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Jon Lord

Kiel, Schloß

06.12.2009

Jon Lord - ehemaliger Keyboarder und Gründungsmitglied von DEEP PURPLE und sozusagen der Erfinder der Verschmelzung von Klassik- und Rockmusik - gehörte zu den wenigen Musikern und Bands, die ich auf meiner "Must See"-Liste noch nicht abhaken durfte.
Zu meiner unendlichen Freude beehrte der mittlerweile 68-jährige Hammondvirtuose die Hansestadt Kiel mit einem seiner doch eher seltenen Konzerte, unterstützt vom Philharmonischen Orchester Kiel unter der Leitung von Georg Fritzsch, der Band DEAD COMPOSERS ROCKING SOCIETY, sowie - für den Gesang - Katarzyna Laska und Steve Balsamo.

Jon Lord-Liveshot 1

Aufgrund des großen Andrangs begann das Konzert mit 20-minütiger Verspätung. Doch schließlich nahmen die Musiker ihre Plätze ein, und der Altmeister betrat unter stürmischem Beifall den Saal.
Das Konzert bestand aus zwei Teilen. Im ersten wurde das "Concerto for Group and Orchestra" aufgeführt, im zweiten hörte das begeisterte Publikum einen Querschnitt aus Jon Lords verschiedenen Schaffensphasen.
Zu jedem Stück erzählte Lord eine kleine Geschichte und zog mit seiner sympathischen Ausstrahlung und dem lässigem Humor das Publikum in seinen Bann. Herrlich anzusehen war beispielsweise sein andauernder Kampf mit dem Klavierhocker (eigentlich eher eine Kiste), der ihm irgendwie immer im Weg stand.

Jon Lord-Liveshot 2

Sehr ausführlich beschrieb Jon Lord zu Beginn den Aufbau der drei Teile des Concertos, welches am 24. September 1969 in der Londoner "Royal Albert Hall" aufgeführt wurde. Der erste Satz stellt eine Schlacht zwischen Orchester und Band dar, die hier in getrennten Blöcken aufspielen. Im zweiten Satz vermischen sich Band und Orchester musikalisch ein wenig, um im abschließenden dritten Satz "einfach Spaß miteinander zu haben". Eine knappe Stunde konnte man nun das herrliche Stück auf sich wirken lassen. Filigrane Melodien und bombastische Klänge des Orchesters wechselten sich ab mit der Urgewalt der Band. Einfach nur zum Genießen!
Leider konnte die Band mich nicht hundertprozentig überzeugen. Das lag zum größten Teil am Sound. Das Schlagzeug war zwar laut, soundtechnisch jedoch eher schwachbrüstig und unangenehm. Das Spiel des Gitarristen ließ eine gewisse Lockerheit vermissen, was allerdings wohl eher daran lag, daß vom Notenblatt herunter musiziert wurde. Aus spielerischer Sicht waren DEAD COMPOSERS ROCKING SOCIETY aber über jeden Zweifel erhaben, das Zusammenspiel zwischen Band und Orchester war perfekt, und man merkte den Musikern den Spaß an diesem Auftritt deutlich an, was sich natürlich auf das Publikum übertrug.

Jon Lord-Liveshot 3

Viel zu schnell war der erste Teil des Konzerts beendet, und man begab sich in die Pause. Eine gute Gelegenheit, die Reaktionen der Hörer zu beobachten. Überhaupt, das Publikum... soweit ich verstanden habe, fand dieser Abend im Rahmen einer Reihe von Klassikkonzerten in Kiel statt: "Die Extrakonzerte Con Spirito". So hatte wohl schätzungsweise ein Viertel der Zuhörer noch nichts von Jon Lord, geschweige denn von DEEP PURPLE gehört. Um so beeindruckter war ich, daß ich reihum ausnahmslos zufriedene bis begeisterte Menschen sah. Neben mir unterhielten sich beispielsweise zwei Damen, die bestimmt schon ihren 80sten Geburtstag feiern durften, aber dennoch offensichtlich große Freude an diesem Abend hatten.
Der zweite Teil begann mit dem DEEP PURPLE-Klassiker ›Pictures Of Home‹. Ein toller Song, den ich hier jedoch als eher fehl am Platze empfand. Schon auf der CD von der Wiederaufführung des Concertos im Jahre 1999 konnte mich die Klassikrock-Version nicht überzeugen. Zudem ist Steve Balsamo zwar ein hervorragender Sänger mit einer wirklich schönen Stimme, die sich jedoch nicht für diesen Titel eignet.
Es folgte ein wunderschönes Lied und für mich das Highlight des Abends: ›Evening Song‹, ein traurig schönes Lied über den Lebensabend, grandios interpretiert von Katarzyna Laska. Zum Niederknien.
Weiter ging es mit dem orientalisch angehauchten ›Bourrée‹ und ›Pictured Within‹, letzteres wieder mit Steve Balsamo und zu diesem Stück paßte seine Stimme wirklich hervorragend.

Jon Lord-Liveshot 4

›The Telemann Experiment‹, ›Wait A While‹ (wiederrum wunderschön gesungen von Katarzyna Laska) und ›Gigue‹ beendeten den zweiten Teil des Konzerts und mit Bedauern stellte ich fest, daß mein Lieblingssong ›Sarabande‹ nicht gespielt wurde.
Kaum war der letzte Ton verklungen wurden die Musiker mit Standing Ovations und langanhaltendem Applaus bedacht. Natürlich entließ man Jon Lord nicht ohne Zugaben und natürlich durfte man jetzt nochmals in der purpurnen Vergangenheit schwelgen. ›Soldier Of Fortune‹ wurde als Duett vorgetragen und zusammen mit dem Orchester verlieh dies dem Stück neue Größe.
Danach ging es noch ein paar Jährchen zurück und als Jon Lord die ersten Töne auf der Hammond-Orgel anstimmte, stand der ganze Saal Kopf. Und zu meiner großen Erleichterung war es nicht, wie von einigen Zuschauern gefordert, das über alle Maßen zu Tode genudelte ›Smoke On The Water‹, sondern ›Child In Time‹. Auch hier brillierten Katarzyna Laska und Steve Balsamo als Duett, und mit vereinten Kräften schafften sie die Gillanesquen Schreie und ließen so manches Auge feucht werden. Ein weiterer, wenn nicht sogar der Höhepunkt des Abends und ein würdiger Abschluß eines wahren Musikerlebnisses.
"Bisher wußte ich nicht, was Kult ist. Doch seit heute abend weiß ich es." Den Worten des Dirigenten Georg Fritzsch ist nichts hinzuzufügen.


Thomas Heyer

Photos: Thomas Heyer

Jon Lord im Überblick:
Jon Lord – Beyond The Notes (Rundling-Review von 2005 aus Online Empire 22)
Jon Lord – Concerto For Group And Orchestra (Rundling-Review von 2012 aus Online Empire 52)
Jon Lord – Gemini Suite (Re-Release-Review von 2017 aus Online Empire 70)
Jon Lord – Online Empire 21-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2004)
Jon Lord – Online Empire 23-"Eye 2 I"-Artikel: »Beyond The Notes - Live« (aus dem Jahr 2005)
Jon Lord – Online Empire 41-"Living Underground"-Artikel (aus dem Jahr 2009)
Jon Lord – News vom 03.07.2007
Jon Lord – News vom 22.11.2010
Jon Lord – News vom 23.05.2011
Playlist: Jon Lord-Album »Concerto For Group And Orchestra« in "Jahrescharts 2012" auf Platz 3 von Stefan Glas
Playlist: Jon Lord-Album »Pictured Within« in der Kategorie "aktuelle Faves" auf Platz 2 von Thomas Heyer
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