Remain« an Plattenfirmen versendet wurden. Letztendlich haben wir dieses Material mittlerweile um drei weitere Songs und ein Instrumental aufgestockt. Alles zusammen ist nun als Veröffentlichung eines neuen Albums angedacht. Dieses wird den Titel »Agitation« tragen und in Bälde zu erhalten sein.

Wo habt Ihr die letzten Jahre gesteckt? Von SCARTRIBE weiß ich lediglich, daß ein Demo existiert, das ich jedoch bislang leider weder ergattern, noch hören durfte. Bringt mal bitte ein wenig Licht in meine Dunkelheit...

Prinzipiell ging es um eine Neuorientierung. Wir wollten weder mit SCARTRIBE, noch mit ACCU§ER alte Elemente aufgreifen und bloß mit typischem 80er-Sound durchstarten. Das soll aber jetzt nicht bedeuten, daß wir nicht mehr hinter unseren alten Sachen stehen würden. Im Gegenteil, wir halten sie noch immer für gut, schließlich hat uns diese Epoche sehr geprägt und war für uns als Musiker sehr wichtig, weil es unsere erste professionell aktive Zeit mit Musik gewesen ist. Kein Wunder also, daß wir diese Art von Mucke zu hegen und pflegen wissen.
Als wir angefangen haben, mit SCARTRIBE neue Songs zu schreiben, haben sich diese sehr deutlich von den alten ACCU§ER-Songs unterschieden. Doch irgendwann hielten flottere Beats und zugleich erneut massive Härte Einzug in die Kompositionen. Und was passierte dann? Wir waren wieder beim typischen ACCU§ER-Sound angelangt, allerdings mit einigen moderneren Elementen. Wir hatten also quasi "alt-neu" erfunden. Das war schlußendlich auch der Grund für uns, unter unserem alten Namen weiterzuarbeiten. Selbstverständlich spielen wir live - um den alten Esprit aufrechtzuhalten - Songs wie beispielsweise ›Who Dominates Who‹, ›Symbol Of Hate‹, ›Sadistic Terror‹, ›Healium‹, ›Double Talk‹, ›Fatal Vision‹, ›Elected To Suffer‹, ›Rotting From Within‹, ›Repent‹ und noch einige mehr. Zumindest für mich kann ich also sagen: "Einmal ein ACCU§ER, immer ein ACCU§ER". [lacht]

Für Eure stilistischen Veränderungen in der Vergangenheit konntet Ihr sowohl Lob ernten, hattet aber auch reichlich Tadel einzustecken. Würdet Ihr aus heutiger Sicht betrachtet etwas anders machen, oder seid Ihr der Meinung, daß alles gut war, so wie es gelaufen ist?

Wenn eine Band etwas an ihrem Stil ändert, wird es immer Lob und Tadel geben. Als Eberhard Weyel nach den ersten drei Alben aufhörte zu singen und ich das Mikro übernahm, gab es zum ersten Mal massive Meinungsunterschiede innerhalb der Fans. Die einen mochten mehr den alten Stil, und andere fanden die neueren Sachen wesentlich besser. Aber selbst wenn man nie etwas ändert und seinen Sound über 40 Jahre lang durchzieht, wird man derlei Reaktionen ernten. Die treue Fangemeinde wird das klasse finden, weil sie weiß, was sie bekommt, auf der anderen Seite werden mit Sicherheit Kommentare wie "Das klingt ja immer alles gleich" zu vernehmen sein. Das ist ganz normal und wird immer so sein. Man kann es nicht immer allen recht machen. Aus heutiger Sicht würde sich durch eine andere Vorgehensweise ebenfalls nichts an unserem Status ändern!

Mag sein. Ihr hattet auf jeden Fall die "Zeichen der Zeit" als eine der ersten Bands verstanden. Meiner Meinung nach hätte schon mit »Reflections« der Durchbruch auf internationaler Ebene kommen müssen. Woran lag es denn im Nachhinein betrachtet, daß es doch nicht so war?

Vielleicht hätte damals noch mehr gemacht werden müssen, wie beispielsweise mehr an Investitionen seitens der Plattenfirma für Werbung und gute Supporttourneen. Das ist leider ausgeblieben, sonst hätte es vielleicht geklappt.

Ihr hattet aber mehrmals die Chance, flächendeckende Tourneen zu absolvieren. Gibt es besonders erwähnenswerte, positive Erinnerungen daran und eventuell auch noch etwaige Anekdoten, die wir auch Jahre später noch wissen müssen?

Im Grunde gibt es immer positive, aber auch negative Erinnerungen und etwaige Anekdoten, die jeder ähnlich erleben wird, wenn er auf Tour geht. Ich glaube man kann sich ausmalen, was passiert, wenn man einen völlig bekloppten Haufen Musiker in einen Bus steckt und sie in der Weltgeschichte herum kutschiert, oder?

Bestimmt. Weshalb wurde das Unternehmen ACCU§ER denn damals nach einigen Versuchen diesbezüglich eingestellt?

Unser damaliger Drummer Volker Borchert wollte ein Pause machen, um seine Leidenschaft - das Tauchen - zu professionalisieren. Er ist allerdings dann bei dieser Profession geblieben und hat die Musik sein lassen. Statt uns einen neuen Schlagzeuger zu suchen, haben wir kurzfristig ebenfalls aufgehört, da die Musik unser komplettes Leben seit unserer Jugend bestimmt hatte und auch wir "anderen" mal ohne diesen Hintergrund leben wollten. Das war zwar gut, hat aber dennoch nicht gereicht. Mit anderen Aktivitäten, wie beispielsweise endlosen Mountainbike-Touren, wurde versucht, die Phase des "Nichtmusizierens" zu kompensieren, doch irgendetwas fehlte. Schließlich wurde irgendwann die Gitarre wieder aus dem Koffer geholt und angefangen, mit guten Freunden Musik zu machen. Tja, und dann ging es eben wieder los!

Gut so, schließlich hätten wir alle von Euren Radausflügen doch deutlich weniger gehabt als vom neuen Demo. Was hat Euch denn im Endeffekt zum Neustart bewogen?

Leidenschaft!

So soll es sein! Gab es eine bestimmte Intention hinsichtlich der Musik, als Ihr die Band abermals zum Leben erweckt habt?

Unsere Intention ist es, in erster Linie Musik zu machen, die wir selbst lieben. Wenn das andere Leute mit uns teilen, um so besser!

ACCU§ER-Bandphoto 1

Meine Meinung zu »Remain« dürfte Euch bekannt sein, wie würdet Ihr denn Eure aktuellen Kompositionen selbst im Vergleich zu den früheren Exponaten kommentieren?

Die Songs sind im typischen ACCU§ER-Stil gehalten, verfügen ebenso aber auch über moderne Elemente. Wir knüpfen dabei eher an »Repent« an, als an den letzten beiden Alben. Wichtig war uns lediglich, daß sofort ACCU§ER zu erkennen sind.

Das ist Euch ohne jeden Zweifel gelungen. Seid ihr eigentlich mit einer bestimmten Erwartungshaltung an die Veröffentlichung der Vorab-EP herangegangen?

Es ging in erster Linie darum, erst einmal ein wenig zu schnuppern, wie denn die Meinungen da draußen sein würden. Für einen Musiker selbst ist das immer interessant, denn eine Veröffentlichung bedingt ja, daß man vom eigenen Material überzeugt ist!

Mit ein Grund für die Tatsache, daß ihr erneut absolut hochwertiges Material anzubieten habt, ist wohl der Umstand, daß Ihr ein eingespieltes Team seid und trotz längerer Absenz als ACCU§ER in unveränderter SCARTRIBE-Besetzung antretet, oder wie seht Ihr das?

Wir sind in der Tat wirklich sehr gut aufeinander eingespielt. Ich kann mich noch an die ersten Proben mit unserem Drummer Olli erinnern. Das Zusammenspiel war erst recht kantig, wurde jedoch im Laufe der Zeit immer runder. Wir proben die Songs wirklich sehr genau, so daß Olli zuletzt die Tracks im Studio blind und ohne Pilot-Gitarre in einem Take eingetrommelt hat.

Wie sind denn die Kritiken auf die EP bislang generell ausgefallen?

Mal so, mal so. Von Aussagen wie "Jungs, geht lieber angeln", bis hin zu Lobeshymnen war alles dabei. Aber den Spruch mit dem Angeln fand ich ja am besten. [lacht]

Angeln? Warum auch nicht, vor allem wenn sich der Teich in der Nähe eines Open Air-Geländes befindet und Ihr zuvor (oder auch danach) amtlich Gas auf der Bühne gebt, habe ich damit überhaupt kein Problem.
Zuvor aber nochmals zurück zu »Remain«. Das gute Stück ist zunächst in Eigenregie erschienen. Liegen denn in der Zwischenzeit Angebote für Plattenverträge, oder zumindest für Vertriebsdeals dafür und eventuell auch bereits für das anstehende Full-Length-Album vor?

Wie schon gesagt, haben wir mittlerweile das Album komplettiert, indem wir insgesamt neun Songs in eigener Produktion aufgenommen haben. Martin Buchwalter von "Gernhart Studio" hat die Chose dann gemixt und gemastert. Erscheinen wird »Agitation« bei einem neugegründeten Label namens RED SHIFT RECORDS, das über TWILIGHT RECORDS vertrieben wird. Für das ausgezeichnete Artwork war Verena Achenbach verantwortlich.

Wann wird es denn so weit sein, daß wir Fans das neue Langeisen bejubeln dürfen?

»Agitation« wird am 28.05.2010 veröffentlicht und ist ab sofort vorbestellbar.

Fein. Als essentiellen Bestandteil von ACCU§ER empfand ich schon immer die Texte. Bereits auf Euren früheren Veröffentlichungen überzeugte nicht nur die Musik an sich, sondern sehr wohl auch die lyrische Komponente. Könnt Ihr die Texte beziehungsweise die Hintergründe zu den aktuellen Songs kommentieren?

»Agitation« ist ein Konzeptalbum, wobei der Name sowohl die Überschrift wie auch den Inhalt darstellt. Es geht dabei um negativen und aggressiven Einfluß auf den Menschen durch Politik und Religion. Jeder Text erzählt eine eigene Geschichte aus diesen Bereichen. Etwas genauer gesagt geht es um Volkshetze, Verfolgung, Diktatur oder die eigennützige Ausübung von Religionen.

Woher kamen (und kommen) denn die Inspirationen für Eure Texte?

Man schreibt, was einen bewegt. Da nun Politik und Religion zu Recht heftiger Kritik unterliegen, da sie das Leben auf unserem Planeten bestimmen, ist es für mich unumgänglich, mir darüber Gedanken zu machen. Ich habe hier bestimmt nicht das Rad neu erfunden, jedoch ist es immer wieder erwähnenswert, seine Sichtweise in eigenen Worten darzustellen. Gerade in der Musikszene wimmelt es in den Texten von symbolischer, aber auch konkreter Kritik an Politik und Religion. Man sollte sich einmal fragen, warum das so ist. Da alles vom Menschen gesteuert wird, ist es klar, daß diese Machtwerkzeuge für den eigenen Vorteil genutzt werden und somit Ungerechtigkeit und Leid verursachen.

Kann man blind unterschreiben. Der harsche Thrash Metal von ACCU§ER eignet sich logischerweise auch heute noch perfekt für derlei Abhandlungen, weshalb es nachzuvollziehen ist, daß sich die Herren lyrisch einmal mehr völlig unmißverständlich auszudrücken verstanden.
Gibt es denn eigentlich auch Interessantes zu eventuellen musikalischen "Fremdgängen" in den Jahren der ACCU§ER-Absenz zu berichten, oder seid ihr in den letzten Jahren mit SCARTRIBE ausgelastet gewesen?

Ich habe in jener Phase, als es weder SCARTRIBE noch ACCU§ER gab, Drums bei einer Band hier in Siegen gespielt. Außerdem hatte ich ein Bandprojekt mit guten Freunden am Laufen, bei dem ich die Gitarre bedient habe. Das Projekt zerfiel jedoch, als es mit SCARTRIBE losging. Dafür hing ich dann auch die Drums wieder an den Nagel, was vielleicht auch besser so gewesen ist. [lacht] Mit SCARTRIBE hatten wir ein paar wirklich schöne Konzerte, aber dennoch hat uns das nicht genügt, und deshalb gibt es seit 2008 ACCU§ER wieder. Wir haben bereits einige wirklich geile Festivals gespielt und auch erneut Aufnahmen abgeliefert. Was will man mehr?

Gutes Stichwort. Wie sieht es denn an der Live-Front aus? Welche Gigs waren denn bislang die Highlights der Frühzeit beziehungsweise im aktuellen Line-up?

In der Frühzeit durften wir als Support für MOTÖRHEAD, SODOM, DESTRUCTION, PARADISE LOST, OVERKILL und viele mehr spielen. In letzter Zeit haben wir dagegen vermehrt Festivals gespielt, wie beispielsweise beim "Way Of Darkness", "Winternachtstraum", "Ragnarock", "Smash-Fest", "Thrash Assault" oder dem "Metalfest Uri".

Nicht schlecht, aber offenbar nur der Beginn einer neuerlicher Gastspielserie. Die letzten Worte sollen nun die Euren sein, aber natürlich nicht bevor Du uns noch einen kurzen Ausblick in Eure Zukunft gegeben hast.

Ich freue mich riesig auf unsere neue Veröffentlichung, die am 28. Mai 2010 ansteht und bin jetzt schon gespannt, was die Fans dazu sagen werden! Desweiteren bin ich schon wieder fleißig am Komponieren weiterer neuer Songs, die sehr kräftig ausfallen werden. Von Mai bis zum Ende dieses Jahres wird dann eine Reihe von Konzerten folgen. Danach wird es wieder Zeit für Aufnahmen. Das Rad dreht sich eben erneut, und das ist gut so!
Unsere letzten Worte sollen einfach nur Danke dafür sein, daß wir an diesem, mittlerweile verdammt großen Musikkosmos teilhaben dürfen und zwar als Musiker, wie auch als Fans!

http://www.accuser.de/

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Walter Scheurer

ACCU§ER im Überblick:
ACCU§ER – Accu§er (Rundling-Review von 2021 aus Online Empire 86)
ACCU§ER – Agitation (Rundling-Review von 2010 aus Online Empire 44)
ACCU§ER – Diabolic (Rundling-Review von 2013 aus Online Empire 55)
ACCU§ER – Reflections (Rundling-Review von 1994 aus Underground Empire 7)
ACCU§ER – The Forlorn Divide (Rundling-Review von 2016 aus Online Empire 66)
ACCU§ER – Underground Empire 4-Interview (aus dem Jahr 1991)
ACCU§ER – Underground Empire 7-Special (aus dem Jahr 1994)
ACCU§ER – Online Empire 40-"Known'n'new"-Artikel (aus dem Jahr 2009)
ACCU§ER – Online Empire 43-Interview (aus dem Jahr 2010)
ACCU§ER – Online Empire 60-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2014)
ACCU§ER – News vom 14.01.2003
ACCU§ER – News vom 14.06.2008
ACCU§ER – News vom 13.08.2011
ACCU§ER – News vom 03.09.2013
ACCU§ER – News vom 02.09.2019
Soundcheck: ACCU§ER-Album »Dependent Domination« im "Soundcheck Heavy 136" auf Platz 5
© 1989-2024 Underground Empire


Stop This War! Support The Victims.
Button: here