UNDERGROUND EMPIRE 4-Datasheet |
Contents: RAVEN (GB)-Interview |
Date: 07.02.1991 (created), 10.05.2010 (revisited), 22.01.2022 (updated) |
Origin: UNDERGROUND EMPIRE 4 |
Status: published |
Reason: medium missing |
Task: from paper to screen |
Availability: original printed issue still available, order here! |
Comment: Die Herren beehren uns 2010 auf dem einen oder anderen Festival. Wer's nicht abwarten kann oder nicht die Gelegenheit haben wird, den handverlesenen Auftritten beizuwohnen, der kann sich im Mediabereich der Homepage herrlich in der Old School suhlen. Viel Spaß dabei!!! |
Supervisor: Thomas Heyer |
Gegen Ende der 70er Jahre war die Heavy Metal-Szene ausgebrannt, und der Punk erlebte einen enormen Boom. Aber die frische und eigenwillige Art der Punks, dem die großen Rockbands mit ihren seelenlosen Mammutkonzerten (heute genannt: "Monsters Of Rock") nichts entgegensetzen konnten, verkam schnell zur Modewelle, wobei die Musikindustrie wie immer kräftig mithalf. Schließlich waren die SEX PISTOLS wohl auch nichts anderes, als ein gutes Marketingkonzept.
Die Zeit war reif für junge Metalbands, der Welt die Ohren wegzupusten. Insbesondere englische Gruppen machten von sich reden und kreierten die New Wave Of British Heavy Metal.
In aggressiver Weise taten sich dabei die 1975 von den Brüdern Mark (g) und John (v, b) Gallagher gegründeten RAVEN hervor. Schlagzeuger Rob "Wacko" Hunter prägte mit seinem Stageacting das Image der Band. In Footballmontur, mit Helm und Rüstung, bearbeitete er seine Drums und fungierte nebenher als lebender Feuerwerkskörper.
Die 1984 erschienene dritte LP »All For One« war der Höhepunkt der RAVEN-Karriere, und das folgende Doppelalbum »Live From The Inferno« dokumentiert die enorme Power ihrer Konzerte.
Danach ging es jedoch bergab. Die Band übersiedelte nach Amerika und konnte mit den nachfolgenden Veröffentlichungen nicht an die alten Erfolge anknüpfen.
Das soll sich jetzt ändern! Dieser Tage meldeten sich RAVEN mit der LP »Architect Of Fear«, erschienen auf ihrem neuen Label STEAMHAMMER, zurück. Und die Zeichen stehen gut, denn ebenso wie ihre Kollegen von JUDAS PRIEST und SAXON zeigt sich das Trio so frisch und aggressiv wie früher und wird im April/Mai auf einer Tour mit RUNNING WILD den deutschen Headbangern zeigen, wo der Hammer hängt.
Das Material zu »Architect Of Fear« entstand während einer einzigen Monstersession, und wir haben die Songs im Studio so weit wie möglich live eingespielt, um die Power rüberzubringen. Aufgenommen und abgemischt wurde in den "Mohrmann Studios". Es lief hervorragend. Das Feeling war toll, und ich denke, wir haben das Optimale rausgeholt.
John strotzt geradezu vor Begeisterung. Überhaupt ist er ein äußerst sympathischer Gesprächspartner und trotz der frühen Morgenstunde (kurz vor 12.00 Uhr an einem Sonntag!) ist er in bester Laune. Hätte er doch nur nicht diesen komischen Newcastle-Akzent!
Aber warum wurde gerade ein Studio in Deutschland ausgewählt?
Nun, es gefällt uns eben hier. Auf unserer letzten Deutschland-Tour hatten wir sehr viel Spaß. Zudem werden wir jetzt von DRAKKAR PROMOTION (in Witten) gemanagt, und die haben uns dieses Studio vorgeschlagen. Es tut auch gut, einmal in einer anderen Umgebung zu arbeiten, um ein bißchen vom normalen Trott wegzukommen. Man kann sich besser auf seine Aufgaben konzentrieren. Außerdem sind wir immer noch eine europäische Band, obwohl wir in den Staaten leben und ein Amerikaner an den Drums sitzt, nachdem Rob Hunter das Handtuch geworfen hat. (Das bedeutet also, daß der Mann mit der Jägermeisterflasche - siehe den New York-Artikel im letzten UNDERGROUND EMPIRE - nicht Rob war, sondern der neue Drummer Joe. Irren ist menschlich! - Red.) Jetzt können wir endlich unser Versprechen einlösen, wieder in Europa zu spielen. Unsere alte (amerikanische) Company ATLANTIC wollte uns damals nicht rüberlassen. Der Vertrag mit STEAMHAMMER kam zustande, nachdem das neue Album eingespielt war. Wir hatten somit ein fertiges Produkt, das wir anbieten konnten. Kontakte gab es natürlich schon vorher, auch zu einigen anderen Leuten, aber schließlich sind wir dann doch bei STEAMHAMMER gelandet, und ich bin froh darüber.
Gehen wir doch mal ein paar Jährchen zurück. Das bereits erwähnte Erfolgsalbum »All For One« wurde seinerzeit von Udo Dirkschneider und Michael Wagner produziert und es kursierten Gerüchte, Udo würde als Leadsänger bei RAVEN einsteigen, zumal er auf der B-Seite einer Maxi die Vocals zu ›Born To Be Wild‹ übernahm. Doch erwies sich dieses Gerücht als falsch und RAVEN produzierte 1985 für ATLANTIC das Album »Stay Hard«, welches für meinen Geschmack doch relativ seicht ausfiel.
Ich würde nicht unbedingt sagen, die Platte wäre seicht. Okay, es sind einige miese Stücke drauf und seltsame experimentelle Sachen, aber auch einige wirklich gute Hard Rock-Songs, wie beispielsweise ›Power And The Glory‹, ›Extract The Action‹ oder ›When The Going Gets Tough‹. Eigentlich wurde das Album für NEAT RECORDS (der ersten Plattenfirma von RAVEN - Red.) produziert, um aus dem Vertrag rauszukommen, aber dann kam ATLANTIC mit einem Deal und hat die LP rausgebracht. Wir haben im Studio zusätzliche Songs geschrieben, einige alte geändert und zum Teil eben ungewöhnliches ausprobiert, wie beispielsweise die Bläser auf ›The Bottom Line‹. Das war wirklich eine lustige Sache, aber dann haben wir den Fehler gemacht, diese Bläser auf der nächsten Platte nochmals zu verwenden.
Solche Mätzchen haben RAVEN auf »Architect Of Fear« zum Glück unterlassen. Kann man sagen, daß sich die Band ihrer alten Stärken entsinnt und sich wieder "back to the roots" orientiert?
Klar, wir haben wieder diesen ursprünglichen Sound, und auch die Lieder sind sehr viel besser, als auf den Platten davor. Es ist wirklich ein tolles Album geworden, und noch heute, fünf Monate nachdem die Aufnahmen abgeschlossen wurden, bekomme ich Gänsehaut, wenn ich die Songs höre. Trotzdem glaube ich, daß wir bereits vor vier Jahren zu unseren Wurzeln zurückgekehrt sind. »Life's A Bitch« hatte auch schon wieder den typischen Sound... Vielleicht kehren wir ja Wurzeln zurück, die noch älter sind? Tatsache ist, mit »Architect Of Fear« wollten wir einfach ein Album einspielen, mit dem wir zufrieden sind, und das Songwriting lief so gut, daß wir Material für ein Triplealbum hatten. Es ist viel einfacher, Lieder mit der ganzen Band zu machen, als wenn jeder alleine vor sich hin komponiert. Bei solchen Sessions werden mehr Energien frei und man ist kreativer. Auch im Studio versuchen wir, Raum für Spontanität zu lassen. Seit den Aufnahmen zu »The Pack Is Back« verwenden wir im Studio auch kein "Klick" (Metronom) und ähnliche Spielereien mehr. Das hat damals alles ruiniert. Unser Schlagzeuger spielt so präzise, daß wir auf einen "Klick" verzichten können... Da fällt mir eine Geschichte ein: Bei den Aufnahmen zu »Architect Of Fear« gab es bei einem Song eine sehr schwierige Schlagzeugpassage. und genau an dieser Stelle machte Joe einen Fehler. Wir wollten kein "drop in" benutzen, fingen also nochmal von vorne an. Es war verrückt, Joe machte den Fehler noch zweimal, und zwar auf die Zehntelsekunde genau an der selben Stelle. Er ist zwar vor Zorn fast ausgerastet, aber es war doch verblüffend, wie exakt sein Timing ist. Am nächsten Tag haben wir den Song doch noch an einem Stück eingespielt. Das war eigentlich das einzige Problem, das wir im Studio hatten.
Spontanität - Feeling - Spaß. Das wird bei RAVEN-Konzerten wohl großgeschrieben?
Wir versuchen, jeden Abend neu zu gestalten und lassen uns Raum für Improvisationen (Mark improvisiert eigentlich ständig) oder covern auch mal einen Song von BLACK SABBATH, JUDAS PRIEST oder anderen. So z. B. auf der letzten Tour. Da spielten wir ›Break The Chains‹ und plötzlich mittendrin ›Symptom Of The Universe‹ und ›Won't Get Fooled Again‹. Das war ein Riesenspaß! Bands wie LED ZEPPELIN oder THE WHO haben früher immer sehr viel improvisiert, aber heute kommt das kaum noch vor. Alles ist vorprogrammiert, und die Shows sind von Anfang bis Ende durchgestylt. Aber wir wollen unseren Spaß während eines Auftritts, und die Kids sollen das auch sehen.
Johns Musikgeschmack ist übrigens breitgefächert und reicht von GENESIS über Jimi Hendrix bis zu JUDAS PRIEST. Die neuen Bands sprechen ihn wohl nicht besonders an?
Heute kopiert doch jeder jeden! Es kommen kaum noch neue Ideen. And I fucking hate that! Aber immerhin meldet sich die alte Garde wieder zurück. PRIEST haben ein sehr hartes Album veröffentlicht, SAXON sind wieder da - und wir natürlich auch!
Na, mal sehen, was da noch so kommt. Möchte John zum Schluß noch etwas los werden, oder etwas bestimmtes gefragt werden?
Oh dear! Ich wurde noch nie gefragt, ob mein Bruder Mark und ich oft streiten... Die Antwort ist "Nein!" Wir tragen Meinungsverschiedenheiten mit den Gitarren aus. The fighting Gallagher-Brothers. Am Ende haben wir jeder eine Gitarre im Kopf stecken. [lacht] Nein, im Ernst. Sag' den Lesern, sie sollen sich die neue Platte anhören, und wir freuen uns auf die Tour.
Es lohnt sich auf alle Fälle, »Architect Of Fear« mal anzutesten, und man darf gespannt sein, ob RAVEN den Ansprüchen, die sie auch an sich selbst stellen, gerecht werden. Das Package RUNNING WILD/RAVEN solltet ihr jedenfalls nicht versäumen.
Photo: Volker Beushausen